Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Gerade wollte Sextus schon der Aufforderung, sich zu setzen, nachkommen, als er doch einmal kurz in der Bewegung stockte. Er schenkte Aquilius ein entschuldigendes Lächeln und sah damit fast schon spitzbübisch aus. Aber es gab wohl keine Möglichkeit, den Kaiser nicht auf seinen Fehler aufmerksam zu machen. “Augustus, ich bin verheiratet. Schon seit über einem Jahr. Mit der Tochter des Aulus Curtius Felix aus Tarquinia.“ Sextus nahm es natürlich niemandem übel, nicht hierüber bescheid zu wissen, denn immerhin weilte seine Frau wegen ihres Alters noch bei ihren Eltern und bei Sextus' Erstgeborenem. Und das würde auch noch mindestens ein Jahr lang so bleiben, um niemanden in unnötige Versuchung zu führen. Nachdem das also festgehalten war, setzte sich auch Sextus und zerknitterte damit notgedrungen den Faltenwurf seiner Toga. Allerdings war ihm der nun wirklich weit weniger wichtig als so ziemlich alles andere.

    Nach diesen wenigen Augenblicken kam auch der Haruspex Primus nun im richtigen Raum des Palastes an. Angesichts des eher leger gekleideten Princeps kam sich Sextus in seiner Toga fast schon ein wenig 'overdressed' – wie die Griechen sagen würden – vor, aber ihm war es so eindeutig lieber als anders herum. “Sei mir gegrüßt, mein Kaiser“, begrüßte Sextus den Kaiser also mit der Andeutung einer Verbeugung und gesellte sich zu Flavius Gracchus, den er mit einem kurzen Nicken wortlos, aber mit freundlichem Gesichtsausdruck, begrüßte.

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus Minor
    "Aurelius, ich danke dir für deine Dienste."
    , erklang die ein wenig erregte Stimme Philonicas unter dem Schleier hervor, als Scapula mit dem Haruspex vor dem Brautpaar zum Stehen kam, da zweifelsohne auch sie spintisierte, was seine Worte bedeuten mochten.
    "In der Tat. Es ist durchaus erfreulich, dass du unserer Familie in letzter Zeit so vielfach Hilfe leistest!"
    , ergänzte der junge Flavius.
    "Doch erlaube mir eine Frage: Sind mit dieser Disziplin Fragen bezüglich beliebiger Themenfelder durch die Götter zu beantworten? Oder sind auch der Haruspizin bestimmte Grenzen gesetzt, die selbst ein Haruspex Primus nicht zu überschreiten vermag?"


    Genaue Nachfragen zu seiner Interpretation der Leber blieben glücklicherweise aus. Die Braut bedankte sich artig und erhielt dafür von Sextus ein aufmunterndes Lächeln und ein vertrauliches Blinzeln. Auch wenn sie wahrlich keine Schönheit war, am Tag ihrer Hochzeit sollte sie sich ruhig einmal wie eine fühlen. Vielleicht lenkte sie das von allzu schweren Grübeleien über seinen Orakelspruch ab.
    Auch der Bräutigam bedankte sich und schloss eine Frage an, die allerdings wenig mit der Voraussage zu tun hatte. “Freunde sind keine Freunde, wenn sie nicht dann und wann ihre Fähigkeiten zum Nutzen des Freundes einsetzen, nicht wahr?“ antwortete Sextus also noch immer orakelnd auf den Dank, ehe er sich dem Wesen der Divination widmete. “Und bezüglich der Grenzen der etrusca disciplina verhält es sich wie folgt. Ein Haruspex kann die Götter nur für einen gegenwärtigen Zeitpunkt fragen, was deren Pläne für die Zukunft seien. Ob die Götter antworten, liegt nicht in meinem Einflussgebiet, und auch die Götter können nur zu den Dingen etwas sagen, die sie selbst planen oder wissen und die nicht deren eigenem Schicksal widersprechen.“ Die Idee einer allwissenden Gottheit war zwar bekannt, allerdings nicht Teil der etruskischen Religion, ebenso wenig der römischen oder griechischen. Und auch die Götter hatten ihren Schicksalsfaden, dem sie unterworfen waren.
    “Sofern die Götter ihre Pläne noch nicht gefasst haben, weil der Zeitpunkt zu weit in der Zukunft liegt oder in einem Land, das zu fern liegt, als dass dort jemand zu ihnen beten würde, oder gar andere, fremde Götter sich gegen ihren Einfluss wehren, kann ein Haruspex jede Frage stellen und auf Antwort hoffen. Aber auch hier benötigt es des ausgedehnten Studiums, um die Zeichen verstehen zu können und insbesondere, sie von menschlichen Einflüssen bereinigt zu sehen. Ungeübten Haruspices können daher Fehler unterlaufen, doch selbst der geübteste Haruspex kann ein gegebenes Zeichen falsch in die menschliche Sprache übersetzen. Daher ist auch die Interpretation des göttlichen Willens auf das Wissen der interpretierenden Person in gewisser Weise beschränkt. Es ist ein wenig wie die Übersetzung einer unbekannten Sprache. Während wir mit den Griechen einiges gemein haben, fällt uns die Übersetzung griechischer Texte vergleichsweise leicht. Bei Texten jenseits von Parthien mag dies gänzlich anders sein.“
    Es war zugegebenermaßen eine recht gekürzte Zusammenfassung, die wahren Einzelheiten waren allerdings ohnehin nur jenen verständlich zu machen, die das nötige Vorwissen durch das Studium mitbrachten.

    Also kein Termin. “Der Senator ist im Moment beschäftigt. Du müsstest also entweder ziemlich lange warten, oder du kommst morgen direkt nach der Salutatio.“ Sofern nicht einer seiner Klienten einen dringenden Notstand anmeldete, hatte der Senator dann meist noch ein Ohr frei für Leute, die sich nicht direkt seinem Klientel zurechneten.

    Da alles bereit war und die Festgesellschaft mit großen Augen wartete, gab es wohl nicht mehr viel zu besprechen. Da gerade in letzter Zeit sich die Weissagungen doch wieder etwas beliebter waren, hatte Sextus mittlerweile wieder viel Übung darin, die Zeremonie durchzuführen. Der Bräutigam sah nicht so aus, als lege er gesteigerten Wert darauf, das Schaf selbst zu opfern, und auch sonst war niemand im Vorfeld mit eventuellen Sonderwünschen auf ihn zugetreten, weshalb Sextus einfach annahm, dass die übliche Zeremonie mit dem üblichen Maß an Gravitas ausreichend wäre.


    Mit einer Miene, die dem Anlass gebührend freundlich genug, der Gravidität seines Amtes angemessen aber noch ernst genug war, trat Sextus also vor die versammelten Gäste und verneigte sich leicht in Richtung des Brautpaares. “Den Willen der Götter zu lesen ist eine Kunst, in in Etruria seit Jahrhunderten praktiziert wird und deren Geheimnisse nur einer ausgewählten Anzahl an Menschen bekannt gemacht wird. Ich werde mein Bestes tun, den Willen der Götter bezüglich dieser Verbindung zu ergründen und bitte während des Rituals um vollständige Ruhe.“


    Sextus nickte seinen Helfern für dieses Opfer zu und gab damit das Zeichen, dass es nun los ging. Im Gegensatz zu einem Opfer an eine einzelne Gottheit wurde für die etrusca disciplina das Tier allen Gottheiten gleichermaßen geweiht, da sie alle ihre Willen kundtun sollten.
    Sextus nahm also einen Kelch mit Wein von einem seiner Helfer entgegen und intonierte einen etruskischen Sprechgesang, während er langsam den Wein über den Kopf des Schafes goss.“Ich rufe die Götter des Himmels, des Feuers und der Erde. Ich rufe die Götter von überall her. Ich bitte die Götter, mir ihren Willen zu zeigen. Ich bitte die Götter, dieses Schaf als ihr Gefäß zu nehmen, mir ihren Willen zu zeigen“, sang er so langsam in der Sprache, die wohl keiner der Anwesenden verstehen konnte, da sie seit über hundert Jahren kaum mehr gesprochen wurde.


    Nachdem das Schaf nun also den Göttern geweiht war, knieten sich die beiden Helfer hin. Einer hielt die Vorderfüße des Schafes, der andere die Hinterfüße. Sextus tauschte den Weinkelch gegen ein vergoldetes Messer. Außerhalb der Sicht des Schafes führte er das Messer einmal knapp über der Wolle über dessen Rücken. Dann ohne Vorwarnung griff er fest die Wolle am Kopf des Tieres und stach in derselben, fließenden Bewegung in den Hals des Tieres. Das Blut spritzte und Sextus hielt das Tier im Nacken fest, während es einen erschreckten Todeskampf kämpfen wollte. Seine Beine aber waren gehalten, so konnte es nicht ausbrechen, und blutete nur heftig in die bereitgestellte Schale. Als das Zucken des Tieres aufhörte, half Sextus dabei, es zu Boden zu lassen, damit es im Liegen noch etwas ausblutete.
    Der Bauch lag auf der den Zuschauern zugewandten Seite. Meistens fanden die Umstehenden diesen Teil besonders spannend. Sextus wartete noch einen Augenblick, bis noch weiteres Blut aus dem Schaf geflossen war, ehe er sich dorthin zum Bauch begab und mit dem Opfermesser und fachkundiger Hand den Bauchraum öffnete. Wie immer bei einer solchen Gelegenheit, fiel das Gedärm heraus und wurde von Sextus einfach beiseite geschoben. Mit geübten Fingern ertastete Sextus in dem dunklen Bauchraum die Organe, bis er die Leber gefunden hatte. Mit einem viel geübten Schnitt trennte er sie vom Gewebe und wartete mit beiden Händen im Bauch des Schafes noch vier Atemzüge, um der Leber so die Gelegenheit zu geben, bereits im Schaf auszubluten. Das machte zum einen das Lesen der Zeichen einfacher, zum anderen empfand das Publikum das so als weniger ekelig.
    Erst dann holte er also die Leber heraus und legte sie auf eine goldene Patera. Die Arme bis zu den Ellenbogen blutig stand er auf und begann auch sogleich, die Leber zu untersuchen nach Zeichen des göttlichen Willens.


    Bedächtig untersuchte Sextus die Leber von allen Seite, runzelte nur bisweilen die Stirn, fühlte mit den Fingern über die Stellen, die den Augen auffällig erschienen, und legte schließlich die Leber beiseite. Kurz ließ er seinen Blick über seinen Freund Gracchus Senior gleiten, dann wandte er sich dem Brautpaar zu. Er hatte einige Dinge gesehen, doch nicht von allen wollte er hier so öffentlich sprechen. Vielleicht, wenn Gracchus ihn in einer ruhigen Minute fragen würde, aber höchstwahrscheinlich würde er das meiste einfach für sich behalten.
    “Nicht immer ist es einfach, den göttlichen Willen in Worte zu fassen, da die Götter ewig sind, wir Menschen allerdings nur einen kurzen Augenblick in ihrem Leben weilen. Und dem allem unterworfenen Schicksal sind selbst die Götter nur wie das Flackern einer Kerze“, begann er also seinen Weisspruch und deutete damit schon an, dass einiges undeutlich war.
    “Und so sagen die Götter für diese Verbindung zweifache Freude voraus, aber ebenso zweifaches Leid. Eine fruchtbare Verbindung, die noch wachsen wird und von uns freudig gefeiert werden sollte.“ Sextus schloss mit einem gekonnt diplomatischen Lächeln und hoffte, dass zumindest öffentlich allzu scharfe Nachfragen unterbleiben würden. Ein wenig mythisch musste ein Weissagungsspruch ja nun immer sein.

    Nur kurze Zeit nach dem Pontifex traf auch der Haruspex ein. Auf der einen Seite wäre es Sextus durchaus recht gewesen, wenn die ganze Angelegenheit mit einem schlichten 'ja' beschieden worden wäre und sie fortfahren könnten. Auf der anderen Seite bot sich so die Möglichkeit, vielleicht noch das ein oder andere anzusprechen, was über den augenblicklichen Sachverhalt hinaus ging. Daher hatte er also seine eigentlichen Termine verschoben, sich in seine Ausgeh-Toga geschmissen und war zum Palatin gekommen.
    “Der Kaiser erwartet meine Anwesenheit“, sagte Sextus recht trocken zu den wachhabenden Soldaten am Tor, während ein beflissener Sklave ihnen die Einladung des Kaisers überreichte. Gedanklich war er schon einige Schritte weiter und legte sich Argumente und Erläuterungen zurecht.

    Wie immer öffnete Reunan die Tür und sah auf den klopfenden hinunter. Gut, der junge Mann wollte also den Hausherrn sprechen. Fehlten nur so ein paar wichtige Informationen rund herum.
    “Hast du denn einen Termin? Wenn nein, worum geht es und wie ist dein Name?“ Das waren wohl so die wichtigsten, fehlenden Eckdaten.

    Der Haruspex ließ auch nicht allzu lange auf sich warten. In vollem Ornat und mit Lituus stieg Sextus aus seiner Sänfte, seine Nichte wie mittlerweile fast schon üblich als weibliche Begleitung an seiner Seite. In der Sänfte wartete auch eine dem Fest angemessene Garderobe darauf, nach dem blutigen Teil der Feierlichkeit gegen die Weste aus Tierhäuten eingetauscht zu werden. Schon bei der vorangegangenen flavischen Hochzeit hatte sich diese Vorgehensweise bewährt.


    Kurz blickte er misstrauisch zur Wolkendecke am Himmel. Sollte Iuppiter es bei dieser stummen Drohung nicht belassen, sondern mit Blitz und Donner zu den Sterblichen sprechen wollen, wäre die Hochzeit wohl schnell beendet. Darin stimmten so ziemlich alle überein, dass ein Gewitter das schlechtmöglichste Zeichen überhaupt war, und unter diesem Vorzeichen würde wohl niemand eine Ehe schließen wollen.


    Gemessenen Schrittes also betrat er das cornelische Anwesen und sah sich auch sehr schnell dem Brautvater und dem Bräutigam gegenüber, indes die Braut verschleiert – den Göttern sei dank – dahinter der kommenden Dinge harrte. Sextus wartete, bis er die Aufmerksamkeit der Gruppe erhielt, und setzte dann zu einer Begrüßung an.
    “Cornelius, Flavius, ich danke euch für die Einladung. Meine Nichte Corvina dürfte, soweit ich weiß, allen Anwesenden bekannt sein?“ Zumindest hatte man sich auf besagter anderer Hochzeit wohl schon gesehen.

    Sextus blieb erst einmal still. Es war nicht so, dass ihn die Diskussion nicht interessierte. Wobei, nachdem dies nun mittlerweile die dritte Sitzung war, in der Claudius Menecrates einfach nur vor großem Publikum darüber jammerte, wie gemein die mittlerweile verstorbene Sergia Fausta doch zu ihm gewesen war, hielt sich Sextus' Begeisterung für das Thema doch in sehr engen Grenzen. Von der Frage nach der Pietas ganz zu schweigen, war es doch ebenfalls Teil der römischen Gebräuche, über Tote entweder nur Gutes zu sagen, oder zu schweigen. Aber nunja, manche Gebräuche schienen dem Claudius einfach wichtiger als andere.


    Aber der eigentliche Grund, warum Sextus gerade schwieg: Er hatte wirklich gerade keine Lust, zum wiederholten Male den Claudier mit Anlauf in die Pfanne zu hauen. So gar keine Lust. Wenn er sich nun aber hierzu doch äußern müsste, würde es zweifelsfrei darin enden, dass dem gesamten römischen Senat deutlichst vor Augen geführt würde, wie wenig Ahnung der Claudius von der Welt, in der er lebte, hatte. Daher hoffte Sextus einfach, dass er es jetzt einfach endlich bleiben lassen würde.

    Da war sie wieder: Die Gesetzesdiskussion, die sich nur daraus ergab, dass Claudius Menecrates sich ungerecht behandelt fühlte und die ansonsten jeglicher Grundlage entbehrte.


    Sextus erhob sich – immerhin war es zu großen Teilen seine Reform gewesen die geändert werden sollte – und erbat das Wort.
    “Werte Senatoren, die Sache ist in der Tat ganz einfach. Das Gesetz sieht vor, dass jede Person fünf Betriebe in ihrem Eigentum führen darf. Zuvor waren es vier, so dass sich nach der Reform nun schon eine Erhöhung der Betriebsanzahl ergeben hat.


    Auf der anderen Seite honoriert unser Staat es, Kinder zu bekommen, indem er denjenigen das Ius liberorum verleiht, welches mit Sonderrechten versehen ist.


    Doch Senator Claudius reicht dies nicht, er möchte sein eigenes Vermögen noch weiter mehren. Ihm stünde es frei, Kinder oder Enkel aus der Patria Potestas einfach zu entlassen, so dass sie wie jeder freie Bürger eigenes Vermögen erlangen können. Ebenso stünde ihm frei, einen vertrauensvollen Sklaven zu befreien und jenem den Betrieb zu übereignen. Aber auch dies wünscht er offenbar nicht. Der einzige Wunsch ist, sein eigenes Vermögen zu vergrößern.
    Und hierfür sehe ich nun in der Tat keinerlei gesetzliche Notwendigkeit nur Aufgrund der Tatsache, dass er ebenso wie ich oder die Hälfte der Senatoren- und Bürgerschaft eben Kinder hat, die ihm unterstehen.“

    Zitat

    Original von Cnaeus Fabius Torquatus


    "Senator Aurelius", grüßte ich knapp, während Axilla in diesem Fall die Gesprächsführung übernahm. Währenddessen rief ich mir ins Gedächtnis, was ich dem Namen Aurelius zuordnen konnte.


    Schließlich waren sie an der Reihe, dem Brautpaar die Aufwartung zu machen, und wurden auch sogleich freudig begrüßt. Zumindest von der Braut, der Bräutigam wirkte eher zurückhaltend reserviert, womit Sextus allerdings keine Probleme hatte. Freundlichkeit war in den meisten Fällen ohnehin nur Fassade. Nichts desto trotz eine Fassade, derer er sich selbst gerne und häufig bediente. So wie jetzt.


    “Iunia Axilla, ich danke dir für die Einladung und diesen herzlichen Empfang in deinem Haus. Und darf ich auch dir, Fabius, zu deiner formidablen Partie gratulieren.“ Soviel zur Begrüßung und zur Schmeichelei an die Braut. “Darf ich euch auch meine Nichte Corvina vorstellen, die mich heute begleitet?“ stellte er dann auch gleich seine Begleitung vor, damit auch sie sich ein wenig in Konversation üben konnte.

    Dieses Weib war verrückt. Glücklicherweise war Sextus nicht auf Konversation aus und auch nicht an ihrer Logik interessiert. Doch sollte er ihr wirklich zeigen, was er war? Es würde ihr definitiv nicht gefallen und wäre viel zu schnell vorbei. Nein, Sextus hatte ebenfalls kein Interesse daran, der Tiberia das zu zeigen, was sie wollte, und erst recht nichts von seinem Wesen. Doch das, wie sie ihn vielleicht sehen sollte, davon konnte sie eine kleine Kostprobe haben.
    Seine Händen beschleunigten ihr Tun in grober Art und rafften das Kleid bis über ihre Hüften. Es bedurfte nur wenig Koordination, um der Tiberia das folgende in Aussicht zu stellen, doch erfüllte Sextus ihr nicht ihren offensichtlichen Wunsch nach Vereinigung. Noch nicht. Nicht nach ihren Regeln.
    Während Sextus' linker Arm sich noch ein wenig fester um ihren Körper schlang und sie so zum bleiben zwang, fuhr seine Rechte nun endlich tiefer und tat, was sie schon die ganze Zeit zu tun gedachte. Quälend sanft fanden seine Finger ihren Weg um erst sachte, dann langsam Intensität und Geschwindigkeit steigernd, bis er sicher war, dass seine Gespielin kurz vor der Erfüllung stand. Erst dann gab er seinem eigenen Drang nach und führte sie mit stärker werdenden Stößen über jene Schwelle, nur kurz den Moment auskostend, und dann weiter, bis er sich bei einem weiteren Aufbäumen ihrerseits selbst den kurzweiligen Kontrollverlust erlaubte.


    Sextus verharrte noch einen Augenblick so mit ihr vereint, während sein Herzschlag langsamer wurde und das Rauschen des Blutes in seinen Ohren schließlich nachließ, ehe er die Verbindung trennte und nach einem Sklaven wegen etwas Posca rief. Er ließ sich einen Becher reichen und trank in ein paar großen Schlucken. Natürlich bekam Tiberia Corvina ebenso wortlos etwas angeboten.


    Sextus hatte keine Ahnung, was die Tiberia mit ihrem Besuch eigentlich überhaupt bezweckte, daher hatte er auch keine Ahnung, ob sie mit diesem kurzen Zwischenspiel schon am Ziel war oder nicht. Sich lässig gegen eine der Säulen im Atrium lehnend fragte Sextus also mit ehrlicher Neugier: “Bleibst du noch auf ein Bad?“

    Den Biss hatte Sextus schon fast erwartet und ließ ihn über sich ergehen. Allerdings verwirrte diese Frau ihn in nicht unerheblichem Maße, als sie sich trotz ihrer offensichtlichen Erregung seiner Hand verweigerte und ihn abhielt. Im Bereich von Politik und dergleichen konnte man ihm durchaus eine gewisse Rücksichtslosigkeit unterstellen. Doch bei Frauen war er weder gewillt, noch hatte er es irgendwie nötig, Gewalt anzuwenden, um an sein Ziel zu kommen. Bei einer Sklavin, vielleicht, aber auch dort nicht in der Regel. Sextus bevorzugte eindeutig Partnerinnen, die mit ihm schlafen wollten und hatte in dieser Beziehung keinerlei sadistische Ader. Da war diese Zurückweisung recht ernüchternd, gleichwohl die Tiberia ihre Hände gleich in seiner rückwärtigen Muskulatur vergrub.


    Sextus änderte also seinen Plan und mit einer schnellen Bewegung, bei der er durchaus seine Größe und Stärke ausnutzte, drehte er die Tiberia kurzerhand um und drückte sich an ihre Kehrseite, während seine Arme sie zwar fest, aber nicht unlösbar hielten. Sextus genoss noch einmal den Duft ihres Haares, als er sich zu ihr herabbeugte, um in ihr Ohr zu flüstern: “Wenn du einen willfährigen Sklaven erwartest, muss ich dich leider enttäuschen“, raunte er ihr zu, während er in einem zweiten Versuch seine Hände langsam über ihren Körper nach unten wandern ließ und dabei leicht ihre Tunika unter seinen Fingern raffte, um die blanke Haut darunter freizulegen.

    Die Einladung hatte Sextus ein wenig überrascht. Die heiratende Iunia kannte er eher als Freundin seiner Exfrau, und auch dies nur flüchtig, und den Fabier kannte er gar nicht. Auf der anderen Seite wurde man als Senator und Haruspex desöfteren zu Feiern eingeladen, bei denen man die wenigsten Beteiligten wirklich kannte. Und immerhin war dies eine Hochzeit eines der höchsten Ritter mit einer Dame aus einer ebenfalls sehr angesehenen Ritterfamilie, da konnte man also schon einmal auftauchen.
    Da seine beiden Cousinen für den Sommer nach Baiae abgereist waren, fiel die Auswahl, wen er als Begleitung mitnehmen sollte, ausgesprochen leicht: Seine Nichte Corvina. Die Chancen standen immerhin gut, auf weitere Senatoren und Mitglieder der besseren Gesellschaft zu treffen, und die sollten Corvina durchaus kennen lernen. Immerhin wollte man sie ja verheiraten, wenn sich etwas passendes ergab.


    Mit angemessener Verspätung also traf auch die aurelische Sänfte an der Domus Iunia ein. Sextus half seiner Nichte noch aus dem Vehikel und reihte sich dann in die Reihe derer ein, die das Brautpaar begrüßen und mit belanglosen Floskeln überschütten wollten

    Ein wölfisches Lächeln umspielte Sextus Mundwinkel. Nein, Tiberia Corvina war wohl definitiv keine Jungfrau mehr und wusste, was sie wollte. Sie würden wohl beide auf ihre Kosten kommen, wenngleich er vermutlich etwas mehr als sie. Er war nicht gerade der devote Part bei derlei Zweisamkeit und hatte nicht vor, selbiges hier zu sein, wenngleich Tiberia Corvina mit ihrer kleinen Geste durchaus ein wenig Dominanz andeutete. Aber sollte sie ihm ruhig den Rücken dabei zerkratzen, das störte ihn nicht. Wenn es ihm zuviel wurde, fesselte er sie eben ans Bett. Wahrscheinlich würde ihr das dennoch gefallen. Sie konnten es ja herausfinden.


    Jetzt und hier aber wurde seine Hand dezent mutiger, streichelte erst weiter nur eher zufällig an ihrer Brust vorbei, bis seine Finger immer häufiger und zielgerichteter das streichelten, was sich unter dem Stoff so vorlaut abzeichnete. “Ich denke, ich werde es aushalten“ raunte er ihr also jovial als Antwort zu, während seine Finger mehr und mehr die sich ihm entgegenreckenden Knospen reizten, ohne dass sein Blick dabei auch nur eine Sekunde dem ihren wich. Er genoss es zu sehr, zu sehen, welche Auswirkungen seine Berührungen auf eine Frau hatten, um im richtigen Moment diese weiter zu verstärken, beinahe zu quälen und zu reizen.
    Langsam wanderte die Hand in Corvinas Rücken derweil nach oben, bis sie ihre Haare zu fassen bekam. Mit einer zwar bestimmenden, aber nicht zu groben Bewegung griff Sextus in ihr Haar und zwang so ihren Kopf in den Nacken. “Ich hoffe, du bist ebenfalls nicht zu zart besaitet?“ fragte er noch einmal nach, verschloss dann aber sofort ihren Mund mit dem seinen, ehe sie antworten konnte. Viel zu lang hatten diese Lippen ihn verlockt, und sofern sie nicht noch viel wagemutiger war als selbst die verruchtesten Römerinnen, würde er sich wohl damit begnügen müssen, sie an seinen Lippen zu fühlen. Dies wollte er aber in aller ihm möglichen Intensität.
    Unterdessen ließ seine andere Hand von ihrer Brust ab und bewegte sich in südlichere Gefilde, um zu prüfen, ob sie schon bereit für ihn war – und auch hier noch ein wenig dahingehend nachzuhelfen.

    Sextus ließ sie gerne näherkommen und beobachtete sie dabei. Unwillkürlich fragte er sich, wie oft sie dieses Spiel schon gespielt hatte. Nicht, dass er etwas dagegen hätte. Jungfrauen hatten zwar durchaus auch ihre Reize, allerdings bevorzugte er durchaus Damen, die nicht erst noch selbst herausfinden mussten, was ihnen gefiel, sondern dies bereits wussten und bestenfalls auch kommunizieren konnten. Dies machte den Lustgewinn für alle Parteien letztendlich am einfachsten.
    Als sie nahe genug war, zog Sextus sie mit einer schnellen Bewegung dicht an sich. Da sie beide nur so viel wie nötig bekleidet waren, konnte sie zweifellos durch den Stoff ihrer beiden Gewänder hindurch fühlen, wie sehr er sich auf dieses Wiedersehen hier freute. “Und welche Grenzen schweben dir hierbei vor?“ raunte er ihr zu und genoss ihre Nähe und den Duft ihrer Haare. Zu gern hätte er das elende Reden übersprungen und sie an Ort und Stelle geküsst – und weiteres, doch wusste er selbst, dass es für sie ebide letztendlich nur umso intensiver werden würde, umso weiter er die Spannung hier im Vorfeld aufzubauen imstande war.
    Dennoch streichelte seine freie Hand einmal ihren Arm entlang und wanderte auf Höhe ihrer Brust über den Stoff, wie eine Wiederholung der Berührung des gestrigen Abends, nur dieses Mal weit weniger verdeckt und weit zielgerichteter, wenngleich auch nur ähnlich kurz, ehe sie weiterfuhr.

    Wie immer öffnete Reunan die Türe. “Salve, wie... oh, Tiberia“, erkannte er recht schnell den kurzzeitigen, früheren Hausgast wieder und verneigte sich leicht. “Mein Dominus sagte schon, dass er dich heute erwartet. Tritt doch bitte ein.“

    Da sie es schon angekündigt hatte, musste Tiberia Corvina nicht lange im Atrium warten, ehe der Hausherr ebenfalls im Atrium erschien. Da allen Beteiligten wohl klar war, wohin die Reise ging, hatte er selbst seine Garderobe nicht auf modische, sondern auf praktische Erwägungen hin ausgesucht: Eine für patrizische Verhältnisse einfache, grüne Tunika ohne großen Schnickschnack, ein einfacher, dazu passender Gürtel und die im Haus eben üblichen Sandalae. Kurz: Alles, was auch möglichst rasch abgelegt werden konnte und auch so nicht störte.
    “Tiberia. Welch eine Freude, dich zu sehen“, begrüßte Sextus seinen Gast dennoch unverfänglich. Zumindest den Worten nach, denn wo sie so verheißungsvoll am vergangenen Abend mit ihren Äußerungen und Handlungen gewesen war, war es wohl nicht notwendig, sein Interesse an ihr zu verheimlichen. Und so ließ er ganz offen seinen Blick an ihrem Körper entlangwandern und seine Phantasie ausschweifen, wie er ihr diese Kleidung wohl am besten vom Leib reißen sollte.

    Glücklicherweise hatte sein Klient auch einige positive Nachrichten. Purgitius Macer würde hoffentlich ein guter Lehrmeister sein und dem Tiberius noch die ein oder andere Flause austreiben, die dieser vielleicht noch hegte. Abgesehen davon band auch diese Verbindung den plebeischen Senator ein wenig enger an Sextus. Zumindest, sofern sich Tiberius Caudex dort nicht allzu dumm anstellte.
    Die Augustales an und für sich waren Sextus hingegen weitgehend gleichgültig. Es war insofern erfreulich, dass Tiberius Caudex seine Pflicht als Patrizier erfüllte und damit ein weiteres Mosaiksteinchen im gesamten Gefüge sich an seinen Platz begeben hatte. Allerdings war der Kaiserkult an sich für Sextus eher von untergeordnetem Interesse.
    “Nun, das sind beides sehr erfreuliche Nachrichten. Wenn du dich in beiden Positionen etwas eingerichtet hast, können wir dann den nächsten Schritt für deine Karriere gehen und die Erhebung in den Ordo Senatorius anstreben. Ich denke, die Fürsprache von Consular Purgitius zusätzlich zu der meinen sollte schon genügen, den Kaiser zu einer entsprechenden Handlung zu bewegen.“ Immerhin war Tiberius Caudex Patrizier, die generell das Vorrecht auf den Senat hatten. Da die Fürsprache nicht nur eines patrizischen, sondern auch eines plebeischen Senators zu hören, sollte nach allen Regeln der Vernunft genug Begründung für jeden Kaiser sein.

    Seltsamerweise bekam Sextus mehr und mehr das Gefühl, unverhofft Vater geworden zu sein. Wenn er wenigstens Caudex' Mutter gekannt hätte, wäre dieser Gedankengang ja sogar belustigend, wenngleich die beiden für eine tatsächliche, solche Konstellation wohl nicht genug Jahre trennten. Aber so war es erst recht seltsam, insbesondere wenn er an seine Pläne für den nächsten Tag mit der Tiberia dachte. Irgendwie war es gerade dazu gekommen, dass er sich nicht nur um die drei unverheirateten Damen in seiner Verwandtschaft zu kümmern hatte, sondern auch noch um die unverheiratete Dame hier. Und während er weder mit Lentidia, noch Drusilla und erst recht nicht seiner Nichte Corvina das Bett zu teilen gedachte, war es dann in Bezug auf die Tiberia mehr als nur ironisch, den Mann mitzusuchen, den sie vielleicht sogar mit ihm betrügen würde, sollte sich eine längerfristige Vereinbarung ergeben.
    Dennoch hörte Sextus sich selbst ein “Es kann zumindest nicht schaden“ sagen, während er selbst noch darüber grübelte, wie es jetzt eigentlich genau dazu gekommen war und was er damit anfangen sollte. Doch mit etwas Glück sagten die Claudier gleich zu. So groß war der Heiratsmarkt in Rom ja wirklich nicht, bezüglich confaerratischer Ehen sogar noch weit kleiner. Das wusste Sextus ja leider selbst nur zu gut.