Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Am gestrigen Tage erreichte Sextus die Nachricht von dem Aushang auf den römischen Märkten über Umwege. Die Sklaven hatten darüber getuschelt – nicht dass er etwas auf ihr Geschwätz geben würde – und er hatte es im Vorbeigehen gehört und betreffendes Objekt dann ausgefragt über den genauen Inhalt und vor allem den Auftraggeber jenes Aushanges. Gaius Octavius Victor, seines Zeichens Curator Viarum, war scheinbar pünktlich zum Ende von Sextus' Amtszeit zurückgekehrt und wollte eine Straße bauen.
    Da Sextus aber gerade noch Quästor Urbanus war und damit für den Reiseverkehr und irgendwie auch für die Straßen in und um Rom herum verantwortlich war (was ein geringwertiger Grund war) und er darüber hinaus noch keine Kontakte zu besagtem Senator hatte und ein freundliches Nachhorchen daher der perfekte Vorwand war, selbiges Säumnis nachzuholen und Bekanntschaft zu schließen (was ein weitaus gewichtigerer Grund war), hatte er beschlossen, bei dem Octavier einmal vorstellig zu werden.


    Und so hatte er sich heute seine feine Toga legen lassen und sich zur Casa Octavia bringen lassen. Es war die Zeit direkt nach der üblichen Salutatio, so dass anzunehmen war, der Curator weile noch zuhause. Es war zugegebenermaßen ein Risiko, dennoch wollte Sextus nicht erst langwierig einen Termin ausmachen, noch dazu, wo er mehr einen Vorwand denn ein echtes Anliegen vorzubringen gedachte.
    Und so stand er also nun an der Porta gemeinsam mit einem Sklaven, der auch brav anklopfte, um seinen Herrn zu melden.

    “Dafür wäre ich dir durchaus sehr verbunden, Imperiosus. Wenn deine Kollegen dafür erst... überredet werden müssen, gib bescheid.“ Sextus war sicher nicht der vermögendste Vertreter seiner Sippe – dafür fehlten einfach die hochdotierten Posten, die ihm auch erst nach Erreichen der Senatorenwürde offenstanden – aber um den ein oder anderen Beamten zu schmieren und damit Ergebnisse zu beschleunigen reichte es allemal aus. Trotz allem war er vermutlich noch immer der Vermögendste hier im Raum.


    Etwas besänftigter – wenngleich er die eben aufgetretene Konstellation sicherlich im Hinterkopf behalten würde – lehnte er sich zurück und nippte an seinem Wein.
    “Man könnte auch sagen, es macht Vescularius Spaß, die Nobilitas und vor allem die Patrizier zu ärgern“, meinte Sextus leichthin und wusste um die Wirkung seiner Worte, gerade auf den Pompeier. Dass ihm Nachteile daraus erwachsen konnten, dachte er nicht, allerdings würde eine Reaktion darauf die Einstellung seiner Verbündeten für ihn klarer erscheinen lassen, so dass er auf lange Sicht besser planen konnte.
    “Wobei das in diesem Fall sich als durchaus nützlich herausstellen könnte. Wenn die Senatorenschaft sich lieber anderen Dingen als ihren Pflichten widmet, muss man sie eben erziehen.“ Das wiederum war ausnahmsweise mal seine ehrliche Meinung. Wenn die alten Herren sich langweilten, sollten sie sich eben nützlich machen. Doch bitte in Rom, und nicht irgendwo in der Weltgeschichte, wo sie nichts zu suchen hatten. Und solange es seine eigenen Vorstellungen und Planungen nicht beschnitt, waren ihm Regelungen egal, die das bei anderen taten.

    Zum Glück war kein größerer Schaden entstanden und der Flavier nahm die Entschuldigung ohne weiteres an. Die Schadensbegrenzung war wohl geglückt. Auch wenn der ältere Gracchus fast ein wenig belehrend wirkte, als hätte er den jüngeren Sextus vor einer Dummheit bewahrt. Sextus ließ ihm den Glauben und nickte nur leicht zu den Worten ohne etwas zu erwidern. Was sollte er schon sagen? Dass er Vala sicher nicht wegen dessen Idealen oder dessen Willen, möglichst römisch zu werden, schätzte? Letzteren unterstellte er dem Germanen ohnehin nicht. Eher Machthunger, genügend Skrupellosigkeit, um jenen zu stillen und nützliche Intelligenz, gepaart mit einem anständigen Geschmack, was Frauen anging. Doch waren das wohl weniger die Vorzüge, die man in gepflegter Runde so anzusprechen wagte.
    Sextus beschied sich also damit, zuzuhören, worum der Rechtsstreit überhaupt ging. Kurz grübelte er darüber nach, woher Vala denn von dem zu niedrig angesetzten Preis wusste, wenn zu diesem Preis nicht verkauft worden war, aber diese Frage wäre wohl dem weiteren Gespräch nicht sehr förderlich, legte es doch Zweifel an der Aussage des Flaviers nahe. Zumal das im Zweifelsfall ohnehin nur Vala ausreichend beantworten konnte. Der tatsächlich wegen einem Hundertstel Sesterz bei einer Sache, die ihn nicht selber betroffen hatte, ins Feld gezogen war. Es stimmte wohl, was man über die Germanen sagte: Sie schlugen sich gern und viel.


    “Ich denke, dass du durchaus recht hast. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Vinicius Hungaricus seinen Klienten auf diese Weise demütigen wollte, indem er einen eigenen Klienten hierfür benutzt. Dafür gibt es meines Erachtens nach keine Veranlassung.“
    Nun, eine könnte es geben, immerhin war dessen Bruder Lucianus sicherlich an den Vinicier herangetreten und hatte ihn ins Vertrauen gezogen – zumindest war das eine nicht ganz abwegige Vorstellung – weshalb Hungaricus ablehnend gegenüber Tiberius Durus sein könnte – immerhin war es doch nicht unauffällig, dass dieser nicht an ihren konspirativen Treffen teilnahm. Allerdings war der Schluss, dass dieser seinen Klienten düpieren wollte, indem er sich Valas bediente, dann zwar vorstellbar, aber unwahrscheinlich.


    Sim-Off:

    Weiß ich, hab die Frage extra so offen gestaltet.

    Danke für die Hilfe bei den Ergänzungen. Aber (und ich zitier jetzt aus dem Leitfaden für die Chronik, die für Ergänzungen einzuhalten sind, egal wo wer irgendwannmal das "falsch" gemacht hat ;) :(


    Zitat

    Für die Chronik irrelevant:
    * Standeserhebungen unterhalb des Ordo Equester
    * Militärische Beförderungen unterhalb der Stabsebene
    * Sämtliche Veränderungen in den Stadtverwaltungen



    Bezüglich der religiösen Posten werd ich mal Rücksprache halten, da steht im Leitfaden "nur Provinzebene", und das ist dabei ja nicht gegeben.


    Und Dragonum ist schon eingetragen, nur ist der Juli wohl für alle nicht-Quaestoren noch nicht sichtbar. *kopfkratz*


    Wo ich allerdings um eine sinnige Zusammenfassung und Verlinkung von einem der Beteiligten durchaus dankbar wäre, ist die Sache um die Seuche in Mantua und den Feldzug in Ägypten gegen die Blemmyrer. Da hab ich nicht alles mitgelesen und wär daher dankbar, wenn mir da jemand helfen würde ;)

    Ganz offensichtlich war Gracchus über Sextus Bekanntschaft wenig erbaut. Allerdings hatte Sextus auch nicht ernsthaft damit gerechnet, mit diesen wenigen Worten den Flavier für den Duccier einzunehmen. Denn Gracchus hatte schon ganz recht, er war ein Homo Novus, und die fielen immer nur durch überaus starken Machthunger und ebenso schlechte Manieren auf, wenn sie denn überhaupt auffielen. Kaum ein Vergleich mit der altehrwürdigen römischen Gesellschaft, erst recht nicht mit den patrizischen Gentes. Und schon gleich gar nicht mit einer wie den Flaviern, die auf eine sehr lange Geschichte zurückgreifen konnten.
    Und ganz gewiss bildete Vala hierbei keine Ausnahme. Sextus hatte ihn durchaus so kennengelernt und einschätzen gelernt, dass diesen Mann nichts mehr interessierte, als persönlicher Machtgewinn. Nicht, dass den Germanen darin irgendwas von Sextus unterschied. Nur hatte Sextus durch Geburt das Recht, diesen Ehrgeiz zu haben, während Vala schon froh sein durfte, überhaupt in Rom zu sein, und ihm dahingehend Bescheidenheit besser gestanden hätte. Wenngleich eben jene Bescheidenheit ihn von der Macht auch abgeschnitten hätte. Ein Teufelskreis, wenn man so wollte, der Neulinge recht effektiv aus den höheren Schichten der Gesellschaft fern hielt. Noch dazu einer, dem Sextus durchaus zustimmte, sicherte es doch die Macht seiner Familie und verhinderte, dass der Pöbel Roms sich ernsthaft in Regierungsgeschäfte einmischen würde. Politik war etwas für gebildete Leute, die Ahnung von Geld und Tradition hatten, und nichts für Umstürzler und Revolutionäre, die ihre Möglichkeiten in der momentanen Machtstruktur einfach nicht erkennen konnten oder wollten.


    Natürlich führte Gracchus auch Arminius an, was so ziemlich das Totschlagargument jeder Diskussion über Germanen war. Früher oder später kam es immer zur Sprache, eine Diskussion musste nur lang genug gehen. Ein gewisser Godwinus hatte dazu wohl eine Gesetzmäßigkeit entdeckt, wenngleich diese sich nicht auf diesen einen speziellen Germanen bezog. Zugegebenermaßen geschah es in dieser speziellen Diskussion doch etwas früher als erwartet und lieferte Sextus den mehr als deutlichen Hinweis, dass Gracchus noch weit traditioneller und konservativer eingestellt war, als er selbst. (Mit zunehmendem Ehrgeiz legte man bisweilen einige Ansichten zugunsten von Gelegenheiten ab.)


    Sextus wollte gerade noch einen beschwichtigenden Versuch zugunsten seines Bekannten wagen und versichern, dass er kaum mit diesem Wortbrüchigen und Verräter in einen Topf geworfen werden kann. Auch wenn Sextus hierbei einige Tugenden würde improvisieren müssen.
    Doch dann kam ein Argument, das Sextus gerade mit einem leichtfertigen Lächeln vorbereiteten Argumente wie ein Wirbelsturm wegfegte und ihn mitten in der zur Erklärung seiner Worte eingenommenen Geste erstarren ließ.
    “Er hat was?“ entfuhr es Sextus wenig rhetorisch begabt, als er diese unliebsame Überraschung noch nicht ganz verarbeitet hatte. Seine Gedanken rasten, als er versuchte, in der Gänze zu erfassen, was das bedeutete. Vala musste an einer Art von Größenwahn gelitten haben, einen Flavius anzuzeigen und vor ein Gericht zu zerren. Was hatte Flaccus angestellt, dass sein Freund diesen Schritt gegangen war, um so sämtliche Vorurteile gegen Homines Novi zu bekräftigen?
    Sextus beschloss, Schadensbegrenzung zu betreiben. Natürlich in eigener Angelegenheit! Wenn er zwischen dem Duccius, einem Germanen von sonstwo mit langfristig nicht absehbaren Nutzen, und einem Flavius auf dem besten Weg zum Flamen und Consul mit Einflussmöglichkeiten in verschiedensten Collegia zu wählen hatte, musste er nicht lange überlegen.
    “Ich denke, ich muss mich bei dir entschuldigen, Flavius. Bis eben wusste ich nicht, dass er deinen Großneffen Flavius Flaccus angezeigt hat. Ich hoffe, du nimmst mein ehrliches Bedauern über meine leichtfertig gesprochenen Worte an. Hätte ich von diesem Umstand Ahnung gehabt, hätte ich sicherlich nicht so leicht dahergeredet.“ Teile davon waren sogar durchaus wahr. Hätte er davon gewusst, Sextus hätte sicher nicht versucht, Vala ins Gespräch zu bringen. Und auch eine spätere Partizipation des Ducciers an ihrer Verschwörung wurde gerade extrem unwahrscheinlich.
    “Ein noch laufendes Verfahren? Entschuldige, wenn ich fragen muss, aber ich wusste bislang wirklich nichts von solch einem Umstand.“ Wäre das Verfahren bereits beendet, von dem Urteil hätte Sextus gewisslich gehört. Er wusste ja noch nicht einmal, wessen Flaccus angeklagt war. Aber er konnte sich eigentlich keine schwerwiegende Tat bei dem jungen Flavius vorstellen. Schon gar nicht gegen den Duccier.

    Sextus überlegte gerade, ob es so günstig war, sein Votum abzugeben, wie er es getan hatte. Der Sohn würde kaum anders abstimmen als der Vater, womit es 3:2 für Lucianus stehen würde.
    Andererseits konnte er sein Verhältnis zu seinem Patron oder zu dem Vinicier kaum nennenswert verschlechtern, und er band sich lieber enger an die Familie seiner Frau. Kurz überlegte er selbst, wie er weiter verfahren sollte, wenn der Vinicier wie von ihm befürchtet durch die Stimme von Tiberius Ahala gleich gewählt werden würde. Er hatte keinen Vorteil davon, diesen Mann auf dem Kaiserthron zu sehen. Im Gegenteil, eigentlich brachte es ihm sogar nur Nachteile. Der Vinicier schien ihm alles andere als zugetan, und welchen Vorteil sollte es ihm bringen, jemandem zu helfen, der ihn hinterher am ausgestreckten Arm würde verhungern lassen und ihm nicht weiter helfen würde? Da wäre es schon verlockender, diesen Mann zu opfern und vom jetzigen Machtinhaber für diese Gefälligkeit ein paar schicke Posten, Titel, Ländereien und dergleichen zu fordern. Das barg viel weniger Risiken und hatte dieselben Gewinnchancen. Auch wenn das bedeutete, dass er gleichzeitig seine Cousine zur Witwe machen würde und die patrizische Elite des Reiches dezimieren würde.


    Doch seine Überlegungen mussten gar nicht weiter in diese Richtung gehen, denn wider erwarten sprach sich der junge Tiberier für den Cornelius aus! Bislang hatte Sextus das Bürschchen für eine hohle und vor allem schweigsame Rübe gehalten, dessen Nützlichkeit in etwa gleichauf mit der des dargereichten Essens war. Doch in diesem Moment, wo der Bursche sich gegen seinen Vater stellte, da schloss Sextus ihn beinahe in den Platz, wo bei anderen Menschen das Herz saß, bei ihm wohl eher ein kreislauffähiges Stückchen schwarzer Basalt.
    Dass anschließend Avianus noch meinte, sich melden zu müssen, veranlasste Sextus beinahe dazu, die Augen zu verdrehen. Im Grunde war dessen Stimme vollkommen irrelevant, da es äußerst unrömisch und wider jeden Verständnisses von Tugend und Anstand war, sich für ein Amt selbst zu wählen. Sich selbst für ein Amt im Plenum vorzuschlagen galt ja schon als äußerst verwerflich, egoistisch und unehrenhaft. Was folglich bedeutete, dass der Vinicius damit keine Stimme hatte, schon gar nicht in dieser Angelegenheit, wo er noch betonte, die anderen dieser Runde sollten abstimmen.
    “Damit steht es wohl 3 zu 2“, fasste Sextus mit gebührend ernster Miene das Ergebnis zusammen und schaffte es sogar, dabei bedauernd dreinzuschauen und den entsetzten Gesichtsausdruck seines Patrons zu ignorieren.

    “Nun, das ist wohl wahr, wiewohl ich nicht weiß, welches Gewicht seine Fürsprache bei Vescularius wohl haben mag.“ Sextus ließ es ehrlich nachdenklich klingen. Im Grunde war es für ihn sogar ein durchaus annehmbarer Preis, jetzt an einen Patron gefesselt zu sein, der mit dem momentanen Herrscher ein angespanntes Verhältnis pflegte, wodurch sich seine kurzfristigen Aufstiegschancen erheblich verteuerten, wenn eben jener Patron durch seine Planung dafür sorgte, dass er zu dem neuen Imperator ein ausgesprochen gutes Verhältnis pflegen würde – und zwar persönlich. Was im Falle des Ablebens des Tiberius, was aufgrund dessen Alters und Gesundheitszustandes wohl kaum mehr zehn Jahre in der Zukunft liegen mochte, dazu führen mochte, dass Sextus nächster Patron deutlich mächtiger und einflussreicher ausfallen könnte.


    So oder so verlagerte sich der gefühlte Gesprächsschwerpunkt zunächst einmal auf den jetzigen Quaestor Principis, nach dem Flavius Gracchus noch einmal nachfragte. Kaum verwunderlich, hatte ein Homo Novus in der feineren Gesellschaft Roms wohl kaum etwas zu suchen, so dass Bekanntschaften mit eben jenen wohl seltener sein dürften.
    “Ja, ist er. Soweit ich mich recht erinnere, stammt er aus Mogontiacum.“ Sextus machte eine vage Handbewegung, um die Unsicherheit seiner Aussage noch zu unterstreichen, fuhr dann aber wie selbstverständlich gleich mit seiner Erklärung fort. “Nicht unbedingt das, was man von einem römischen Quästor erwartet, aber dennoch ein recht angenehmer Zeitgenosse scharfen Verstandes und von großem Ehrgeiz. Ich weiß, wie ungewöhnlich unsere Bekanntschaft dir erscheinen muss. Glaub mir, hätte man mir vor wenigen Jahren noch gesagt, dass ich mit einem Homo Novus aus dem Barbaricum engere Bekanntschaft pflege, ich hätte es als Beleidigung aufgefasst und Wiedergutmachung verlangt. Doch dieser spezielle Duccius hat sich meines Vertrauens und meiner Freundschaft bislang stets als würdig erwiesen.“
    Wenn er den Flavier für den Duccier erwärmen konnte, würde Vala Sextus einen gewaltig großen Gefallen schulden. Vor allem, da Sextus hier mit einiger Berechnung auch schon den Grundstein dafür legte, den Germanen am Ausgang der kleinen Verschwörung bei Erfolg zu partizipieren oder aber ihn zumindest auf der Seite der Verbündeten zu platzieren und nicht auf jener, die mit Vescularius Salinator in den Untergang stürzen würden. Das war definitiv einen verdammt großen Gefallen wert.

    Im Grunde ließ der Vinicier die Frage seines Patrons vollkommen unbeantwortet. Kein einziges Wort, warum er als Kaiser geeignet sein sollte, kein Hinweis auf irgendwelche Militärpositionen oder sonstiges. Keinen geltend gemachten Einfluss, keine wichtigen Freunde, nicht einmal eine Verbindung zum jetzigen Kaiser, die ihn als logischen Nachfolger erscheinen ließ. Da kam rein nichts. Nur der Vorschlag, dies auf griechisch-demokratische Weise zu lösen und ihn zu wählen, als ginge es um einen Posten im Senat, der ohnehin nur ein Jahr zu besetzen wäre. Wobei „Vorschlag“ schon die euphemistische Umschreibung des Prozederes umschrieb, war es doch fast eine Erpressung. Noch dazu eine, auf die sich Tiberius Durus auch sogleich einließ.
    Sextus also stand jetzt vor der Wahl, sich zu entscheiden. Zwischen dem, was für ihn persönlich am Besten war – und was auch der Meinung des Vetters seiner Frau entsprach, was diesbezüglich ihn enger an den Flavier binden würde – und dem, was sein Patron hier wollte. Sextus sah kurz zu diesem, dann zum Vinicier, und zu seinem persönlichen Bedauern fiel ihm nicht einmal die Entscheidung wirklich schwer.
    “Ich halte ebenfalls den Cornelius für den geeigneteren. Ich will dir, Vinicius, damit nicht die Eignung absprechen, nur sollten wir uns für den Geeignetsten entscheiden, und meiner Meinung nach ist er eben geeigneter. Und da dies nur eine Entscheidung für oder wider ist, muss ich auch gegen dich stimmen.“ Sextus schaffte es, sowas wie Bedauern in seine Stimme zu legen, und auch seinem Patron einen entschuldigenden Blick zuzuwerfen. Nur erschien ihm persönlich der Cornelius nun wirklich verlockender und leichter umsetzbar.

    Etwas überraschend kam der Vorschlag aus Valas Richtung für Sextus. Dass er in diesem speziellen Kontext derartig nützlich sein könnte, hätte Sextus nicht gedacht. Doch auch, wenn Sextus Überraschungen jedweder Art verabscheute – hießen jene doch nichts anderes, als dass er sich nicht gewissenhaft genug informiert hatte oder von gewissen Informationen ausgeschlossen war – war er sicher weit entfernt davon, sich zu beschweren. Höchstens ein wenig.
    “Kai, der Stadtpräfekt?“ wiederholte er den leichten Versprecher, der im Grunde genommen keiner war, mit einem leichten Grinsen. 'Kai, der Stadtpräfekt' hatte im Grunde die Macht und regierte. Der Imperator war schon so lange fernab von Rom, dass es niemanden groß verwundern würde, wenn er nie mehr wiederkäme. Und eventuelle Aufstände des Volkes, wenn er starb, würden sich in Grenzen halten. Was allerdings auch hieß, dass sich das Volk auch nur schwerlich gegen 'Kai' erheben würde, wenn der Imperator dann nach Plan das Zeitliche segnen würde.
    Dass der Pompeier sich so demonstrativ auf die Seite des Ducciers stellte und ihn, Sextus, dabei völlig unbeachtet ließ, das wiederum gefiel dem Aurelier außerordentlich nicht. Vala war ein Homo Novus und würde immer einer bleiben, und mit dem Ende des Jahres würde auch seine momentane Macht wieder sehr stark beschnitten sein, während er, Sextus, nicht nur aus patrizischem und altem Haus stammte, sondern ihm durch Heirat und Verbindungen im Cultus Deorum so ziemlich alles offenstand. Und da erdreistete sich dieser Klient eines toten Mannes, sich nur auf die Seite dieses germanischen Barbaren zu stellen? Die Gedankengänge, was er zur Rettung des Pompeiers beitragen könnte, wenn dessen Patron nach allen Regeln der Kunst den Geiern zum Fraß vorgeworfen werden würde, erhielten gerade einen weitaus niedrigeren Rang in Sextus' persönlicher Prioritätenliste. Auch wenn sein Grinsen nach außen hin noch genauso amüsiert war wie zuvor und nicht die kleinste Regung seiner Mimik zu entnehmen war.
    “Nun, ich hoffe, dass ich dennoch ebenfalls auf deine Hilfe zählen kann, Pompeius Imperiosus“, meine er mit amüsiertem Unterton. “Sollte der Praefectus Urbi nicht ganz so schnell auf die Vorschläge reagieren, würde ich dennoch für Consular Purgitius gerne Ergebnisse vorweisen können.
    Was aber nun das Gesetz angeht: Es klingt sehr interessant. Und überdies notwendig, sofern der subjektive Eindruck des Consulars auch objektiv Bestand hat. Wenn du es dem Präfekten vorlegen würdest, wäre ich dir sehr verbunden.“

    Weder merkte Sextus etwas von den Gedankengängen seines Gesprächspartners, noch davon, dass Nigrina wenig angetan davon war, am Rand zu liegen und sich nicht in das Gespräch einschalten zu können. Sie war eine Frau, was nach Sextus Verständnis der Sache ohnehin ihre Beteiligung an politischen Debatten zwar nicht negierte, aber relativierte. Zumindest in solch öffentlichem Rahmen wie diesem hier. Er hielt sie zwar nicht unbedingt für dumm, nur hatte sie wie die meisten Frauen wenig Sinn für öffentliches Geplänkel rhetorischer Art, und so stand für ihn fest, dass es sie ohnehin mäßig bis gar nicht interessierte, was er und ihr Cousin sprechen mochten.


    Und so konzentrierte sich seine gesamte Eloquenz auf den Flavier, die anwesenden Damen sowie Kinder nicht beachtend und ihrem Tun überlassend, während er aufmerksam lauschte und bisweilen nickte.
    “Nun, in diesem Fall muss ich zu meinem Bedauern festhalten, dass Senator Octavius schon seit längerer Zeit absent ist, und ich bislang keinen persönlichen Kontakt zu ihm hegen konnte. Nicht, dass ich ihn irgendwie über seinen Stand erhöhen oder ihm diesen als Curator Viarum absprechen möchte, nur fürchte ich, dass meine Arbeit auch gänzlich ohne Beteiligung anderer Stellen funktioniert hat. Was man nun als besonderen Erfolg oder Misserfolg, je nach Betrachtungsweise, durchaus bezeichnen mag. Erfolg sicherlich diesbezüglich, dass mein Aufgabenbereich auch ohne Unterstützung beschwerdefrei seine Arbeit leistet, doch fehlende Bekanntschaft, wie du schon sagtest, könnte den weiteren Weg teuer werden lassen.“ Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn ihre kleine Verschwörung noch seine Zeit benötigen würde, wäre es sicherlich angebracht, sich den Weg in den Senat zu erkaufen. Und das würde angesichts seines Patrons und seines eigenen Standes als Patrizier sicher kostspielig werden, war der Praefectus Urbi doch weder ein Freund von Tiberius Durus noch von Patriziern im allgemeinen.
    “Aber wie sagt man so schön? Man wächst mit seinen Aufgaben. Ich bin zuversichtlich, diese Komplikationen auszuräumen.
    Was nun den Quaestor Principis angeht, so bin ich zufälligerweise sehr gut bekannt mit ihm. Vielleicht wäre es interessant, ihn zu fragen, ob er es ebenso sieht.“

    Sim-Off:

    Betritt ein Mathematiker ein Fotogeschäft.
    Mathematiker: "Ich hätte gern einen Farbfilm."
    Verkäufer: "24 mal 36?"
    Mathematiker: "864, warum?"


    Da sich der Consular schon einige Tage zuvor hatte einen Termin geben lassen und Sextus keine Ahnung gehabt hatte, was dieser von ihm wollen könnte, hatte er an diesem Tag nun keine weiteren Termine, abgesehen von einer abendlichen Cena mit einem Senator und dessen Gattin, die ihm noch einmal nützlich sein könnten. Aber bis dahin war noch einiges an Zeit.
    Allerdings würde Sextus sein Gegenüber sicher nicht aufhalten und zwangsweise im Gespräch halten, wenn jener gerade diese Floskel wählte, um seinen Abschied zu begründen. Sextus selbst benutzte die Formulierung meistens, wenn er mit einem Amtsträger sprach, und es war wohl die allgemeinste aller Höflichkeitsfloskeln. Kurz zuckte der Gedanke durch Sextus Kopf, wie erfrischend grobe Ehrlichkeit dagegen sein könnte. Ein 'Ich hab alles gesagt und will heim' würde wohl die meisten Gesprächspartner doch etwas irritieren, doch gewiss hätte es ein gewisses Amusement.
    “Sei dir versichert, dass es mir eine vollkommene Freude war, mich mit dir unterhalten zu dürfen.“ Was auch eine Floskel war. Wenngleich es sicherlich weitaus langweiligere Gesprächspartner gab als den Purgitier und Sextus so in den Genuss gekommen war, schon einmal vorbereitende Gerüchte zu streuen. Zu gegebener Zeit würde dieses Gespräch sicherlich noch Früchte tragen.
    “Aber ich bin mir sicher, auf dich warten noch ebensoviele wie auf mich, und daher möchte ich dich nicht aufhalten. Ich werde mich bemühen, die Listen möglichst rasch zusammenstellen zu lassen und dich über die Ergebnisse in jedem Fall informieren.“
    Sextus erhob sich dann aus seinem Stuhl, um den Purgitius stehend zu verabschieden, wie es sich unter Männern geziemte. Zur Tür bringen würde er ihn nicht, dafür gab es schließlich Sklaven.

    Sim-Off:

    Mathematiker sterben nicht, sie verlieren nur einige ihrer Funktionen.


    Sextus überlegte gerade, ob es seine Aussage gewesen war, was Purgitius Macer gerade zusammenfassend verwarf. Eigentlich hatte Sextus nicht beabsichtigt, solcherlei auszudrücken, aber es war ihm nun auch nicht wichtig genug, es nun ausführlich klarzustellen. Im Grunde redeten er und sein Gegenüber schon eine Weile recht effizient aneinander vorbei, da kam es auf diese Kleinigkeit auch nicht mehr an.
    “Dass seine Entscheidungen sinnvoll und im Sinne der Pax Deorum sind, ist denke ich nicht nur zu hoffen, sondern anzunehmen. Andernfalls wären sicher deutliche Anzeichen zu sehen, die es allerdings – wie du bereits selbst auch festgestellt hast – nicht gibt“, gab Sextus seinem Gegenüber damit einfach recht und verzichtete auf irgendwelche weiteren Einwendungen. Die Saat war gepflanzt, zu gegebener Zeit würde sie sicherlich aufgehen. Vor allem, da der Purgitier selber nun die Möglichkeit ansprach, dass jemand anderer die momentane Situation ändern könnte.
    “Und bis der Kaiser sich wieder zu Wort meldet, bleibt uns ohnehin nichts weiter, als zu warten. Und dafür zu sorgen, dass der Senat in dessen bestmöglichem Interesse handelt, wie beispielsweise durch genauere Kontrolle der Reiselust der Senatorenschaft.“ Es war vielleicht Zeit, den Kreis wieder zum ursprünglichen Thema zu schließen.

    Avianus sprach sich für den Vinicier aus – Sextus hätte darauf Wetten abschließen sollen, wiewohl dieses Unterfangen nicht unbedingt ein sportlicher Wettkampf sein mochte. Sein Patron hingegen hielt sich eher bedeckt und sprach sich weder für noch gegen einen der beiden Optionen aus. Allerdings glaubte Sextus eher weniger, dass dieser den Cornelius vorgeschlagen hätte, wäre er nicht auch für eben jenen als Kaiser.
    Sextus hielt sich dieses Mal zurück mit seiner eigenen Meinung, und so war es schließlich mit Flavius Gracchus der letzte der 'Großen' in ihrer Runde, der das Wort erhob und sich eindeutig für den Cornelier aussprach. Und Sextus nutzte das Ende seiner Rede, um nun seine Meinung zu sagen, ehe Avianus noch dazu kommen würde, dem Flavier zu widersprechen.
    “Ich muss Flavius zustimmen. Wiewohl meine Stimme als einer der am wenigsten Erfahrenen hier in dieser Runde wohl nicht jenes Gewicht hat wie das von euch verehrten Senatoren, so hoffe ich, dass ihr mir verzeiht, wenn ich eben jene dennoch nutzen möchte. Ich denke, wenn unser Anspruch ist, für eine gerechte Sache zu stehen, und dies nicht aus dem Grund unserer persönlichen Machterhöhung geschieht, was nichts weiter als ein Mord und ein Putsch wäre, sollten wir den geeignetsten Mann dafür auswählen. Der Cornelius ist Patrizier, was durch das gemeine Volk sicherlich wohlwollend aufgenommen werden dürfte.“ Soviel Heuchelei in so wenig Sätzen. Sextus war es im Grunde egal, ob ihre Sache rechtschaffen oder sonst etwas wäre, solange für ihn dabei nur genug heraussprang. Er hatte keinerlei moralischen Skrupel, die ihn an irgendetwas hindern würden. Für ihn existierte so etwas wie das Böse schlicht nicht. Es gab nur Konsequenzen aus getroffenen Entscheidungen, nichts weiter. Zu gut und böse deklarierten die Sieger die vergangenen Taten.
    Allerdings war er sehr dafür, wenn ein Mann seines Standes die Führung des Staates übernahm. Nicht, weil es richtig war – was der verbliebene, anerzogene Funken Anstand ihm dennoch einflüstern wollte -, sondern weil ihm dadurch größere Chancen zu erwachsen schienen. Vor allem hatte Sextus selbigem noch nicht widersprochen, so dass ihm daraus folglich auch keine Antipathie erwachsen konnte. Mit dem Vinicier war er schon einmal mit konträren Ansichten aneinandergeraten.
    “Und um dich, werter Vetter, bezüglich deiner Befürchtungen zu beruhigen: Ich kenne den Cornelius genauso wenig wie du. Ich kann dir nichts über seine Intentionen und späteren Entscheidungen sagen. Daher kann ich nicht über seine Persönlichkeit befinden.
    Aber ich vertraue meinem Patron, der uns hier zusammengeführt hat. Und ich vertraue ihm, dass er keinen Mann für dieses Amt vorschlagen würde, der nicht in vollstem Umfang vertrauenswürdig und geeignet wäre. Und wo also mein Vertrauen in Cornelius der Grundlage der persönlichen Bekanntschaft entbehrt, so ersetze ich diese durch Vertrauen in Tiberius Durus und seine Weitsicht und Menschenkenntnis.“

    Letzteres hingegen war weniger geheuchelt. Er vertraute darauf, dass sein Patron zwar schon alt und in mancherlei Hinsicht etwas pathetisch war, aber sicherlich kein Dummkopf, der sein Leben und das seines Sohnes leichtfertig aufs Spiel setzte, indem er irgendwen zum Kaiser machte.

    Wäre dies hier nicht ein Ort der Öffentlichkeit gewesen, Sextus hätte wohl die Vorlage seiner Frau dazu genutzt, ihr mitzuteilen, dass sie 'niedlich' war, wenn sie sich echauffierte. Nicht, dass er tatsächlich dieser Überzeugung war – obwohl es zugegebenermaßen einige erheiternde Aspekte ihrer Wutausbrüche gab, so war Sextus doch im Grunde jegliche Form von übertriebener Emotion suspekt, was Zornschübe miteinschloss – aber Nigrina ärgerten solcherlei Aussagen ungemein. Meistens hatte das zur Folge, dass sie schmollte, aber bemüht war, es sich nicht anmerken zu lassen, und sich gleichzeitig eine Besserung ihres Verhaltens einstellte, die an Perfektion grenzte.
    Allerdings war dieses Fest nicht dazu geeignet, sie wütend auf sich zu machen, auf dass irgend jemand noch einen ihrer Blicke, die wie der der Medusa Menschen zu Stein werden lassen konnten, noch auffing und sich irgendeine übertriebene Geschichte über den aurelischen Haussegen ausdachte. Im Grunde war Sextus mit seiner Frau durchaus sehr zufrieden. Sie war die perfekte Matrone: Sie hatte einen Sohn geboren, war üblicherweise willig, wenn er zu ihr kam, und sie machte sich absolut nichts daraus, wenn er die Nacht in anderen Armen als den ihren verbrachte. Darüber hinaus wusste sie in Gesellschaft zu bezaubern und nutzte ihre kleinen Wege der Informationsgewinnung und -verbreitung zu seinem Vorteil. Und das alles für den Preis, dass er brav Karriere machte, ihr ein Vorzeigeehemann war, keine Skandale provozierte und keine Kinder anerkannte, die den ihren in Konkurrenz gegenüberstehen könnten. Durchweg akzeptabel.


    Und so geleitete er sie nach der obligatorischen Gratulation an das Brautpaar auch ganz gesittet zu den Klinen, wo er kurz vor der Ankunft eben dort auf Flavius Gracchus traf, der ihn dankenswerterweise ansprach und so das beginnende Tischgespräch schon einmal initiierte. Sextus hätte sich wahrhaft langweiligere Gesprächspartner vorstellen mögen, wiewohl er im Gespräch mit dem Flavier auch nicht mehr allzu viel zu gewinnen hatte, was er nicht schon besaß: Dessen Unterstützung aufgrund der Schwägerschaft und der gemeinsamen Verstrickung in ein kleines Unterfangen des Bräutigams.
    “Oh, Flavius Gracchus, es ist mir eine Freude, dich zu sehen. Bevor ich aber deine Frage beantworte, darf ich ein paar Worte an deine Gemahlin wenden?“ Natürlich war diese Frage rhetorischer Natur, weshalb Sextus dann auch unter Aufbietung all seines Charms munter fortfuhr.
    “Claudia, lass mich dir ein Kompliment zu deiner Schönheit zum Ausdruck bringen. Wahrlich, hätten mich die Götter und die kluge Vorsehung meines Vaters nicht schon mit der besten Gemahlin versehen, die ein Mann sich wünschen kann, dein Anblick könnte in mir heftige Eifersucht entbrennen lassen. Da ich Wolf allerdings schon von meiner Jägerin gefangen bin, beschränke ich mich darauf, die Anmut und filigrane Leichtigkeit dieses wundervollen Schmetterlings hier zu bestaunen und dir meine aufrechte Bewunderung auszudrücken.“


    Regel Nummer eins: Man musste Frauen immer Komplimente machen. Sextus hätte auch etwas ähnlich klangvolles von sich gegeben, wenn die Claudia einen Buckel und eine Nase wie ein Kamel gehabt hätte, wobei sie dankenswerterweise ganz aufrecht für ihre Grazie gelobt werden konnte.


    Regel Nummer zwei: Es gab kein 'zuviel' Im Bezug auf ein solches Kompliment. Ja, Frauen sagten immer, es sei zu viel, meinten manchmal gar, es sei schleimig, zumindest ihren Freundinnen gegenüber. Aber ganz tief drinnen, und davon war Sextus überzeugt, nahmen sie doch jedes dieser Worte auf wie ein durstiger Schwamm und erwärmten sich an jedem noch so kleinen Kompliment. Und sofern man sie nicht mit aufdringlicher Nähe kombinierte und den Damen den nötigen Raum gab, selbst über das gesagte zu urteilen, taten sie selbiges dann doch sehr wohlwollend.


    Und die dritte Regel schließlich war: Einzigartigkeit. Diese versuchte Sextus besonders zu beherzigen, zumindest, wenn er sich von einer Begegnung auf längere Sicht etwas mehr erhoffte. Seine Bettbekanntschaften, egal ob Lupa, Hetäre oder dumme Peregrine, sie alle waren seine Blumen. Rosen, Tulpen die aufreizenden, Margeriten und Sonnenblumen die bodenständigen, Hyazinthen und Vergissmeinnicht die Schüchternen. Allesamt bedeutungslos.
    Aber die, die ihm etwas bedeuteten, oder an die er auf längere Zeit gebunden war, die bekamen einzigartige Bezeichnungen. Nigrina hier hatte er das Gleichnis der Jägerin verpasst, welches ihr sehr gefallen hatte. Prisca hatte er zur kaltherzigen Morgengöttin gemacht, die sich die Gebete ihrer Bewunderer zwar anhörte, sie aber kalt abwies. Flora und ihre Schwester Narcissa hatte er zu Diamanten erklärt, und sie damit zu etwas einzigartigem und wertvollen erklärt, vor allem ihre Individualität hervorgehoben, obwohl sie Zwillinge waren. Auch wenn es Millionen an Diamanten geben mochte, so war jeder einzelne davon doch wertvoll. Und vor allem waren die beiden damit weit ab von dieser lächerlichen Blumen-Semantik gerückt, die nur aufgrund deren Namensgebung aufgekommen war.
    Claudia Antonia wiederum war nun ein Schmetterling. Zart, sanft, wundervoll anzuschauen, voller Anmut und Grazie. Und es war ihm sowas von verboten, sie zu berühren. Und wenn er es täte, dann konnte es sie ihre Flügel kosten. Er fand den Vergleich durchaus passend.


    “Es wäre mir eine Freude, wenn ihr euch zu uns setzen würdet.“
    Nigrina hatte unterdessen schon die Frage nach dem Sohn beantwortet und auch nicht versäumt, sich nach dem jüngsten Nachwuchs ihres Vetters zu erkundigen. Sextus wusste schon, warum er solche Fragen seiner Frau überließ, abgesehen davon, dass es ihr Freude machte, von der Geburt eines gesunden Sohnes berichten und damit etwas glänzen zu können.
    Blieb für ihn also die Frage nach seiner Amtszeit.
    “Ich muss sagen, dass ich mir die Arbeit als Quästor bislang weit schwerer vorgestellt habe. Es ist geradezu erschreckend ruhig, und gerade mein Aufgabenbereich ist von meinen Vorgängern sehr penibel geführt worden, so dass es ein Leichtes war, ihre Arbeit reibungsfrei fortzuführen. Es gab kaum größere Zwischenfälle, abgesehen von den üblichen Beschwerden über tagsüber fahrende Karren auf den Straßen oder übersteigerte Lärmbelästigung durch solche des Nachts. Sogesehen gab es bislang aber auch nichts, durch das ich besonders hervorstechen konnte, was durchaus ein wenig ärgerlich ist. Doch sich darüber zu beschweren wäre wahrhaftig Jammern auf sehr hohem Niveau.“

    Sim-Off:

    Ein Mathematiker ist kurz davor, das erste mal mit einem Flugzeug zu fliegen. Er hat wahnsinnig viel Angst - es könnte ja eine Bombe an Bord sein. Dann hat der Mathematiker eine Idee: er nimmt selbst eine Bombe mit, denn die Wahrscheinlichkeit das zwei Bomben in einem Flugzeug sind, ist wesentlich geringer, als daß eine Bombe im Flugzeug ist.


    Sextus wurde aus dem Mann nicht ganz schlau. Eben noch hatte er angenommen, der Purgitier habe Kritik an dem Auftreten des Präfectus Urbi geäußert und damit seine moralische Missbilligung zum Ausdruck gebracht. Aber nun, nachdem Sextus also ihn in seinem Argument bestärkt hatte, obgleich er keinerlei moralische Skrupel in dieser Richtung hegte, räumte er dem Vescularier wieder Recht mangels aussagekräftigem Widerspruch durch Befugte ein. Wie sollte man denn Verständnis für die Argumente des Gegenübers heucheln, wenn man sie nicht komplett verstand? Sextus zumindest war sich für einen Augenblick unschlüssig, ließ sich aber nichts anmerken. Stattdessen schuf er eine kleine Pause, indem er noch einmal einen Schluck Wein nahm, und nutzte die Zeit, um zu überlegen. Er hatte keine Ahnung, wie er den Purgitier nun letztendlich einordnen sollte, ob ihm diese Entwicklung gefiel oder nicht, die sich beim Präfekten gerade vollzog.


    “Mir ebensowenig. Wobei es auch – wie bereits erwähnt – eine sehr riskante Entscheidung wäre, zumindest was das Leben von Ulpius Maioranus angeht. Und vielleicht deshalb auch ein Grund, warum es noch nicht geschehen ist.“ Sextus zuckte leicht mit den Schultern. Sollte der Kaiser sich doch dazu durchringen, Salinator offiziell zu seinem Mitregenten oder Nachfolger zu machen, dann stand der Plan seines Patrones auf sehr wackeligen Füßen. Immerhin baute der Pakt darauf, dass man Salinator die gewaltsame Machtergreifung und den Tod des Kaisers und dessen Sohnes unterschieben konnte. Doch warum sollte Salinator beide umbringen, wenn er schon offiziell die Nachfolge antreten durfte? Noch ein Faktum, das in seine Risiko-Chancen-Berechnung mit einfloss.
    “Doch wie bei so vielem, liegt dies wieder im Bereich der Spekulationen. Vielleicht weiß Vescularius auch mehr als wir und fühlt sich deshalb berechtigt zu solchen Auftritten? Ohne gründlichere Informationen wird es denke ich schwierig, da sicher zu argumentieren.“

    Sim-Off:

    So langsam gehen mir die Witze aus :D


    Ein Mathematiker und ein Physiker nehmen an einem psychologischen Experiment teil. Zuerst wird der Mathematik auf einen Stuhl in einem großen, leeren Raum gesetzt. Man stellt ein Bett mit einer wunderschönen, nackten Frau in die gegenüberliegende Ecke, und der Psychologe erklärt dem Mathematiker. "Es ist Dir nicht erlaubt Dich von diesem Stuhl zu erheben. Alle fünf Minuten werde ich wieder kommen und die Entfernung zwischen diesem Bett und Deinem Stuhl halbieren." Der Mathematiker starrt den Psychologen mit entsetztem Gesicht an. "Es ist ja wohl klar, dass ich das Bett nie erreichen werde. Das werde ich mir sicher nicht antun." Er steht auf und sucht das Weite. Nachdem der Psychologe ein paar Notizen in seine Akten gemacht hat, holt er den Physiker und erklärt diesem die Situation. Sofort strahlt dieser über das ganze Gesicht und setzt sich freudig auf den Stuhl. Verwundert fragt ihn der Psychologe "Ist Dir nicht klar, dass Du das Bett nie erreichen wirst?" Der Physiker lächelt und erwidert "Natürlich, aber ich werde nahe genug für alle praktischen Dinge kommen."


    “Nun, ab er dass er so aufgetreten ist, und wie man raunt zum wiederholten Male, ist doch ein Fakt? Mich wundert nur viel eher, dass es überhaupt nicht thematisiert wird oder auch nur die kleinste Erwähnung findet, abseits jeglicher Spekulation über mögliche Folgen.“ Im Grunde war es Sextus reichlich egal, was die Acta schrieb oder nicht schrieb, solange sein Name darin nicht auftauchte oder nur in einem von ihm kontrollierten Zusammenhang. Aber es war schon etwas seltsam, in einem Blatt, das schon Wetterberichte von sich gegeben hatte, nicht eine Zeile über den Präfectus Urbi und sein Auftreten zu lesen. Es schien fast, als hätten die Verantwortlichen Skrupel, oder besser gesagt Angst.
    “So oder so hast du aber natürlich recht, dass ihm dieses Auftreten nicht zusteht. Wäre man böswillig, könnte man es als Hochverrat deuten, denn diese Ehre steht nur dem Kaiser selbst zu.
    Nur faktisch hat der Präfekt scheinbar genug Macht, um es zu tun. Mir wäre unbekannt, dass jemand sich öffentlich dagegen ausgesprochen hätte und ihn aufgefordert hätte, es zu unterlassen. Wobei wir hier vermutlich wieder bei dem schon genannten Problem der Absenz des Imperators sind und damit einhergehend der Skrupel der Hiergebliebenen, gegen seinen Vertrauten Stellung zu beziehen. Ipso facto hat er die Macht eines Imperators, selbst wenn sie nach den Normen der Moral und der Tugend durch ihn nicht derart zur Schau gestellt werden darf.“

    Sextus hielt auch den Purgitier nicht für blöde, auch wenn er ihm seine Unbedarftheit scheinbar abgekauft hatte und ja auch weiterhin brav mitmachte, obwohl das Gespräch schon sehr weit vom eigentlichen Anlass abgedriftet war. Da konnte man ruhig etwas philosophieren über faktische Macht und moralische Überlegenheit (wobei Sextus sich selbst auch eher mit ersterer anfreunden würde).

    Sim-Off:

    Innerhalb einer mathematischen Vorlesung oder des Studiums gibt es mehrere Möglichkeiten, aufgestellte Thesen zu beweisen. Hier einmal ein paar als Auszug:


    Wischtechnik-Methode Man wischt die entscheidenden Stellen des Beweises sofort nach dem Anschreiben wieder weg (rechts schreiben, links wischen).
    Methode der exakten Bezeichnungen Sei P ein Punkt Q, wir wollen ihn R nennen.
    Autoritätsgläubige Methode Das muss stimmen. Das steht so im Bronstein.
    Autoritätskritische Methode Das kann nicht stimmen. Das steht so im Jänich.
    Beweis durch überladene Notation Am besten verwendet man mindestens vier Alphabete und viele Sonderzeichen. Hier reicht das griechische Alphabet alleine nicht mehr aus, um engagierte Zuhörer abzuschrecken. Ein kurzer Exkurs in die hebräischen Sonderzeichen sollte aber auch den stärksten Zweifler zum Schweigen bringen.
    Beweis durch Pause Prof kurz vor der Pause: ”Diesen Satz beweise ich Ihnen nach der Pause.” Prof nach der Pause: ”Wie wir vor der Pause bewiesen haben...”
    Beweis durch konfuse Lehrkörper Der Professor sagt A, schreibt B, meint dabei C, rechnet weiter mit D, bekommt E heraus, aber F wäre richtig gewesen.


    Nun, vielleicht hatte sich Sextus auch zu früh gefreut, die erwartete Reaktion blieb aus. Aber konnte ja auch nicht alles genau so vonstatten gehen, wie er es gerade improvisierte. (Ein Grund, warum Sextus jederzeit genaue Planung einer Improvisation vorzog, da man dort zumindest den Zufall durch Irrtum ersetzen konnte, wenn etwas nicht funktionierte.)
    “Es wäre allerdings recht ungewöhnlich, würde der Kaiser trotz vorhandenem Erben einen anderen als Nachfolger wählen, müsste er doch damit rechnen, dass sein leiblicher Sohn diese Entscheidung kaum überleben dürfte. Auch wenn Maioranus noch nicht in der Öffentlichkeit präsent ist, sein Name und seine Abstammung könnten als Banner benutzt werden, um das sich politische Gegner eben jenes Mannes scharen könnten.“ Sextus wollte den Eindruck der Gedankenlosigkeit erwecken, nicht den der Dummheit, weshalb er sich nicht darauf versteifte, den Begriffsstutzigen zu spielen. Es war eine Sache, jemanden darzustellen, der eben nur so dahergeredet hatte, ohne sich etwas dabei zu denken. Aber es war eine vollkommen andere, so zu tun, als wär man ein Idiot. Als eben solcher wollte er keinesfalls gelten.


    Aber ein kleiner Triumph im Sinne dessen, was Sextus angestrebt hatte, wurde ihm dann doch noch zuteil. Nachdem der Aurelier für sein Empfinden auch schon mit ganzen Palisaden gewunken hatte, kam der Purgitier nun von ganz allein auf Salinator zu sprechen. Und auch auf die 24 Liktoren.
    “Ja, das habe ich auch schon mehrfach gehört, und bei einer solchen Gelegenheit war ich auch anwesend, als der Präfectus Urbi derartig beschützt aufgetreten ist. Ein Wunder eigentlich, dass die Acta die Spekulationen diesbezüglich nicht von allen Dächern hat schreien lassen.“ Oder ein Zeichen dafür, dass das staatliche Verlautbarungsorgan auch unter der Kontrolle des Vesculariers stand – oder aber sich zumindest aus dem Aufruhr heraushielt.
    “Der Präfectus Urbi hat inzwischen wohl die Macht, die sonst dem Kaiser zustehen würde. Dennoch hätte ich nicht gedacht, dass er eben jenes auch so offensichtlich dem Volk zur Schau stellt. Man könnte meinen, er wisse bezüglich der Thronfolge mehr als wir beide oder sonst jemand in Rom.“

    Das hier war der rosa-Wattebällchen-Orcus. Sextus hatte bislang nicht gewusst, dass es ihn gab, aber jetzt war er sich sicher, und er war mitten darin. Was auch immer er verbrochen haben musste, dass Pluto meinte, ihn gerade damit strafen zu müssen, aber es musste was schlimmes gewesen sein.


    Sextus stand mit seiner Frau am Rand und beobachtete den Fortgang des Rituals, fragte sich noch einmal, warum sein Patron ihn nicht bezüglich der durchzuführenden Haruspizien gefragt hatte – oder wenigstens einen Haruspex des Collegiums – machte sich aber nichts daraus und begnügte sich damit, neben seiner Frau zu stehen und anwesend zu sein, als die ganze Szenerie immer weiter in diesen Alptraum aus Plüsch und Liebesschwüren driftete.
    Im Gegensatz zu seinem Patron, der es entweder nicht sah oder nicht sehen wollte, bekam er den unwürdigen Auftritt der Tiberia mit Senator Octavius durchaus mit. Sextus hatte ja nichts prinzipiell gegen Plebejer, sie hatten alle auch ihren Nutzen und ihre Qualitäten. Allerdings konnte sich Sextus nicht vorstellen, dass die Tiberier ihre Töchter an Männer verheiraten wollten, die weder Einfluss noch irgendwelche Ämter vorzuweisen hatten. Und die Gens Octavia hatte beides nur in sehr begrenztem Maße, und gerade dieser Senator überhaupt gar nicht. Für ein plebejisches Mädchen wäre er mehr als angemessen, aber als Patrizier sollte man schon ein wenig mehr auf den Stand sehen. Und so, wie die Tiberia diesem Mann ihre Zunge in den Hals steckte, war klar, dass sie zumindest miteinander schliefen – was sie bislang zu seiner Geliebten machte, was NOCH degradierender war. Hieß es im Endeffekt nichts anderes, als dass die Tiberier keinen Ehemann für das Mädchen fanden und sie mit so einer Narretei gewähren ließen.
    Sextus als Gastgeber hätte beide nach dieser Vorstellung wohl hinaus geworfen. Allerdings war er nicht der Gastgeber, Ursus schien es nicht bemerkt zu haben und Durus schien anderes im Kopf zu haben, denn auch nachdem die beiden vor den Bräutigam getreten waren und Glückwünsche vorgebracht hatten, sagte er nichts dergleichen. Nunja, die Tiberier hatten ja schon einige seltsame Gestalten in ihren Reihen – Sextus erinnerte sich an ein gewisses Aufnahmegesuch bei den Saliern von einem Tiberius Dolabella, der östliche Sexkulte als römisch deklariert hatte – da kam es auf ein Weib mehr wohl nicht mehr an. Sextus konnte nur hoffen, dass sein persönlicher Ruf nicht durch seinen Patron und seine Cousine dann ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurde.


    Dennoch blieb er ruhig und gefasst. Einzig ein kleiner Kommentar an seine Ehefrau mochte zeigen, dass er solcherlei offenes Verhalten absolut würdelos hielt. “Sollte ich mich je dazu hinreißen lassen, mich in der Öffentlichkeit derartig unwürdig und abstoßend zu benehmen, versprich mir bitte, dass du mich umbringst.“


    Und kurz darauf entdeckte er seinen Schwager, der mit Prisca ein ähnliches Spiel betrieb. Sie schmachtete ihren Gatten wie von Sinnen an, und er bedankte sich dafür, indem er ihr über den Kopf tätschelte wie bei einem geistig zurückgebliebenen Kind (wobei diese Assoziation durch Prisca nicht gemindert wurde, verhielt sie sich doch genau so). Sextus wusste ganz genau, würde er sich dem Haar seiner Gattin außerhalb des heimischen Schlafzimmers auf diese despektierliche Weise nähern oder auch nur daran denken, das filigrane Kunstwerk, für das sie sich stundenlang hatte mit heißen Kämmen quälen lassen, zu berühren, das zierliche Weib neben ihm würde ihm an Ort und stelle die Hand brechen. Mehrfach. Und womit? Mit Recht!
    “Bitte nimm Gift. Etwas schön schmerzhaftes, dass sich qualvoll durch die Eingeweide frisst und mir noch Zeit lässt, mich daran zu erinnern, was für ein sabbernder Idiot ich doch geworden wäre“, fügte er noch leise hinzu.
    Bei dieser ganzen Schmachterei kam Mann sich ja beinahe vor wie in einem persischen Harem, bei der jede Dame nur einmal im Monat beglückt wurde und sonst abstinent leben musste. Die mochten ihren Partner ebenso anschmachten. Nun, Sextus hatte gehört, dass sein Schwager krank gewesen sei, aber dass er so krank gewesen war.... und dass Prisca sich nicht auf andere Art und Weise Erleichterung verschafft hatte und statt dessen hier in aller Öffentlichkeit solch ein Bild abgab... Nunja. Da ließe er sich lieber von seiner Frau vergiften und würde sich nicht so zum Trottel machen auf einer derartigen Veranstaltung.


    Und so geleitete er seine Frau in Richtung des bereiteten Mahls mit dem anderen Schwung der Gäste.

    Sim-Off:

    Die Evolution eines Mathematikers:
    Ein Mathematikstudent im ersten Semester wird gefragt:"Wieviel ist 2x2?" Blitzschnell antwortet er "Vier."
    Im zweiten Semester wird er wieder gefragt: "Wieviel ist 2x2?" Daraufhin läuft er ins Rechenzentrum, schreibt ein Fortran-Programm und gibt dann die Antwort "Vier.".
    Im dritten Semester setzt er sich zu Hause an seinen PC, schreibt eine Frage in eine entsprechende Newsgroup und liefert nach einigen Stunden das Ergebnis "Vier.".
    Im vierten Semester wird er wieder gefragt:"Wieviel ist 2x2?". Darauf der Student. "Bin ich verrückt, mir Konstanten einzuprägen?"


    Und da keimte sie, die leise Saat des Zweifels, nagte an der Seele des Consuls und trieb seine Gedanken in eine Richtung, die besser nicht sein konnte. Wäre Sextus kein so guter Schauspieler, er hätte gelächelt. Irgendwann einmal würde ihm dieses Gespräch ganz sicher den erwarteten Vorteil bringen und die Anschuldigungen gegen Salinator nur noch glaubhafter machen. Denn selbst ein so integrer Neutraler wie der Purgitier würde sich nicht sicher sein, wieviel Wahrheit darin steckte.


    “Ich hoffe, dass er sich ausreichend kümmert. Nur kenne ich weder ihn noch die Leute in seiner unmittelbaren Umgebung genug, um mir ein Urteil über ihre Gewissenhaftigkeit zu bilden, mit der sie die Götter in ihre Bemühungen mit einbeziehen.“ Was ja auch der Wahrheit entsprach (und somit die beste Lüge von allen war).
    “Ich weiß auch nicht, wer seine Ärzte sind. Allerdings bezweifle ich, dass derer viele vorgelassen werden, ist es doch selbst für Würdenträger bisweilen unmöglich, ihn zu sehen.“
    Dass Macer nun selbst meinte, dass jemand vielleicht nicht auf das natürliche Ende der Sache warten wollte, war natürlich der krönende Abschluss des Ganzen. Der Gedanke hing in der Luft wie eine reife Frucht. Man musste nur noch die Hand danach ausstrecken, und er würde einem reif in den Schoß fallen.
    “Nunja, das zu sagen wäre aber ohne Beweise eine ziemliche Spekulation. Soweit ich weiß – was allerdings auch nur den gerüchten Roms entspricht und keiner tatsächlichen Beobachtung – ist der Imperator seinem Sohn ja durchaus sehr zugetan, und auch sein Bruder hat wohl eine schützende Hand auf den Knaben. Und im Gegenzug soll ja auch der Junge seinen Vater verehren. Es ist also wahrscheinlich, dass er ihn zum Nachfolger machen wird, und unwahrscheinlich, dass der Junge aktive Schritte einleiten würde. Wer also könnte Interesse daran haben?“
    Die Antwort lag so sehr auf der Hand, dass es fast schäbig war, so dumm zu tun. Aber Sextus hatte die Fassade der Gedankenlosigkeit um sich herum so perfekt aufgebaut, dass er aus deren Gefüge nun nicht einfach ausbrechen konnte. Und auch gar nicht wollte. Sollte der Consular ruhig denken, ihm selber wäre der Gedanke gekommen. Solange er das dachte, war das Szenario perfekt.
    Nur kurz, um weiter ernst genommen zu werden, schreckte Sextus ganz leicht und still nach seinen Worten auf, als hätte er die Antwort darauf gerade eben selbst gefunden, aber wage nicht, sie so öffentlich breitzutreten. Sowas sprach man ja auch nicht einfach so an bei jemand, der im Rang weit über einem stand und nicht der eigene Patron war.

    Sim-Off:

    Auf die Bitte, ein Telefonbuch auswendig zu lernen
    stellt der Mathematiker Formeln zur algorithmischen Vereinfachung des Problems auf
    fragt der Philosoph: "Warum?"
    der Mediziner: "Bis wann?"
    und der Jurist: "Soll ich die gelben Seiten auch noch lernen?"
    sagt BWLer: "Hatten wir schon..."


    Welche Schlüsse manche Menschen doch über den Willen oder Unwillen der Götter schließen konnten, war immer wieder erstaunlich. Sextus hatte viel eher gehofft, hier die Saat zu einer späteren, glaubhaften Diskriminierung Salinators zu setzen, und nicht das Vertrauen des Consulars in die göttliche Macht zu erschüttern. Wobei ihm letzteres im Prinzip egal war, hielt er selber sich zwar an alle Regeln um den Götterkult, war aber ansonsten trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Ausbildung nicht besonders gläubig.
    “Nun, ganz so würde ich es nun nicht sagen. Die Götter greifen nicht zu seiner Gesundung ein, das stimmt, allerdings gibt es auch keine Zeichen dafür, dass sie diese herbeigeführt haben. Und das ist meiner Meinung nach das viel größere Rätsel an der Sache. Es scheint fast, als würden sie einfach abwarten und beobachten.“
    Vielleicht war diese kleine Spitze etwas gewinnbringender positioniert. Vermutlich würde der Purgitier das zwar jetzt gleich als unmöglich wegwischen – und im Grunde war es ja auch nur eine Erfindung des Aureliers – aber später, wenn die Zeit soweit war, würde er sich vielleicht an dieses Gespräch erinnern. Und damit seine Kräfte neutral für sich halten oder vielleicht sogar auf die Seite der Verschwörer stellen, im festen Glauben, das richtige zu tun. So oder so aber war vielleicht ein Feind weniger zu überzeugen, und das durch ein paar geschickt platzierte Worte, ähnlich wie ein Samenkorn. Sollte es später aufgehen und Früchte tragen, es eilte ja nicht.
    “Nur leider bleibt uns die genaue Bestimmung des göttlichen Willen verschlossen und seine Deutung erweist sich aufgrund der gegebenen Umstände ebenfalls als schwierig. Der Imperator hat ja schon lange Zeit nicht mehr persönlich große Haruspizien eingeholt, und die Götter zeigen ihre Zeichen gerne in Anwesenheit der Beteiligten, über die sie befinden. Also bleibt uns auch nicht viel mehr, als mitzuwarten.“