Beiträge von Sextus Aurelius Lupus
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Wenige Wochen nach der Wahl im Senat war es nun auch soweit, dass Sextus seinen Eid in der Öffentlichkeit ablegen konnte. Danach wäre er Quästor, und damit nur noch einen Katzensprung vom Senator entfernt. Es ging bergauf, langsam, aber stetig. Und so schritt er nach vorne, als die Reihe an ihm war, und sprach laut und deutlich die Eidesformel.
“EGO, SEXTUS AURELIUS LUPUS HAC RE IPSA DECUS IMPERII ROMANI ME DEFENSURUM, ET SEMPER PRO POPULO SENATUQUE IMPERATOREQUE IMPERII ROMANI ACTURUM ESSE SOLLEMNITER IURO.
EGO, SEXTUS AURELIUS LUPUS OFFICIO QUAESTORIS URBANI IMPERII ROMANI ACCEPTO, DEOS DEASQUE IMPERATOREMQUE ROMAE IN OMNIBUS MEAE VITAE PUBLICAE TEMPORIBUS ME CULTURUM, ET VIRTUTES ROMANAS PUBLICA PRIVATAQUE VITA ME PERSECUTURUM ESSE IURO.
EGO, SEXTUS AURELIUS LUPUS RELIGIONI ROMANAE ME FAUTURUM ET EAM DEFENSURUM, ET NUMQUAM CONTRA EIUS STATUM PUBLICUM ME ACTURUM ESSE, NE QUID DETRIMENTI CAPIAT IURO.
EGO, SEXTUS AURELIUS LUPUS OFFICIIS MUNERIS QUAESTORIS URBANI ME QUAM OPTIME FUNCTURUM ESSE PRAETEREA IURO.
MEO CIVIS IMPERII ROMANI HONORE, CORAM DEIS DEABUSQUE POPULI ROMANI, ET VOLUNTATE FAVOREQUE EORUM, EGO MUNUS QUAESTORIS URBANI UNA CUM IURIBUS, PRIVILEGIIS, MUNERIBUS ET OFFICIIS COMITANTIBUS ACCIPIO.“
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Sextus hätte eine Antwort auf die Frage des Vinicius geben können, aber er beließ es dabei. Der andere war älter und die Karriereleiter etwas weiter hinaufgeklettert, wer wusste schon, wer ihn einmal brauchen würde? Außerdem war noch immer die Frage im Raum, wer als nächstes Kaiser werden würde, und Sextus hatte den Einwurf mit den Viniciern von vorhin sicher nicht vergessen. Den zukünftigen Kaiser düpierte er besser nicht – sofern er das überhaupt wurde. Sextus sah diese Möglichkeit eher als ultima ratio an.
Stattdessen also behielt er seine Meinung für sich, und widmete sich lieber der Frage seines Patrons. “Abgesehen von dem bereits Gesagten, dass die Nachfolgefrage möglichst zu Beginn aller Planungen geklärt sein sollte und nicht erst im Verlauf dieser, da hier einige Vorlaufhandlungen je nachdem, wie unsere Entscheidung ausfällt, vonnöten sein könnten, habe ich keine Vorschläge zu diesem Zeitpunkt, Tiberius.“ -
“Und wie, werter Vinicius, willst du ausschließen, dass eben so ein Mann uns an ihn verrät, wenn du dich ihm anvertraust? Die Männer in seiner Nähe profitieren von seiner Nähe, erhalten Ämter und Gefälligkeiten im Austausch für Geschenke und Schmeicheleien. Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt nichts zu bieten außer dem Versprechen auf eine bessere Zukunft und einem unfertigen Plan. Für jeden der Männer in Salinators Nähe wäre es weitaus lukrativer, ihm unsere Namen zu nennen, auf dass er unsere Köpfe auf Stangen spießen lässt, und selbst einen gut dotierten Posten als Candidatus Principis oder als Ritter des Reiches einzunehmen. Welchem Mann würdest du so sehr vertrauen, dass er das ausschlägt und uns zuverlässige Informationen liefert, wo er doch in der Vergangenheit Salinator zugetan war?“
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Sextus stand einfach feierlich da und wartete, wie seine Frau hereinkam, das Bündel Mensch auf dem Arm. Zum Glück schlief sein Sohn gerade oder hatte sonstigen Grund, still zu sein. Auch, wenn man dem Kind mitsamt der Amme ein möglichst ruhiges Zimmer möglichst abseits der Schlafgemächer der anderen Hausbewohner überlassen hatte, war bisweilen das Schreien des Kindes zu hören. Vor allem in der Nacht störte das doch empfindlich. Und so war der Aurelier froh, dass er momentan sich keine Gedanken um die Schmerzgrenze seiner Ohren aufgrund hochfrequentigem Kinderkreischen machen musste.
Nigrina bewegte sich noch langsam, allerdings sah sie schon weitaus besser aus als das letzte Mal, als er sie gesehen hatte. Auch wenn es Sextus nachdenklich stimmte, dass sie offensichtlich Unterstützung brauchte beim Gehen. Nicht, dass er wirklich Ahnung von Geburten und dergleichen hätte, allerdings waren die meisten Sklavinnen, die geboren hatten, zwei Tage später wieder bei der Arbeit. Manche sogar noch am selben Tag. Gut, die konnte man kaum mit einer feinen Dame von stand vergleichen, dennoch brachte dieser Umstand Sextus dazu, sich darüber Gedanken zu machen, ob dies wohl der normale Gang der Dinge wäre. Indes konnte er aber nichts an den Umständen ändern, so dass er jegliche Reflexion dieses Sachverhaltes auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt verschob.Er wartete also, bis sie seinen Sohn vor ihm abgelegt hatte, und blieb einen Moment einfach in der Ruhe des Raumes unter den Blicken der Anwesenden stehen, ohne sich zu rühren. Erst nach etwa einer Minute, nachdem sein Sohn anfing, aufzuwachen und leise zu wimmern und zu quengeln, blickte er auf ihn hinab und ging in die Knie. Der ganze Stoff, in den der Knabe gewickelt war, war ungemein unpraktisch, wenn man versuchte, ein Kind hochzuheben. Leider funktionierte es nicht ganz so reibungslos, wie er sich das gewünscht hätte, da das kleine bisschen Mensch dennoch eine erstaunliche Mobilität an Armen und Beinen zutage legte und er sich ebenfalls nicht sicher war, wie fest er das Kind halten konnte, ohne es zu beschädigen. Es dauerte also eine gefühlte Ewigkeit, auch wenn es wohl nur ein etwas längerer Augenblick war, bis er das Kind in beiden Händen um den schmalen Torso mitsamt Decke gegriffen hatte und es hochhob, direkt auf Augenhöhe.
Der Kopf des Kindes ging nach hinten, die Augen waren zugekniffen wie bei einem Hundewelpen und das Ding zitterte ganz leicht, öffnete einen zahnlosen Mund, um ganz leise zu quäken. Noch allerdings war es nicht dabei, zu schreien. Sextus hatte nicht vor, so lange zu warten, bis es das tun würde, und begann also die feierliche Vorstellung seines Sohnen.
“Seht, dass dies mein Sohn ist. Er ist Mitglied dieser Gens, Mitglied meiner Familia, und Herr über die Sklaven des Hauses. Da er im Licht des frühen Morgens geboren wurde, soll sein Name Lucius lauten. Jedes Jahr an den Iden des Mai soll seinem Genius zu ehren am Hausaltar geopfert werden, um an den Tag seiner Namensgebung zu erinnern.“ Sextus hatte noch überlegt, dem Kind zur besseren Unterscheidbarkeit noch einen Cognomen zu geben, dann aber darauf verzichtet. Die folgenden Söhne würde er nummerieren, den ersten konnte er sich so merken. Und momentan war kein weiterer Lucius Aurelius im Haus, schon gar nicht im Säuglingsalter, so dass es zu Verwechslungen kommen könnte. Sein Sohn sollte sich seinen Cognomen verdienen, wie Sextus sich den seinen verdient hatte: Als Jugendlicher im Wettstreit mit seinen Freunden.Nun aber mit neuem Namen ausgestattet fing Lucius doch an, lauter zu quäken, da ihm diese Art des Haltens wohl missfiel. Allzu bereitwillig gab Sextus das Kind an die herbeitretende Amme wieder ab. Und damit war die kleine Zeremonie im Grunde auch schon beendet.
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Sextus folgte dem weiteren Gesprächsverlauf interessiert. Immerhin hing vom Ergebnis all dieser Planungen ab, ob er am Ende ein Verbündeter des neuen Kaisers war und da auf Gefälligkeiten hoffen durfte, oder ob er seinen Lebensabend irgendwo auf einer felsigen Einöde im Mare Nostrum verbringen würde, damit sein Kopf nicht auf einen Speer gespießt wurde.
Die Frage des Viniciers dann aber verwunderte ihn doch ein wenig. Sie wollten beraten, wie man den Kaiser umbringen konnte, und er fragte noch einmal nach Salinator? Sextus erkannte auch nach der Erklärung auf die Rückfrage seines Patrons hin den Sinn dieser Kontakte nicht.
“Welche Art von Informationen genau erhoffst du dir über den Vescularier, Vinicius? Ich bin zwar durchaus bekannt mit Männern, die beschränkten Zugang zu ihm haben, doch halte ich es für gefährlich, diese aushorchen zu wollen, da sie am Ende Verdacht schöpfen könnten. Und einweihen geht aus naheliegenden Gründen ohnehin nicht.“
Es war nicht so, als ob Sextus seinem Freund Pompeius nicht traute, es war nur so, dass er ihm eben nicht traute. Paradox, aber Sextus traute niemandem. Er traute ja noch nicht einmal den Männern hier. Aber Imperiosus hätte Anlass, es dem Vescularier zu erzählen, um seinen Patron zu retten, und noch hatte diese Rund ehier nichts zu bieten, was schmackhaft genug wäre, es nicht zu tun. Wenn ihr Plan so weit stand, dass sie die Sieger sein würden und es nichts gäbe, was daran etwas ändern könnte, würde Sextus überlegen, seine Freunde einzuweihen und sich somit ihre Verbundenheit sichern. Und falls der Plan sich gegen sie entwickeln würde, war dies sein Plan B, indem er den Pompeier als Schutzschild gebrauchen wollte. Nur jetzt zu diesem Zeitpunkt sah er keinen Nutzen darin, seinen Freunden mehr zu sagen, als notwendig war.“Und ich denke, wir sollten uns auch zeitnah Gedanken um einen möglichen Nachfolger an der Spitze machen. Unser Plan beruht darauf, dass Maioranus noch bei seinem Vater weilt. Sollte der Kaiser beschließen, ihn doch mit seinem Bruder nach Rom zu schicken, während wir uns noch damit aufhalten, wen wir an derer beider Stelle rücken, wäre jeglicher Plan vergeblich. Zumal bei dem ein oder anderen Kandidaten vielleicht im Vorfeld auch weitere Handlungen vonnöten sein dürften und meines Erachtens der erste Schritt dieses Planes in jedem Fall den Austausch des Testamentes im Tempel der Vesta beinhaltet.“
Und dafür würden sie einen Namen brauchen, den sie in das neue Testament einsetzen konnten. -
Sim-Off: Wer dazukommen mag, darf gerne anwesend sein
Sextus war zwar gewiss nicht jeden Tag zu Nigrina gekommen, um sie zu sehen, aber er ließ sich zumindest jeden Tag nach ihrem Befinden erkundigen. Und er meinte, dass seiner Frau auch ganz recht war, dass er nicht um sie herumscharwenzelte, während sie so schrecklich unförmig und unrepräsentabel aussah. Es war im Grunde dasselbe wie schon in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft, als sie wie ein praller Ball durchs Haus mehr gerollt denn gegangen war und sich nie weiter als nötig vom nächsten Abort entfernt hatte. Auch da hatte er sie schlicht in Ruhe gelassen, um ihr nicht noch zu zeigen, wie unerotisch er ihren Zustand gefunden hatte. Frauen reagierten auf so etwas meist recht ungehalten, in der Schwangerschaft dazu mit einer äußerst nervtötenden Art und Weise: Sie heulten.
So aber überging er peinliche Begegnungen, ließ ihr Zeit, wieder Gesichtsfarbe zu bekommen und sich einigermaßen repräsentabel herzurichten, ehe er sich mit ihr gemeinsam wieder vor dem Hausstand zeigte. Es war der neunte Tag nach der Geburt des Jungen, und bislang war er kräftig und gesund. Und so war es an der Zeit, ihm auch einen Namen zu geben. Nun, da absehbar war, dass er nicht an den Folgen der Geburt starb, lohnte sich das Benennen des Kindes auch. Was natürlich nicht hieß, dass er nicht an den zahlreichen anderen gründen sterben konnte, die Kinder gerne dahinrafften. Er konnte krank werden, Fieber bekommen. Er konnte zu viel erbrechen. Er konnte eine Kolik bekommen. Er konnte im Schlaf einfach aufhören, zu atmen. All das passierte gerade bei Jungen noch häufiger als bei Kindern im allgemeinen sowieso schon. Nichts desto trotz war es brauch, einem Jungen nach dieser Zeit einen Namen zu geben, in der vagen Hoffnung, er möge ihn länger als ein paar Wochen tragen.Sextus wusste nach wie vor nicht, was er von diesem schreienden, quäkenden Bündel zu halten hatte. Glücklicherweise hatte er nicht mehr als nötig mit ihm zu tun, da es bei seiner Amme gut untergebracht war. Wenn es einmal in der Lage wäre, sich artikuliert auszudrücken, würde er sich näher mit diesem Menschen beschäftigen, bis dahin gab es aber nur diesen einen Pflichttermin, zu dem er den ganzen Hausstand eingeladen hatte. Wobei 'eingeladen' eigentlich nur auf die Gensangehörigen zutraf. Die Sklaven hatten sich zu versammeln gehabt, damit ihnen ihr zukünftiger Herr vor Augen geführt werden konnte und sie sich schon einmal den Gedanken vor Augen führen konnten, dass dieser kleine Wurm trotz allem immernoch höher stand als jeder einzelne von ihnen.
Und so wartete Sextus in einer seiner besseren Togae im Tablinum auf seine Frau, damit die das Kind vor ihm ablegen und er es offiziell aufnehmen und benennen konnte. Ein Mummenschanz, sicherlich, aber wer wollte sich schon der Tradition verwehren?
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Was die Leute in Mantua glaubten oder nicht glaubten, war Sextus reichlich egal. Solange nur geglaubt wurde, dass Flavia Celerina damit nichts zu tun hatte, und damit der Schatten der Schuld von den Aureliern genommen war, war er zufrieden. Noch zufriedener, wenn man bedachte, dass der einzige Zeuge abseits seines Patrons das Zeitliche gesegnet hatte, und er persönlich dafür gesorgt hatte. Aber dieser entlaufene Sklave, der sich in Nemi Priester geschimpft hatte, würde sicher niemandem mehr über die weinende Flavia berichten, die er zu den Tiberiern geschleift hatte. Und bald schon würde auch Covinus' Selbstmord in Vergessenheit geraten sein und die ganze Sache nicht mehr als ein kleiner Stein auf dem Weg zur Macht sein, den Sextus hinter sich gelassen hatte.
“Vor allen Dingen war die Verstorbene meine Cousine. Ihr Vater und meiner sind Brüder.“ Was für Sextus die Frage beantwortete, ob sie hübsch gewesen war. Natürlich war sie das gewesen. Sextus war zwar sicher nicht eitel, aber dass er nicht zu den häßlichsten Vertretern der Gattung Mensch gehörte, war ihm dann doch bewusst. Darüber hinaus war Sextus stets misstrauisch, wenn sich ein Kerl nach einer seiner weiblichen Verwandten erkundigte, ob nun tot oder lebendig. Wenn ihn jemand nach dem physischen Erscheinungsbild seiner Schwestern gefragt hatte, hatte er diese Fragen ebenfalls mit einem 'Sie ist meine Schwester' beantwortet.
“Und sie hätte Vestalin werden sollen. Einerseits eine Verschwendung, auf der anderen Seite aber wäre der Prestigegewinn für die Gens nicht zu verachten gewesen. Allerdings bringt es wenig, über das hättewärewenn nachzudenken.“
Sextus zuckte die Schultern, und auch Vala schien genug vom leichten Klatsch zu haben. Er fragte nun direkter und sachbezogener.Ein Teil von Sextus fing an, zu kalkulieren. Vermutlich wäre es einfacher und im Endeffekt auch profitabler, wenn Sextus den Duccier einweihen würde über die Umstürze, die in nicht allzu ferner Zukunft anstehen könnten und in welche er unlösbar verstrickt war. Und vermutlich wäre Vala klug genug, das so zu nutzen, dass auch er hinterher auf der Seite der Gewinner stand und sein Stück vom Kuchen abbekam. Und klug genug, zu schweigen, da sein Patron – oder zumindest dessen Bruder – darin ebenso verstrickt war wie Sextus selbst, und der Duccier jenen als verbündeten brauchte. Allerdings bestand das Restrisiko, dass er doch zu Salinator damit gehen könnte. Vala war ein Homo Novus, genauso wie der Präfect, und konnte sich damit eine gewisse Grundgewogenheit des Vesculariers erwarten. Sextus traute es dem Germanen zwar nicht direkt zu, aber er hatte keine Beweise. Und noch dazu war da das Problem, wie sein Patron darauf reagieren würde, und diesen musste Sextus sich vorerst noch gewogen halten. Abgesehen davon war ein Bad sicher nicht der geeignete Ort, über so etwas laut nachzudenken. Man wusste nie, wieviel das wandelnde Mobiliar doch hörte und an wen es das weitergab.
“Der Pompeier ist als Tribun bei der Classis gelandet, ich habe seitdem nur immer wieder das eine oder andere läuten hören, aber keine direkten Nachrichten. Offenbar ist er auf bestem Wege, die Classis unter seine Führung zu bekommen, da der jetzige Kommandant wohl nicht in Mantua weilt. Ist der nicht mit einer deiner Verwandten verheiratet?“ Sextus meinte, sich dunkel an die Verbindung zwischen Decimern und Ducciern zu erinnern, gänzlich sicher war er sich aber nicht.
“Und der Claudier... lange nichts von ihm gehört. Wird mal wieder Zeit, die Freundschaft aufzufrischen, wie man so schön sagt.“
Die andere Frage war schon schwieriger. “Was Piso angeht, so atmet er noch. Bislang war er nicht mehr als ein weibisches Ärgernis, so dass keine weitere Veranlassung bestand, diesen Umstand zu ändern. Und nach wie vor bin ich mir nicht sicher, was mein Weib davon hält, ihres Bruders verlustig zu gehen. Von daher überlasse ich dir gerne die Freude, dich um dieses Ärgernis zu kümmern, und beteilige mich wohl vornehmlich unterstützend daran.
Weitere Ärgernisse mit ernsthaftem Charakter haben sich bislang noch nicht aufgetan. Aber sollte es dazu kommen, werde ich sehr gern eine weitere Unterredung über die adäquate Reaktion darauf mit dir führen.“ -
Noch immer erschien es Sextus etwas merkwürdig, wie jemand trotz des Bruches mit seiner Familie nicht wissen konnte, wie die eigenen Geschwister wohl hießen. Über so etwas stellte man üblicherweise Nachforschungen an, bevor man in das Heim seiner Verwandten ging. Sextus wusste auch nicht, wie seine unzähligen Neffen heißen mochten, aber er würde sich erkundigen, ehe er eines seiner Geschwister besuchen würde. Theoretisch zumindest, er hatte nicht vor, einem seiner Brüder oder seiner Schwestern im Leben noch einmal zu begegnen. Das hieße, er würde nach Griechenland zurückgehen, und das wäre wohl auf einen Machtverlust hier in Rom zurückzuführen. Folglich keine Option, über die nachzusinnen er Muse hatte.
“Ja, Flora ist deine Schwester, und nein, ich weiß nichts von weiteren Geschwistern“, meinte er nur so distanziert wie das ganze Gespräch über und beschränkte sich auf ein charmantes Lächeln.Und zum Glück erledigte sich diese ganze Angelegenheit nun auch von selbst, da sein gegenüber den Vorschlag mit Avianus dankend aufnahm und wiederkommen wollte. Damit hätte Avianus das Problem mit der nicht geklärten Identifikation jenes Mannes und sextus konnte sich wieder wichtigen Tagesgeschäften widmen, ohne sich über solcherlei den Kopf zu zerbrechen.
“Dann wünsche ich dir bei beiden Unterfangen Glück und dir heute noch einen angenehmen Tag, sofern dies nach diesen Neuigkeiten noch möglich ist.“ Dass er Flora zu Gesicht bekäme, glaubte Sextus nach dem bisherigen Verhalten seiner Cousine nun nicht, und im Grunde war es ihm auch egal, ob die Geschwister sich sehen würden. Aber dies gehörte eben zu den Phrasen, die man beim Abschied so von sich gab. -
Sim-Off: Entschuldigt die zurückhaltende Beteiligung, aber ich musste erst einmal die Wahl „abarbeiten“ und hatte abseits davon nur wenig Zeit.
Nach seinem ersten Einwurf beschränkte sich Sextus darauf, erst einmal zuzuhören. Es lag ohnehin nicht in seiner Natur, besonders viel oder besonders ausschweifend zu reden, sondern eher zuzuhören. Zwar ging es hier letztendlich auch um seinen eigenen Kopf, nur hieß das nicht, dass er deshalb nun hektisch werden sollte. Er hatte seine Einwände eingebracht und hörte sich nun geduldig und ruhig die Vorschläge, Einwände und Bemerkungen der anderen Anwesenden an.
Auf die wichtigste Frage hatte sein Patron schon einmal keine Antwort. Wer als nächster das Imperium leiten sollte, wem sie ihr eigenes Schicksal damit in die Hände geben würden und wen sie letztendlich genug in der Hand haben mussten, um sicherzugehen, von dieser ganzen Geschichte zu profitieren und nicht vom tarpejischen Felsen geworfen wurden wegen Hochverrates. Nun, es war Hochverrat, aber Geschichte wurde immer von den Gewinnern geschrieben, und solange er am Ende auf der richtigen Seite war, musste er keine strafe fürchten. Jetzt musste nur noch sichergestellt werden, dass er auf der richtigen Seite war.
Indes hatte er kaum eine Wahl. Er konnte sich nicht raushalten. Flavius Gracchus war der Cousin seiner Frau, Tiberius Durus sein Patron, Avianus lebte mit ihm unter einem Dach. Wer würde ihm glauben, wenn er behaupten würde, nicht ins Vertrauen der drei gezogen worden zu sein? Und lebenslanges Exil war nicht wirklich eine Option. Sextus hatte zu lange und zu hart dafür gearbeitet, jetzt hier seine Stellung zu haben. Er wollte Macht mehren, nicht vor ihr flüchten.
Auch diese Unternehmung zu verraten kam nicht in Frage. Natürlich hatte er keinerlei Skrupel, das zu tun. Er fürchtete nicht den Fluch von irgendwelchen Göttern oder auch die der Lebenden, die ihn Verräter schimpfen würden. Nur würde ihm ein Verrat nichts bringen. Salinator würde ihn umarmen und Bruder nennen, ihm vielleicht einen schicken Posten geben, am besten weit weg von Rom, und die restlichen Männer hier umbringen lassen. Nur was gewann Sextus damit? Seine ganzen Verbündeten wären tot, er auf einem Posten, von dem er wohl nie wieder wegkommen würde, und jegliche Möglichkeit zum weiteren Aufstieg wäre ihm verwehrt. Sextus war nicht so vermessen, zu glauben,d ass der Vescularier ihm Achtung entgegenbrachte, wenn er diese Runde hier verraten würde. Kein Mensch mit Verstand traute einem Verräter, und der Praefectus Urbi war vieles, nur leider nicht dämlich.Die verschiedenen Möglichkeiten wurden durchgesprochen, und Sextus Augenbrauen wanderten nur kurz einmal nach Oben, als über die Möglichkeit nachsinniert wurde, die Vinicier zu Kaisern zu machen. Sicher, sie hatten beeindruckende Lebensläufe und hingen weit genug in dieser Sache mit drin. Was nicht hieß, dass Sextus ihnen traute oder annahm, dass diese Skrupel hatten, ihn über die Klinge springen zu lassen. Aber – und das war für Sextus doch entscheidend – sie waren Plebejer. Noch ein plebejisches Geschlecht an der Macht? Da konnte man es genausogut bei den Aeliern belassen und den Bruder des Imperators zum neuen Kaiser krönen. Das wäre vermutlich ohnehin die logischste Wahl, die auf am wenigsten Widerstand außerhalb ihres Zirkels stoßen würde.
Aber nein. Auch wenn die Aurelier selbst vor 2 Generationen noch selbst plebejisch waren, Sextus bevorzugte einen patrizischen Herrscher. Nicht aus Sentimentalität, vielmehr aus praktischem Nutzen. Das einfache Volk war beeindruckt von dem alten Adel und ließen sich durch so etwas leicht blenden. Wozu hatte man denn sonst das Patriziat, wenn nicht, um zu herrschen in weltlichen wie religiösen Dingen und die weniger noblen zu leiten? Der Plebs könnte noch auf die Idee kommen, dass die Patrizier so inhaltsleer seien, wie sie tatsächlich waren. Ein unguter Gedanke.Schließlich erstarb die Diskussion und sein Patron bat wiederum um Meinungen. Sextus überlegte einen Moment und schwieg. Noch immer fühlte er allzu deutlich, wie zerbrechlich sein eigener Hals war, aber im Grunde hatte er ohnehin nur die Wahl, dafür zu sorgen, dass dieser da blieb, wo er war, indem er dafür sorgte, dass diese Unternehmung keine leichtsinnigen Fehler beging.
“Auch wenn ich die Frage, wem wir die Macht über das Imperium übertragen sollen, für die wohl entscheidenste halte, Patron, sehe ich ein, dass dies hier und heute kaum befriedigend zu einem Ergebnis geführt werden kann. Dies muss sicher genau überdacht werden und benötigt seine Zeit.“ Soweit zum Einwand, den er hatte. Nun galt es, sich den Tiberier gewogen zu machen.
“Was die verschiedenen Möglichkeiten anbelangt, so gebe ich dir recht. Gewiss ist es moralisch verwerflich, auch den Jungen zu töten, aber es erscheint mir die praktikabelste Lösung. Wenn Gift die Waffe sein soll, die Valerianus zu seinem Ende führt, ist es einfacher, ihn mit seinem Sohn zu Tode zu führen. Auch ermöglicht diese Konstellation eher, Salinator dafür zur Verantwortung zu ziehen, da dieser, um an die Macht zu gelangen, Vater und Sohn gewisslich aus dem Weg räumen würde. Auch erübrigen sich damit sämtliche Probleme, die sich daraus ergeben würden, den Kaiser allein zu treffen. Sofern es also ohne erhebliche Anstrengung möglich ist, auch Maioranus oder die gesamte Familie zu treffen, erscheint mir dies als angemessene Wahl.“ -
Die ganze Situation fühlte sich falsch an. Sextus kam sich vor wie jemand, der versuchte, mit zwei Stöcken und einem Stein ein Haus zu errichten. Er wusste, was von ihm erwartet wurde, was charmant gewesen wäre und was wohl konventionell opportun. Aber gleichzeitig fühlte er in sich einen vollkommenen Widerwillen, so zu tun, als wäre er endlos gerührt von der Tatsache, dass da nun ein Kind war, das höchstwahrscheinlich von ihm stammte, und seiner Frau solchen Nonsens zu erzählen, dass alles gut werden würde und er sie liebe. Abgesehen davon, dass seine Frau gerade geschwächt war, aber nicht dämlich.
Und sie schien zu merken, dass Sextus sich nur um die Konvention bemühte und nahm ihm die Entscheidung über das geeignete Mittel dankenswerterweise ab. Wobei Sextus gleichzeitig durch ihre wenigen Worte vor Augen geführt wurde, wie affig er sich verhalten hatte. Viel zu offensichtlich, wenn eine Frau, die kaum die Augen aufhalten konnte, das so dermaßen durchschauen konnte. Die Anstrengungen des Wahlkampfes hatten ihn wohl in Bezug auf familiäre Einigkeit weich werden lassen. Das, plus die ganzen Schwierigkeiten, die durch Narcissas Tod erzeugt worden waren. Und die schlimmste Befürchtung, dass diese Verweichlichung erblich sein konnte, stand auch noch aus.
Er hatte vor einiger Zeit von Ursus aus Mantua einen Brief erhalten, bei dem Sextus ehrlich nicht gewusst hatte, ob lachen oder heulen die adäquatere Reaktion dargestellt hätte. Ursus schrieb, er müsse sich zusammenreißen, um seine Trauer über Narcissas Tod nicht nach außen dringen zu lassen. Dass es ihm schwer falle und er nicht darüber nachdenken dürfe, weil die Trauer ihn sonst übermanne. Dass er sagte, dass er über Narcissas Tod bestürzt war, war ja durchaus politisch korrekt, aber wie er sich ausdrückte, ließ Sextus doch stark an der generellen Charakterfestigkeit seiner Anverwandten zweifeln. Es war ärgerlich, dass Narcissa tot war, besonders hinsichtlich des Verlöbnisses von Flora, und des verlorenen Prestigezuwachses durch ihre Auswahl zur Vestalin. Aber 'von Trauer übermannt' und dadurch des Kommandierens kaum fähig? Sextus hoffte redlich, dass dieser Wesenszug nicht Anzeichen beginnenden Schwachsinns war, der schlimmstenfalls in der Familie lag. Den Flaviern sagte man schon die eine oder andere Geisteskrankheit nach (allen voran Größenwahn), er mochte nicht daran denken, dass seine Kinder von zwei Seiten aus vorbelastet sein könnten und er sich am Ende mit lauter Schwachsinnigen rumschlagen musste.Doch Nigrinas kurze Worte nahmen es ihm ab, weiter darüber nachzugrübeln, und führten ihm die Irrationalität seines Handelns vor Augen. Und zum ersten Mal fühlte Sextus sowas wie ehrliche Zuneigung zu seiner Frau, die auf diesen Mummenschanz ebenfalls keinen Wert legte. Das machte die Sache weitaus einfacher, und nahm diesen extrinsischen Druck von ihnen.
“Das ist gut zu wissen. Ich fürchte nämlich, dein Vater würde mich noch weit mehr über den Tisch ziehen als jetzt schon, wenn ich ihn um deine Schwester ersuchen müsste.“ Sextus wusste, dass es Nigrina ärgern würde. Aber wenn sie sich ärgerte, nahm sie sich danach meist mehr zusammen. Und er hatte ja auch recht, Flavius Aetius würde ihn weit mehr über den Tisch ziehen und die Dos entsprechend klein ausfallen lassen, gar Nigrinas Dos als Donatio zurückverlangen oder dergleichen, sollte die Notwendigkeit Sextus dazu zwingen, sich eine neue Frau zu suchen. Wobei bei Nigrinas Ableben und dank der gesicherten Verbindung zu den Flaviern durch das Kind – sofern es überlebte – und Priscas Vermählung mit Nigrinas Bruder – die allerdings noch kinderlos war – sich auch die Möglichkeit eröffnen mochte, dass er sich anderweitig umschaute. Vielleicht eine Claudia, wobei diese soweit er das im Blick hatte keine geeignete Partie derzeit in Rom hatten. Oder aber eine der anderen patrizischen Gentes, wie die Fosilier oder die Aemilier. Letztere wären aufgrund der Consulare in ihren Reihen besonders interessant.
“Ich werde dich nun schlafen lassen und morgen wieder vorbeischauen“, meinte Sextus dann noch etwas versöhnlicher. Zwar sah er auch keinen Nutzen darin, DAS zu tun, aber auch das war wohl eine gesellschaftliche Konvention und würde seine Frau dazu bringen, sich nun auszuruhen. Sein Erscheinen oder Nichterscheinen hätte zwar vermutlich geringen bis keinen Einfluss auf ihren Gesundheitszustand, aber vermutlich würde es schon genügen, wenn er ihr ein wenig Klatsch vom Wahlhergang erzählte oder sie anderweitig mit Informationen versorgte, an die sie momentan nicht herankam, um ihre Laune etwas zu heben. -
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“Und es würde mich außerordentlich freuen, mit dir noch einmal zu philosophieren, wenn ich amtierender Quästor bin - aus mehreren Gründen“, meinte Sextus verschmitzt. Er hoffte wirklich, dass sein Einsatz und sein Engagement im Wahlkampf ausreichten, um ihn in sein angestrebtes Amt zu bringen, aber letztendlich würde das wohl von seiner Rede im Senat, seinen Fürsprechern und ein wenig Glück abhängen, so sehr er letzteres auch auszuräumen versuchte.
“Dann danke ich dir für deine Zeit, Consular, und deine Unterstützung. Vale bene.“Sim-Off: Der Unterschied zwischen einem Ingenieur, einem Physiker und einem Mathematiker lässt am Besten an Hand des Lösungsweges bei einer einfachen Rechenaufgabe darstellen. Die Aufgabe lautet: 2 * 2 = ?
Der Ingenieur nimmt seinen Taschenrechner und erhält als Ergebnis 4.
Der Physiker nimmt seinen Rechenschieber und erhält 3,9 (weiter will er sich lieber nicht festlegen).
Der Mathematiker nimmt einen Stapel Papier, verschwindet in seinem Arbeitszimmer, kommt nach ca. 2 Stunden wieder und verkündet: "Es gibt eine Lösung dieser Aufgabe und die Lösung ist eindeutig" -
“Oh, wirklich?“ tat Sextus leicht überrascht. Zwar hatte er nicht gewusst, dass der Vinicier dieses Amt inne gehabt hatte, allerdings ersah er sich daraus auch keinen direkten Vorteil. Es war mehr ein Gesprächsfüller, damit keine Redepause entstand.
“Ich habe zumindest vor, dieses Amt nach Kräften und bestem Gewissen auszufüllen, wie ich das Vigintivirat auch schon versehen habe.“ Und da waren immerhin keine Klagen gekommen, auch wenn der für Sextus zuständige Prätor manchmal über dessen Eifer gestöhnt hatte. “Und ich kann nur hoffen, dass es für mich – mit der richtigen Unterstützung – ähnliche Früchte trägt, wie für dich.“ -
Natürlich merkte Sextus, dass der Verwalter langsam aber sicher ungeduldig wurde. Es war nichts auffälliges, aber weitere wartende wurden dezent, aber bestimmt abgewiesen, und er schien auf etwas zu warten. Sextus wäre kein sehr guter Beobachter, wenn er das nicht mitbekommen würde. Allerdings wäre er auch nicht besonders höflich, wenn er dem Hausherrn die Entscheidung über die Länge des Gespräches durch Hektik seinerseits abnehmen würde.
“In dem Fall muss man wohl wie in allen anderen Fällen auch damit leben, wenn die eigene Entscheidung einmal falsch ist. Doch selbst die Götter haben ihre Fehler, wie sollten da Menschen besser sein als sie und keine machen?“ Wobei Sextus sich davon für sein Verständnis davon ausnahm. Er dachte nicht in Kategorien wie richtig und falsch, gut und böse. Für ihn gab es nur Entscheidungen und Konsequenzen. “Wie beispielsweise die Entscheidung, zu spielen, obwohl man aller Wahrscheinlichkeit nach verlieren wird. Ich vermute hier eher ein Vertrauen auf Fortuna als auf die Logik.“
Nun, vielleicht sollte er dem Verwalter doch einen Gefallen tun und einen Bogen zurück zum eigentlichen Gesprächsthema suchen, so interessant dieses hier auch sein mochte. “Und manchmal muss man vielleicht auch auf sein Glück vertrauen. Wie ich, als ich heute hierher kam, um dich um deine Unterstützung zu bitten.“ Was eigentlich doch mehr Berechnung gewesen war, aber so klang es freundlicher.Sim-Off: Tachyon leaves. Bartender says "We don't serve your kind here.“ Tachyon enters the bar.
[size=6]Wo Macer schon so schön drüber nachdenkt[/size] -
So langsam machte die Sache hier wirklich Spaß. Nicht, dass es Sextus keinen Spaß gemacht hätte, sich selbst Stimmen zu sichern für die bevorstehende Wahl – für ihn war Macht der Inbegriff allen hedonistischen Strebens – doch musste er zugeben, dass dieser Wortwechsel eine erfreuliche und unerwartete Überraschung war. Zuletzt hatte er über die Mathematik diskutiert, als er noch umgeben von anderen war, die ebenfalls dieselbe studiert hatten.
“Du magst sicher recht haben, dass es nur eine richtige Lösung dieser Frage gibt, so wie es auch nur eine Wahrheit geben kann. Die Frage ist nur, ob wir genug Erkenntnis besitzen, diese Wahrheit wahrzunehmen, genug Mittel, sie zu bemessen und vor allem genug Wissen, sie reproduzierbar zu beweisen.“
Und dies war schließlich der Hauptunterschied zwischen der Mathematik und philosophischen Wissenschaften: Man war auf der Suche nach eindeutigen Beweisen, und ohne sie war jede Theorie erst einmal wertlos. Man konnte eine göttliche Eingebung von Minerva höchstselbst erhalten haben, die einem die Wahrheit offenkundig legte. Solange man diese nicht beweisen konnte, war es vom mathematischen Standpunkt nicht mehr als eine vielleicht hinreichend interessante These.
“Und wie könnte ich dir bei deiner Ausführung widersprechen? Ich persönlich denke sogar, dass die Mathematik weit mehr Nutzen hat, die meisten Menschen es nur nicht sehen oder auch nicht sehen wollen. Als Haruspex habe ich gelernt, dass Raum und Zeit auf so vielfältige Weise miteinander verwoben sind, dass man Ereignisse berechnen kann. Wie sollte ich diese Erkenntnisse haben, ohne Mathematik?“ Das Amt des Haruspex beinhaltete ja schließlich nicht nur das Beschauen verschiedenster Innereien, sondern auch vielfältige Berechnungen über zukünftige Ereignisse. Und damit waren sie die Einzigen, die in die ferne Zukunft schauten und das deuteten, beschränkten sich alle anderen Priesterämter mit Vorhersagen doch immer auf den momentanen Götterwillen.
“Auch vergessen die meisten gerne, dass Musik nichts weiter ist als angewandte Mathematik, und Harmonie darin nur der Ausdruck der vollkommenen Berechnung. Die Stoa lehrt uns, die Physik und die Logik zu achten. Wie ginge dies ohne Mathematik, die uns klare und eindeutige Beweise erschafft, auf deren Grundlage wir erst argumentieren können?“ Ja, Sextus mochte die Mathematik wirklich.
“Und ich denke, wenn die Menschen ihre Chancen vernünftig berechnen würden, müsste man das Glücksspiel auch nicht unter Strafe stellen. Immerhin sind die Chancen dort deutlich schlecht, im Gegensatz zu zivilisierten Spielen wie ludus Latrunculorum oder auch duodecima scripta, wenngleich letzteres mit ersterem natürlich kaum vergleichbar ist.“
Ein ganz klein wenig war Sextus fast über sich selbst erstaunt, wie viel er geredet hatte. Üblicherweise beschränkte er sich eher aufs Zuhören.Sim-Off: Zählen auch Physikwitze?
Heisenberg was an awful lover. Whenever he had the right position, he never had the right speed, whenever he had the energy, he never had the time... -
“Oh, ich denke, was die richtigen Lösungen betrifft, könnte man auch im Bereich der Astronomie trefflich streiten. Das beginnt schon allein bei der Frage, um welchen Punkt die Sterne denn ihre Bewegungen ausführen, ob dies ein Punkt im Kosmos ist oder wir das Zentrum jeder Bewegung sind. Während Anaximander vor sieben Jahrhunderten bereits sehr bestimmt war, dass der Himmel eine Halbkugel über uns und die Erde somit das Zentrum ist, habe ich in Alexandria auch die Schriften des Aristarchos von Samos gelesen, der der festen Überzeugung ist, dass vielmehr die Sonne im Zentrum steht und wir uns mit dieser mitbewegen. Ich denke, Mathematiker sind da nicht weniger streitlustig als alle anderen Wissenschaftler auch. Nur denke ich, dass viele ihre Forschung nicht ganz so interessant finden, weil sie uns nicht viel im Alltag von Nutzen ist. Abgesehen von den kleinen Rechnungen hier und da beschäftigt sich kaum einer ausschließlich mit den Gebilden von Zahlen und geometrischen Figuren, der nicht gerade Architekt ist, wie du schon richtig sagtest. Und ich denke, viele haben noch den Stock ihres Lehrers in zu guter Erinnerung, als er ihnen dies beigebracht hat, und hegen so wenig Liebe für die Mathematik als solches.“
Und dabei sah Sextus die Mathematik äußerst rationell. Jede Erkenntnis, jede tiefgreifende Wissenschaft konnte nur den Weg gehen, den die Mathematik schon beschritten hatte, denn letztlich war sie es, die durch kalte Logik beweise schaffte. Wie wollte man das Universum verstehen, wenn man es nicht genau bemessen konnte? Für Sextus hatte die Mathematik keinen schrecken, im Gegenteil, sie war ein Segen. Etwas, das man nur einfach verstehen musste, um es beliebig reproduzieren zu können, und das immer denselben Gesetzen folgte. Mathematik war im wahrsten Sinne des Wortes berechenbar.Sim-Off: e^x is walking along and 42 goes running by screaming, "There's a differential operator at the end of the street! If he catches me, I'll be nothing!"
So e^x goes up to the operator and says, "I'm e^x. You can't do anything to me!"
And the operator says, "Hi, I'm d/dy." -
Als Nigrina die Kleine als ihre Schwester vorstellte, kamen ein paar Informationen zusammen, die Sextus innerlich zusammenfasste. Zum einen schied das Mädchen als mögliche Interims-Sexualpartnerin damit aus. Es bestand nicht nur die Gefahr, dass sie es ihrer Schwester petzte, wenn er sie fallen ließ, sondern – und das war weitaus schlimmer – den Flaviern als solches. Junge Mädchen waren, was solche Dinge anbelangte, weit weniger vernünftig, als ihre älteren Ausführungen. Und die waren schon nur teilweise der Logik zugetan. Und natürlich, sollte Nigrina bei der bevorstehenden Geburt doch das Zeitliche segnen, musste er sich mit den Flaviern gut stellen, um eine entsprechende Partie als Ersatz aushandeln zu können. Dafür mochte die Kleine durchaus noch taugen, wenn sie nicht schon an einen anderen verschachert worden war.
Die zweite Information betraf ein Gespräch, das schon länger her war und das er mit seiner Frau seinerzeit geführt hatte, als ihre Schwangerschaft noch in den Anfängen gewesen war. Nigrina war ganz und gar nicht davon angetan, dass ihre kleine Schwester ebenfalls in Rom war und damit ihr den Rang streitig machte. Zumindest hatte Sextus das so verstanden, dass das Hauptärgernis war, dass sie jünger war und dennoch ihren gemeinsamen Vater becircen hatte können, sie hierher zu schicken.
“Es ist mir auch eine außerordentliche Freude, dich kennenzulernen, liebste Schwägerin. Deine Schwester hat in ihren Beschreibungen von dir glatt vergessen, zu erwähnen, welch liebreizend junges Wesen dir gegeben ist.“ Anstatt sich zu setzen, gab Sextus der Flavia einen flüchtigen Handkuss und trat dann an ihr Vorbei zu dem Sklaven, der ihm etwas anbieten wollte. Er schenkte sich selbst mit Wasser gemischten Wein ein – diese Hohlköpfe hier mischten es ohnehin nur falsch – und schlenderte dann ganz gemütlich um die Damen herum zu einem der freien Stühle. “Ich hoffe, ich habe die Damen nicht gestört? Meine eigenen Schwestern pflegten mich aus dem Zimmer zu werfen, wenn sie sich unterhielten, mit eben jener Begründung“, fuhr er leicht fort.
Als er so hinter Domitilla war, dass sie ihn nicht sehen konnte, seine Frau hingegen schon, erlaubte er sich einen kleinen Spaß, um Nigrina aufzumuntern. Wenn Sextus wollte, konnte er durchaus auch zu seinem Weib charmant sein. Als er so also hinter ihr stand, deutete er kurz auf die Jüngere und formte mit seinem Mund kurz die Frage, ob sie diejenige welche sei. Und kurz danach machte er ein fragendes Gesicht und machte mit seinen Händen – in der Rechten noch immer der Weinbecher – kurz und unauffällig diese Bewegung, die einen umgedrehten Hals andeutete, und grinste dabei von einem Ohr zum anderen. Es war zwar einige Monate her, dass seine Frau ihre Schwester für das schwere Verbrechen, römische Luft zu atmen, umbringen wollte, aber sicher erinnerte sie sich noch daran. Und es war einfach zu lustig, zu sehen, wie sie wohl reagierte.
Nur allzu lang konnte er nicht auf die Antwort warten, sonst würde Domitilla noch einen stockenden schritt oder etwas anderes bemerken. Er hingegen war in Bewegung und ging flüssig weiter zu einem freien Stuhl, wo er sich erst einmal hinsetzte. Viel zu gepolstert und weich für seinen Geschmack, aber der Wein machte das durchaus wieder wett. -
Auch in der Politik war es wie überall. Vitamin B war einfach durch nichts zu ersetzen, und in diesem Moment war Sextus froh, dass er den richtigen Bekannten aus dem Ärmel geschüttelt hatte.
“Ich interessiere mich vornehmlich für das Amt des Quaestor Urbanus. Principis oder Consularis wären zwar sicherlich höher angesetzt, allerdings aufgrund der Gepflogenheiten bei der Vergabe und da ich keinen der kandidierenden Consuln persönlich kenne, wohl nur schwerlich erreichbar.“ Um nicht zu sagen unmöglich.