Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Sein Helfer sähe es sicher gern, wenn sie schneller fertig wären und er sich dadurch mit süßem Gebäck vollstopfen konnte, aber Sextus nickte lediglich höflich und konzentrierte sich auf das, was vor ihm lag.
    “Wenn du so freundlich wärst, und einen Tisch bereitstellen könntest, wäre mir dadurch weit mehr geholfen.“


    Nachdem dann aber schließlich alles bereit und auch die Unterlage für die Karten beschafft war, konnte Sextus sich dem widmen, weshalb er hergekommen war. Hauptsächlich dienten ihm dabei zwei Karten als Hilfsmittel, die für jeden Außenstehenden wie ein heilloses Durcheinander von Linien und Zeichen erscheinen mussten. Selbst für diejenigen, die wussten, was es bedeuten sollte, war es nicht einfach zu lesen, weshalb auch Sextus ein wenig Mühe hatte.
    Das erste war eine Karte von Rom, allerdings nicht wie üblicherweise dargestellt mit Straßen – soweit das in einer wachsenden Stadt überhaupt möglich war. Hier waren hunderte von Achsen eingezeichnet, die sich wie ein Gittermuster über eine Vielzahl kleiner Buchstaben legten und es dem unbedarften Betrachter schwer machten, überhaupt etwas zu erkennen. Doch irgendwann waren hier die Orte, um die es ging, letztendlich auch identifiziert, und die beistehenden Zeichen identifiziert. Wäre Sextus schon länger in Rom als Haruspex tätig, vermutlich hätte er diese Hilfsmittel nicht mehr nötig. Nur konnte er nicht alle Zeichen dieser Stadt auch noch aus dem Kopf runterrattern, und leider bestand Claudius Menecrates ja auf einer ordentlichen Lesung und nicht nur auf einer öffentlichen Bestätigung seines Wunschtermines.
    Die zweite Karte war noch komplizierter, nur dass hier die Linien nicht gerade waren, sondern Kreisförmig, und sich verschiedentlich überlappten. Wer keine Ahnung hatte, was das war, wäre wohl nie darauf gekommen, dass dies eine Sternkarte war, die im Bezug zu der Landkarte stand. Denn wo es auf der Erde rechte Winkel und Achsen waren, die den Raum eingrenzten, waren es im Kosmos Radien. Und hier fing die eigentliche Arbeit an, indem man nun die Zeichen suchte, die übereinstimmten und damit die Zeit bestimmten. Und Makrokosmos und Mikrokosmos in Einklang zu bringen, war trotz aller Studien so kompliziert, wie es klang. Und bald schon hatte Sextus Kopfschmerzen davon.


    Was seiner Laune nicht gerade zuträglich war, als die Sklaven mit dem Hammel hereinkamen und herumstolperten. Er blickte nur kurz auf und blickte zu dem Hammel hinüber. Der sah aus wie neu. Nein, wie mit Perwollus gewaschen.
    “Wenn deine Sklaven den Hammel zum Hausaltar bringen mögen? Oder hast du einen Foculus, den sie herbringen sollen, damit das Opfer hier stattfindet?“ Da Sextus nicht derjenige war, der das Blut später aufwischen würde, war ihm der Ort eigentlich ganz gleich.
    “Ich habe den Zeitrahmen auf eine Woche nach dem Tag ANTE DIEM IV ID IAN DCCCLXI A.U.C. (10.1.2011/108 n.Chr.) eingegrenzt und könnte mit der Lesung beginnen.“

    “Ich ein Dichter? Nein, sicher nicht. Dichter sind verträumte Kerle, die eine echte Frau noch nicht einmal dann wahrnehmen würden, wenn sie ihnen in den Hintern beißt Oh, verzeih die rüden Worte.“ Die waren aber gar nicht so unabsichtlich gesprochen gewesen, wie Sextus der Vestalin nun mit beschwichtigendem Blick weiszumachen versuchte. Nachdem er festgestellt hatte, dass sie eine Frau war, galt es festzuhalten, dass er ein Kerl war. Auch wenn die Claudia wohl nicht bei seinem Charme völlig dahinschmelzen und sich ihm gleich hier an der Pforte hingeben würde, sollte er jemals versuchen, das umzusetzen, musste sie von ihm den Eindruck eines Kerls haben und nicht eines Sprücheklopfers. Frauen wollten Männer, keine Weicheier. Auch wenn sie immer redeten, dass sie Männer wollten, die sie verstanden, und die einfühlsam waren und ihre weibliche Seele durch schöne Worte zu berühren wussten... alles Blödsinn. Die Frauen, die sowas sagten, sehnten sich dann nach einem Jahr des Anschmachtens nach einem Mann, der sie nicht erst hundertmal mit Rosenblüten überschüttete und tausend Kerzen anzündete, bevor er ihnen vorsichtig beilag. Nein, die wollten einen Kerl, der sie gegen die nächste Wand drückte und sich nahm, was er wollte. Und tief in ihrem Innersten wussten sie das auch.
    “Aber ich denke, mir fehlt die verklärte Sicht der Dichter. Und ich kann nicht halb so gut heucheln wie diese. Schlimmer noch, angesichts so einer schönen Frau wie dir kann ich mich kaum beherrschen, die Wahrheit nicht wie ein Narr hinauszuposaunen.“ Was glatt gelogen war, aber wie so vieles, es klang einfach gut.


    Zu den Gracchen sagte Sextus nicht, er nickte nur einmal bestätigend und leicht anerkennend. Doch ein bisschen Verstand in dem Kopf, na sieh einer an. Natürlich waren die Mutii nicht von göttlichen Pfeilen niedergestreckt worden, sondern von sehr menschlicher Hand verstorben. Aber das musste er nicht näher erörtern. Sie waren tot, sie standen nicht wieder auf.


    Bei ihren Ausführungen, mit denen sie seine Schmeicheleien abtat, musste er dann aber doch etwas sagen. So leicht ließ er sie nicht vom Haken.
    “Auch wenn du damals ein Kind warst, ich denke, dass sich durchaus bereits erahnen ließ, wie es einmal um dein Antlitz beschert sein würde. Du brauchst bei mir nicht bescheiden sein, ich werde dich nicht an die Virgo Maxima verpetzen.“ Ein kleines, spitzbübisches Zwinkern, das ihn ein wenig jünger erscheinen lassen mochte, als er war, und definitiv alberner, als er zu sein pflegte.
    “Aber so oder so ist es interessant, wie ambivalent das Schicksal doch zu sein scheint. Einerseits beschert es mir das außerordentliche Vergnügen, dich kennenzulernen. Noch dazu, wo du keinem Mann versprochen bist und es auch nicht sein wirst. Und auf der anderen Seite quält es mich damit, dass du doch nicht ferner sein könntest. Interessante Sache, das Spiel der Götter. Umso interessanter, dass es dein eigener Entschluss war, der hierzu geführt hat. Üblicherweise insistieren eher die Eltern...“ Ein wenig im Trüben fischen, und hoffen, dass sie auf irgend etwas ansprang. Mehr war es nicht, was Sextus hier betrieb. Ein kleiner Hinweis, in welche Richtung er reden sollte, mehr brauchte er nicht. Aber ohne diesen war das hier nicht mehr als müßiges Blabla.

    “Es ging mir nur um die Örtlichkeit. Wie bereits gesagt, Zeit und Raum hängen zusammen, und man kann das eine nicht ohne das andere bestimmen.“ Auch wenn Sextus wusste, dass Römer sich damit schwer taten. Er selbst hatte seine Lehrer für bescheuert gehalten (und tat es immernoch), als sie ihm das erklärten. Aber man musste es ja nicht verinnerlichen, und schon gar nicht daran glauben, um es formal richtig anwenden zu können. Und darauf kam es ja nur an.


    Dass der Senat sich noch immer nicht zu den Vorfällen in Nemi öffentlich geäußert hatte, war ärgerlich. Mehr noch, es war leichtsinnig. Warteten sie darauf, dass der Pöbel das vergaß? Da konnten sie wohl mitunter lange warten, eine Störung der Pax Deorum war nichts, was man auf sich beließ. Erstaunlich, dass sie nicht zumindest ein paar Aufwiegler öffentlich gekreuzigt hatten oder sowas.
    “Gut, dann werde ich einfach besonderes Augenmerk auf alle mit Diana verbundenen Zeichen legen und hoffen, dass die Haruspizien da aufschlussreicher sein werden.“
    Wie viel Zeit das ganze brauchte? Nun, DAS wiederum war ein Vorteil am Haruspex-Dasein: Man war einfach weitaus schneller als alle anderen Collegien.
    “Es sollte nicht länger als eine Stunde benötigen, den Termin zu finden. Aus diesem Grund habe ich die Karten und Bücher gleich mitgebracht. Dann könnten wir im Anschluss gleich die Leberschau noch durchführen, um Gewissheit zu erlangen. Sofern du das Tier besorgt hast? Ein Lamm oder ein Schaf ist hierfür vonnöten.“ Der Claudier hatte gemeint, er wolle das Tier selbst besorgen. So hatte Sextus ihn verstanden. Und wenn ihm nicht noch etwas einfiel, was im Zusammenhang mit diesem Termin stand, konnte Sextus die Karten bemühen und loslegen.

    “Die Pferderennen ebenfalls?“ fragte Sextus interessehalber nach, als der Claudier den Austragungsort nannte. Sicher war das Colloseum auch entsprechend auszubauen, dass sie dort stattfinden könnten, wenn auch ein vernünftiger Circus die bessere Wahl wäre. Aber Sextus war hier, um zu beraten, und nicht, um über die verrückten Wünsche seiner leichtgläubigen Kundschaft zu urteilen. (Was er dennoch besonders gerne tat, wenngleich der Claudier da nicht ganz so ergiebig war. Der war nur gläubig, aber nicht wahnsinnig. Zumindest bislang nicht.)


    Die Exekution der Locusta oder besser deren Leben davor war etwas, das von verschiedenen Schreibern hinlänglich ausgebreitet worden war. Und so war es auch Sextus bekannt. So viele Serienmörderinnen hatte es in den letzten 50 Jahren nun nicht gegeben, als dass man sich ihrer nicht erinnern würde. Auch wenn Sextus sicher war, dass die Schreiberlinge hier und da ein wenig künstlerische Freiheit für sich beansprucht hatten.
    Dass der Mann aber keine Jagden veranstalten wollte, wunderte Sextus schon ein wenig, immerhin waren die beim Römischen Volk sehr beliebt. Selbst die Gelehrten und die Christianer, die Gladiatorenkämpfe als grausam betitelten, sahen sich Venationes mit Begeisterung an. Aber gut, auch das war nicht Sextus Sache. Sollte der Claudier auf seiner Stele zu den Spielen veröffentlichen, was immer er wünschte.
    “Gut. Ich werde die Karten konsultieren, um die kosmischen Zeichen mit den örtlichen Progidien abzugleichen. Da Diana aber noch immer erbost ist, werde ich sicherheitshalber noch einmal Haruspizien lesen, um den so gefundenen Termin zu bestätigen. Hat der Senat mittlerweile darüber befunden, ob der Vorfall in Nemi ein Progidium ist?“ Letzteres wäre nicht unwichtig zu erfahren. Sextus verfolgte zwar so gut es ging die Neuigkeiten aus dem Senat, vielleicht hatte der Senator da aber aktuellere Erkenntnisse über die Sachlage.

    Ein paar Tage nach der Hochzeit hatte sich Sextus mit seiner frisch Angetrauten dann auch in der Regia eingefunden, um die Ehe offiziell eintragen zu lassen. Die Flavier wären wohl ärgerlich, wenn er diese Kleinigkeit verschleppen würde – allen voran wohl seine Frau – und es war ja nur eine kleine Formalität.
    Und so hatten er und Nigrina sich eingereiht, und nachdem sie im richtigen Officium angekommen waren und hereingebeten wurden, brachte Sextus auch sein Anliegen vor, damit die Sache schnell erledigt war.
    “Salve. Ich bin Sextus Aurelius Lupus, dies ist meine Frau Flavia Nigrina. Wir möchten unsere Ehe eintragen lassen.“ Was sonst sollte man in der Eheregistratur auch machen? Sich zum Militärdienst melden? “Die Sponsalia fand ANTE DIEM VI NON OCT DCCCLX A.U.C. (2.10.2010/107 n.Chr.) statt. Die Hochzeit war ANTE DIEM V KAL DEC DCCCLX A.U.C. (27.11.2010/107 n.Chr.) und fand sine manu und per usum statt. Benötigst du noch weitere Angaben?“
    Schnell und auf den Punkt. Sextus hatte nicht vor, wegen einer kleinen Formalität Zeit zu verschwenden.

    Pferderennen und Gladiatorenkämpfe also. Und der Claudier meinte es, wie schon angenommen, wirklich ernst mit seinem Anliegen und wollte nicht nur die Bestätigung für einen von ihm festgelegten Termin gegen ein kleines Entgelt. Das hieß wohl, dass Sextus wirklich würde sein Wissen anwenden müssen. Gut, dann ließ er mal den Haruspex raushängen, immerhin musste man dem Publikum auch etwas bieten!
    “Dann nehme ich an, es wäre dir am besten gelegen, eine geeignete Woche zu finden, innerhalb welcher diese Spiele stattfinden können? Und bei den Gladiatorenspielen, beschränkt sich dies auf die Gladiatorenkämpfe, oder inklusive Venationes und Hinrichtungen?“ Es war immerhin ein Unterschied, ob man nun nur einen geeigneten Nachmittag finden wollte, oder aber einen ganzen Tag. Und eine Frage dessen, wie beliebt sich der Ädil beim Volk damit machen wollte und wieviel Geld er dafür ausgeben wollte.
    “Und an welche Örtlichkeiten hast du gedacht? Welche Amphitheater im speziellen? Du musst wissen, dass Ort und Zeit einen festen Zusammenhang bilden, und es nicht geht, für ein Ereignis die rechte Zeit zu bestimmen, wenn sie nicht am rechten Ort stattfinden.“ Diese Besonderheit der etruskischen Religion, die aufgrund dieses Zusammenhangs überhaupt erst das Schicksal von Menschen, Städten, ja ganzen Nationen voraussagte, war wohl den meisten Römern nicht so ganz geläufig, weshalb Sextus ein wenig erklärte. Und weswegen er die Karten hatte mitbringen lassen, denn zum Glück waren die sogenannten Hepdomaden Roms recht gut erforscht.

    Ein wenig später als Avianus kam auch Sextus zur Sitzung. Er hatte bis vor einer halben Stunde noch über einem Erbschaftsfall gesessen, bei dem die Familienverhältnisse mit 'kompliziert' noch euphemistisch beschrieben waren. Und natürlich war kein Testament vorhanden gewesen, das ein wenig Licht ins Dunkel gebracht hätte.
    Auf der anderen Seite hatte Sextus es auch nicht allzu eilig gehabt, hier herzukommen. Neben seinen ganzen anderen Aufgaben besaßen die Salier sicher nicht die Priorität, die sie eigentlich hätten haben sollen. Da aber auch niemand anderes besonderen Eifer an die Aufgaben der Salier legte, war er damit wohl auch nicht allein. Und so betrat er den Raum. “Salvete“ war die einfache wie freundliche Begrüßung, ehe er sich zu seinem Platz begab. Mal sehen, was heute auf dem Programm stand. Wobei es vermutlich nur schwerlich etwas geben würde, das mit einem der letzten Bewerber mithalten konnte. Sextus musste immernoch über den Tiberier schmunzeln, der Flavius Gracchus darüber aufzuklären versucht hatte, dass ausländlische Kulte zu verehren besonders römisch sei. Mal schauen, was der Mann heute vorbringen würde.

    Der Ädil kam auch nach einer kurzen Weile und begrüßte ihn höflich, was Sextus ebenso freundlich erwiderte. “Salve, Claudius Menecrates. Es ist mir auch eine große Freude, hier zu sein und dir bei deinem Anliegen zu helfen.“
    Bei dem Verweis auf die Sitzgelegenheit und den fragen nach den Ritualen schüttelte Sextus leicht den Kopf. So weit waren sie noch nicht. “Wir können uns gerne setzen, und ich danke dir für dein Angebot. Allerdings muss ich den Wein ablehnen.“


    Und damit ließ sich Sextus auch auf den ihm angewiesenen Platz nieder – sein Helfer hatte stehen zu bleiben, was dieser auch mit einem einzigen Blick verstand – und wartete, bis der Claudier es ihm gleich getan hatte. In seinem Amtstalar zu sitzen war zwar auch nicht unbedingt bequem, denn das Leder sah nicht nur seltsam aus, es war auch sicher nicht mit einer leichten Toga zu vergleichen. Allerdings gebot es schon die Höflichkeit, jetzt, nachdem der Gastgeber dazu aufgefordert hatte, sich zu setzen.
    “In deinem Schreiben warst du nur sehr knapp bezüglich der genauen Spezifikationen dessen, was du zu erfahren wünscht. Einen Termin zu welchem Zweck und an welchem Ort suchst du denn?“
    Sextus hatte beschlossen, nicht zu viel müßiges Geplänkel vorneweg zu schicken. Er war hier in seiner Eigenschaft als Haruspex, und nicht, um zu plaudern. Und als eben solcher benötigte er genaue Angaben. Immerhin konnte er nicht einfach darauf losraten, nach was für Zeichen er denn suchen sollte.

    Weder nahm Sextus Platz noch nahm er einen Schluck zu trinken. Er blieb einfach in seinem nach objektiven Maßstäben lächerlichen Aufzug stehen und wartete. Blieb ihm ja auch nichts anderes übrig, als zu warten. Dumm nur, dass er nicht nach Zeit bezahlt wurde. Ob er hierfür überhaupt eine Entlohnung erhalten würde? Er hatte nicht danach gefragt und noch keine Gelegenheit gehabt, das Thema bei einem der nicht so gewieften Brüder des Collegium anzuschneiden. Wobei es wohl ohnehin in irgendeiner verdrehten Ehrvorstellung Lohn genug war, einem Aedil einen gefallen tun zu können. Und solange dieser Aedil sich daran erinnern würde, wenn Sextus mal etwas brauchte, konnte er auch damit leben. Vorerst.


    Sein Helfer wollte wohl das Angebot annehmen, als dieser aber auch nur in die Richtung des Weines und der Sitzecke blickte, erhielt er eine klare Anweisung. “Denk nicht mal daran.“ Ruhig gesprochen, selbst ohne eine kleine Neigung des Kopfes in die Richtung des jungen Burschen. Aber offenbar mit der richtigen Wirkung, denn er straffte die Muskeln und blieb auch brav stehen. Und sie warteten.

    Nachdem er ein so großzügig bemessenes Zeitfenster vom Aedilis Curulis erhalten hatte, kam Sextus wenige Nachmittage nach Erhalt des Briefes dann auch zur Villa Claudia. Einen Aedil sollte man nicht warten lassen, und bei seinen Kollegen vom Collegium konnte er so auch ein wenig Eindruck schinden, dass er als Jung-Haruspex gleich so einen dicken Fisch an Land gezogen hatte. Ein wenig seine Position dort zu stärken konnte sicher nicht schaden.
    Und so kam er in seinem Amtstalar dann auch her. Der spitz zulaufende, konische Hut durfte natürlich nicht fehlen, ebensowenig wie die kurze Wolltunika und der lange Ledermantel aus der Haut eines Opfertieres. Und ja, Sextus wusste, wie lächerlich das Ensemble aussah. Aber so war es brauch, und da der Aedil sich nicht näher dazu geäußert hatte, welchen Termin er für angebracht hielt, musste Sextus annehmen, dass dieser seine Anfrage tatsächlich ernst meinte. So richtig, richtig ernst. Und dass er eine wirkliche Antwort auf seine Frage nach einem Termin haben wollte. So eine richtig, richtig ausorakelte.
    Folglich hatte er auch einen Helfer dabei, der die eventuell notwendigen Karten bei sich trug. Immerhin gab es weit mehr für einen Haruspex, als nur in den Eingeweiden eines Tiers herumzuwühlen und zu schauen, ob die Götter etwas mitzuteilen wünschten. Man war schließlich kein Magier, der einfach irgendwas deutete, man war Wissenschaftler. Über das Ansehen allerdings konnte man streiten.


    Bewaffnet mit lächerlichem Amtstalar und begleitet von einem armen Wicht, der vermutlich keine Ahnung hatte, klopfte Sextus also schließlich an die Porta der Villa Claudia. Als der Ianitor öffnete verzichtete er auf eine Erklärung, was er hier wollte. Wenn der Mann Augen im Kopf hatte, würde er sehen, dass hier kein Hampelmann, sondern ein wohl erwarteter Haruspex stand.

    Ganz leicht schüttelte Sextus den Kopf. “Oh, nein, ich schmeichle dir wahrlich nicht. Nicht einmal annähernd. Wollte ich schmeicheln, müsste ich betonen, wie funkelnd deine Augen, wie graziengleich deine Gestalt und wie makellos dein Antlitz sind. Und selbst das wäre noch keine Schmeichelei, entspricht doch jedes Wort der Wahrheit. So aber bin ich nur ein armer Tropf, der seine Zunge einfach nicht im Zaum halten kann und dazu verdammt ist, das Offensichtliche in Worte zu kleiden.“ Gut, DAS war nun geschmeichelt. Aber bestimmt konnte eine Vestalin auch einmal vertragen, wenn man ihr Komplimente machte. Die meisten Männer sahen sie nur entweder als sportliche Herausforderung (gut, zu diesen zählte Sextus auch), und die anderen als unantastbare Heiligtümer wegen ihres Gelübdes. Ob irgendeiner die Damen auch als Frau wahrnahm, war fraglich. Daher schätzte Sextus seine Chancen gar nicht so schlecht ein, damit ihr Wohlwollen zu ernten.


    Es folgte ein wenig Geplänkel. Die Mutii, ja, tragisch, tragisch. Die hatten sich wohl ein wenig verspekuliert und hatten sich die falschen Feinde ausgesucht, denn von einer Seuche in deren Wohnhaus war Sextus nichts bekannt. Und gleich 3 Söhne in einer Woche zu verlieren war durchaus auffällig genug, um bemerkt zu werden. Allerdings nicht genug, um sich darüber mit einer Frau – denn auch Vestalinnen waren solche – ausgiebig zu unterhalten. “Ja, wirklich tragisch, wurde der alte Mutius scheinbar innerhalb eines Monats all seiner Kinder beraubt. Man mag beinahe an die Tantaliden denken.“ Auch wenn Sextus weitaus weltlichere Gründe vermutete und nicht eine wütende Diana und ein ebenso wütender Apoll. Wobei diese Anspielung ein netter Test war, herauszufinden, wie die Vestalin dazu stünde.


    Doch zunächst einmal folgte diese seinem Rat und erkundigte sich danach nach seinem Vigintivirat. Wie es ihm gefiel? Interessante frage, mit so mannigfaltigen Antwortmöglichkeiten. 'Es ist ein langweiliger Posten ohne wirkliche Macht, allerdings der erste Schritt zu eben jener und damit nicht zu verachten. Außerdem knüpft man so erste Kontakte und kann von sich reden machen' wäre eine ehrliche Variante. 'Es ist eine große Ehre, dem Imperium und dem Senat zu dienen, und als solches schon Belohnung genug' wäre die pathetische Variante. 'Gut', die schlicht positive, 'schlecht' die schlicht negative Variation. Alles in allem war aber keine die, die Sextus der Vestalin als wünschenswert attribuierte. “Es gibt mir die Möglichkeit zu dieser Konversation jetzt und hier.“ Die geheimnisvoll schmeichelnde Variante hatte durchaus etwas für sich. “Und es gibt mir die Möglichkeit, dich dasselbe über dienen Dienst an Vesta zu fragen. Wie kommt es, dass dein Vater dich hierher geschickt hat? Halb Rom muss ihm mit Klagen in den Ohren gehangen haben, eine so schöne Frau wie dich aus so noblem Hause für so lange Zeit unheiratbar zu machen.“ Dass er mit 'halb Rom' nicht die Hälfte der Bürger, sondern die Hälfte der Männer, die überhaupt in diesen Kreisen verkehrten und damit überhaupt nur erwähnenswert war, meinte, war zumindest für Sextus klar. Aber warum solch spitzfindige Kleinigkeiten im lockeren Gespräch klarstellen? 'Halb Rom' klang weitaus beeindruckender.

    “Ich halte ihn auch nicht für dumm.“ Allenfalls für wahnsinnig und unüberlegt. Aber wäre er schlicht nur dumm, hätte Sextus überlegt, ihn zu manipulieren und zu steuern. Allerdings schloss schon seine durchaus hohe Stellung aus, dass Durus ein manipulierbarer Dummkopf war. “Andernfalls hätte ich mich kaum so an ihn gebunden.“ Doch, hätte er. Immerhin hatte er Corvinus da seinerzeit vertraut, als es um die frage ging, wen er als Patron wählen könnte. Was wieder einmal bewies, dass man sich selbst ein genaues Urteil bilden sollte und sich nicht auf andere verlassen sollte, erst recht nicht blind. Aber gut, diese Lektion hatte das Schicksal ihm wieder eindrucksvoll ins Gedächtnis gerufen.
    Was sein Vetter weiter zu sagen hatte, klang irgendwie logisch. Und doch, es war schrecklich pathetisch. Ihre Mut und ihren Willen austesten, also bitte. Für Sextus waren solcherlei Beweggründe etwas, mit dem man die Schwachen und Dummen ködern konnte, aber er wollte bitte Fakten, ehe er sich entschied, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Ihm war es schnurzpiepegal, ob Salinator das personifizierte Böse in Menschengestalt war, das sich zum Tyrann aufschwang und mehr Menschenleben forderte und den Senat mehr brüskierte als seinerzeit Caligula. Er selbst war da moralisch flexibel genug, sich damit zu arrangieren, solange er dennoch sein Stück vom Kuchen abbekam. Von daher musste sein Patron da schon mit mehr aufwarten als einer Rede, die vor Pathos geradezu troff. Mut testen... das passte zu der Rede. Sextus konnte nur hoffen, dass sein Patron das nur spielte um zu sehen, ob seine Mitverschwörer schwach genug wären, sich von schönen Worten blenden zu lassen.


    “Dann sollte er das aber machen, und nicht ad hoc. Der Pöbel ist wankelmütig und denkt meist nicht weiter als bis zur nächsten Mahlzeit, allerdings erinnert er sich durchaus daran, wenn diese mehrfach von selber Stelle ausgegeben wurde. Ich denke, Nemi könnte uns da durchaus helfen, sofern er denn den Willen hat, seine Stellung und seine Möglichkeiten da auszuschöpfen.“
    Es war ganz einfach. Es gab noch immer keinen Schuldigen, den man dem Volk zum Zerfleischen vorgeworfen hatte. Und sicher, es mussten auch die Maßnahmen getroffen werden, um die Götter wirklich zu versöhnen. Allerdings hieß das nicht, dass man nicht den einen oder anderen Gefolgsmann des Vesculariers in die Sache hineinziehen und mitopfern konnte. Es musste nicht einmal direkt sein, nur ein kleines Licht... Es wäre zu überlegen, denn aufgrund des invasiven Charakters so einer Maßnahme würde es den Praefectus Urbi auch warnen, dass da etwas im Busch war. Folglich dürfte auch nicht zu viel Zeit zwischen unterschiedlichen Maßnahmen liegen.
    “Wie gesagt, ich bin bislang nicht überzeugt. Für das Risiko, das dabei besteht, sind die aufgeführten Gründe zu dürftig und der aufgezeigte Weg zu undurchdacht. Und ich weiß auch nicht, ob der militärische Rückhalt so groß ist. Ich weiß nicht einzuschätzen, ob der werdende Vater“, womit Sextus Ursus meinte, "so viel riskieren würde." Wobei dessen Frau als Tiberia wohl bis zum Hals mit drinstecken würde.


    Sextus Aurelius Lupus Claudio Menecrato s.d.


    Dein Vertrauen in mich ehrt mich und ich bin gerne bereit, dir bei der Findung eines passenden Termines behilflich zu sein. Teile mir bitte einen Termin mit, an dem ich dich hierfür aufsuchen kann, und teile mir mit, ob du das Lamm für die Haruspizien selbst auszusuchen wünscht.* Nähere Details können wir bei diesem Treffen klären.


    Vale
    S.A.L.


    Sim-Off:

    *Soll ich dann einfach in der Villa Claudia vorbeischneien? :D

    Reden war etwas, das völlig überbewertet wurde. Warum sollte Sextus irgendetwas in dieser Nacht sagen? Die Aktivität, die sie in den wachen Momenten teilten, war nicht dafür gedacht, philosophische Gespräche zu führen oder sich den Kopf zu zerbrechen. Vor allem, da jener einem anderen Körperteil eben den Vorzug gab und selbst ein wenig Ferien machte. Und nach dem Akt war er zum einen müde und damit ebenfalls nicht geneigt, lange Diskussionen zu führen, und zum anderen blieb die Frage, wie er wohl war, nichts, worüber es zu sprechen gab. Er merkte sehr, sehr deutlich, dass ihr gefiel, was sie taten. Sie machte ihm das durchaus sehr eindeutig klar. Warum also verbal noch einmal Bestätigung abholen und ihr damit die Möglichkeit geben, doch irgendwie das Gespräch an sich zu reißen und ihn vom Einschlafen abhalten? Wenn sie ihm mitteilen wollte, wie gut er war, konnte sie das auch ohne vorherige Aufforderung tun.


    Obwohl durchbrochen von der einen oder anderen intensiv genutzten Wachphase verging die Nacht am Ende doch, ohne dass Sextus in die Verlegenheit gekommen wäre, großartig mit seiner Frau müßige Konversation zu üben. Dass er diesem Schicksal nun auch am Morgen noch entgehen würde, wagte er zu bezweifeln. Selbst als er die Augen öffnete und zu seiner Angetrauten hinüber sah, ihr ein paar wirr verstrubbelte Haare von der nackten Schulter strich, bezweifelte er, dass der Morgen so ruhig bleiben würde. Jetzt im aufkommenden Licht der Dämmerung galt es, ein wenig Süßholz zu raspeln, ohne dabei allerdings das Ruder aus der Hand zu geben.
    Sextus richtete ein Kissen an der Kopfseite des Bettes und schob sich in eine halb sitzende Position, darauf bedacht, seine Frau nicht zu wecken. So vergnüglich sein kleines Rennpferdchen auch war, im Moment genoss er die Ruhe. Und so vergnüglich die Beschäftigung der letzten Stunden gewesen war, das würde sicher nicht jede Nacht so sein. Vor wichtigen Terminen musste er einigermaßen ausgeschlafen sein, da musste er sich dann zügeln. Oder dieses Weib, das zunehmend mehr Gefallen daran gefunden hatte. Vielleicht etwas zu viel. Er würde sehen.


    Erst noch stand ein etwas vergnüglicherer Teil auf dem Plan. Essen im Bett, dargereicht von seinem süßen Frauchen, und anschließend der Empfang der Geste, die die gestrige Feier überlebt hatten. Vielleicht zwischen beiden Terminen noch Begutachtung des Chaos, das angerichtet worden sein mochte. Solange Sextus noch etwas mitbekommen hatte, erschien ihm die Festlichkeit sehr ausgelassen zu klingen. Ein Jammer fast, dass das Brautpaar am eigentlichen fest gar nicht teilnahm.
    Er saß also da, lässig an das Kopfende gelehnt, ein bequemes Kissen im Rücken, und streichelte ganz sanft und langsam über die Schulter seiner Frau. Er wollte sie nicht wecken – da war er heute Nacht schon weitaus deutlicher geworden – sondern ihr nur ein angenehmes Aufwachen bescheren. Irgendwann bewegte sie sich auch leicht, reckte ihm ein paar Hautpartien hin, entblößte ihren weißen Hals. Offensichtlich ging es ihr gut und sie fühlte sich wohl. Er streichelte noch ein wenig ganz sanft, ehe seine Berührungen streichender wurden und sie so endgültig aus Morpheus' Reich brachten.
    “Guten Morgen, meine Frau“, begrüßte er sie leise und – im Gegensatz zur Nacht – sanft, ehe er ihr einen Kuss ungefragt erst auf die von wirren Haaren umrankte Stirn und anschließend auf den Mund gab. “Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“ Ein klein wenig nachhorchen, wie sehr es ihr gefallen hatte, ließ er sich dann letzten Endes doch nicht nehmen. Und immerhin würden sie die nächsten Jahre, so die politischen Allianzen nichts anderweitiges diktierten, miteinander leben. Und günstigstenfalls einen Sohn und Erben für Sextus produzieren.

    Sextus wusste, dass er gut war. Er wusste sogar, dass er sehr gut war. Dass er aber so gut war, dass sein Gegenüber total entrückt nur in sein Gesicht starrte, und das von jetzt auf gleich, ja mehr noch, von Zicke zu verträumtem Lieschen, da war er doch sogar von sich selbst beeindruckt. Er konnte ja nicht ahnen, dass sie in diesem Moment eine Vision hatte, für die die Sybille von Cumae erst ein paar Kräuter schlucken musste (und wenn er eine Ahnung davon gehabt hätte, hätte er diese Möglichkeit als Humbug abgewiesen. Immerhin war die Erklärung, dass er sie einfach mit irgendwas umgehauen hatte, viel besser und weitaus logischer).
    Und so musste er einen Moment lang die eigene Verwunderung nicht mal wirklich spielen, da sie der natürlichen doch recht nahe kam. Vor allem, als Prisca danach anfing, sie würde sich Sorgen um ihn machen. Ahja? Dann versteckte sie ihre Zuneigung aber sehr gut. Und Sextus war eigentlich gut darin, Zeichen von Interesse aufzuspüren. Das war sein liebstes Hobby. Kurz: Er traute dem Braten nicht ganz und wollte sich nicht lächerlich machen. Prisca unterlag wie die meisten Frauen der irrigen Annahme, sie wäre der Angler und er der Fisch. Sie lockte ihn an, um ihn danach wieder von sich zu weisen, um ihn danach noch enger zu sich zu ziehen. Nur funktionierte das Spiel so eben einfach nicht. Sextus würde einer Frau sicher nicht dieselbe Kontrolle über diese feine Jagd zugestehen, die er einem Mann (und ganz besonders sich selbst) zugestand. Er spielte dieses Spielchen nicht mit. Wenn sie ihn wollte, musste sie schon mehr tun als mit subtilen Hinweisen um sich werfen, nur um am Ende erhaben über der Situation zu stehen, wenn sie ihn abwies.


    “Mach dir keine Sorgen, Prisca. Ich plane, sehr, sehr alt zu werden.“ Oder nur zu sterben, wenn es sich wirklich lohnte. Selbsternannte Kaiser hatten beispielsweise eine kurze Lebenserwartung, aber das lohnte sicherlich. Abgesehen davon, dass Sextus kein impulsiver Mensch im eigentlichen Sinne war, sondern seinen Kopf nicht nur aus Dekorationszwecken auf den Schultern trug.
    Und damit war alles gesagt. Sie würde tun, was er wollte (was gut war), machte den Anschein, doch Interesse an ihm zu haben (was besser war) und würde selbst Schritte unternehmen, um sowohl das eine als auch das andere zu erreichen (was das beste war), während er strahlender Held war, ohne groß etwas tun zu müssen. Und als kleines Bonbon hatte er ein paar Zweifel gegen seinen baldigen Schwager streuen können. Ein durch und durch positives Gespräch.
    “Wenn du es hinterher nicht nur verbrennen, sondern tatsächlich einmal tragen willst, sollte ich das besser nicht einmal versuchen.“ Er hatte gelernt, wie man ein Schwert in die Hand nahm, aber doch keine Nadel! “Dann will ich dich auch nicht weiter aufhalten.“
    Endlich erhob er sich und sah sich noch einmal leicht um, ob er auch nichts vergessen hatte. Mit einem zugezwinkerten “Cousinchen“ als Abschiedsgruß schließlich verließ er das Zimmer.

    Rom hatte geschätzt eine Einwohnerzahl von etwa einer Million. Davon waren ein paar hundert in den nobleren Familien, und davon etwa ein Zehntel durchaus geeignet, einem jungen, aufstrebenden Patrizier auf seinem Weg in die Politik zu helfen auf die ein oder andere weise. Einige waren Senatoren, andere mit solchen Verwandt oder verschwägert oder sonstwie verbunden. Es hatte gute zwei Dutzend Personen gegeben, zu denen Sextus hätte gehen können, um sich als Klient anzubieten. Natürlich war bei seiner Herkunft ein patrizischer Patron vorzuziehen gewesen, aber selbst da hätte es noch bestimmt zehn Personen gegeben, die sich als nützlich erwiesen hätten. Wieso also hatte er mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit gerade den rausgepickt, der wahnsinnig war? Das musste ein verborgenes Talent zu sein, unter allen möglichen Wegen gerade den zu finden, der mit Felsbrocken übersäht und an beiden Seiten von Dornengestrüpp gesäumt war. Vielleicht sollte er sich an der Schola als Magister einschreiben lassen für einen Kurs. 'Anderswo kriegen sie Ponyhof und werden mit frisch geschorener Babylammwolle beworfen. Aber hier, hier lernen sie, wie man so richtig in Scheiße greift und blutet. Willkommen im Leben!'


    Avianus riss ihn aus der fast philosophischen Betrachtungsweise der gegenwärtigen Situation, als er ihn direkt auf offener Straße ansprach. Gut, es war niemand da, den sie sehen konnten, dennoch war Sextus sich nicht sicher, ob es so eine gute Idee war, offen zu sprechen. Aber solange er nicht zu explizit wurde und im gemütlichen Plauderton verblieb, sollte er wohl antworten können. Beschattet wurden sie augenscheinlich nicht.
    “Ich denke, dass es alle Beteiligten Kopf und Kragen kosten wird, wenn es nicht besser durchdacht wird. Eine Sache kann noch so nobel und noch so edel sein, wie sie will, sie wird dennoch scheitern, wenn sie kein solides Fundament vorzuweisen hat. Es zu vollenden ist eine Sache, doch entweder gibt es keinen Plan für das, was geschieht, wenn es getan ist, oder er weiht uns nicht ein.“ Sextus nannte bewusst keine Namen. So leer die Gassen auch sein mochten, er traute dem Schein nicht. Und für Hochverrat gab es nach wie vor eine recht unangenehme Strafe. Er hatte kein Bedürfnis für nähere Bekanntschaft mit dem tarpejischen Felsen. Und Verbannung war auch recht hinderlich für seine politische Karriere.
    “Ich sehe nicht den militärischen Rückhalt gegeben, der dafür nötig wäre. Man darf nicht vergessen, dass beide Betreffende selbst beim Militär gedient haben, und dort nach wie vor viele Freunde haben. Ob ein ausgewachsener Bürgerkrieg das Mittel ist, das eingesetzt werden sollte, ist fraglich. Noch dazu weiß ich die Stimmung des Plebs nicht einzuschätzen in dieser Sachlage. Und wenn wir eines gelernt haben sollten, dann das, dass das niederste Volk jeden noch so feinen Senator mit Freuden zerfleisch und auffrisst, wenn man ihm Anlass dazu gibt.“ Sextus war überheblich und eingebildet, aber nicht so überheblich und eingebildet, als dass er das vergessen würde. Der Pöbel war vielleicht ein notwendiges Übel, aber auch ein verdammt mächtiges Übel, wenn er losgelassen war. Und sollte das Volk mit einem Kaiser Tiberius – denn das vermutete Sextus hinter dem ganzen Plan – nicht einverstanden sein, weil es seinen Kaiser Aelius liebte, dann hatten sie gewaltigere Probleme, wenn sie nicht vorher schon ein wenig Propagandaarbeit getrieben hatten. Das wäre nicht die Erste Verschwörung, die wegen so etwas nach Ausführung des Attentats noch scheiterte.

    Es war erstaunlich, geradezu ein kosmisches Phänomen, wie Menschen einander zu spiegeln versuchten. Die Claudia vor ihm war das beste Beispiel dafür, denn entgegen ihrer doch sehr direkten Art beim Verhör in der Villa Aurelia befleißigte sie sich hier einer philosophischen, ja geradezu blumigen Sprechweise. Während in ersterem Gespräch die Antworten von Sextus ebenso gerade und unumwunden – zumindest sprachlich gesehen – waren, hatte er hier seine Worte schmeichelnder und mit galanter Übertreibung gewählt. Und siehe da, die Claudia zog nach und redete daher, wie die Dichter sich sonst nur in schriftlicher Form verlautbaren ließen.
    Ihre ersten Worte veranlassten Sextus zu einem huldvollen, kurzen Senken des Kopfes. Wenn sie keine netteren Konversationspartner als ihn hatte, dann war das Atrium Vestae tatsächlich langweiliger als jemals angenommen. Wobei die ganze Institution für Sextus ohnehin ein absurdum darstellte, fand er doch, dass es weitaus bessere Verwendung für Frauen gab, als auf ein Feuer aufzupassen. Aber gut, er war Römer, es war Tradition, und irgendwie musste man die Kosten für Mitgiften ja regeln. Auch wenn der Weg, eine Frau über Jahrzehnte von Heiratspolitik auszuschließen da etwas drastisch war.
    “Wie könnte ich mich grämen, wo ich doch mit deiner Gegenwart dafür belohnt werde?“ Ein kurzer, wohldosierter Blick in ihr Gesicht, ehe er fortfuhr. “Wobei die Ehre, dem Staat zu dienen, sicher auch nicht zu verachten ist. Doch scheint mir die Waage im direkten Vergleich der beiden Dinge doch eindeutig zu deinen Gunsten auszuschlagen, geschätzte Vestalin. So freuen mich deine Glückwünsche gleich umso mehr.“
    Er zückte die drei tabulae, die er dabei hatte, und auf denen mehrere Namen standen.




    Marcus Mutius Tacitus
    Quintus Mutius Commodus
    Lucius Mutius Taurus
    Marcus Icilius Vatia
    Iullus Orbius Corbulo
    Sisenna Stallius Tutor




    Titus Villius Mamercinus
    Fadia Amaesia
    Obsidia Calvena
    Galeo Septitius Arruntianus
    Marcus Pedarius Septitianus
    Marcus Vibius Gargonianus Lentulus




    Quintus Octavius Augustinus Minor *
    Marcus Octavius Augustinus Maior *
    Gaius Annaeus Acratus *
    Umbonia Mamiliana Bursa
    Tiberius Carpinatius Dasius
    Manius Aquillius Geta


    Teilweise schien es ganze Familien hingerafft zu haben. Über die Mutii stand sogar ein kurzer Kommentar in der Acta. Aber dennoch war die Anzahl der Todesfälle nicht besonders außergewöhnlich zu nennen.
    “Wenn du nachsehen könntest, ob jemand von dieser Liste ein Testament in eure schönen Hände gelegt hat? Oder besser, du fragst eine deiner Schwestern, dann bleibt mir das Vergnügen deiner Gegenwart noch etwas länger erhalten.“


    Sim-Off:

    Die mit * sind ID's, der Rest NPC's

    Sextus fand es immer wieder interessant, wie sich Ursus so unwichtige Kleinigkeiten wie die Namen von Sklaven merkte. Und diese darüber hinaus noch höflich bat, irgendwas zu tun. Als ob sie sich erdreisten dürften, einen Befehl abzulehnen.
    Allerdings gab es jetzt wichtigeres als die Kuriositäten der Verhaltensweisen seiner Verwandten. Denn Ursus hatte recht, es gab viel zu besprechen. Sehr viel sogar. Wovon er einen guten Teil beizutragen gedachte.
    “Mit deiner Erlaubnis, Ursus, möchte ich gleich beginnen.“ Er lehnte noch immer an der Säule, ohne sich zu setzen, und löste sich nun von dieser, um seinen Worten den nötigen Nachdruck zu geben. Setzen wollte er sich aber nach wie vor nicht. Im Stehen klangen Reden viel besser.
    “Das Thema ist sicher nicht erbaulich, dennoch halte ich es für wichtig genug, dass wir es gleich zur Sprache bringen und das müßige Geplänkel übergehen.
    Ich habe mir Corvinus' Testament angesehen, und leider gibt es dabei einige Dinge, die so erst einmal nicht umgesetzt werden können. Einige seiner Erben sind nicht erbberechtigt. Narcissa, Flora und ich sind zu weit entfernt mit ihm verwandt, um noch im Sinne des Gesetzes einen Anspruch auf Erbe zu haben. Wenn ich heirate und Narcissa Vestalin wird, hätten wir beide Anspruch auf die Hälfte des zugedachten Erbes. Selbiges gilt für Flavius Piso, der ebenfalls bedacht wurde. Allerdings würde ein guter Teil verfallen. Und auch bei Corvinus' Klienten müssten alle die herausgefiltert werden, die nicht verheiratet sind, und dann noch einmal die, die keine Kinder haben. Darüber hinaus würde sich das ganze auf eine Frist von einhundert Tagen hinziehen, bis das Erbe zugewiesen werden kann.“

    Soweit die schlechten Nachrichten. Sextus ging zwei Schritte, an den Zwillingen vorbei, weiter zu Prisca, hinter der er dann stehen blieb.
    “Allerdings habe ich bereits eine Idee, wie wir dennoch schnell das Erbe verteilen können, genau so, wie Corvinus es gewollt hätte. Ich habe Prisca bereits informiert, und sie ist auch einverstanden.“ Ein kurzer Blick zu ihr hinab, beinahe brüderlich, ehe er weiter ging. “Wenn Flora, Narcissa und ich das Erbe offiziell ablehnen, dann erbt Prisca unseren Teil zunächst mit. Sie allerdings als Erbin kann ihr Geld mit Einverständnis ihres Tutors“ – ein Blick auf Ursus folgte, der wohl diese Stellung innehaben würde - “verwenden, wie sie möchte. Sie kann es also uns genau so schenken, wie Corvinus es vorgesehen hatte. Und auch den Klienten in einer Salutatio, bei der sie sich auch der bleibenden Freundschaft eben jener gegenüber unserer Gens versichern kann.“
    Sextus mochte seinen Plan nach wie vor. Zufrieden setzte er sich auf den freien Platz, wohl wissend, dass sein Plan geradezu perfekt in seiner Einfachheit war. “Den Papierkram könnte ich als Decemvir schon nächste Woche einen Kollegen erledigen lassen.“ Was definitiv den hundert Tagen Frist vorzuziehen war. “Und das Mausoleum kann in Auftrag gegeben werden.“ Denn das würde sicher einen ganzen Batzen Geld verschlingen.


    Sim-Off:

    Ist zwar schon angewiesen etc., der Vollständigkeit halber aber dann hier einmal offiziell :D

    Ja, das war sein Name. Schön, dass sie ihn sich gemerkt hatte.


    Sextus war weit davon entfernt, irgend etwas von Unsicherheit oder Nervosität wahrzunehmen. Ihre Signale vorhin waren eindeutig gewesen. Sein Rennpferdchen hatte ungeduldig mit den Hufen gestampft, das Startsignal war ertönt, und nun würde er sie im vollen Galopp bis ins Ziel steuern, wie sie es gewollt hatte. Ernsthafte Einwände würde sie nun definitiv weitaus beherzter einbringen müssen, um noch irgendwie in seinen Verstand vorzudringen. Sein Blut begab sich derweil bereits langsam aber stetig in Regionen, in denen es mehr Spaß haben konnte.
    Mit der Tunica recta hielt Sextus sich nicht lange auf. Das Kleidungsstück war ohnehin nicht dafür gedacht, länger als den heutigen Abend zu überstehen, und so hatte Sextus auch keine Skrupel, die Naht an der Schulter etwas unkonventionell zu lösen, um die weiße Haut darunter mit seinen Lippen in Besitz zu nehmen. Bald schon reichte das aber nicht mehr, und das ganze Kleidungsstück musste weichen, wurde bestimmt nach oben über den Kopf der Frau gezogen, die nun ihm gehörte. Mit Händen und Lippen nahm er ihren Körper in Besitz, hungrig aber nicht gewaltsam, genoss die Zeichen ihres Körpers, Keuchen, Stöhnen, ehe ihm seine Kleidung auch endgültig zu eng wurde und weichen musste.
    Haut auf Haut, Atem an Atem, sie riechen, schmecken, in Besitz nehmen. Ihr Schaudern, ihr Zittern. Tiefes Grollen drang aus seiner Kehle, als er sie endlich zurückdrängte und sich nahm, was ihm gehörte. Eine Sekunde der Erkenntnis bei ihrer Reaktion, die ein kurzes Hochgefühl auslöste. Noch nie hatte er sich gefreut, dass er im Irrtum war, außer dieses eine Mal. Doch nun war es zu spät, sich zurückzunehmen. Weiter, ihr Gesicht betrachtend, sich beherrschend, bis es keinen Schmerz mehr widerspiegelte, dann sich dem Trieb ergeben, Kontrolle aufgeben, sich verlieren.


    Als Sextus fertig war, rollte er sich auf den Rücken. Ungefragt zog er seine Frau an sich heran und lächelte noch in die Dunkelheit hinein. Sie war doch noch jungfräulich gewesen. Das Lächeln wurde ein wenig selbstgefällig. Die 'Wie war ich?'-Frage huschte kurz durch seinen Geist, aber er verzichtete darauf. War jetzt vielleicht doch ein wenig unpassend.
    Die Decke wurde noch kurzerhand mit den Füßen geangelt und Sextus deckte sich mitsamt Nigrina zu, ehe er sich der sanften Ermattung hingab und einfach einschlief.

    Zunächst einmal Entschuldigung an alle, die die letzten Tage auf mich gewartet haben. Ich hab grad ein paar Dinge um die Ohren, mit denen ich vorrangig zurande kommen muss.
    Und ich muss euch auch leider gleich nochmal vertrösten, die nächsten beiden Wochen sieht es bei mir etwas mau aus, so dass es zu etwas längeren Wartezeiten weiter kommen kann. Ich bemüh mich aber, keinen zu lange warten zu lassen.