Beiträge von Ragnarus Romaeus

    Gehorsam nickte Romaeus, während er zunächst Calvenas und dann Valerians Blick erwiderte. Er war immer noch ziemlich durcheinander, weshalb er ganz einfach vergaß, laut zu antworten. Stattdessen nahm er stumm die Öllampe entgegen, die er als erstes im Keller auf dem Boden abstellte, neben der eingesauten Ecke.
    Den Weg zur Küche kannte er ja schon - und jetzt erinnerte er sich auch vage, gestern beim Durchsuchen im Halbdunkel auch Putzeimer hatte stehen sehen.


    Nun, bei Tageslicht, genügte ein kurzer Rundblick durch die Küche, schon hatte er die beiden Wasserbottiche unter dem großen Arbeitstisch entdeckt. Einer von ihnen war tatsächlich gefüllt und über dem anderen hingen zwei trockene, frische Lappen.
    Romaeus nahm beide mit. Vorsichtig hob er den Bottich mit beiden Händen an um diesen dann zügig, aber nicht allzu schnell, zurück in den Keller zu balancieren. Der Eimer war zum Glück nicht übermäßig voll, so daß es ihm leicht fiel, nichts zu verschütten.


    Unten angekommen, legte er einen Lappen auf dem Regal ab, ehe er den anderen ins Wasser tunkte. Gerade hatte er ihn ausgewrungen und wollte losputzen, da hielt er mitten in der Bewegung inne.
    Wenn er sowieso schon hier am Saubermachen war, dann konnte er sich selbst auch gleich waschen, fiel es ihm ein.
    So landete nun sein löchriges Hemd auch auf dem Regal, dicht gefolgt von seiner Hose. Als erstes landeten zwei Handvoll Wasser auf seinem Kopf und er rubbelte sich mit den Fingern durch die nassen Haare. Anschließend schubberte Romaeus der Reihe nach gründlich Beine, Arme, Bauch, Hals und Gesicht mit dem feuchten Tuch ab. Sogar seine Füße kamen dran, indem er zunächst den einen, dann den anderen in den Eimer tunkte.
    Leider hatte er aber nur zwei Putztücher, weshalb mal wieder sein altes Hemd als Trockentuch dienen mußte. Das war nach dieser Aktion natürlich triefend nass, aber immerhin konnte er nun wieder seine Hose anziehen.

    Der Junge schluckte betroffen, als der Centurio ihm nun genau dasselbe erklärte, wovor Varius ihn und die anderen seit Jahren gewarnt hatte. Es gab keinen anderen Ort außer ihn - und Romaeus wußte das. Spürte es umso mehr im Bauch, seitdem Ingolf verschwunden war.
    Und doch sah er nun Valerian mit großen, hilfesuchenden Augen an. Was sollte er denn machen, ganz egal, ob er seinem Herrn treu blieb oder ihn verriet, sein Schicksal bliebe dasselbe, wenn es denn nicht der Tod war.


    Valerians Verkündung, die Erwachsenen würden sich jetzt besprechen, entlockte Romaeus ein stummes Nicken. Natürlich würde er den Keller sauber machen - und etwas zu Essen bekommen? Ein halbes Lächeln, das irgendwo zwischen Trauer und Dankbarkeit hängenblieb, stahl sich auf seine Lippen.
    "Dann brauch ich Putzzeug, bitte. Und eine neue Lampe, glaub ich ..." Automatisch wandte er sich nun wieder Calvena zu, sah sie zugleich fragend und irgendwie auch verlegen an. Schließlich war die Pfütze, die er dort unten hinterlassen hatte, ihm doch etwas peinlich.

    Romaeus schob sichtlich enttäuscht, aber auch nachdenklich die Unterlippe vor, als Valerian verlauten ließ, daß er nicht jedem Straßenkind in der Stadt helfen könnte. Irgendwo hatte der Mann ja recht, auch wenn er selbst seine Worte nur auf sich und seine beiden Freunde bezogen hatte.
    Seine blauen Augen verengten sich leicht, während er den Blick des Erwachsenen erwiderte. Wieder stützte er das Kinn auf die Knie, überlegte, ob ihm außer Varius sonst noch jemand einfiel, zu dem sie gehen konnten.
    "Ich weiß nicht", meinte er schließlich mit einem hilflosen Schulterzucken. "Ingolf ist nicht mehr da. Wir haben nur noch ihn. Und wenn er nicht mehr da wär, dann - würden wir gegenseitig auf uns aufpassen." Das taten sie ja eigentlich jetzt schon. "Oder ich würd -", er zögerte einen Augenblick, überdachte das, was er sagen wollte, noch einmal. "Weggeh'n. Schau'n, ob ich irgendwo meine Eltern find' ... oder wen, der sie gekannt hat." Daß er bei einem solchen Unterfangen womöglich jahrelang durch die Gegend reiste, kam ihm dabei nicht wirklich in den Sinn. Doch ihm war durchaus klar, daß er keinerlei Anhaltspunkte hatte, ob sie überhaupt noch lebten, geschweige denn, wo sie lebten. Doch was verschwunden war, konnte jederzeit wiedergefunden werden. Manche Dinge tauchten wieder auf, wenn man eigentlich etwas ganz anderes suchte und für andere wieder brauchte man einfach nur sehr viel Geduld.


    So wie damals, als er die Pferdedecke mit ein paar kleinen Löchern auf der Müllhalde gefunden hatte. Der Winter hatte mit viel Schnee, aber schrecklich kalt angefangen, aber als er die Decke gefunden hatte, wurde das Wetter mit Schneeregen und sogar Eisregen noch viel schlimmer. Also hatte er trotz der Kälte vorher die große Decke genau zur richtigen Zeit gefunden, daß sie sich darunter verstecken konnten wie unter einem Zelt ...

    Die nächste Frage des Centurios ließ den Jungen dann doch ein wenig verdutzt dreinblicken. Wortlos blinzelte er sich die Tränen aus den Augen, wischte sich schließlich nachdenklich mit dem Ärmel über die Nase.
    Da war immer noch dieser Drang, unbedingt heil aus dieser Sache rauszukommen. Und nicht nur er, sondern auch seine Freunde. Und das hatte Valerian ihm bereits versprochen, wenn auch nur in der Form, daß er ihnen nichts tun würde. Das hieß aber doch auch, daß die Behörden ihnen nichts tun würden ...?
    Romaeus' Finger hatten sich ineinander verschränkt, als er sie nervös hin und her drehte. Man konnte förmlich sehen, wie es in dem Knaben arbeitete. Ein letztes Hinunterschlucken der Tränen und er brachte leise hervor: "Wenn ich vielleicht dir helfen kann ... Kannst du dann ... uns helfen ... Herr?"


    Wieder gruben sich seine Zähne in die Unterlippe. Romaeus war ein Gedanke gekommen, wie er Valerian helfen konnte und vielleicht auch Lysandra und Neco, ohne daß Varius mitbekam, daß er der Verräter war ...
    "Ich kann's dir aufmalen - wie du ihn findest", entfuhr es ihm plötzlich. "Aber nur im Sand!" Denn was im Sand war, konnte man jederzeit wieder wegwischen.
    "Dann weiß ich, daß er Neco und Lysandra nix tut! Weil er dann nämlich nich' weiß, daß ich's verraten hab ..." Er kniff zögernd die Lippen aufeinander, innerlich hin und hergerissen zwischen seiner Angst und einer Art verzweifeltem Wagenmut.
    "Ihnen darf nix passier'n", fügte er nun wieder ziemlich piepsig hinzu. Unsicher hing sein Blick auf Valerians Gesicht. "Bitte, Herr!"

    Auf die Nachfrage wegen seiner Mutter schüttelte der Knabe verstört, doch auch ein wenig zu hektisch den Kopf. Doch daran, daß ihn dies verraten würde, dachte er gar nicht. Er kannte den Namen seiner Mutter, den hatte Ingolf ihm noch verraten, bevor er ... Ein weiteres Mal schluckte Romaeus hart, doch es half nichts gegen die wiederaufkommenden Tränen. Leise vor sich hin schluchzend, suchte er krampfhaft nach Worten, nach Antworten in seiner Erinnerung.
    "Er ... nein, wir sind öfters rumgereist", stieß er schließlich hervor. "Aber, aber ...." Vor lauter Heulen fing er jetzt auch noch zu stottern an! Romaeus biß fest die Zähne aufeinander, in dem Versuch, sich zusammenzureißen. Er wartete einen Moment, bis sein aufgebrachter Atem sich wieder beruhigte.
    "Ingolf is' nich' einfach so weg", seine Stimme klang immer noch tränenerstickt. "Er, er -", nur ein tiefes Ein- und Ausatmen verhinderte, daß er nochmal ins Stammeln geriet.
    "Er hat's nur so aussehen lassen", erklärte er leise. "Damit wir keine Angst haben. Aber zwei Tage, nachdem er weg war, da mußte Neco unserm Herrn ein neues Messer besorgen ..." Natürlich hatten sie auch darüber nachgedacht, daß Varius sie mit dieser Geste möglicherweise nur einschüchtern wollte. Der Beweis dafür, daß sein Freund tatsächlich tot sein mußte, lag für Romaeus in einer ganz anderen Tatsache. "Wenn er ... Wenn er noch leben würde, dann hätt' er mich nicht allein gelassen! Er wär zurückgekomm' und außerdem hätt' er mir sonst nicht sagen brauchen, wo ich vielleicht meinen Papa finde!" Erneut kroch ein Schluchzer seine Kehle hoch, begleitet von einem Hickser. "Aber er ist jetzt schon über ein Jahr weg ..."


    Wie zuvor zog er die Beine enger an den Bauch, um das schmerzhaft drückende Angstgefühl darin zu verringern. Romaeus hatte bewußt keine Namen zu seinen Eltern genannt, denn er befürchtete, damit nur neuen Ärger hinaufzubeschwören ...
    "Er konnte nix dafür, daß er ein Dieb war." ging er schließlich doch noch auf die letzte Frage des Centurios ein. "Er hat doch nie was anderes gelernt als zum Dienen ..." Schnüffelnd zog Romaeus den Rotz in der Nase hoch.

    Irritiert blinzelte Romaeus Valerian an, als dieser nun versuchte, das zusammenzufassen, was er ihm gerade erzählt hatte. Dies brachte den Jungen jedoch erst recht durcheinander.
    Er wäre frei gewesen, wenn seine Großeltern es erlaubt hätten? Meinte Valerian das? Kaum aber hatte Romaeus diesen Gedankengang beendet, da redete der Hausherr auch schon weiter.
    War er ein Sklave? Bei Varius jedenfalls schon ...
    "I-ich glaub, ja ...", erwiderte der Junge etwas hilflos und zuckte mit den Schultern. "Ingolf war der Sklave meiner Mama. Und sie hat ihn gebeten, mich zu retten, also hat er bloß ihren Auftrag erfüllt."


    Die Verwirrung stand dem Knaben förmlich ins Gesicht geschrieben, als Valerian damit fortfuhr, daß Ingolf Varius ja irgendwie zu ihren Herrn auserkoren hatte - oder eigentlich umgedreht?! Daß Varius alle Rechte an ihm hatte, war für Romaeus klipp und klar wie Kloßbrühe, aber so wie Valerian es ausdrückte, klang es für ihn nun ganz so, als gäbe es mehrere Formen von Recht.
    "Äähmmm", machte der Junge langgezogen und legte den Kopf in den Nacken. Und schüttelte ihn schließlich, wie um seinen eigenen Gedankensalat zu entwirren.
    "Va -", er zögerte abermals, sah kurz zu Boden und schließlich wieder zu Valerian hoch. "Unser Herr ist ein Sklavenhändler. Hier in der Stadt." Na gut, das war logisch, sonst wäre er ja wohl kaum hier ...
    "Ingolf hat damals erst durch Arbeit versucht, uns durchzubringen. Aber dann waren auf einmal Steckbriefe von ihm in der Stadt. Da mußte er stehlen, obwohl er eigentlich sowas ja nicht gemacht hat ... Er kannte sich in der Freiheit ja auch nicht aus, weil er von Geburt an eigentlich Sklave war. Drum hat das mit dem Stehlen auch nicht wirklich geklappt und ... hmm!" In einer Mischung aus Durchatmen und Seufzen unterbrach er sich. Die linke Hand fand unbewußt den Weg in seine Haare und begann daran rumzuzwirbeln. Immerhin wollte er Valerian hier erklären, daß Ingolf nix dafür konnte, was mit ihnen passiert war. Denn genau genommen war Varius schuld, der ihre Notsituation für sich ausgenutzt hatte ... jahrelang.


    Erneut ballte Romaeus eine Hand zur Faust, rang minutenlang mit sich, was jetzt richtig und falsch war. Obgleich sein Gerechtigkeitssinn, was die Diebereien betraf, recht eigensinnig war, so ahnte er doch, daß es nicht nur klüger wäre, seinen Herrn zu verraten, sondern es auch Ingolfs Opfer gewissermaßen einen Sinn geben würde. Gewiß hatte auch Ingolf Fehler gemacht, aber im Grunde war er ein guter Mensch gewesen!
    "Varius hat sein Versteck gefunden!" rückte Romaeus in plötzlicher Entschlossenheit raus. "Und ihm angeboten, wie er frei in der Stadt zu leben lernt, wenn er ... wenn er ihm Geld bringt." Romaeus zog nachdenklich eine Schnute nach rechts. "Richtig frei war das ja auch nicht, aber irgendwie doch. Ingolf war dann sowas wie Varius rechte Hand. Aber nur, weil er nich' anders konnte, sonst wär's Neco und Lysandra und mir noch viel schlechter gegangen!" verteidigte er nun vehement seinen Freund. "Und außerdem hat er so sein Versprechen an meine Eltern gehalten, bis zuletzt, er -" Erschrocken klappte Romaeus den Mund zu. Da hätte er jetzt beinahe zu viel verraten ...
    "Er konnte nix dafür", schloß er und preßte wie zuvor die Lippen zusammen, während er sich innerlich vornahm, dieses Geheimnis in keinem Fall zu verraten!

    Als die Frau nun ihre Stimme erhob, um zu erklären, sie würden zusehen, ob sich was machen ließe, schickte Romaeus ihr einen kurzen, doch auch leicht ungläubigen Seitenblick zu. Wäre nur sie diejenige gewesen, die ihn verhört hätte, hätte er wahrscheinlich sogar erleichtert gelächelt, doch dieses Verhör leitete Valerian, ein Mann und noch dazu von hohem militärischem Rang.
    Auf die Nachfrage des Centurios nach seinem Herrn schüttelte Romaeus langsam und nachdenklich den Kopf.
    "Ich ... glaube nicht", gab er zögernd zur Antwort. "Ich weiß nicht ob er ... N-Neco seiner Mutter abgekauft hat. Aber sie wollte, daß er ihn rettet, weil sie wußte, daß sie bald sterben würde. Sie war eine Lupa und irgendwie krank ... Und Lysandra haben wir unterwegs gefunden, im Graben. Da war sie erst drei. Und mich halt Ingolf kurz nach der Geburt gerettet. Und V - der Herr dann ihn", verbesserte er sich schnell.


    Seine Finger bohrten nervös im Loch seines linken Hosenbeins herum, da Valerian ihm nicht wirklich das versprechen konnte, was er wollte. Wenigstens hatte er nun die Gewißheit, daß er sie nicht an die Behörden ausliefern würde ... Nicht viel, aber etwas.
    "Wenn Du etwas Schönes hast, das Du gern behalten möchtest und ein anderer nimmt es Dir weg, das gefällt Dir doch auch nicht, oder?"
    Wieder schüttelte der Knabe den Kopf. Sein Blick ging irgendwohin ins Leere, während er über Valerians Worte nachsann. Daß die andere Frau im Raum sich nun ebenafalls, wenn auch wortlos, einmischte, bemerkte er nicht.
    Dann aber kam eine Frage, die ihn erneut zu Valerian aufblicken ließ. Er sollte von Ingolf erzählen. Etwas, das alles andere als einfach war. Seit über einem Jahr hatte er den Namen seines Freundes wenn überhaupt nur ganz leise ausgesprochen. Der Schmerz um diesen Verlust saß immer noch tief und außerdem mußte er, wenn er von Ingolf sprach, auch von seinen Eltern berichten.


    "Er hat meinen Eltern versprochen, mich zu retten." Abermals mußte der Knabe schlucken, um seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen. "Er war Mamas Sklave und Papas bester Freund ... Meine Mama war Römerin und Papa ... ein Germane. Früher ein Krieger und dann Mamas Sklave. Sie durften nicht zusammensein." Bei diesen Worten kroch Romaeus noch weiter in sich zusammen, in dem Bewußtsein, daß es ihn eigentlich gar nicht geben durfte.
    "Sie ha'm nur eine Nacht ihre Gefühle erlaubt, aber dann kam ich. Mein Großvater, Mamas Vater, war furchtbar wütend darüber. Er wollte mich aussetzen, aber Ingolf hatte versprochen, mich zu retten. Also ist er ihm heimlich nach und hat mich genommen und ist mit mir in die Stadt geflohen ... und da hat er dann ... unsern Herrn kennengelernt."


    Tief atmete er ein und wieder aus. Das Bauchweh war schlimmer geworden, und automatisch preßte er nun einen Unterarm dagegen.
    "Der hat ihm gezeigt, wie man untertaucht und nicht auffällt und ... wie er gut überleben und für uns sorgen konnte. Ingolf hat immer auf uns aufgepaßt, auf mich und Neco. Und später auch Lysandra."
    Romaeus grub die Zähne in die Unterlippe, in dem vergeblichen Versuch, die Tränen zurückzuhalten. Leise salzige Spuren zogen sich durch sein Gesicht, als er weiter erzählte.
    "Immer wenn der Herr wütend war, hat er seine ... ganze Wut ausgehalten. Ich w-weiß nicht, warum sie sich dann immer gestritten haben, aber er w ... Er wolllte uns bestimmt beschützen, aber ich weiß nicht wovor."
    Lautes Schluchzen, geparrt mit einem geräuschvollen Schniefen unterbrach den verzweifelten Wortschwall des Jungen. Im Reflex hob er den Ärmel an, fuhr sich damit übers Gesicht.
    "Irgendwann ... hat er sich in der Nacht verabschiedet und dann ... Am nächsten Morgen war er weg und ist nie mehr wieder gekomm'..."


    Romaeus suchte erneut Halt, indem er die Arme um die Knie schlang. Jetzt, wo er erstmal angefangen hatte zu heulen, war es gar nicht so einfach, wieder damit aufzuhören.
    Wie zuvor bemühte er sich, blinzelte heftig gegen die Tränen an. Das wichtigste Geheimnis hatte er trotz allem nicht verraten - wie seine Eltern hießen ... und wo sein Vater früher zu Hause war.

    Romaeus starrte weiterhin zu Boden. Seine Hände ballten sich, je weiter Valerian sprach, in hilfloser Angst zu Fäusten. Was der Centurio da sagte, stimmte einerseits und andererseits doch nicht.
    Er wußte genau, daß er sich auf Neco und Lysandra verlassen konnte, daß sie ihn liebten als wäre er wirklich ihr Bruder. Anders als bei Varius, der ihnen zwar allen das Leben gerettet hatte, aber genau diese Tatsache ausnutzte, weil er schon immer ihre eizige Chance auf Überleben gewesen war. Varius liebte noch nicht mal Neco, obwohl er ihn als erstes gerettet hatte.
    Aber noch bevor der Junge näher darüber nachdenken konnte, fühlte er sich von Valerian gepackt. Er versuchte noch nicht mal, sich zu wehren und fand sich wenig später im Abtritt wieder. Verstört blickte er gegen die Wand der Latrine, durch die von draußen dumpf die Warnung des Mannes klang. Und ob er wußte, was das für ihn bedeutete - genau das nämlich, wovor Varius ihn und die anderen immer und immer wieder gewarnt hatte. Seit er denken konnte, lautete die oberste Regel, sich nicht erwischen zu lassen ...


    Nun, da ihn keiner sehen konnte, ließ Romaeus endlich die Tränen zu. Trotzdem schluckte er selbst jetzt noch dagegen an, so wie er abends manchmal heimlich auf seinem Schlaflager weinte.
    Er selbst hatte die anderen Kinder lieb, sie waren genauso zu seiner Familie geworden, wie auch Ingolf ...
    Leise vor sich hin schniefend, machte er sein Morgengeschäft, ohne wirklich die geringfügige Erleichterung wahrzunehmen. Zu sehr war er mit den Gedanken bei Ingolfs Verschwinden und der unansgesprochenen Angst, die ihn seither verfolgte. Nicht nur ihn, sondern auch Lysandra und Neco. Dabei konnten die anderen doch gar nichts dafür ... Romaeus war sich noch nicht mal sicher, ob Ingolf was dafür konnte, daß er zum Dieb geworden war. Denn all die Jahre hatte sein Freund ihn und die anderen beschützt, hatte sich vor sie gestellt, egal wie schlimm die Auseinandersetzungen mit dem Herrn am Ende wurden.


    Stumm zog Romaeus seine Hose hoch, richtete fahrig seine zerlumpte Kleidung und wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht. Wahrscheinlich würde Valerian trotzdem sehen, daß er geheult hatte, die meisten Erwachsenen sahen sowas.
    Ohne ein Wort von sich zu geben, schlüpfte der Junge durch den Türspalt der Latrine nach draußen, wo er sich mit dem Rücken zu einer Mauer kauerte und erneut auf seine Füße starrte. Der Gedanke an Flucht erschien auf einmal wie weggeblasen.
    Es gab nämlich was viel wichtigeres. Weder er noch eines der anderen Kinder durften bei den Behörden enden, aber er mußte auch dafür sorgen, daß ihr Herr ihnen nichts antat.


    Es war ein kleines, unscheinbares Wort Valerians, das dem Knaben im Kopf herum ging. Das Wörtchen sonst. Sonst, das hieß immer noch, es gab einen Augsweg.
    Konnte er vielleicht doch sein Versprechen halten?
    Ganz langsam hob Romaeus schließlich den Kopf, um nachdenklich den Centurio zu betrachten.
    "Klar ha'm mich die anderen lieb", setzte er im Brustton der Überzeugung zu einer Erklärung an. "So wie ich sie auch lieb hab. Wir sind wie Geschwister." Er machte eine Pause, scharrte nachdenklich mit dem nackten Fuß über den Steinboden.
    "Und wir beschützen uns. Nicht so wie der Herr, sondern richtig. Ohne uns'ren Herrn wär'n wir alle schon tot, aber ihm isses bloß nich' egal, weil wir ihm dafür Geld bringen. Aber allen anderen isses egal, wenn wir sterben, weil wir sowieso nicht leben dürfen, und das weiß der Herr auch, darum beschützt er uns vor allen anderen, weil er uns're einzige Chance ist. Solang wir nichts dummes machen."


    Wieder verfiel er einen Moment lang in Schweigen, stützte den Kopf auf die angewinkelten Knie und wackelte mit den Zehen.
    "Sich erwischen lassen ist dumm ... oder ihm widersprechen. Oder ihn betrügen." Romaeus hatte nie erfahren, was genau zwischen Ingolf und Varius vorgefallen war, und doch hatte er die eine oder andere Ahnung. Zwar hatte er nie mit Neco darüber gesprochen, doch seit jener Nacht war sein älterer Freund anstelle von Ingolf ihr Beschützer - und machmal sagte ein warnender Blick, ein stummes Kopfschütteln mehr als alle Worte der Welt.


    "Ingolf is' weg", fuhr er schließlich stockend fort. Die Arme eng um die Knie geschlungen, suchte er krampfhaft nach den richtigen Worten.
    "Er wußte vorher, daß er nich' mehr wieder kommt. Aber er war kein and'res Kind. Er war schon sechsundzwanzig." Um ein Haar hätte der Junge aufs Neue losgeheult. Tief einatmend, zog er die Nase hoch und schluckte wie zuvor gegen die Tränen an, die ihm im Hals würgten. Aber es half nichts dagegen, daß sein Blick nun naß verschleiert war, als er zu Valerian hochsah.
    "Du mußt versprechen ... daß den anderen zwein nichts passiert. Dann erzähl ich dir alles. Aber nur ... f- ... für Ingolf." Die letzten Worte wurden trotz aller Mühe von Schluchzern zerrissen. Irgendwo in seinem Bauch zwickte es, die Gedanken in seinem Kopf schossen total durcheinander hin und her. Am liebsten hätte Romaeus sich irgendwo verkrümelt und wäre vor Anbruch des nächsten Tages nicht mehr herausgekommen.
    Aber das ging nicht. Er war erwischt worden und mußte nun wohl oder übel dafür gerade stehen. Im Augenblick konnte er noch nicht mal sagen, was das schlimmste für ihn war: Gegen Varius' Regeln verstoßen zu haben oder Lysandra und Neco zu enttäuschen. Sein Schicksal lag nun in Valerians Händen und er hatte ihm soeben auch zum Großteil das seiner Freunde ausgeliefert. Jetzt noch ihre Namen zu verraten, war im Grunde nur mehr der letzte entscheidende Hinweis. Und doch sträubte sich alles in ihm dagegen, die Namen seiner Freunde auszusprechen, ohne sich sicher zu sein, daß ihnen nichts geschehen würde. Weder durch den Herrn, noch durch die Behörden.

    Verdammt, wieso hatte er sich nur erwischen lassen?!
    Für einen Moment wich der kühle Gesichtsausdruck des Jungen einer hilflosen Grimasse, in der sich erneut seine Lippen zu einem dünnen Strich verengten. Er durfte, durfte, durfte doch nichts sagen! Selbst den Kommentar, daß die Frauen ihm bloß einen Eimer hätten geben müssen, verkniff er sich lieber.
    Im Versuch, seine eigenes Zögern zu überspielen, zog er die Hände aus den Taschen und nahm eine ähnliche Haltung wie Valerian ein.
    Romaeus spürte, daß er buchstäblich mit dem Rücken zur Wand stand - naja, eigentlich zur Treppe - doch hier rauszukommen, ohne daß sein Geheimnis aufflog, war nahezu unmöglich. Haltsuchend krallten sich die Finger seiner rechten Hand in den linken Ärmel.


    Irgendwas mußte er tun ... irgendwas sagen, das ihm weiterhalf. Dabei log er noch nicht mal richtig, er durfte eben nur die halbe Wahrheit sagen ...
    Romaeus spürte einen Kloß im Hals, so einen wie damals, als Ingolf verschwunden war. Denn dies war es, was ihm solche Angst machte. Er wollte nicht, daß Lysandra oder Neco etwas passierte. Sie waren doch wie seine Geschwister und sie hatten sich gegenseitig versprochen, aufeinander aufzupassen!
    Ingolf wüßte jetzt, was zu tun ist. Ein Gedanke, der ihm nun beinahe die Tränen in die Augen trieb. Romaeus traute sich kaum mehr zu blinzeln, und so wandte er den Kopf weg und blickte starr gegen die Wand neben sich. Daß er mal mußte, war in diesem Moment schlicht und einfach vergessen. Nicht jedoch die Ungeduld des Centurios. Das Kind konnte förmlich spüren, wie die Augen aller drei Erwachsenen in abwartend maßen.
    Stumm gegen die aufsteigende Panik ankämpfend, biß Romaeus hart die Zähne aufeinander.


    "Du würdest doch auch nicht deine Frau verraten!" stieß er plötzlich hervor. Vor lauter Aufregung vergaß er glatt die förmliche Anrede gegenüber Valerian. Obwohl er immer noch versuchte, die Tränen hinunterzuschlucken, klang seine Stimme verdächtig weinerlich.
    "Das wär' doch ungerecht!"
    Es war einfach ungerecht. Die anderen würden Schläge kriegen, nur weil er nicht aufgepaßt hatte! Aber wenn er überhaupt nicht mehr zurückkam, konnte er sein Versprechen gar nicht mehr halten, genausowenig wie sein Vesprechen von damals an Ingolf, bevor dieser verschwunden war. Vor der Erinnerung an jene Nacht erschien Romaeus allein der Gedanke, die anderen Kinder zu verraten, ungeheuerlich. Es kam ihm vor, als würde er mit einem falschen Wort jenen unsichtbaren Handel brechen, der zwischen Varius und ihnen bestand, seit er denken konnte.


    Ihr Herr hatte ihnen das Leben gerettet, ihnen allen erst ein Recht auf Leben gegeben und sie dienten ihm dafür. So waren die Regeln schon immer gewesen. Alles andere kam einem Vertragsbruch gleich, und wahrscheinlich würde Varius sie alle dann genauso verschwinden lassen wie Ingolf ...
    Weiter wollte Romaeus gar nicht überlegen. Ihm wurde jetzt schon eiskalt davon. Schaudernd verschränkte er die Arme noch fester ineinander. Ingolf hatte sich damals für sie eingesetzt und furchtbar dafür büßen müssen. Dieses Opfer durfte doch nicht umsonst sein ...? Die Tränen, die an seinen Wimpern hingen, drohten nun doch zu fallen, weswegen er rasch den Blick zu Boden senkte.
    "Und es wär ... feige", fügte er zittrig hinzu. "Denjengien zu verraten, in dessen Lebensschuld du stehst." Ein großes Wort für einen Achtjährigen und doch empfand er gegenüber beiden so - seinem Herrn und seinem früheren besten Freund.
    "Und ich bin nicht feige!" In hilfloser Wut stampfte Romaeus mit dem Fuß auf. Er wollte kein Feigling sein, er war doch Ingolfs kleiner Krieger und Lysandras Beschützer und Necos bester Freund!

    Die Frage war zu erwarten gewesen. Romaeus preßte fest die Lippen aufeinander. Fast regungslos stand er da vor Anspannung, lediglich seine tief in die Taschen gebohrten Hände drehte er ganz leicht hin und her. Er wußte, er durfte nichts verraten, aber einfach zu antworten, daß er nichts sagen würde, war keine gute Idee. Irgend etwas mußte er antworten, um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, hier wieder rauszukommen. Außerdem wurde sein morgendliches Bedürfnis langsam dringender ...


    "Nirgendwo", rang er sich schließlich eine Antwort ab, die eher nichtssagend war und doch eigentlich der Wahrheit entsprach. "Und ich gehör auch nirgendwohin." Unwillkürlich schob er bei diesen Worten das Kinn vor, in dem Bemühen, weiterhin dem strengen Blick des Centurios stand zu halten. Bei Varius klappte es immer, wenn er solche Aufmerksamkeit zeigte. Außerdem konnte er so auch mögliche Wutausbrüche rechtzeitig erkennen, wenn auch nicht immer ausweichen.
    Dann aber atmete er tief ein und wieder aus. Er brauchte die Frauen nicht ansehen, um zu wissen, daß sie wohl gleich seine Verteidigungsrede von gestern Abend erwähnen würden oder sie es wahrscheinlich schon längst dem Mann erzählt hatten.
    "Nirgendwohin", wiederholte er, biß sich mit den Zähnen kurz auf die Unterlippe. "Nicht zu den Germanen und auch nicht zu euch!"
    Das war das äußerte, was er verraten würde, schwor er sich. Allmählich nervöser werdend, trat er mittlerweile von einem Fuß auf den anderen. Vielleicht war es wirklich besser, wenn er jetzt erstmal die Erlaubnis einholte, sich eine stille Ecke zu suchen. Oder besser, die von heute Nacht, denn die war eh schon dreckig ...


    "Herr?" Dieses Mal verzog sich das Gesicht des Kleinen tatsächlich in eine äußerst zerknirsche Miene. Romaeus haßte es, solche Gespräche wegen sowas unterbrechen zu müssen. Es würde wie absichtliche Ablenkung aussehen und somit wie Schwäche, dabei konnte er nun wirklich nichts dafür, daß er jeden Morgen erstmal dringend Pipi mußte ...
    "Darf ich kurz austreten, bitte?"

    Trotz des Naserümpfens, das den Ärger der Hausbesitzer über seine kleine Bescherung deutlich machte, tat zumindest das dem Jungen kein bißchen leid. Schließlich hatten die Frauen ihn da unten eingesperrt, ohne eine Möglichkeit, sich so zu erleichtern, daß der Boden nicht eingesaut wurde.
    Während der uniformierte Mann sich nun mit harter Stimme vorstellte, um ihn dann seinerseits nach seinem Namen zu fragen, vergrub der kleine Einbrecher die Hände tief in den Taschen und schob leicht trotzig die Unterlippe vor. Jedoch ohne den Blickkontakt zu dem Centurio zu unterbrechen.


    "Romaeus", erwiderte er steif, und seine junge Stimme klang in diesem Moment ebenso kühl und gefaßt wie die des Erwachsenen. Er hatte sich angewöhnt, in derartigen Situationen nur das nötigste zu sagen und dabei so nüchtern wie möglich zu klingen. Der Junge wußte genau, daß es jetzt besser war, auf alle Fragen so ehrlich wie möglich zu antworten. Was er jedoch nicht merkte, war, daß seine Haltung puren Selbstschutz verriet, da er stetig im Hinterkopf hatte, daß er Neco und Lysandra nicht verraten durfte. Und erst recht nicht Varius! Ein falsches Wort von ihm konnte schreckliche Folgen haben, solche, wie er sie nie wieder erleben wollte ...

    Dann aber zerriß plötzlich eine Stimme die Ruhe seines Schlafs. Und diese Stimme klang alles andere als freundlich! Im Reflex schoß Romaeus hoch und taumelte reichlich verschlafen auf die Füße. Verwirrt blinzelte er in den halbdunklen Kellerraum hinein, ehe ihm wieder einfiel, wo er war und was passiert war.
    Der wütende Mann, der ihn da so aufgebracht nach oben befahl, war also nicht Varius, so wie er zuerst angenommen hatte. Das mußte also der Hausherr sein ... Wie hatte die Frau ihn gleich noch genannt? Romaeus war auf einen Schlag so nervös, das es ihm absolut nicht mehr einfallen wollte. Aber eigentlich war es auch egal, er hatte ihn so oder so mit Herr anzureden ...


    Eigentlich mußte er jetzt auch dringend mal austreten, so wie jeden Morgen, doch die nächsten Worte des Hausherrn ließen sehr darauf schließen, daß ihm das nicht gefallen würde. Es war nie gut, in solchen Situationen zu trödeln, egal ob er mal mußte oder nicht. Leise, aber durchaus ohne zu zögern, setzte der Junge sich in Bewegung, in der Hoffnung darauf, daß dieser Gehorsam den Unmut des Mannes ein wenig mildern würde.
    "Ja, Herr?"
    Unsicher musterten seine blauen Augen den Erwachsenen von oben bis unten, nur um schließlich merkwürdig ruhig seinem Blick zu begegnen.

    Da er sowieso nichts anderes tun konnte, außer ergebnislos die Tür anzubrüllen, hatte Romaeus geduldig abgewartet, bis sich am Mauseloch wieder was geregt hatte.
    Bäuchlings lag er da und beobachtete die Maus beim Umherwuseln durch den Keller. Mit der Zeit aber wurden ihm wieder die Augen schwer, so daß er schließlich in tiefen Schlaf glitt.


    Der kleine Kerl merkte nicht, wie die Flamme der Öllampe nach und nach schwächer wurde, und erst recht nicht, daß draußen die Sonne die Nacht verscheuchte.
    Eingerollt in die Decke, hatte er einen Zipfel des Zudecks im Schlaf fast gänzlich über seinen Kopf gezogen, wie sonst, wenn er sich gegen die nächtliche Kälte schützen mußte. Romaeus schlief so fest, daß es ihn noch nicht mal störte, daß er mitten im Raum lag. Selbst die Schritte, die irgendwann jenseits der Kelltertür im Treppengang erhallten, konnten ihn nicht aufwecken.

    Mißtrauisch und auch etwas ängstlich hatte der Junge die Diskussion der beiden Frauen verfolgt. Sie wollten ihn also in den Keller sperren, so daß ihn keiner hören konnte und die endgültige Entscheidung diesem Valerian überlassen? Anscheinend war das der Ehemann der ersten Frau ...
    Unwillkürlich wich er ein paar Schritte zurück, als die beiden sich ihm wieder näherten. Leider wurde sein Rückzug unsanft von der Küchenwand im Rücken gestoppt.
    „Du lässt uns leider keine Wahl. Wir wollen dir nichts Böses, aber laufen lassen können wir dich nicht.“
    Romaeus preßte störrisch die Lippen zusammen. Im Reflex stemmte er die Beine so gut er konnte in den Boden, als die Frau ihn an der Schulter packte und vor sich her schob.
    "Aber ich muß zurück! Sie is' noch viel zu klein, ihr müßt mich gehen lassen!" zeterte er inbrünstig gegen die Entscheidung der Hausherrin an, und selbst dabei immer noch bedacht, keine Namen zu nennen. Viel brachte dies leider nicht, sie war einfach stärker als er und noch dazu ziemlich sauer.


    Wenig später saß Romaeus zusammengekauert im Halbdunkel. Etwa zehn Minuten lang hatte er versucht, durch Treten und Hämmern die Tür aufzukriegen oder zumindest den beiden Frauen dermaßen auf die Nerven zu gehen, daß sie ihn wieder laufen ließen.
    Doch offenbar hatten sie recht mit ihrer Einschätzung, daß ihn hier unten keiner hören würde. Irgendwann fingen seine Hände und Füße an, wehzutun und Romaeus zog sich unruhig mit der Decke in die hinterste Ecke des Raumes zurück.
    Erst jetzt kam er dazu, sich gründlich im Keller umzusehen. Wobei es nicht wirklich viel zu sehen gab, außer Spinnweben und staubige Regale. Leider hatte man hier unten keinerlei Essen stehen lassen. Nur noch Scherbenreste von ein paar Tontöpfen konnte er hier und da entdecken.


    Geknickt zog Romaeus sich wieder in seine Ecke zurück. Eine ganze Weile saß er einfach nur da, während seine Hände nervös an einzelen Zipfeln oder losen Fäden der alten Decke herumspielten. Seine Gedanken wanderten ziellos hin und her zwischen Varius, Lysandra, Neco und diesem mysteriösen Mann namens Valerian, dessen Besuch ihm wohl morgen früh drohen würde. Tatsächlich war schon ab dem Moment, als Calvena ihn erwischt hatte, so etwas wie ein Schuldbewußtsein in ihm hochgekrochen. Aber nicht, weil er etwas gestohlen hatte sondern vielmehr, weil er nicht vorsichtig genug gewesen war. Jetzt würden die anderen wegen ihm Ärger kriegen, und er konnte nichts dagegen tun! Sie wußten ja nicht, wo er war ... vielleicht würden sie nie erfahren, was mit ihm passiert war?
    Vor Schreck hielt Romaeus abrupt die Luft an. Was, wenn die ihn hier unten einfach vergessen, vergammeln lassen würden?! Zwar hatten die Frauen gesagt, daß sie ihm nichts Böses wollten, aber hier unten konnte ihn ja wirklich keiner hören!


    Nun auf's neue verunsichert, stand der Knabe wieder auf und lief zurück zur Tür. Mit aller Kraft hämmerte er ein paarmal dagegen.
    "HEY! LASST MICH RAUS! LASST-MICH-RAUS!!!" Wütend, aber auch ein bißchen panisch, knallte er im Takt zu seinen Worten die Fäuste gegen das Holz.
    Da dies natürlich nichts brachte, nahm er als nächstes erneut die Füße zur Hilfe.
    "LASST MICH RAUS, HILFE!" Er holte tief Luft, da diese ihm drohte, auszugehen. Dann fügte er in einer plötzlichen Eingebung so laut er konnte hinzu: "ICH MUSS MAL!"
    Wieder nichts als die gähnende Stille der Nacht. Romaeus antwortete ihr, in dem er sich nun mit dem ganzen Körper gegen die Tür warf.
    "AU!" Im nächsten Moment verzog er weinerlich das Gesicht. Da hatte er sich doch glatt an dem morschen Holz das Knie aufgeschürft. Abgesehen davon, sahen seine Fingerknöchel so langsam auch sehr ramponiert aus.
    Die Tränen runterschluckend, während er gleichzeitig den Rotz in der Nase hochzog, verzog er sich leicht hinkend wieder zu seinem Platz. So wie er es sonst auch machte, riß er ein Stück vom Ärmel seines zerlumpten Hemdes ab und knotete es grob über die Schürfwunde.
    Zusammengerollt versuchte er, diese blöden Tränen zurückzudrängen. Nicht so ganz leicht, weil die Angst inzwischen immer stärker wurde und er gar nicht mehr richtig nachdenken konnte. Außerdem war seine Nase plötzlich verstopft ...
    Durch den Tränenschleier hinweg blinzelte der Junge ins Licht der Lampe hinein, bis er schließlich eingeschlafen war.


    Irgendwann wurde er wach, weil er nun wirklich mal mußte. Und zwar verdammt dringend!
    Schnell flitzte Romaeus zur Tür und schlug erneut ein paarmal mit der flachen Hand dagegen. Vielleicht war es ja inzwischen Tag und er sah es nur nicht?
    "LASSTMICHRAUS! ICH MUSS MAL! GANZ DRINGEND!" schrie er gegen das Holz an. Irgendwas hinter ihm quietschte und raschelte. Erschrocken wirbelte er herum und preßte sich mit dem Rücken zur Tür.
    "Achso!" Aufatmend stellte er fest, daß er wohl nur eine Maus aufgeschreckt hatte. Auf Zehenspitzen schlich er nun dorthin, wo das kleine graue Tier in seinem Loch verschwunden war. Kopfüber gebeugt stand er da und versuchte, in das Versteck des Tieres hineinzusehen.
    "Hey, Mausi! Keine Angst, ich tu dir nix!"
    Schade, daß er keinen Brotkrumen oder so etwas bei sich hatte. Sonst hätte er sich bei der Maus entschuldigen können für den Schreck ... vielleicht hatte sie ja auch Kinder?
    Seine Überlegungen wurden unterbrochen, weil erneut seine Blase drückte.
    "Ich komm gleich wieder!" wisperte er in Richtung Mauseloch, ehe er wieder zur Tür huschte.
    "ICH MUSS WIRKLICH, BITTE LASST MICH RAUS!" schrie er nun. Auf der Stelle hin und her hibbelnd, wartete er eine Weile ab. Aber es tat sich wieder nichts. War es etwa noch nachts?!
    "Na dann seid ihr selbst schuld!" maulte er über die Schulter zur Tür. Etwas staksig, um das Pipi zurückzuhalten, ging er nun in die schräg gegenüberliegende Ecke seines Deckenlagers. Dort, in einer Nische zwischen Regal und Wand, hinterließ er schließlich einen kleinen gelben See.
    Anschließend nahm er Decke und Öllampe auf, um sich in einiger Entfgernung vor dem Mauseloch zu postieren. Er würde einfach still abwarten, bis sich das kleine graue Tier nochmal zeigte ... Dann war er wenigstens nicht so alleine.

    Klatsch.
    Es war nicht sonderlich fest, aber die Ohrfeige saß - was sich in plötzlicher Sprachlosigkeit des Jungen zeigte. Fest preßte er die Lippen aufeinander, um die Tränen zurückzuhalten. Mit merkwürdig ausdruckslosem Blick starrte die zweite Frau an, als diese behauptete, er würde bloß Lügengeschichten erzählen und dann auch noch meinte, sie hätten ihm freiwillig was gegeben, wenn er nur gefragt hätte! Diesen Blödsinn glaubte sie wahrscheinlich auch noch selbst!
    Romaeus atmete tief ein und wieder aus.
    "Wenn jemand was stiehlt, heißt das nicht gleich, daß er immer lügt", verteidigte er sich plötzlich empört. "Und nur weil jemand vom Gesetz her ehrenhafter ist als andere, heißt das nicht, daß er niemals lügt und alles richtig macht!" Er sagte bewußt nicht ihr, denn er wollte den beiden Römerinnen keine neue Angriffsfläche bieten. Die nächste Frage hatte er eigentlich gehofft, nicht beantworten zu müssen. Aber nach seiner Antwort eben konnte er nur erwarten, daß die andere Frau ihm auf den Zahn fühlen wollte.
    "Den Namen sag ich euch nicht!" stellte er sofort klar. "Aber sie ist viel kleiner als ich!" Das war weder gelogen, noch zu nah an der Wahrheit dran. Lysandra war erst fünf, und sie hatte nur noch Neco und ihn, genau gnommen. Auch wenn sie keine Geschwister waren, waren sie dennoch wie welche aufgewachsen. Und wenn er von seinem Streifzug nicht mehr zurückkam, würden die anderen seinen Fehler ausbaden müssen, und das wollte er nicht! Und daß sowas Schlimmes wie bei Ingolf nochmal passieren könnte, darüber wollte er gar nicht nachdenken ...

    Hallo ihr Lieben!


    Ich weiß gerade nicht, wo thematisch hin mit der Frage, also eröffne ich sie mal hier.


    Und zwar hab ich folgendes Problem:
    Man kann zwar in den Einstellungen festlegen, daß man über PNs am Forum NICHT per Mail benachrichtig wird, das scheint nur leider nicht für die Favouriten zu gelten.


    Wann immer dort ein neuer Post ist, krieg ich eine automatische Mail darüber zugesendet - kann mir jemand sagen, wie ich das abstellen kann, ohne die Favs zu löschen? -.^


    Gruß


    Romaeus

    Immer noch glitten die blauen Augen des Jungen verunsichert hin und her. Bei den nächsten Worten der Frau horchte er jedoch auf.
    "Aber wenn ich mich darin getäuscht habe, hab ich mich vielleicht auch total in dem Haus getäuscht", entfuhr es ihm, noch ehe er wirklich drüber nachgedacht hatte. Daß er sich so vielleicht um Kopf und Kragen redete, darauf kamen seine panikgeleiteten Gedanken gar nicht. Er mußte, er mußte um jeden Preis hier wieder rauskommen!
    "In dem Grundstück, mein ich. Irren ist menschlich, so heißt das doch. Ihr irrt euch nämlich auch. Das ist nicht so, wie's aussieht, ich muß nämlich ...", hier holte er zum ersten Mal tief Luft, denn dieser Punkt war so wichtig, daß er sich genau überlegen mußte, wie er ihn formulierte.
    "Ich muß jemandem helfen", erklärte er bedächtig und richtete seinen Blick fest auf die erste der beiden Frauen, damit sie sehen konnte, daß das bestimmt nicht gelogen war. "Ihr müßt mich gehen lassen, bitte!" schloß er eindringlich sein merkwürdiges Plädoyer für sich selbst und auch irgendwie für seine Freunde.