Beiträge von Flavius Aurelius Sophus

    Lächelnd führte er sie im Schein einer Öllampe in den Garten der Villa, wo neben den gepflegten Sträuchern und Wasserbecken zahlreiche Blumenknospen nach der Frühlingsluft strebten.


    Er eilte zu einem der Beete und reichte ihr ein junges, verletzliches Pflänzchen.


    "Hier, das ist für dich. Noch ist dies Pflänzlein jung und verletzlich, niemand kennt seine Gestalt, wenn einige Wochen vergangen sein werden. Behüte es gut, wie unsere junge Liebe, und es wird eine Zierde deines Gartens sein, an der sich dein Herz noch lange erfreuen wird."


    Sopus legte das schmächtige Grün in ihre zarten, warmen, jungen Hände.

    Sophus war viel zu müde und gestresst, um weiter über die Worte Deandras nachzudenken.


    "Dann ist Ostia ohne Führung. Und das in diesen schlimmen Zei..."


    Aurelius brach abrupt ab. Nicht vor Deandra!


    "Ach, wieder einmal hast du recht: Lass uns den Rest des Tages mit angenehmeren Dingen zubringen."


    Lächelnd nahm er sie bei der Hand und flüsterte ihr zwinkernd in's Ohr:
    "Ich habe etwas für dich." ;)

    "Genau der Commodus.", bestätigte Sophus nachdenklich.


    Endlich kam Eirene, welche einige Speisen auftischte und ihrem Herren etwas Wein reichte.


    "Welche Nachricht wurde dir zuteil?", fragte Sophus besorgt und musterte Deandra. Er wusste nicht so recht, was er von dieser pikanten Situation halten sollte.

    Sophus runzelte dir Stirn.


    "Och, nichts Besonderes.", sagte Aurelius zynisch. "Lediglich ist dein Bruder von den Toten auferstanden."


    Er lachte kurz auf.


    "Es ist Appius Tiberius Commodus. Nach all den Jahren...er hat hier alles niedergeschrieben."


    Sophus reichte Deandra den Brief des Commodus.


    "EIRENE! DER WEIN!"

    Nachdem er das Schreiben gelesen hatte, musste sich Sophus erst einmal setzen. Sein alter Waffenbruder Commodus war also ein Aurelier!


    "Eirene! Eirene! Wo bleibt denn das Essen? Und vor allem der Wein...?"


    Mit einem Blick auf Deandra stellte er fest, dass er diesen jetzt dringend nötig hatte. Welch ein verrückter, anstrengender und gleichzeitig glücklichsterTag!


    Sophus's Stimme nahm den befehlsgewohnten Ton eines Centurio an.
    "Eirene! Eirene! Wird's bald?"

    "Wie Recht du hast! Morgen sollten wir beide ausgeschlafen sein, nicht wahr? ;) Ich freue mich wirklich sehr darauf, die Früchte deiner Arbeit zu sehen und gemeinsam mit dir eine kleine Unterredung mit den übrigen Familienangehörigen zu führen. Kehren wir also zu Villa zurück..."


    In Finsternis und frischem Liebestaumel erkannte Sophus nicht, wie Deandra errötete, während beide in Richtung Stadtvilla wanderten.
    Auf dem Weg dorthin begegneten sie nur einigen Patroullien der Vigiles - ansonsten schien sich das Leben in Rom auf die Innenstadt zu konzentrieren, wo noch immer der Lärm von Händlern und Handwerkern zu vernehmen war.


    Unterdessen erreichte ein geheimnisvoller Bote die Villa Aurelia, händigte Eirene ein Schreiben aus und verschwand wieder in der Finsternis...

    Der Tag neigte sich dem Ende zu. Aber was für ein Tag!
    Als sich das blutrote Farbenmeer des abendlichen Sonnenuntergangs in ein geheimnisvolles Grau verkehrte, lächelte er die wunderschöne Frau an seiner Seite an und meinte:


    "Wir sollten aus der Gegend hier verschwinden. Man kann nie wissen, welch' finstere Schurken sich im Zwilicht dieser Gasse noch aufhalten mögen. Wohin möchtest du, mein Herz? Dein Wunsch ist mir Befehl!"


    Neugierig schaute er seine Liebste an. Er würde wohl nie die ganze Anmut ihres Wesens ergründen können.

    Das Leben war bunt und leicht, leicht wie das pechschwarze Haar Deandras, welches sich im zarten Lufthauch des Frühlings so elegant wie sie selbst bewegte.


    Sophus fielen sogleich einige Verse ein, die er frei heraussprach:


    "Vivamus, mea Deandra, atque amemus,
    rumoresque senum severiorum
    omnes unius aestimemus assis!
    soles occidere et redire possunt:
    nobis cum semel occidit brevis lux,
    nox est perpetua una dormienda.
    da mi basia mille, deinde centum,
    dein mille altera, dein secunda centum,
    deinde usque altera mille, deinde centum.
    dein, cum milia multa fecerimus,
    conturbabimus illa, ne sciamus,
    aut ne quis malus invidere possit,
    cum tantum sciat esse basiorum."


    Er lächelte Deandra an und küsste sie erneut.
    Sollten die anderen doch alles sehen, sich empören!

    Als er Deandras Worte hörte, überkam Sophus eine Woge der Überraschung und unendlichen Glücks.
    In jenem Moment realisierte er nicht, was sie für Konsequenzen haben würden und diese waren ihm ehrlich gesagt egal.


    "Du machst mich damit zum glücklichsten Mann der Welt!", flüsterte er ihr mit strahlendem Antlitz in's Ohr. Niemals wollte er sie wieder loslassen!


    Der Frühling war angekommen in Rom.
    Winter, Kälte, Tod vergessen.
    Das Leben zurückgekehrt.

    Seine Leblose Hand griff nach der ihren.
    Die Zeit in der Legion hatte sie stark und hart gemacht.
    Er zog sie näher und näher.
    Das Leben pulsierte durch Deandra...


    "Bitte...bitte...ich will nicht zu ihnen zurück...nicht ohne dich...Deandra...bitte..."


    Er küsste sie. Niemals wollte er damit aufhören.


    Was sollte er tun, wenn sie ihn verhöhnte?
    Wie weiterleben?
    Wie die Familie führen?
    Konnte er ihr danach überhaupt noch in die Augen sehen?
    Nein, das konnte er nicht.
    Niemals.


    Würde er hassen?
    Wen?
    Sie?


    ...


    Während er sie in den Armen hielt, erinnerte er sich an die vielen fröhlichen ausgelassenen Stunden mit seiner Deandra, in denen er erfahren hatte, was es bedeutet, zu lieben.


    Lieben aber konnte er nur sie.

    Sophus starrte auf die Sandalen.
    Die Verwirrung war perfekt.


    Er hatte gehofft, endlich Klarheit zu bekommen, doch Deandras Worte hatte er nicht vorhergesehen.


    Warten sollte er.


    Warten!


    Hatte er denn nicht schon lange genug gewartet? Zu lange, vielleicht?



    "Damals in Mantua...", begann er schließlich mit belegter Stimme, "...ich...weiß nicht, was...ich glaube, ich war nicht so weit. Ich lebte in einer anderen Welt als jetzt, Deandra. Jetzt ist alles anders...ich komme mir vollkommen verrückt vor...vor Mantua lebte ich in den Tag hinein, war Soldat, wusste nichts von Freude, Lebenslust..."


    Sophus lachte fast ein wenig verächtlich auf.


    "Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder den Mut aufbringen kann, dich um deine Hand anzuhalten."

    Deandra oder keine!
    Leben oder Tod!


    Als er die hellste, reinste aller Stimmen hörte, ihr sanftes, ängstliches Beben vernahm, drohte seine eigene Stimmeskraft zu entschwinden.


    Sophus kniff die Augen zusammen, um nicht in das Gesicht jenes Menschen blicken zu müssen, der ihm alles bedeutete.
    Wie sollte er es ihr sagen? Wie sich zum Trottel vor all diesen Leuten machen?


    "Deandra, .... "


    Es gab kein Zurück.
    Nicht jetzt.
    Nicht nach der Begegnung in der Villa.


    "...es...es geht um uns ."


    Hatte es jemals ein Zurück gegeben?


    "Ich habe es lange verdrängt, vielleicht nicht wahr haben wollen.
    Ich habe mich versteckt, verstellt, doch heute wurde mir bewusst, was schon längst eine Tatsache gewesen war:
    Ich brauche...brauche dich wie die Luft zum Atmen, ohne dich kann ich nicht leben.
    Ohne dich wüsste ich noch nicht einmal, was es bedeutet, zu leben.



    Mein Leben ist ein leeres, kaltes Nichts.
    Aber du gibst mir Kraft...
    du spendest Licht, Wärme und Freude.
    Du bist für mich ein warmer Hoffnungsschimmer in dunkelster Nacht, die Sonne am Firmament.
    Alle anderen Sterne sind bedeutungslos."


    Er wollte schlucken.


    "Meine Deandra, ich liebe dich, muss bei dir sein.
    Gott Amor ist mein Zeuge, ich stehe hier und kann nicht anders:"


    Hatte er Tränen in den Augen?


    "Deandra, willst du meine Frau werden?


    Das Nichts war zurückgekehrt - wie damals in Mantua.
    Es war hier, um ihn zu holen, ihn auszufressen, langsam zu verzehren.


    Das Schicksal war gekommen, um ihn zu vernichten...


    ...und Sophus lächelte ihm entgegen.

    "Wir sollten nachher in's Atrium der Villa gehen. Dort werde ich dir meine schönste ausgraben.", sagte Aurelius und überlegte, welche von diesen Deandra wohl gefallen mochten.


    Während sie gemütlich über das Pflaster der Straßen Roms spazierten, neigte sich der Tag dem Ende zu.


    Im abendlichen Licht erstrahlte der Palatin, dessen Antlitz an jenem Abend mit dem zynischen Farbenspiel eines Regenbogens überzogen war.


    http://web.mit.edu/~mip/www/ph…ver%20Palatine%20Hill.jpg


    Ein Hauch von Frühling wehte über das Zentrum der Welt, eine Ahnung von besseren Tagen, Deandras Duft - .


    Sophus genoss und hasste diesen friedlichen Anblick zugleich...
    ...sein letzter Tag auf Erden?



    Er konnte nicht mehr.


    Das Spiel war aus.


    Die Maske gefallen.



    Ohne zu realisieren, was er tat, nahm er Deandra zitternd bei den Händen.


    "Liebe Deandra, ich muss dir eine...sehr wichtige Frage stellen..."


    Es schnürte ihm die Kehle zu.


    Hier stand er, nackt vor allen Menschen, vor Deandra, dem Mittelpunkt seines Lebens. Es gab kein Schwert, das ihn hätte schützen, keine Uniform, kein Rang, kein Titel, hinter dem er sich hätte verstecken können wie damals in Mantua.


    Er griff nach den Sternen, er, ein kurzer Menschensohn.
    Er verlachte die Götter,
    stellte sich dem Schicksal in den Weg,
    kämpfte, wie ein Centurio kämpft, der trotzig den aussichtslosen Befehl zum letzten Angriff gegen eine Übermacht erteilt und mit wehenden Fahnen geradewegs die Unterwelt erobert...

    Seltsam, doch Aurelius fühlte sich eben wie der unglückselige Tantalos.
    Wollte auch er selbst nicht nach einem den Göttern gleichen Wesen greifen und Glückseligkeit erlangen?


    "Womit kann ich dir eine Freude machen?", fragte er schließlich lächelnd, als beide auf dem Weg zur Therme an zahlreichen Verkaufsständen entlangschritten.

    "So will ich dir die Geschichte des unglücklichen Tantalos erzählen..."


    Deandra und Sophus schritten über eine ordentlich besuchte Straße in Richtung Stadtmitte.


    "In dem großen und reichen Lande mit Namen Lydien in Kleinasien herschte einst der König Tantalos.
    Die Götter hatten ihn mit Kraft und Führungsstärke gesegnet und so kam es, dass eben jener Mann ein guter Herrscher und Vater vieler Geschlechter wurde, die noch lange in der Erinnerung der Menschen bleiben sollten.
    Viele Male luden ihn die Götter, da sie ihm wohlgesonnen waren, zum Festmahl an ihre Tafel ein.


    Doch, wie es der Natur der Menschen zu entsprechen scheint, ruft allzu viel Wohlwollen oftmals Fehler hervor:
    So wandelte sich Tantalos durch Macht, Reichtum und die Gunst der Götter zu einem überheblichen Menschen, der sich den Göttern ebenbürtig fühlte, da er oft in ihrer Mitte weilte.


    So kam es, dass er am Tage, an dem er die Götter zum Opfermahl einlud, seinen Sohn Pelops eigenhändig tötete, in einem großem Topf kochte und - bedenke den Gipfel dieser Tollheit - den Göttern vorsetzte!


    Jene aber zeigten sich gnädig und rührten das tote Fleisch des Pelops nicht an, sondern erweckten ihn zu neuem Leben.


    Tantalos aber schien seine Lektion noch immer nicht gelernt zu haben!
    In seiner Überheblichkeit und Geltungssucht erzählte er sterblichen Menschen von seinem Wissen über die Götter, gab ihnen gar - welch ungeheurer Frevel - Nektar und Ambrosia zur Speise!


    Aber damit nicht genug!


    Denn wieder besuchte Tantalos die Tafel der Götter. Der König in seinem Wahne antwortete auf die Frage des Zeus, was er sich denn sehnlichst wünsche:
    "Ei, nichts will ich, als einem Gotte gleich zu sein."


    Zeus aber wurde wütend, Tantalos fiel endgültig in Ungnade.


    Durch den Zorn der Götter wurde Tantalos hinabgeschickt in die Unterwelt, wo er vom Zeitpunkt seines Todes bis in alle Ewigkeit dazu verdammt ist, bis zu den Knien im Wasser zu stehen.
    Überkommt ihn in der staubigen Einöde der Unterwelt der Durst, so beugt er sich stets vergeblich nach unten, denn jedes Mal wenn er von dem Wasser trinken will, weichte es von ihm zurück.
    Auch hängen über ihm die süßesten Früchte - will er auch nach ihnen greifen, ist sein Vorhaben niemals von Erfolg gekrönt, stets entreisst sie ein Windstoß Tantalos' Händen."


    Sophus endete mit leiser Stimme und schritt nachdenklich über den Marktplatz.

    "Freilich, lass uns durch Rom flanieren und über die Götter sprechen."


    Sophus lächelte in Erinnerung an alte Kindertage und geleitete Deandra zur Porta, wo sie sich von Eirene verabschiedeten und alsbald im bunten Treiben der ewigen Stadt verschwanden...


    Sim-Off:

    -> Neues Thema... :)