Beiträge von Flavius Aurelius Sophus

    Bei aller Liebe, die Sophus noch mit seiner alten Heimatstadt Rom verband, verabscheute er doch jenen immerwährenden Lärm und Gestank, welche ihre Gassen seit Anbeginn der Zeiten zu durchfluten pflegten. Es nervte ihn und er war froh, als er die Vorhänge der Sänfte schließen konnte, um sich vor den gaffenden Blicken des Pöbels abzuschirmen. So kam es denn, dass er die viel zu späte Ankunft vor dem in die Stadmauern eingelassenen Truppenlager lediglich durch die nun ausbleibende leichte Schaukelbewegung des ansonsten durchaus bequemen Fortbewegungsmittels bemerkte. Den mit hübschen Stickerein verzierten Vorhang der Sänfte zog er ruckartig einen Handspalt zurück und erblickte auch einige der hier eingesetzten militärischen Wachposten.


    "Heda, Soldat!", rief er kurz darauf und bedeutete der Wache mit einer Handgeste, heranzukommen.

    Aurelius befand sich beinahe wieder unter den Lebenden, als die Reisegruppe vor den Toren Roms stand, vertraute Gassen durchzog. Bescheidene Gepäckstücke, welche er aus Mantua hatte mitführen lassen, ließ er von der mitgereisten Sklavenschaft in den altehrwürdigen Räumlichkeiten der Villa Aurelia unterbringen, die Sophus nur zwischenzeitlich aufgesucht hatte, um rasch die Reisestrapazen hinter sich zu lassen und einigermaßen ansehlich den neuen Arbeitsplatz zu erkunden.
    Als man ihm den Spiegel reichte, zuckte er fast vor Schreck zusammen - ein Fremdling mit zerzaustem Haar, blassgelber Haut, dunkelblauen Augenringen und Stoppelbart. Hinzu gesellte sich ein übler Geruch, welchem er durch eine hastige Wäsche des Körpers beizukommen versuchte, während einer der Sklaven sich der Rasur und Haartracht annahm. Als er glaubte, wieder unter Menschen treten zu können, begann die ausgedehnte Ankleideprozedur, zu der mehrere Sklaven benötigt wurden - vier, um den Herren in die Toga zu hüllen und einen akzeptablen Faltenwurf hinzubekommen und einen, welcher mit Speisen und Getränken - in diesem Fall Wasser - den hungrigen Soldaten bei Laune hielt.
    Irgendwann hatte dieser genug vom ewigen Rumgezupfe der Sklaven an der Toga, scheuchte sie hinfort, um eine Sänfte zu holen, welche ihn zu den Unterkünften der Stadtkohorten bringen sollte...

    Als er erwachte, war Mantua schon nicht mehr zu sehen, versunken in grünen Hügeln, von Wäldern versteckt. Schrecklich grün, der Himmel angenehm grau.
    Irgendwann vernahm er das monotone Klappern des Wagens, das schnauben der Pferde. Man hatte ihn hineingetragen nach der vergangenen Nacht. Er war spendabel gewesen, die Unmengen Wein, welche er erbrochen hatte, das Gelächter der übrigen Gäste, die Mädchen - allmählich erinnerte er sich an eines: Schwarzes Haar, jung, hübsch, aber nicht schön. Jedenfalls war es dieses Mädchen gewesen, das in jener Nacht zu ihm gekommen war - .
    Als er sich bewegte, um sich auf dem Sitzpolster aufzurichten, kehrten pochende Kopfschmerzen unerbittlich zurück. War er ihretwegen aufgewacht?

    Sophus blieb noch regungslos hinter dem kantigen Schreibtisch sitzen, als der Legat schon längst den Raum verlassen hatte. Bald würden sie kommen und ihm die Versetzungsurkunde zeigen. Darauf warten eine Qual. Irgendwann glaubte er, im Officium ersticken zu müssen. Also raus in eine Lagergasse. Ihm war schlecht. Warum eigentlich?

    Sophus machte eine abwehrende Handbewegung.


    "Ruhig Blut. Ich habe den Eindruck, es macht wenig Sinn, mit dir über meinen künftigen Werdegang zu sprechen, wenn ich mir selbst kaum darüber im Klaren bin. Außerdem ist Kriegshandwerk ein höchst komplexes Terrain und ausgedehnte Studien pflegte ich noch nie während anderen Beschäftigungen voranzutreiben - in jedem Falle werde ich meinen Vorgesetzten um eine entsprechende Vertretung bitten, welche ein Verweilen in der Hauptstadt gestattet."

    "Zwei wichtige Voraussetzungen haben wir bereits angesprochen: Das Können und das Wollen. Nun...", der Praefectus machte eine kleine Pause, "...am Können habe ich wohl nichts mehr zu schaffen und ich traue mir ein eigenes Kommando durchaus zu; in der Tat habe ich streng genommen diese Legion übergangsweise bereits geführt - so reden wir hier über einen nur kleinen Schritt. Hinter das Wollen nun muss ich allerdings ein Fragezeichen setzen, denn eine Voraussetzung scheint mir bedeutender - das Dürfen."

    Als die Soldaten eine ganze Weile gestanden waren, schien sich unter einigen Rekruten ein etwas mulmiges Gefühl breitzumachen, denn auch zwei Probati, welche man Tarquinius' Contubernium zugeteilt hatte, erkundigten sich bei den erfahrenen Soldaten, welche Wegstrecke die Führer der Hundertschaften wohl zurückzulegen gedachten. Tarquinius freilich rührte dies nicht an, hatte er doch in den vergangenen Jahren ein enormes Maß an Gewöhnung erworben, welches ihn selbst große Gewaltmärsche mit Gleichmut ertragen ließ. Während die Männer noch auf den Marschbefehl des Optio warteten, stützte sich Tarquinius auf einem Mühlstein ab, welcher vom Maultier des Contuberniums mitgetragen wurde, und kramte im ledernen Proviantbeutel nach einigen Nüssen, die er während eines leisen Gesprächs mit alten und neuen Kameraden auch zu verzehren begann.

    Auch Rekruten und Legionäre, welche man der Centuria des Vorenus unterstellt hatte, waren pünktlich am Abend vor Beginn des Übungsmarsches mit den Verladearbeiten diverser Ausrüstungsgegenstände und Teilen der Verpflegemasse fertig geworden. Einige Ochsen waren vom Lagerkommandanten abgestellt worden, um schwere Fässer, in denen sich Posca und Wasser befand, auf Holzkarren transportieren zu können. Mit den kräftigen, aber im Grunde gutmütigen und duldsamen Tieren hatten selbst unerfahrene Probati kaum Schwierigkeiten, doch schon bald offenbarte sich ihnen der bisweilen störrische Charakter einiger Maultiere. Tarquinius, ein Legionär in seinem dritten Jahre, tadelte sodann einige Rekruten in ihren Bemühungen, das mürrische Vieh gewaltsam in die Marschformation einzubringen, was seinen Erfahrungen nach gewiss kontraproduktiv sein musste. Nochmals überprüfte er, ob er auch keine Teile der Ausrüstung vergessen hatte und insbesondere der Schild am Rücken fest aufgeschnallt war - selbst die kleinste Unannehmlichkeit beim Tragen des Gepäcks würde sich von Meile zu Meile zermürbend steigern und eine Korrektur wäre höchstens in einer der seltenen Marschpausen möglich. Eiskalte Luft hatte die Nacht dem Morgen übergeben und so schlang Tarquinius fröstelnd einen großen Mantel um die Schultern, während er in der Ferne beobachtete, wie sich die Legionsreiterei anschickte, fortan die geplante Marschroute des Trosses zu erkunden.

    Wenige Tage später gesellten sich zum üblichen Baulärm akustische Resultate regelmäßiger gezielter Hammerschläge von etwa zwei Dutzend Steinmetzen, welche wiederum von ungeschulten Hilfsarbeitern unterstützt wurden, denen es etwa oblag, zwangsläufig anfallende Steinreste abzutransportieren, um sie entweder - wie es mit großen Mengen Bauschutts ohnehin geschah - ihrer neuen Bestimmung als variabel einsetzbares Füllmaterial zuzuführen oder, sollten sie - was selten der Fall sein sollte - sich als gänzlich überflüssig erwiesen haben, die Steinbrocken in einer anwachsenden Schuttgrube unweit des Bauplatzes zu entsorgen. Einige erfahrene Altmeister dieses Handwerkes patroullierten mit Argusaugen durch relativ unerfahrene oder gänzlich neu angelernte Immunes, gaben wertvolle Ratschläge und legten hier und dort schon einmal selbst Hand an. Ihrer eigentlichen Aufgabe konnten sie jedoch erst etwas später nachgehen: Dann nämlich, wenn erste Rohfassungen der Säulen abgenommen werden konnten und ein geschultes Auge und eine ruhige Hand vonnöten waren, um komplexere Verzierungen am Stein zu vollführen.

    Erneut standen im Rahmen der Grundausbildung einige Übungsmärsche an, welche nunmehr Teile der ersten Kohorte, sowie Turmae der Legionsreiterei betrafen. Hierbei kamen in bequemer Regelmäßigkeit diverse Aufgabenbereiche auf den betreffenden Lagerkommandanten zu, welcher einerseits nach Angaben der leitenden Centurionen für eine ausreichende Verpflegung der Rekruten und Berufssoldaten zu sorgen hatte, andererseits auch angefordertes Zusatzmaterial wie spezielle Baumaschinen, nicht selbstverständlich mitgeführte Lasttiere, Transportkarren, leichte Feldartillerie oder auch schwere Belagerungswaffen dem jeweiligen Befehlshaber in einwandfreiem Zustand bereitstellen musste. Da für die obligatorischen Maultiere, Waffen und (Aus)Rüstungsgegenstände Soldaten der Centuriae Sorge tragen mussten, beschränkte sich die Tätigkeit des Praefectus, da kein besonderes Zusatzmaterial angefordert worden war, auf eine bedarfsgerechte Auslagerung zuvor exakt berechneter und anschließend entsprechend vorportionierter Nahrungsmittelmengen, welche teilweise in Leinensäcken, teilweise in widerstandsfähigen Holzfässern über Bretterrampen verladebereit auf den Vorplatz des Speichergebäudes getragen, geschleppt und gerollt wurden. Hierfür eingeteilte Rekruten anderer Centurien steuerten aus den Lagermagazinen geringere Mengen an Dörrobst, Fleisch und Käse bei, weitere Kameraden schöpften schließlich aus der lagereigenen Zisterne, um ausreichend viele Wasserfässer für Mensch und Tier anzufüllen.

    Etwa um die Zeit, als erste Arbeitstrupps aus den Steinbrüchen in Norditalia zurückkehrten, trafen, auf Transportschiffen der Classis Ravennas sicher verstaut, schwere Steinblöcke im Zivilhafen Mantuas ein, welche zur weiteren Feinverarbeitung durch geschulte Handwerker der Lagerwerkstätten weitgehend in ursprünglicher Gestalt belassen worden waren. Folgerichtig wurde im Anschluss an nicht eben wenig heikle Verladearbeiten mit fachkundiger Begutachtung des mittlerweile ganz in die Nähe des Theaterbaugrundes geschafften Materials begonnen. Sorgfältig untersuchten Steinmetze Skizzen des Architekten, maßen benötigte Längen und Durchmesser aus, um schließlich mit Kohlestiften und Handzirkeln erste Markierungen anzubringen, welche später durch beständigere Steinkerben ersetzt wurden. Wenige Doppelschritte von einem mittlerweile abgebrochenen Ziegelmeiler errichtete eine Centuria behelfsmäßige Überdachungen aus imposant großflächigen, zusammengeflickten Zeltbahnen, welche später einmal die Handwerker vor unerwünschten Witterungseinflüssen aller Art schützen und somit einen möglichst ungestörten Fortgang der Arbeiten versprechen sollten.

    Auf die letzte Bemerkung des Tribunen hin lachte der Präfekt herzhaft.


    "Ein gebildeter Geist kann ein Menschenleben nur als Philosoph oder Komiker bestreiten. In diesen Zeiten jedoch besteht zum Philosophieren kein Anlass und so bleibt mir nur der Humor. Ich wünschte, es lebten wahre Philosophen, es gibt aber mehr andere."


    Daraufhin verabschiedete er sich von beiden Männern und verließ den Raum.

    Aurelius zögerte etwas, bevor er versuchte, auf die Frage einzugehen.


    "Zunächst muss festgehalten werden, dass es für mich ein außerordentliches Glück ist, Erfahrungen bezüglich Beschaffenheit und Eigenart des heimatlichen Militär- und Verwaltungswesens vermittels des Präfektenpostens sammeln zu dürfen. Manche Lehre und Einsicht zog ich hieraus, jedoch mag in diesem Zusammenhang folgende Erkenntnis alle übrigen Eindrücke an Bedeutung übertreffen: Die Füße eines gewissenhaften Soldaten wachsen in jede noch so große Caligae. Nun, sie sind gewachsen. Vielleicht, wer kann es wissen, sollte ich noch einmal nach Rom gehen, um mein Studium der hohen Kriegskünste zu vertiefen."

    Zitat

    Original von Appius Iunius Lucullus
    Lucullus folgte brav wie ein kleiner Schoßhund und ließ den Quartiermeister seine Maße nehmen. Das Gefühl von einen Mann berührt zu werden, empfand er als äußerst unangenehm, er mochte es nicht berührt zu werden. Als der Soldat wieder verschwand blickte Zissou gelassen zum Optio und hätte sich fast selbst an die Wand gelehnt. Er raffte sich aber wieder auf und nahm Haltung an. Der Quartiermeister kam zurück und legte Lucullus seine erste Rüstung vor. Er mustert sie skeptisch und antwortet dem Optio. "Ja, müsste gehen, Herr." Er lag seinen Mantel ab und versuchte sich in die Lorica Segmentata zu quetschen. Es war für ihn ungewohnt und er hatte das Gefühl, diese Rüstung, eigentlich erdacht zu seinem Schutz, würde ihn die Luft abschneiden. Zu Anfang wusste er nicht genau, welche Seite die Richtige war, aber die Schnürren musste wohl zur Brust hinaus gerichtet sein. Nach einigen Minuten des Elends hatte er das Ding an und versuchte sie nun festzuschnüren. "Muss die so eng sitzen, Herr? Vielleicht brauche ich eine Nummer größer." Fast verzweifelnd blickt er auch sich herab und schüttelt den Kopf.


    Einer der Rüsthelfer setzte auf einmal sein breitestes Grinsen auf.
    "Junge, du musst nur gucken, dass es im Schritt nicht scheuert und deine Eier nicht anschwellen...nur im Gelände kannst du nichts machen. Da werde ich auch immer geil."


    Sim-Off:

    - aus: "Die gesammelten Lebensweisheiten meines Feldwebels".

    Ähnliche Gedanken waren auch Aurelius immer wieder einmal gekommen - die Zeit in den Mannschaftsdienstgraden hatte ihn ganz entscheidend geprägt, welche mit all ihren körperlichen Entbehrungen und schweren Belastungen doch Erfahrungen ergeben hatte, die er mittlerweile als völlig unentbehrlich empfand. Im Nachhinein erst erkannte er die erstaunliche Voraussicht seines Vaters, welcher eine militärische Ausbildung junger Gemüter stets befürwortet hatte.


    "Schlachten, Kriege, Feldzüge, mein Claudius, werden nicht über körperliche Eignung entschieden. Schlachten mögen noch so gut geplant werden, am Ende entscheidet doch wieder Mars über den glücklichen Sieger. Und da Glück eine Hure und physische Konstitution bedeutungslos ist, muss Krieg als die reinste und edelste aller Willenssachen erscheinen. Ich für meinen Teil will, mein Freund."