Beiträge von Quintus Flavius Flaccus

    Als der fremdartig anmutende Mann in Erscheinung trat, war Fora gerade dabei gewesen, eine kleine Anekdote aus ihrer Kindheit zum Besten zu geben, verstummte jedoch plötzlich, als jenem ein höflicher Gruß über die Lippen kam. Ein wenig überrascht ob des unvermuteten Auftretens des Mannes musterte auch Flaccus den Fremdling knapp, der eine angenehme Atmosphäre rechtschaffener Würde auszustrahlen schien. Ohne nachzudenken erwiderte er den Gruß in griechischen Worten, wurde sich erst einige Augenblicke später des Umstandes bewusst. Den fragenden Blick Floras, den er nur aus den Augenwinkeln wahrnahm, richtete sich seine Aufmerksamkeit doch immer noch primär auf den seltsamen Fremden, quittierte Flaccus mit einem kaum merklichen Schulterzucken bei etwas vorgeschobener Unterlippe. Tatsächlich hatte auch er die Anwesenheit des Mannes bisher schlichtweg nicht bemerkt, waren die bewussten Sphären seiner Wahrnehmung doch ausschließlich auf seine Begleitung selbst, und deren geistreiche Worte im Besonderen gerichtet gewesen. Der Mann schien klug genug, das Offensichtliche zu erkennen, und doch spiegelte sich Verwunderung im Blick des Flaviers wieder, anzeigend, dass der Mann mit seiner letztlich doch ins Blaue hinein gestellten Vermutung, das Pärchen käme geradewegs von den Gladiatorenspielen, voll ins Schwarze getroffen hatte. Ebenso wie Flora musterte auch Flaccus einen kleinen Moment die Umgebung, die sich, mit dem prunkvollen Anwesen im Vordergrund als eine durchaus reizende darbot. Sein fragender Blick, der darauf schließen ließ, dass er der Einladung durchaus nicht abgeneigt war, traf jenen der Aurelia, die ebenso zu denken schien. Die Lokalität war mit Sicherheit keine üble Kaschemme und auch das Verhalten des Aegypters, so er denn einer war, der sich mittlerweile als Cleonymus vorgestellt hatte, entbehrte jedes Anzeichens von Verschlagenheit oder Hinterlist. Dennoch blieb natürlich ein gewisses Risiko, sich ohne Begleitung durch Leibwächter in das Haus eines Unbekannten zu begeben, doch zu sehr genoss der Flavier das Gefühl der unbeschwerten Freiheit in Floras Gesellschaft, als dass solcherlei leise Bedenken seinen verwegenen Drang nach Kurzweil hemmen konnten.


    Stets an Floras Seite, betrat nun also auch Flaccus den geschwungenen Weg aus strahlend weißen Kieseln, die leise unter den Schritten seiner purpurnen calcei knirschten. Eine nahezu betörende Duftkomposition aus zahllosen Blüten umfing sie, als der Weg an plätschernden Brunnen und anmutigen Statuen vorbei geradewegs zur eindrucksvollen porta der domus führten, die schon bei der Annäherung der beiden Patrizier lautlos aufschwang und den Weg ins Atrium des Hauses freigab. Einen Moment lang blieb der Flavier überwältigt von der unbekannten Schönheit der Einrichtung stehen, ehe er der Sklavin, die lautlos aus dem Schatten einer der zahllosen Säulen hervorgetreten war, tiefer ins Innere des Gebäudes folgte. Anregende Musik schwebte durch die Luft, der schmeichelnde Klang einer Flöte schien in entspanntem Dialog mit einer warmen Frauenstimme, die in einer seltsamen Sprache sang. Untermalt wurde dieses musikalische Zwiegespräch vom sanften Klang einer Zither, eine nahezu überirdische Atmosphäre schaffend, die in starkem Kontrast zur erdigen Stimme der Sängerin stand. Der Eindruck, in eine Welt des Lands der aufgehenden Sonne eingetaucht zu sein, verstärkte sich, als sie schließlich in einen freundlichen Raum geführt wurden, um dessen Mitte sich kleine Nischen mit niedrigen Diwanen und zarten Tischchen gruppierten, die zum entspannten Verweilen einluden. Frauen in fremdartiger Kleidung musizierten in der Mitte des Raumes und der schmeichelnde Duft des Ostens lag in der Luft. Nachdem sich Flora etwas scheu gesetzt hatte, ließ auch Flaccus sich zögernd nieder und zwang sich, seinen Blick von den Musikerinnen weg auf die Aurelia zu richten. „Umwerfend.“, stellte er fest, und versuchte zu ergründen, ob das Haus einen ähnlich märchenhaften Eindruck auf seine hübsche Begleitung gemacht hatte.

    Fasziniert hörte Flaccus dem Sklaven zu. Jener stand ruhig im Raum, nickte dankbar als ihm gewährt wurde, eine Frage zu stellen. Sein Verhalten war ausgesucht und höflich, es schien ihm nicht an Respekt vor seinem zukünftigen Herren zu mangeln, wiewohl diese Haltung nicht den bitter-süßlichen Beigeschmack der Unterwürfigkeit zu tragen schien. Wertschätzend lauschte der junge Flavier den Worten des Griechen, als jener eine für ihn zweifellos wichtige Frage stellte, bei der seine dunklen Augen neugierig aufblitzten. Für die Antwort ließ er einige Zeit verstreichen. "Nun...", begann er dann langsam und blickte Luca freundlich an, "Du scheinst einiges an Lebenserfahrung zu besitzen, und fähig zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen, und diese durchzusetzen. Du hast einst Männer im Kampf geführt?" - mehr eine Feststellung, denn eine Frage - "Zweifellos hast du dabei gelernt, Menschen richtig einzuschätzen. Das ist ein kostbares Geschenk der Götter...", überlegte er laut und spann den Faden fort, "Ich werde bald in das politische Leben der Stadt eintreten. Das ist ein überaus heißes Pflaster, verstehst du? Es ist unmöglich, sich keine Feinde zu schaffen, und um diese Feinde zu erkennen, braucht es das untrügerische Urteil eines erfahrenen Mannes... Zweifellos wirst du Latein lernen müssen, um Schreiben in meinem Namen aufsetzen zu können, und Geschäfte abzuwickeln. Ich möchte, dass du meine Augen und Ohren in den dreckigsten Gassen der Stadt bist. Ich möchte, dass du mich und meinen Körper trainierst, und auf Kampf und Krieg vorbereitest. Ich möchte, dass du alle meine Worte und Handlungen im Geiste bedenkst, und mir stets dein ehrliches Urteil mitteilst. Überhaupt verlange ich absolute Ehrlichkeit in allen Belangen - erzähle mir nie das, was ich hören will, sondern deine wahre Meinung. Es wird um weitaus mehr gehen, als bloß meinen Körper zu schützen, und ich habe den Eindruck gewonnen, du wärst fähig eine derartig verantwortungsvolle Position einzunehmen. Das ist der Grund, weshalb ich dich erworben ... und dadurch auch ein enormes Risiko auf meine Schultern geladen habe. Ich hoffe du bist dir des Vertrauens, das ich in dich setze, bewusst, und hast nicht vor, es zu enttäuschen..." Seine Stimme trug derselbe wohlklingende und respektvolle warme Klang wie zu Beginn des Gespräches, doch seine Augen hatten einen abschätzenden Ausdruck angenommen. Der Flavier versuchte zu erkennen, wie weit er gehen konnte, im Vertrauen an den einstigen Krieger.

    Die Überraschung im Antlitz des Purgitiers, die Flaccus als eine erfreute deutete, schien zu zeigen, dass jener tatsächlich noch nichts von den anstehenden kultischen Rennen vernommen hatte. "Die offizielle Einladung an die Factio wird noch heute aufgesetzt werden.", beeilte sich der junge Flavier also zu versichern. "Aber es freut mich, dass ich schon jetzt prinzipiell mit einer Teilnahme der Roten rechnen kann. Zweifellos werden es großartige Rennen werden, genauso, wie Piso sie bei seinem Amtsantritt als Magister versprochen hat." Die Ehre, die der Familie durch das Magisterium seines Onkels zuteil wurde, erfüllte auch Flaccus mit einem gewissen Maß an Stolz, war doch ihm die durchaus nicht unbedeutende Auftrage übertragen worden, für die Organisation der Rennen Sorge zu tragen.



    Ad Domum Factionis Russatae



    Roma

    ____________________________________________


    Ehrenwerter Princeps, werte Sodales,


    es ist mir eine Freunde, hiermit die offizielle Einladung an die Factio Russata auszusprechen, an den Wagenrennen zum Feste der Dea Dia ante diem quartum Kalendas Iunias im Circus ihres Haines an der Via Campana teilzunehmen. Auf ein Rennen von desultores wird eines klassischer quadrigae folgen, zu dem jede teilnehmende Factio zwei Gespanne stellen darf. Ich ersuche, mir die Namen der teilnehmenden Fahrer zur genauen Planung zeitnah zu übermitteln. In der Hoffnung keine Fehlbitte geleistet zu haben, zeichnet


    Mit vorzüglicher Hochachtung




    Wiewohl der junge Flavier seinen Unmut ob der Frage nach der Teilnahme von Fahrern aus jenem ominösen Reich im Osten nicht verbal kundgetan hatte, schien der eifrige Scriba der Veneta doch etwas davon mitbekommen zu haben. Das ließ auf ein großes Maß an Aufmerksamkeit und Menschenkenntnis schließen, unbezahlbare Eigenschaften, die dem jungen Mann in seiner Karriere zweifellos noch von gewaltigem Nutzen sein würden. Interessiert lauschte Flaccus den Worten des Iuliers und nickte hin und wieder, um sein Verständnis auch sichtbar zum Ausdruck zu bringen. Sich zuprostend tranken die beiden schließlich ein wenig Wein, der Dives offensichtlich, wenn auch wenig verwunderlich, handelte es sich doch um ein überaus exquisites Getränk, durchaus mundete. Jedenfalls lobte er die vorzügliche Qualität des Weins. "Er stammt aus Kampanien. Ein Caecuber aus Paestum.", erklärte Flaccus freimütig und ein Hauch von Stolz ob der Qualität des Weins lag in seiner Stimme, "Dort besitze ich ein Weingut. Es liegt ein gutes Stück außerhalb der Stadt, eine wundervolle Gegend, man sagt, wenn die Götter sich erholen wollen, kommen sie vom Olymp herab nach Campania." Schmunzelnd brachte er diesen, wenigstens im Süden durchaus geläufigen Witz an. Im Grunde wollte Flaccus nichts Konkretes mehr von seinem Gesprächspartner, sodass auch seine Frage lediglich als Höflichkeitsfloskel angesehen und als solche auch abgetan werden konnte. - Was der Iulier auch, überaus höflich und freundlich, tat. Sich erhebend, verabschiedete sich der Flavier also. "Nein, sollte es doch noch Dinge zu besprechen geben, so nimm' einfach mit mir Kontakt auf.", findig genug war der Scriba ja zweifellos, "Ich wünsche der Veneta noch eine ergiebige Vorbereitungszeit, und dass eure Bemühungen auch beim Rennen Früchte tragen...", währenddessen war ein Sklave herbeigetreten, auf den Flaccus nun verweisen konnte. "Phineas wird dich hinaus begleiten, vale!"

    "Alle mit Ausnahme der Praesina.", versicherte Flaccus und Zufriedenheit lag in seinen Worten. Zweifellos würden die Rennen großartig werden, was ihn als Organisator mit einem gewissen Maß an Stolz erfüllte. "Vermutlich ist diese Frage etwas überstürzt, doch weißt du bereits, welche Fahrer für die Albata ins Rennen gehen könnten?", erkundigte er sich neugierig.

    Nach dem gemeinsamen Mahl, das im Hain nie zu wahrhaft kulinarischen Höhenflügen sich aufhob, schien das Opferfleisch doch stets nicht sonderlich einfallsreich gewürzt und völlig überhastet zubereitet, sollte es nun erst richtig ernst werden. Zunächst wurde den Brüder die feierliche Amtstracht der Arvalen, die purpurverbrämte toga praetexta angelegt, sodann ihr ureigenstes signum der Ährenkränze mit weißen Binden. Capite velato aus Ehrfurcht vor den uralten, heiligen Handlungen zogen sie schließlich unter Vortritt ihrer Kalatoren hinauf zum Haine. Hier nun würde der Magister Arvalium des Jahres, Aulus Flavius Piso, gemeinsam mit dem gewählten Flamen in Anwesenheit aller Brüder unter Beobachtung des feierlichsten Caerimoniells eine agna opima, ein gemästetes Schaf im Tempel der Göttin als Opfer darbringen. Jenes war, seiner gewichtigen Bestimmung gemäß bereits prächtig herausgeputzt, von der Prozession hinauf auf den Hain und in den Tempel begleitet worden, wo es nun in den heiligen Hallen der dea Dia sein Leben lassen würde. Sich im Tempel versammelnd kam der Zug der Brüder schließlich zum Stehen, während die zahlreichen Zuschauer und Schaulustigen, die sich bereits um die Mittagszeit eingefunden hatten, in der Hoffnung, Stücke des Opferfleisches zu ergattern, oder ihren Spaziergang an der Via Campana wenigstens später durch spannende Pferderennen belohnt zu sehen, vor dem Tempel einen neugierigen Pulk formten. Alle Augen lagen nun auf Magister und Flamen, die das blutige Opfer vollziehen würden.

    Gespannt folgte der junge Flavier den Worten seines Patrons. Offenbar war dessen Überlegung, das Angesicht der Res Publica wieder reinzuwaschen, bereits weit über den Zustand eines hypothetischen Gedankenkonstruktes hinaus zu einem konkreten Plan gereift. Jedenfalls klang es so, als ob Quintus Flavius bei weitem nicht der Erste war, mit dem der Tiberier über dieses Thema sprach. Ob der Andeutung breiter Unterstützung des Plans in den Reihen der ehrwürdigen Senatoren, die Flaccus aus den Worten seines Gegenüber herauszuhören glaubte, entspannte er sich merklich. Und doch stürmten dutzende offene Fragen auf ihn ein. "Wie weit ist dieser Plan bisher gediehen?", erkundigte er sich also, durchaus Bereitschaft signalisierend, selbst an jenem mitzuwirken, falls sich eine Möglichkeit bieten würde.

    Langsam senkte sich die Sonne und tauchte die wenig bevölkerten Straßen Roms in warmes Licht. Bald würde es zu dämmern beginnen, und die Straßen sich erneut füllen, von den heimkehrenden Besuchern der Spiele, auf ihren Wegen zu den zahllosen insulae und domus der Stadt, oder auch einfach nur zur nächsten Kneipe, um den blutrünstigen Tag der Spektakel dort mit einigen Bechern zweitklassigem Wein ausklingen zu lassen. Ohne viel zu überlegen waren die beiden jungen Patrizier durch die einsamen Gassen spaziert, lediglich beschäftigt mit sich selbst und der Schönheit des Augenblicks. Durch die horti Maecenatis an der porticus Liviae vorbei gelangten sie schließlich hinter das Isaeum und in eine weitere ruhige Seitenstraße. Flaccus genoss die angeregten Gespräche mit Flora, die sich als eine überaus aufgeweckte junge Frau entpuppte, und zu vielen Themen durchaus eine klare Meinung hatte. Als sie am Tempel der aegyptischen Gottheit vorbei gekommen waren, sollte sich erneut eine, wenigstens für den sich anbahnenden Abend überaus bedeutende Begegnung ereignen.


    [Blockierte Grafik: http://img847.imageshack.us/img847/7554/cleonymuskleiner.jpg] | Cleonymus


    Darauf achtend, sowohl einen gepflegten Eindruck zu machen, den anregenden Hauch östlicher Exotik jedoch stets um sich schweben zu lassen, war Cleonymus ein Mann, der seine Berufung in einem überaus speziellen Gewerbe gefunden hatte. Seine Vergangenheit lag in tiefer Dunkelheit wiewohl sein kosmopolitisches Auftreten auf ein gehöriges Maß an Lebenserfahrung schließen ließ. Zweifellos, dieser Mann war weit herumgekommen, er hatte die Welt gesehen, ferne Länder und Völker bereist und auch alle Arten von Menschen kennengelernt. Diese Menschenkenntnis war es auch gewesen, die ihn damals, als er schließlich in Rom gestrandet war, eine derart erfolgreiche Existenz aufbauen ließ und ihm zu beachtlichem Reichtum verhalf. Dass er wohlhabend geworden war, hatte sich nur dezent in seinem Erscheinungsbild, viel marginaler noch in seinem Charakter niedergeschlagen, sodass er nun ein ansehnliches Bild fremdartiger Rechtschaffenheit abgab. Ein ebenso edler wie außergewöhnlicher Duft von Zedernholz und Weihrauch umschwebte ihn sanft und gab seinem Auftreten gar noch eine gewisse priesterliche Atmosphäre.


    Auch er schien sich scheinbar an diesem Tag anderen Dingen als den Spielen im Amphitheater gewidmet zu haben, wie überhaupt die Vorstellung seiner Anwesenheit bei römischen spectacula beinahe einen absurden Beigeschmack zu tragen schien. Aus dem Garten einer prächtigen domus heraustretend, dessen geschwungener Weg zu einer ansehnlichen porta führte, hinter der sich zweifellos eines der vielen Stadtanwesen ehrenhafter und reicher Senatoren, oder jedoch weniger ehrenhafter, dafür umso reicherer Freigelassener verbergen mochte, hatte er die beiden sich nähernden Patrizier offenbar schon eine ganze Weile beobachtet. "Chairete.", grüßte der Fremdling sie schließlich freundlich und deutete eine höfliche Verbeugung an, die auch nicht nur den Hauch der Unterwürfigkeit in sich trug. "Ich bin hoch erfreut, den Weg Abkömmlinger des alten Adels zu kreuzen.", meinte er dann weiter, sein Auge war überaus geschult im Erkennen untrügerischer Zeichen des Patriziats wie der Nobilität, zählten doch gerade Menschen dieses gesellschaftlichen Ranges zu seinen Kunden. Er wusste, wie man mit Patriziern und Senatoren umzugehen hatte, wie man sie mit schmeichelnder Stimme umgarnen und schließlich in seinem Interesse leiten und lenken konnte. "Keine Freunde des Todes, nehme ich an..." Er spielte auf die Spiele an, im Vertrauen auf seinen untrügerischen Instinkt. "Ich vermag Vergnügungen freundlicherer Art zu bieten ...", meinte er und wies in einer kleinen Geste auf das Anwesen in seinem Rücken. "Musik, Tanz, süßen Wein ...", sein Vortrag schien perfekt, er legte Pausen an den richtigen Stellen ein, griff sich nun in gespielter Bestürzung an die Stirn. "Isis und Osiris! Wo habe ich nur meinen Kopf? Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt..." Wieder eine knappe Verneigung. "Mein Name ist Cleonymus, Inhaber von Kleopatras Palast...", ein schelmisches Lächeln verriet, dass wohl das prächtige Gebäude hinter dem hübschen Garten diesen extravaganten Namen trug.

    Gelassen betrachtete der junge Flavier den eintretenden Sklaven. Er war nicht gefesselt, trug eine einfache, jedoch sichtlich saubere und zweckdienliche Tunika und machte einen ernsten Eindruck. Neugier blitzte in seinen wachen dunklen Augen, unbändige Freiheit funkelte in seinem Blick, der noch nicht durch lange Jahre der Knechtschaft matt und trübe geworden war. Mit einem freundlichen Lächeln erwiderte Flaccus den Blick des Griechen, der stolz und regunglos im Raum verharrte. Auf die Frage seines Herrn hin, begann Luca in griechischer Sprache zu erzählen und der junge Mann lauschte mit sichtlichem Interesse seinen Worten. Wiewohl er relativ pragmatisch, ohne große Emotionen sprach, so glaubte Flaccus doch einen Hauch von Unsicherheit in der Stimme des Sklaven zu vernehmen. Offenbar wusste er nicht genau, was er erzählen sollte, um den Patrizier zufrieden zu stellen. Auch eine Prise Zynismus schien die letzten seiner Worte zu würzen, sodass Flaccus insgeheim bereits auf interessante Diskussionen in zukünftigen Stunden zu hoffen wagte. Wiewohl Luca nur wenig von sich Preis gab, so glaubte der Flavier doch, langsam ein recht genaues Bild von dem Mann skizziert zu haben. Offensichtlich war er Kämpfer. Sein Körper zeichnete sich unter der schlichten Tunica als ein wohlgeformter, muskulöser ab, wenngleich in seinen Zügen noch nicht die Bitterkeit alter Veteranen lag, die einfach zu viel Leid und Tod in ihrem Leben zu sehen bekommen hatten. Wiewohl ein Mann am Höhepunkt seiner Kraft, so schienen seine funkelnden dunklen Augen doch auch ein gehörig Maß an Witz und Intelligenz zu verraten. Zweifellos war er ein aufgeweckter Geist, fähig rasch und effizient zu reagieren, Situationen und Menschen treffend einzuschätzen. Luca erzählte weiter, und als er fragend die Augebraue hochzog und meinte, seine Kenntnis von Kräutern und Speisen sei für Flaccus wohl nicht von Interesse, beeilte sich jener, ihn rasch vom Gegenteil zu überzeugen. "Doch, natürlich!", wandte er freundlich ein, "Alles ist wichtig, und alles ist von Interesse." Jedenfalls wenn sich der Grieche tatsächlich als zu einem Vertrauten fähig erweisen würde, wären alle Informationen von Bedeutung. Doch dann schien der Sklave seinerseits eine Frage an seinen Herrn zu haben, denn ernst fragte Luca um Erlaubnis, eine solche stellen zu dürfen. "Gerne, nur zu.", forderte der Flavier ihn ermunternd auf und blickte gespannt ins Antlitz des Griechen.

    Flaccus Zurückhaltung in der Unterhaltung lag keineswegs daran, dass er nicht sonderlich gesprächig wäre, ganz im Gegenteil brannte ihn bereits eine Sache regelrecht auf der Zunge, die er unbedingt loswerden wollte, doch hätte er es als überaus unhöflich erachtet, das Gespräch der beiden Senatoren einfach zu unterbrechen. Nun sah er jedoch seine Chance gekommen, und Macer ebnete seinen Worten gleichsam selbst die Bahn. "Wenn wir schon von der Factio sprechen...", schaltete der junge Flavier sich nun auch ins Gespräch ein, an Macer gewandt, "Ich müsste mit dir ein paar Dinge in Bezug auf das Rennen im Hain der Dea Dia am vierten Tag vor den Iunikalenden besprechen. Dürfen wir mit einer Teilnahme der Russata rechnen? Für das Rennen der quadrigae wären zwei Gespanne pro teilnehmender Factio geplant..."

    Die scheinlich überaus magere Ausbeute an Teilnehmernamen für das doch bereits mit eiligen Schritten herannahende Rennen, machte auch den jungen Flavier einen Augenblick stutzig. Auch die Enttäuschung am Gesicht seines Gesprächspartners war kaum zu übersehen. Wenigstens die nächste Frage konnte Flaccus klar beantworten: "Es werden alle Factiones teilnehmen, mit Ausnahme der Praesina, andere Fahrer sind nicht vorgesehen." Wie der Junge gerade auf die Idee kam, Fahrer aus Tylus, jenem an Rom gekoppelten Zwergstaat im Osten von dessen bloßer Existenz der Flavier erst durch eine kürzlich ausgerichtete Feier erfahren hatte, an Rennen, die Bestandteil des Festes zur Ehre einer urrömischen Gottheit darstellten, einzuladen vermochte er sich kaum zu erklären. Barbaren im Hain der Dea Dia - ein Schaudern lief seinen angespannten Rücken hinunter. Offenbar hatte die Factio Veneta in diesem Iulier einen sehr engagierten Scriba gefunden, ob einen Rennnarr, oder einen jungen Mann, der ohnehin nichts besseres zu tun hatte, sei dahingestellt, denn Sorge umwölkte sein jugendliches Antlitz, als er die Bitte kundtat, auf dem neuesten Stand gehalten zu werden. Lächelnd nickte der Flavier. "Natürlich. Sobald wir weitere Informationen erhalten, werde ich sie dir zeitnah zukommen lassen.", versicherte er Dives und nahm einen Schluck des gekühlten Weines. "Kann ich sonst noch etwas für dich tun?" Entgegen des anfänglichen Eindrucks schien Flaccus nun durchaus Zeit für ein kleines Gespräch erübrigen zu können.

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpg| Acanthus


    Der flavische Ianitor war natürlich von der erwarteten Sklavenlieferung unterrichtet worden, sodass auch die nötigen Münzen bereits im Eingangsbereich deponiert worden waren, um, wenn es dann soweit war, schnell zur Hand zu sein, und auch ihren Weg in die schmierigen Hände der Händlerschergen zu finden. Nicht länger als nötig blieb die Türe geöffnet, knapp wurde Luca hereingebeten, bezahlt, und, nachdem die schwere Tür wieder verschlossen ward, mit einem abschätzenden Blick gemustert. "Folge bitte Phoebus, der Herr erwartet dich.", meinte Acanthus knapp und wies auf den kleinen, blassgesichtigen Jungen, der bereits in den Startlöchern zu stehen schien. Auf ein Zeichen des grimmigen Ianitors hin legte er los, und führte Luca direkt zu des Flaviers Cubiculum.



    IANITOR - VILLA FLAVIA

    Wohliges Seufzen entschlüpfte feingeschwungenen flavischen Lippen, Ausdruck unermesslichen Wohlbefindens und völliger Entspannung gleichsam elysischer Erfüllung evoziert durch sanfte Berührungen, die kundige Hände mit zartem Druck auf dem von kostbarem Öl glänzenden Rücken formten. Gänzlich entkleidet lag der junge Flavius auf einer Liege seines geräumigen Cubiculums und ließ die Anstrengungen des Stählens seines Körpers in den Thermen durch den Genuss einer unvergleichlich wohltuenden Massage seiner griechischen Lieblingssklavin Aglaia ausklingen. Auf einen kaum merklichen Fingerzeig des Flaviers hin, hielt die Sklavin inne und ein anderes Mädchen, das sich bisher schweigend im Hintergrund gehalten hatte, trat näher, ging vor der Kline ihres Herrn langsam in die Knie und präsentierte einen silbernen Teller mit einem Becher aus Achat, in welchem ein funkelnder Rotwein schimmerte, und einer kleine Schüssel mit verschiedenen Beeren, die äußerst geschmackvoll angeordnet waren. Einen Schluck des fruchtigen Weines und eine kleine Erdbeere später, entließ er die knieende Sklavin wieder und schloss entspannt die Augen, als Aglaia das begonnene Werk fortsetzte. Als es schließlich an der Türe klopfte, schien er der warmen Umarmung des mächtigen Vaters, zeitigen Boten des Orcus, Hypnos schon nahe, rief seinen Geist jedoch gewaltsam zurück in den Zustand regen Wachens, erhob sich gar von der Liege, um sich von flink herbeieilenden Sklaven in schlichte Gewandung kleiden zu lassen. Völlig entspannt sank er schließlich zurück, stützte sich jedoch am Ellbogen ab und winkelte ein Bein an, gespannt gen Tür blickend, die nun von einem der Sklaven geöffnet wurde. "Luca.", grüßte Flaccus den Sklaven freundlich, und richtete sich ein wenig auf. "Tritt ein.", fügte er in griechischen Worten hinzu, verbunden mit einer einladenden Handbewegung. Natürlich kam er nicht auf die Idee, dem Griechen einen Platz anzubieten - er war schließlich, wenngleich ein überaus vielversprechender, so doch nur ein Sklave - sodass jener in der Mitte des Raumes stehenbleiben musste, und sich wohl etwas deplatziert vorkommen mochte. "Erzähl' mir ein wenig von dir, wo liegen deine Fähigkeiten?", erkundigte er sich neugierig und nahm einen Schluck des verdünnten Weines.

    Zügig war der Zug der Arvalen aus der Stadt gen Hain gezogen, wo sie sich nun gegen Mittag im Tetrastylum versammelten. Flavius Piso, Magister des Jahres 861 nach Gründung der Stadt, hatte bereits im Vorfeld allein im Haine der Göttin am Altar die porcae piaculares, zwei Ferkel und darüber hinaus eine weiße Kuh geopfert. Während die Ferkel als Sühnopfer luci coinquendi et operis faciundi dienen sollten, also für das Beschneiden der Bäume und die verschiedenen im Haine bei Gelegenheit des Festes vorzunehmenden Arbeiten, so war die Kuh im Gegensatz dazu eine, wiewohl durch altehrwürdige Traditionen verlangte, so doch freiwillige Opfergabe. Die exta der Tiere waren im Tetrastylum untersucht worden und auf Altar und Herd niedergelegt, sodass dem Magister nun, nach Unterzeichnung des Protokolls, eine Weile der Ruhe in einem für ihn reservierten Pavillon zustand. Als sich jedoch am Mittag die Sonne strahlend zum höchsten Punkte der Himmelssphäre aufgeschwungen hatte, trafen auch die restlichen Brüder ein und versammelten sich im Tetrastylum, wo sie gemeinsam Platz nahmen, ihre Namen zum Beweise ihrer Teilnahme an der heiligen Handlung ins Protokoll einzeichneten und das Opferfleisch der beiden Ferkel gemeinsam verzehrten.

    Durch die verwinkelten Gänge des flavischen Amphitheaters hinab gelangten die beiden jungen Patrizier völlig unbehelligt, zu sehr waren alle mit dem laufenden Kampf beschäftigt, bis zu den Porticus des Eingangsbereiches, von wo nun der Weg ins Freie offen stand. Die warme Nachmittagssonne kitzelte Flaccus ein wenig an der Nase, als er blinzeln musste, um seine Augen an das Licht zu gewöhnen. Planlos überließ er es seinen Schritten, die Richtung des Weges vorzugeben, und widmete sich lieber seiner anmutigen Begleitung. „Es ist ein tolles Gefühl, mal ohne den ganzen Rattenschwanz an Sklaven unterwegs zu sein!“, sprachs und machte einen hastigen Satz zur Seite, der ihn im letzten Moment davor bewahrte, in die Hinterlassenschaft eines räudigen Straßenköters zu treten, die jener demonstrativ auf der Straße platziert hatte, als um dadurch seine Besitzansprüche über dieses Gebiet zu untermauern. Mit einem Grinsen schloss er wieder auf. „Andererseits hat die Sänfte doch auch ihre Vorteile …“ Zumindest konnte man sich derartige Aktionen ersparen.


    Flaccus registrierte, dass sie den Weg Richtung Esquilin eingeschlagen hatten, und sich in schrägem Winkel vom Forum Romanum entfernten. Es war ihm gleichgültig. Er genoss es, sich einmal ohne konkretes Ziel durch die Straßen Roms treiben zu lassen, umso mehr, da er sich dieser Freiheit in Gesellschaft einer jungen Frau hingeben konnte. Die Straßen und Plätze waren beinahe verwaist, viele Geschäfte geschlossen, schien doch ein großer Teil der Bürger den Schauspielen im Amphitheater beizuwohnen. An einer Ecke nach den Thermen des Titus bogen die beiden in eine schmälere Seitengasse ein, aus der eine angenehme Melodie zu hören war. In einem Hauseingang saß ein kleines Mädchen, in eine schmutzige Tunica gekleidet, die wohl vor langer Zeit einmal safrangelb gewesen sein mochte, und blies auf einer tibia ein munteres Liedchen. Als sie das sich nähernde Pärchen bemerkte, sprang sie auf und hopste ihnen entgegen. Munter tanzte sie um Flora und Flaccus herum, während sie ihre kecke Melodie weiterspann. Lachend brachte der junge Flavier ein paar Asse zum Vorschein und hielt sie der jungen Künstlerin unter die Nase. Die erwiderte das Lächeln schelmisch, griff flugs danach und hüpfte nach einer flüchtigen Verbeugung wieder zurück zu ihrem schattigen Plätzchen im Hauseingang.

    Langsam lichtete sich die herumwuselnde Schar aus Sklaven und clientes um den jungen Flavier, bis schließlich nur noch die ohnehin zum Interieur gehörigen Sklaven sowie einige Sekretäre im Tablinum verblieben waren. Auf einen kleinen Wink hin wurden zwei Becher aus Achat herbeigebracht und mit kühlem Wein befüllt, einem edlen Caecuber vom Landgut des jungen Flaviers bei der ehemals griechischen Kolonie Poseidonia in Campania. Als der Iulier verkündete, er käme von der Factio Veneta, war Flaccus sofort klar, dass er vom Senator Germanicus Sedulus geschickt worden sein musste, mit dem er sich erst unlängst persönlich in dessen Funktion als Vicarius des Principis Factionis über die anstehenden Rennen unterhalten hatte. Auch Flaccus ließ sich nun nieder und prostete seinem Gegenüber jovial zu. Gespannt lauschte er den Worten des jungen Mannes, der nun die endgültigen Teilnehmer der Veneta offenbarte. Ein kleiner Seitenblick auf einen Sekretär genügte, um sicherzustellen, dass diese Information sofort in Wachs festgehalten wurde. Als Dives dann allerdings darum bat, einen Überblick über das restliche Teilnehmerfeld zu bekommen, hob Flaccus erstaunt die Augenbraue. Dann jedoch erklärte der Scriba, dass es offenbar eine der Konkurrenz entsprechende individuelle Vorbereitung der Fahrer geben würde, sodass er sich schließlich schulterzuckend zu jenem Sekretär, der mit dieser Angelegenheit betraut worden war, umwandte. "Eustathios, welche Fahrer werden teilnehmen?" Angesprochener Sklave wühlte etwas nervös in seinen Unterlagen herum, ehe er mit einem triumphierenden Lächeln eine kleine Wachstafel zum Vorschein brachte, bei deren Betrachtung sich jedoch ein etwas nachdenklicher Ausdruck auf seinen Zügen breitmachte. "Wir haben erst zwei Namen, Dominus. Für die Factio Aurata werden die Fahrer Sotion und Pythocles an den Start gehen, alle anderen Namen sind noch ausständig..."

    Um seine Worte zu unterstreichen widmete Flaccus seine Aufmerksamkeit noch einen Augenblick der stilvollen Einrichtung des Gemaches, das die Aurelia nach ihrer Heirat mit Piso bezogen hatte. Wiewohl er das Ausmaß der Veränderungen, die sie dem Raum hatte angedeihen lassen, selbst nicht nachvollziehen konnte, da er das Zimmer in seinem Urzustand schlichtweg nicht gekannt hatte, ein Umstand, der ob der atemberaubenden Größe der flavischen Villa nicht weiter verwunderlich erscheinen darf, so konnte er sich durchaus vorstellen, dass sie ihn ein wenig mehr, als ein kleines bisschen umgestaltet hatte. Die wundervollen Landschaftsbilder die dem Raum einladende Tiefe verliehen, schienen dem jungen Flavier die Handschrift seines Onkels, gleichermaßen Vorbild als Verwandter und großer Ästhet, zu tragen, wiewohl gewiss auch Aurelia Prisca der holden Kunst durchaus nicht abgeneigt war. Jedenfalls begünstigte die helle und einladende Einrichtung des Raumes die freundschaftliche, ungezwungene Atmosphäre, die sich langsam auf angenehme Weise über die Situation legte. Wenngleich Flaccus sich ob des Anflugs von Verlegenheit, der Prisca bei seinen Worten ihren Blick senken ließ, eines belustigten Lächelns nur mühsam erwehren konnte, schien die Aurelia doch trotz ihres jugendlichen Alters das sittsame Verhalten einer ehrenvollen römischen Matrone bereits reichlich verinnerlicht zu haben, rundeten ihre ehrenvollen Worte über seine gens den wohlwollenden Eindruck, den er von ihr erhalten hatte, harmonisch ab.


    Auf das lockere Familienthema eingehend, brachte Prisca, in einen lockeren Trinkspruch verpackt, auch die zweite aurelisch-flavische Ehe, die in jüngster Vergangenheit geschlossen worden war, ins Spiel. "Das geben die Götter!", pflichtete er ihr bei und nahm einen weiteren Schluck des köstlichen Tropfens. Ein leises Seufzen der Aurelia entging seinem wachen Geiste indessen keineswegs, welches er in Gedanken auf die Projektion des elterlichen Glücks seiner Tante Nigrina und ihres Gatten Aurelius Lupus, das sich erst vor kurzem zu jenem der Ehe hinzugesellt hatte, auf die eigene Situation Priscas und die wohl noch auf sich warten lassende Schwangerschaft zurückführte. Während sie ihm, ein wenig neugierig, aber so waren die Frauen nun mal, nun eine Frage zu seinen heiratstechnischen Plänen stellte, musterte er verstohlen in einem kleinen Seitenblick die Figur der Aurelia, die, wiewohl natürlich umwerfend und überaus anziehend, tatsächlich, wenigstens für das in dieser Hinsicht durchaus als ungeübt zu bezeichnende Auge des Flaviers, keinerlei Anzeichen einer sich anbahnenden Schwangerschaft zu zeigen schien. Beruhigt also, dass das leise Seufzen wohl nichts mit seinem Verhalten oder gar seiner Anwesenheit zu tun haben mochte, widmete er seine Aufmerksamkeit nun wieder gänzlich den Worten der Aurelia und suchte ihren Blick mit seinen dunklen Augen. Erst einen kleinen Moment später hatte er die Bedeutung ihrer Worte auch mit dem Verstand erfasst, und hätte sich um ein Haar verschluckt, konnte aber die Katastrophe, die wohl mit einer etwas peinlichen Situation einher gegangen wäre, noch souverän abwenden. Dennoch war wohl, sosehr er sich auch mühte, ein überlegenes Lächeln aufzusetzen, klar erkennbar, dass Flaccus noch nicht allzu viele Gedanken diesen Überlegungen gewidmet hatte. Dennoch boten ihre großen Augen und ihr schuldbewusster Biss auf die Unterlippe, einhergehend mit der Verwendung seines Cognomens, dem Flavier die Möglichkeit, zunächst darauf einzugehen und so gleichermaßen seinen Humor spielen zu lassen, wie der primären Frage nach seinen Heiratsplänen noch etwas Aufschub zu gewähren. "Selbstverständlich ...", erwiderte er freundlich, ehe er in gespielt bestürztem Ton hinzufügte, "Aber der mit den riesigen Ohren war mein Vater, ich hab' zum Glück die meiner Mutter geerbt ...", was kein Hindernis dargestellt hatte, das wenig vorteilhafte Cognomen auch an den Sohn weiterzugeben, zwecks Wahrung der Traditionen et cetera. Niemals ließ der junge Flavier eine Chance aus, einen, im Normalfall mit der Demonstration seiner gänzlich normalen Ohren verbundenen Witz über sein Cognomen anzubringen, zumal er es mittlerweile bereits mit Stolz zu tragen gelernt hatte. Nach einem weiteren Schluck Wein, begleitet von einem Grinsen ob der Erinnerung an die gewaltigen Segelohren seines Vaters, sah er nun jedoch den Augenblick gekommen, die eigentliche Frage der Aurelia zu beantworten. Begleitet von einem Schulterzucken meinte er also, dass er sich kaum noch Gedanken darüber gemacht hätte, und ob Prisca etwa ansehnliche heiratswütige Patrizierinnen kannte, die Lust hätten, einen jungen Flavier kennenzulernen. "Aber erwähne nicht mein Cognomen, das könnte sie am Ende noch abschrecken...", fügte er schließlich schmunzelnd hinzu, wenngleich er mit seinem äußeren Erscheinungsbild durchaus zufrieden war. Sich kurz umblickend schenkte er Tilla ein flüchtiges Lächeln, ehe er seine Aufmerksamkeit erneut gänzlich der Aurelia widmete.

    Und so blieb dem jungen Flavier nichts anderes übrig, als erneut ernst zu nicken. "Wenn es zum Wohle Roms unerlässlich ist, so darf keine falsche Furcht dem rechten Handeln im Wege stehen.", zeigte er sich auf etwas kryptische Weise damit einverstanden, den Pontifex in all seinen Plänen zur Wahrung der res publica zu unterstützen. Dennoch wagte er es nicht, das Unvermeidliche auszusprechen, oder den Tiberier nach seinen konkreten Plänen zu fragen, sodass er den älteren Mann lediglich tiefsinnig anblickte und es ihm überließ, das Gespräch fortzuführen.