Beiträge von Quintus Flavius Flaccus

    Und nicht nur der Consul mit seiner Klientenherde bildete das Publikum der pisonischen rhetorischen Ergüsse, nein auch Flavius Flaccus, seines Zeichens Neffe des einen sowie politischer Schützling des anderen befand sich darunter, gekleidet in die Toga, die Stirn interessiert gerunzelt, ein durchaus ehrenvolles Bild abgebend, gleich einem Felsen in der Brandung des allgemeinen Trubels und Gewusels am Forum. Der Tatenbericht des Quaestors war knapp und konzentriert, bewirkte allerdings beim Zuhörer durchaus den Eindruck, dass eben jener seine Amtszeit nicht untätig vorüber streichen hatte lassen. Ganz im Gegenteil schien Piso ein gewaltiges Arbeitspensum bewältigt zu haben, wenn man seinen Worten Glauben schenken durfte - und es gab keinen Grund, das nicht zu tun. Erfreut in die Hände klatschend bekundete schließlich auch Flaccus seinen Beifall in Bewunderung des Onkels der es immerhin bereits bis zur Quaestur und damit in den Senat gebracht hatte. Bis Flaccus einst an derselben Stelle stehen würde, sollten wohl noch einige Jahre vergehen, und doch zweifelte er selbst nicht im Geringsten daran, dass es so sein würde.

    Im Moment wusste Flaccus wohl selbst nicht so genau, weshalb er es tat, vermutlich lag es an dem faszinierenden Eindruck, den die fremdländische Schönheit auf ihn gemacht hatte, er wandte sich jedenfalls dem Sklavenhändler zu und rief: "Ich möchte sie kaufen!" Wenn sie tatsächlich musisch begabt war, würde sie dem jungen Flavier vermutlich auf angenehme Weise Stunden der Muße versüßen können, ansonsten würden im flavischen Haushalt auch sonst Aufgaben für sie gefunden werden.


    Sim-Off:

    Es tut mir leid, dass ich nicht mehr zeitgerecht schreiben konnte, es liegt an einer Verkettung unglücklicher Umstände.

    Die saloppe Aufforderung des Consuls, er solle das für ihn herausfinden ließ Flaccus momentan etwas blass um die Nase werden. "Für alle 600 Senatoren?", fragte er leicht geschockt, denn um diesen Wert hatte sich die Zahl der Senatoren seit Augustus, nachdem Caesar den Senat mit über 1000 Senatoren regelrecht gesprengt hatte, ungefähr eingependelt. Keine Frage, für einen angehenden Politiker war es notwendig, über die wichtigsten Männer im Senat Bescheid zu wissen, doch im Endeffekt lag doch alles am Princeps. War man ein Günstling des Kaisers, sollte eigentlich nichts schief gehen können, hatte man jedoch umgekehrt den Kaiser zum Feind, so würden selbst die einflussreichsten Freunde im Senat wohl nur wenig ausrichten können.

    Nach reiflicher Überlegung bitte auch ich um die Eröffnung eines Kontos, allerdings nur, wenn es möglich sein wird, eben jenes auch wieder einzufrieren sofern die Betreuung desselben aus Zeitgründen nicht mehr möglich erscheint. (Schließlich soll Flaccus dann nicht als verwahrloster Kulturbanause, der am Verhungern ist durch Rom streifen...)


    Gratias ago.

    So ungesprächig und tot die sich auf den Regalen stapelnden Papyri der Iunia auch erscheinen mochten, Flaccus selbst konnte sich tatsächlich kaum bessere Gesellschaft wünschen, wer schließlich vermochte schon mit Recht von sich zu behaupten, mit Homer, Vergil, Cicero, Ovid, Horaz und all den anderen klugen Köpfen der letzten Jahrtausende in einem Raum zu verweilen? Auf seine freundliche Aufforderung hin, sich doch etwas begutachten zu lassen, schien Axilla zunächst fast schüchtern zu erstarren, ein Umstand, den Flaccus bei dem aufgeweckten Geist der jungen Frau und dem blöden Herumalbern von vorhin gar nicht mehr erwartet hätte, schließlich kam sie seiner Aufforderung allerdings doch nach und vollführte eine langsame Pirouette, die wohl, ebenso wie ihr gesamtes Auftreten und Erscheinungsbild, ein gewisses Maß an scheinbar übernatürlicher Grazilität zugunsten einem gehörigen Maß an liebenswerter Natürlichkeit verloren hatte. Alles in allem schien die Tunika wohl ein wenig zu groß, machte aber dank der ohnehin schlacksigen Figur des jungen Flaviers auch an Axilla keinen allzu schlabbernden Eindruck. Ganz im Gegenteil besaßen die etwas zu großen Stoffteile die angenehme Eigenschaft, immer wieder den einen oder anderen Teil von Axillas Körper, vornehmlich ihre zarten Schultern, zu entblößen und somit anregende Anblicke zu bieten. Auch das, wiewohl mittlerweile verblasste, ihren linken Unterschenkel zierlich emporrankende Efeumotiv, war noch erkennbar und unterstrich den auf süße Weise anziehenden Gesamteindruck der jungen Frau. Die Unperfektion in ihrem äußeren Erscheinungsbild, ihre Haare waren noch nicht einmal gänzlich trocken, sondern fielen lockig bis in den Rücken herab, würde wohl auch, so hoffte Flaccus zumindest, den Rahmen in einen freundschaftlicheren, einen vertrauteren, wandeln und die Stimmung lockern. Auch er selbst hatte natürlich die Toga, die er zuvor, wohl einfach aus praktischen Gründen, war er doch vor dem Treffen im Garten direkt vom Capitol und seinem Unterricht in kultischen Belangen gekommen, sozusagen aus den Händen der einen Iunia in die der nächsten laufend, noch getragen hatte, abgelegt und gegen die einfache, wiewohl in ihrer Ausführung durchaus ansehnliche dunkelblaue Tunika getauscht, um auf diese Weise die nunmehr gelockerte Atmosphäre zu unterstützen.


    Dass Aglaia sich offenbar von ihrer besten Seite gezeigt hatte, freute Flaccus und veranlasste ihn, der jungen Sklavin noch ein paar Worte zu widmen. "Ja, sie war sicherlich ein wahrer Glücksgriff. Du musst wissen sie stammt aus einer griechischen Sklavenfamilie und hat schon früh für eine Sklavin ungewöhnlich viel Bildung erhalten. Sie kann auch ausgezeichnet singen und tanzen. Außerdem, doch da musst du wohl eher die Frauen im Haus fragen, scheint sie ein wahrhaft geniales Händchen im Umgang mit Stoffen zu haben. Auch wenn ihr Geschmack was Frisuren betrifft ...", mit gespielt skeptischem Blick und einem schelmischen Lächeln musterte Flaccus die ungekämmten Haare Axillas, wohlwissend, dass für eine kunstvolle Frisur schlichtweg keine Zeit gewesen war, und die Iunia sie wahrscheinlich auch gar nicht verlangt hatte, " ... etwas ausgefallen zu sein scheint."


    Axilla hatte es sich mittlerweile, der Aufforderung des jungen Flaviers nachkommend, bequem gemacht, was Flaccus erfreut zur Kenntnis nahm, kam sie damit doch seiner Intention entgegegen, die Etikette nun endgültig zu lockern, wenngleich natürlich nicht vollständig aufzuheben, schließlich war Flaccus in manchen Dingen durchaus konservativ, sodass er zum Beispiel nie auf die Idee käme, sich selbst, schon gar nicht in Anwesenheit einer Dame, zu betrinken. Bacchus war ein schelmischer Gott, der den Menschen, die ihm allzu sehr zusprachen, oft überaus böswillige Streiche spielte. Außerdem war es doch barbarisch, sich zu betrinken, und widersprach dem so hellenischen Gemüt des Flaviers von Grund auf. Auf ihre Anspielung hin folgte Flaccus Axillas Blick und ließ jenen um sich schweifen, wenngleich ihm der Anblick, den die Bibliothek bot, natürlich nur allzu bekannt war. "Ja, den Göttern sei Dank, ich hatte schon gefürchtet mich von meinen geliebten Büchern verabschieden zu müssen, als ich nach Rom aufgebrochen bin." In der Tat wäre ihm der Verlust all der teuren Freunde, die er mittlerweile unter den Literaten gefunden hatte, wohl schlecht bekommen.

    In der knappen Zeit die Flaccus mittlerweile neben dem Tirocinium Fori bei Purgitius Macer, seinen Verpflichtungen im Cultus und natürlich seinen persönlichen Studien, die er heftiger denn je betrieb, noch blieb, versuchte er auch sonst sich so viel Bildung wie nur irgend möglich angedeihen zu lassen. Eine hervorragende Möglichkeit dafür bot der Cursus Iuris an der Schola Atheniensis. In die Toga gekleidet, suchte er also das Officium für Rechtsfragen auf und stellte sich vor.


    "Salve Magister. Ich bin Quintus Flavius Flaccus und gedenke den Cursus Iuris zu absolvieren."

    Interessiert lauschte Flaccus den Plänen des Consuls. Im Grunde war ihm bewusst, dass eine Vielzahl der Senatoren sich als Patrone um gewisse Städte kümmerten, doch einen klaren Plan, welche Senatoren für welche Städte sorgten, hatte er nicht im Kopf. "Im Süden kenne ich mich einigermaßen gut aus, ich stamme ja aus Paestum. Über Rom bin ich allerdings nie hinausgekommen, die nördlicheren Städte habe ich also nie mit eigenen Augen gesehen. Aber wer weiß? Vielleicht führt ein Militärtribunat mich ja in den nächsten Jahren bis nach Germanien...", denn ein solches gedachte Flaccus natürlich, ganz dem althergebrachten Cursus folgend, nach dem von ihm angestrebten Amt als tresvir monetalis, zu leisten. "Welche Senatoren sich genau um welche Städte kümmern habe ich jedoch nicht eimal für den Süden flächendeckend im Kopf...", gab er schließlich zu, denn darüber hatte er sich bisher zugegebenermaßen wenige Gedanken gemacht.

    Was auch immer im Empfinden der Iunia ein falscher Eindruck gewesen wäre, den ihr Erscheinungsbild auf den jungen Flavier, der, auf einen Ellbogen gestützt, ihr Kommen schon gespannt erwartet hatte, machen hätte können, Flaccus fand sie, ungeschminkt, unfrisiert und in eine Männertunika - in seine Tunika! - gekleidet, wie sie war, immernoch entzückend. Wiewohl auf ganz andere Weise als zuvor, waren die ehemals offenkundigen Parallelen zur überirdischen Erscheinung etwa einer Nymphe mittlerweile doch eher latent (und doch blieben ihre grünen Augen!), fand er ihren Anblick in gleichen Maßen bezaubernd wie, auf geschwisterliche Weise, liebenswert.


    "Oh nein ... Und wie du siehst...", er wies mit einer allumfassenden Geste um sich, " ... war ich ja in bester Gesellschaft." Mit einem freundlichen Lächeln lud er Axilla ein, näher zu treten. "Und jetzt lass dich mal ansehen!", er ließ seinen Blick an ihr hinunterwandern - wie erwartet war ihr seine Tunika um einiges zu groß, wiewohl es ihr hier zum Vorteil zu gereichen schien, dass Frauen ohnehin pflegten die Tunika länger als Männer zu tragen - insgesamt war ihr Erscheinungsbild allerdings tatsächlich akzeptabel und somit besser, als Flaccus bei ihrer Forderung, eine seiner Tuniken zu bekommen, erwartet hatte. Langsam ließ er seinen Blick wieder zu ihrem Antlitz wandern, das durch den Regenguss zwar die Schminke verloren, aber dafür ein ordentliches Maß an natürlicher Schönheit, die im Grunde ja viel mehr wert war, als alle Schminke der Welt, gewonnen hatte. Insgesamt schien es ihm, als ob die Iunia durch das Gewitter noch einige andere Hüllen fallen gelassen hätte. So war ihm im Garten, am Beginn des Nachmittags eine Dame gegenübergestanden, in ihrer Erscheinung noch an die Nymphe von ihrer ersten Begegnung erinnernd, wiewohl bereits in scheinbar gezähmten Rahmen gepresst, während nun, in der Bibliothek, lediglich, ausschließlich und nur mehr eine junge Frau vor ihm stand, fast noch ein Mädchen: Axilla.


    "Oh, entschuldige, setz' dich doch!", für einen Moment in solcherlei Gedanken versunken, schien Flaccus ganz seine Zuvorkommenheit als Gastgeber vergessen zu haben. "Ich hoffe Aglaia hat sich ordentlich benommen?", im Grunde erwartete er nichts anderes von seinen Sklaven, aber einmal nachzufragen konnte nicht schaden.

    Sie schien ihn nicht ganz verstanden zu haben, oder vielleicht doch, nur wurde der junge Flavier aus der Antwort der Sklavin nicht ganz schlau. Dennoch schien sie ein sehr energisches Temperament zu besitzen, was die Beziehung zwischen den beiden, sollte Flaccus sie tatsächlich erwerben, woran er im Moment jedenfalls nicht vordergründig dachte, zuminest spannend gestalten würde. "Ähm, ja.", machte er also nur und verschränkte die Arme. "Hast du eigentlich auch einen Namen?", fragte er dann und blickte die Sklavin, deren dunkles Haar mittlerweile sich gelöst hatte und ihr anmutiges Antlitz umrahmte, direkt an.

    Obwohl es vermutlich mehr als naheliegend gewesen wäre, die Schönheit aus dem Osten in der Sprache der Griechen anzusprechen, war dem Flavier dieser Gedanke schlichtweg nicht gekommen. Zusehr hatte er sich damit abfinden müssen, in Rom mit der von ihm so geliebten Sprache zumindest auf der Straße etwas schief angeschaut zu werden, galten die Griechen, wiewohl als durchaus kluge und kulturell begabte Menschen, so doch auch als verweichlicht und wankelmütig. Die lateinische Sprache jedoch schien zumindest für belustigende Antworten von Seiten der Sklavin zu sorgen, also blieb Flaccus auch dabei. "Heißt das nun du musizierst gerne?", meinte er mit einem Lachen. "Und sonst, was kannst du gut?", setzte er das Gespräch in lockerer Weise fort. Denn außer mit ihrer Schönheit, und die fiel dem Betrachter ohnehin sofort ins Auge, hatte der Händler nicht mit besonderen Qualitäten der jungen Frau aufwarten können.

    Als die Sklavin ihren Mund auftat erklang etwas, das wohl entfernt an lateinische Wörter zu erinnern vermochte, und Flaccus grinsen ließ. Dass sie es "nicht gerne" tat mochte er ihr gerne glauben, schließlich war die Sprache der Römer die Sprache eben jenes Volkes, das sie in die Sklaverei geführt hatte. Vermutlich hatte sie jedoch gar nicht intendiert eben das damit auszudrücken, sondern viel mehr, dass sie die Sprache nicht sonderlich gut beherrschte, was ohnehin deutlich zu hören war. Dennoch glitzerten die dunklen Augen des Flaviers entzückt, als sie sprach, nicht etwa, weil ihm der Inhalt ihrer Worte so gut gefiel, sondern vielmehr, weil sie eine außerordentlich schöne Stimme hatte. "Kannst du singen? Oder spielst du vielleicht ein Instrument?", schloss er noch eine weitere Frage an.

    Wenngleich die letzten beiden Male, da der junge Flavier die Märkte gestreift hatte, durchaus noch die latente Absicht dahinter gestanden haben mochte, einen gebildeten Sklaven zu finden, fähig zum gemeinsamen Gedankenaustausch, einen tüchtiger Sekretär, der dem jungen Mann in seiner sich anbahnenden politischen Laufbahn tatkräftig zur Seite stehen würde, so hatte Flaccus dieses Vorhaben nach der paradoxen Situation bei der letzten Versteigerung, wo doch tatsächlich ein dahergelaufener Plebejer es gewagt hatte, das flavische Gebot in den Wind zu schlagen, mittlerweile auf Eis gelegt. Dass er an jenem kalten Wintertag erneut hier war hatte einen ganz anderen Grund, befand er doch lediglich auf dem Weg von von der Casa Purgitia nach Hause, hatte ihn der Consul Purgitius Macer heute schließlich bereits früher entlassen, sodass er nun gemächlich, lediglich begleitet von einem kräftigen Custos Corporis, in Richtung Quirinal schlendern konnte. So war es denn auch am ehesten Fortuna zu verdanken, dass seine Schritte ihn ausgerechnet wieder am Podest des Titus Tranquillus vorbeiführten, der eben lautstark wie immer seine Ware anpries. Im Vorbeigehen musterte Flaccus die junge Frau am Podest interessiert, bot sie schließlich einen exotischen Anblick. Als Juwel aus dem Osten pries der Händler sie an und diese Bezeichnung war treffend, denn, obwohl ihre Aufmachung alles andere als ansehnlich war, so zeigte sich in ihrem Antlitz doch ein Hauch von fremdländischer Schönheit - zumindest empfand Flaccus so. Einen kurzen Moment trafen sich die Blicke der beiden jungen Menschen, ihre dunklen Augen wichen den seinen nicht aus, sondern blickten ihn direkt an. Dieser kurze Augenblick, bevor sie dann scheu den Kopf senkte hatte ausgereicht, um die Schritte des Flaviers stocken zu lassen. Er blieb stehen und wandte sich gänzlich dem Podest zu. "Sprichst du unsere Sprache?", rief er der jungen Frau zu.

    Dass die entscheidende Wahl auf Purgitius Macer und nicht den an seiner Seite amtierenden Consul gefallen war, war kein Zufall gewesen sondern der Umsicht und dem Engagement eben von Flaccus' Onkel Piso zu verdanken, der es sich offenbar zur Aufgabe gemacht hatte, dem jüngeren Flavier etwas unter die Arme zu greifen. Den Ablauf seiner politischen Lehrzeit nahm Flaccus nickend zur Kenntnis, schließlich hatte ihn sich genau so vorgestellt. Die Frage nach seinem Patron allerdings ließ ihn leicht die Stirn runzeln. "Ich habe noch keinen ... aber ich werde bei Gelegenheit mit Manius Tiberius Durus darüber sprechen."

    Axillas scherzhafte und unspezifische Drohung, so es denn ihr Ziel gewesen war, Flaccus ein schlechtes Gewissen zu breiten, verfehlte ihre Wirkung gänzlich, was vermutlich auch an dem entzückt-verwunderten Gesichtsausdruck liegen mochte, den die Worte des Flaviers bei ihr hervorgerufen hatten. Irgendwie sah sie im Moment einfach zu ... süß aus, triefend nass wie sie da stand, den Mund vor Verwunderung halb geöffnet, ihre grünen Augen ungläubig funkelnd, als dass ihre Drohung als tatsächlich ernst zu nehmende gelten konnte. Und siehe da: Schon willigte sie, durch die zwingende Logik der Argumentationskette des Flaviers, oder einfach das apokalyptische Donnergrollen draußen, überzeugt, in den Vorschlag ein. Nun war es jedoch an Flaccus einen etwas verwunderten Gesichtsaudruck aufzusetzen. "Eine meiner Tuniken?", vergewisserte er sich überrascht, obwohl er natürlich einwandfrei verstanden hatte. Dann allerdings zauberte er ein Lächeln auf seine Lippen. "Ich habs vorgeschlagen und ich stehe natürlich zu meinem Wort.", erklärte er in feierlicher Komik, schließlich gehörte es sich ja für einen vir vere Romanus sein Wort zu halten. "Ähm, ja, also ... Aglaia soll dir etwas von mir geben - ich bin schon gespannt...", das Lächeln verbreitete sich zu einem Grinsen, denn eine Strähne von Axillas dunklem Haar hatte sich gelöst und hing ihr nun ins Gesicht, was Flaccus ziemlich zu amüsieren schien. "Wir sehen uns jedenfalls in der Bibliothek, sobald ihr fertig seid...", meinte er noch zu den beiden jungen Frauen, bevor er sich umwandte und mit quatschenden Schritten, eine nasse Fußspur hinterlassend, den Gang entlang zu seinem Cubiculum ging watschelte. Dass Aglaia sich gut um Axilla kümmern würde, daran hatte er keinen Zweifel, durch seine zuvorkommende Freundlichkeit war das griechische Mädchen Flaccus schon bald nach seiner Ankunft ins Auge gefallen, so dass es auch nicht als Zufall gelten konnte, dass er ausgerechnet sie heute ausgewählt hatte, um für das Wohl der beiden zu sorgen.

    Schon kurz nachdem er sich aufgrund des herbstlichen Gewitters von Axilla getrennt hatte, trat Flaccus, nunmehr in eine dunkelblaue Tunika, die an den Rändern kunstvoll mit Goldfäden durchwirkt war, gekleidet, in die Bibliothek. Ganz wie erwartet, war Axilla noch nicht hier, sondern vermutlich noch mit dem Ankleiden und der Beseitigung der feuchten Spuren des Gewitters beschäftigt, wobei ihr Aglaia, die griechische Sklavin, die Flaccus damit betraut hatte, Axilla zur Hand zu gehen und für ihr Wohl zu sorgen, hoffentlich tatkräftig zur Seite stand. Der junge Flavier trat an die Bücherregale und fuhr mit der Hand sachte über die Kapseln, in denen die Schriftrollen aufbewahrt wurden. Die flavische Bibliothek war gut ausgestattet und ließ selbst für so anspruchsvolle Leser, wie Flaccus zweifelsohne einer war, kaum Wünsche offen. Von den Epen Homers bis hin zu den jüngsten epistolographischen Publikationen eines C. Plinius Caecilius Secundus war die Bibliothek Hort nahezu aller bedeutender griechischer und römischer Literatur. Ein Menschenleben mochte kaum ausreichen um die unermesslichen Schätze allesamt gründlich zu studieren, so überwältigend war allein die Quantität der Werke. Nachdem er ein wenig den Atem der alten Schriften geatmet, den einen oder anderen Papyrus kurz aus seiner Kapsel befreit hatte, um nachzusehen, ob der Beginn des betreffenden Werkes noch richtig in seinem Kopf verankert war, ließ Flaccus sich auf der Sitzgruppe im hinteren Teil des Raumes, die lediglich zwei Klinen um einen kleinen runden Tisch ausmachte und in ihrer Position mitten zwischen den Bücherregalen einer kleinen Lichtung in einem dichten Wäldchen glich, nieder und machte es sich bequem. Einige Pflanzen, die in kleinen Töpfen geschmackvoll um die Sitzgruppe gruppiert waren, verfeinerten den Anblick und vermochten noch einen Hauch der Atmosphäre des Hortus widerzuspiegeln.

    "Nein, ich war nicht da...", schließlich konnte man von einem jungen Mann, dessen wissenschaftliche Interessen weit über das Gebiet des Rechts hinaus reichten, wohl nur schwerlich verlangen allen möglichen Prozessen, besonders wenn es um solcherlei juristische Haarspaltereien ging, beizuwohnen. Hätte Flaccus jedoch gewusst, wie der Prozess sich entwickeln würde, wäre er zweifellos dabei gewesen. "Die Geldstrafe mag nur symbolischen Charakter haben und doch ist es, so denke ich, bedenklich, einen so um Rom verdienten Mann wegen kleiner Formfehler in seiner Amtsausübung anzuklagen und gar zu verurteilen. Die Tatsache allein, dass die unrechtmäßigen Geschehnisse bereits im Vorfeld bereinigt worden waren, hätte die Sache doch schon aus der Welt schaffen sollen. Jetzt sollte er allerdings wirklich damit aufhören, von Dingen zu sprechen, von denen er eigentlich nicht sprechen sollte, und doch sollten seine Worte dem Purgitier zumindest zeigen, dass Flaccus durchaus am tagespolitischen Geschehen interessiert war."Im Grunde nein, denn wer kann einem jungen Mann als vielversprechenderer Mentor in politischen Belangen gelten, als der amtierende Consul?" In der Tat war die "Wahl" sofern es denn überhaupt eine gegeben hatte, rasch auf Purgitius Macer gefallen. Tiberius Durus, der Pontifex pro Magistro, wäre dem jungen Flavier zwar auch als interessante Persönlichkeit erschienen, doch bekleidete jener im Moment kein Amt und war somit für ein Tirocinium Fori wohl eher zweite Wahl.

    In Persona, selbst, eigenhändig gab Flavius Flaccus jenes Schreiben in der Annahmestelle des Cursus Publicus ab. Es waren etwas schwierige Umstände, unter denen er seinen Brief zu verschicken hatte, denn er wusste weder mit Sicherheit, ob sein Freund Xenophanes bereits in Alexandria angekommen, geschweige denn wo er dort untergekommen war. Er übergab den Brief also in Hoffnung darauf, dass die cleveren Leute vom Cursus die Adresse des Griechen in Alexandria, der wohl ob seiner herausragenden Persönlichkeit dort ohnehin schon bald nach seiner Ankunft in aller Munde sein würde, ausfindig machen könnten.


    Q. Flavius Flaccus Xenophanei suo s.


    Viel zu lange habe ich nichts mehr von dir gehört, seit ich selbst Athen verlassen - viel zu früh haben die Götter mich aus meinen Studien gerissen! - und dich, meinen besten Lehrer, Studienpartner und Freund mit den Vorsätzen, nach Alexandria aufzubrechen, zurückgelassen habe. Morpheus hat mir in seltsamen Bildern zu verstehen gegeben, dass dein Vorhaben geglückt ist und du die Stadt unbeschadet erreicht hast; ich zweifle nicht an diesem Traum, denn du weißt, ich wünsche dir nur das Beste und habe Poseidon, dem gewaltigen Herr über die Meere eigenhändig ein Opfer für deine glückliche Überfahrt dargebracht, und doch nagt die Ungewissheit über dein Befinden allzu heftig an meinem Geist. Dein Bild sehe ich, dich höre ich, mit dir glaube ich zu sprechen und muss feststellen, dass es nur leere, nichtssagende Bilder sind, die die Götter - oh die grausamen! - meinem geplagten Verstand eingeben. "Die Götter?", du wirst lachen und es ist erlaubt, dass du lachst. "Ja die Götter.", denn sosehr ich selbst wohl noch vor weniger Zeit, in Athen, darüber gelacht, und sie als Märchen, als Hirngespinst oder symbolhafte Wahrheit eines Blinden - du weißt, ich schätze Homer! - abgetan hätte, sosehr verachte ich nun meine eigenen frevelhaften Gedanken von damals. Du musst wissen, ich bin nach dem Tod meines Vaters, der sich ja bereits, als ich noch in Athen weilte, abzeichnete und mich nach Italien zurückrief, nach Rom aufgebrochen, wo ich nunmehr bei der Familie untergekommen bin, gewillt, den Cursus Honorum zu durchlaufen. Nicht allein die Politik aber ist es, die mich im Moment beschäftigt, nein auch im Cultus Deorum habe ich Mittel und Wege gefunden, mich zu bilden. Ja, denn es ist Bildung, den Dienst an den Göttern zu vollziehen, schenk' meinen Worten Glauben! Jedenfalls muss ich dir von einer Begebenheit erzählen, die mich jedenfalls meiner früheren Zweifel an den Göttern entbunden hat:


    Unweit der Stadt kam es zu einem Frevel in einem Hain der Diana. Zu den genauen Vorfällen herrschen nur Gerüchte, eines haarsträubender als das andere, feststeht, es muss Schreckliches geschehen sein. Seither betrachten die Römer die Pax Deorum, ihren Frieden mit den Göttern als erheblich gestört und glaub' mir oder nicht, sie haben Recht! Grauenvolle Dinge sind geschehen, die an der Macht der Götter keinen zweifel lassen. Wärst du hier, du könntest dich der Wahrheit nicht entziehen. Ich bin aufgewühlt und glaube nicht mehr klar denken zu können, auch deshalb schreibe ich diesen Brief. Denke gründlich, ganz so wie es deine Art ist, über die Sache nach und lass' mich wissen, was du davon hältst, denn die Unsicherheit lässt mich nicht ruhen. Ich sehe, ich schreibe schon wieder viel zu lange, wollte ich mich doch nur von deinem Wohlbefinden versichern. So die Götter (du siehst, um nichts anderes kreisen meine Gedanken!) diesem Vorhaben gewogen sind, magst du diesen Brief schon bald erhalten und wenn du ihn erhältst, zögere nicht, sondern setz dich und schreib, selbst wenn es zuerst nur das ist, womit die Alten ihre Briefe begannen s.t.v.b.e.e.v., denn das allein vermag mich schon zu beruhigen. Vale.


    Sim-Off:

    Familienwertkarte