"Ich habe davon gehört...", meinte Flaccus auf die Erwähnung des Prozesses gegen Decimus Livianus hin. "Rechtsbeugung in zwei Adoptionsfällen, wenn ich mich recht erinnere? In einem Fall sogar die rechtswidrige Verleihung des Bürgerrechts...", rief er sich den Prozess mehr für sich selbst ins Gedächtnis zurück. Objektiv betrachtet schien es keine allzu große Sache zu sein und doch verbarg sich hinter der scheinbar harmlosen Oberfläche ein ganzes Fass politischer Brisanz. "Ich denke der Schuldspruch in beiden Fällen war angebracht, und doch...", natürlich würde er nicht am Urteil der Iudices zweifeln, waren doch mit Flavius Gracchus und sogar dem Pontifex pro Magistro Tiberius Durus zwei überaus angesehene Männer als Richter eingesetzt worden. "und doch halte ich das Ausmaß der Strafe für überzogen, denn ich glaube in keinem der beiden Fälle konnte dem Angeklagten vorsätzliches Handeln vorgeworfen werden." Zweifellos war es heikel für Flaccus, über das Thema zu sprechen, wo er doch selbst nicht der Verhandlung beigewohnt hatte, und doch glaubte er sich aus den Berichten ein gutes Bild machen zu können.
Beiträge von Quintus Flavius Flaccus
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Ob Flaccus ein aufmerksamer Beobachter war? Bei den Göttern, der Consul würde sich beim besten Willen nicht ausmalen können, wie aufmerksam der junge Flavier tatsächlich war. Nichts, ja nicht einmal das kleinste Detail schien seinen neugierig umherhuschenden dunklen Augen zu entgehen, und so antwortete auch nun lediglich mit einem bescheidenen: "Ich denke schon, ja ..." Die nächste Frage des Purgitiers erinnerte Flaccus jedoch an den Unterrichtsbeginn bei Iunia Serrana, und so war der Skandal von Nemi auch das erste und gravierendste Thema, das ihm in den Kopf schoss. "Durch den Frevel im heiligen Hain der Diana ist die Pax Deorum empfindlich gestört.", fiel er also miit der Tür ins Haus, "Ich denke, im Moment sollte alles daran gesetzt werden, die Götter durch eine procuratio wieder zu versöhnen.", er kratzte sich nachdenklich am Kopf, "Eine Frage hätte ich allerdings, Consul.", sie war ihm spontan in den Sinn gekommen und er hielt es für angemessen sie in diesem, eigentlich politischen Kontext zu stellen. "Der Praefectus Urbi, der Vescularier, was ist er für ein Mann?", stellte er eine offene Frage, "Er hat anlässlich der Feierlichkeiten des Dies Natalis Valeriani mit bewaffneten Barbaren das Pomerium entweiht! Wie soll auf diese Weise die Pax Deorum wiederhergestellt werden, wenn selbst so hochrangige Persönlichkeiten die Gebote der Götter mit Füßen treten?"
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"Oh, Somnus hat mir eine ruhige Nacht beschert, danke...", erwiderte der Flavier etwas überrascht von dem persönlichen Gesprächseinstieg des Consuls. Zweifellos war er etwas nervös gewesen, doch wer wäre das nicht? Allein die Erinnerung an die Tatsache, dass das Konsulat im Grunde, wie alle anderen Ämter und überhaupt eigentlich der ganze Senat ja keine tatsächlichen Machtpositionen mehr waren, sondern lediglich Formsache, abhänging von der Willkür des Kaisers, hatte den Flavier wieder auf den Boden der Realität und zu einer nüchternen Sichtweise der Dinge geholt. Wie er sich so ein Tirocinium vorstellte, diese erste Frage war relativ leicht zu beantworten. "Ich möchte dich bei deinen Amtshandlungen als Consul begleiten, wenn du Reden hältst, aber auch im Alltag, um möglichst viel zu lernen!", meinte er eifrig. Seine Erwartungen im Bezug auf das Tirocinium waren da schon ein wesentlich diffizilerer Punkt, wenngleich auch nicht sonderlich schwierig zu beantworten. "Ich hoffe in der Zeit des Tirociniums Einblick in die politischen Vorgänge Roms zu erhalten, die Grundlagen des Rechts und der Rhetorik noch weiter zu vertiefen, in der Beobachtung deiner eigenen Handlungen einem guten Römer angemessenes Verhalten zu erlernen und einfach alles nötige Handwerkszeug zu erwerben, um selbst in der Politik bestehen zu können."
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Prompt von der Porta ins Tablinum geführt, wurde Flaccus dort auch schon von dem Purgitier erwartet. "Salve, Consul.", erwiderte der junge Mann den Gruß und folgte Macers Geste indem er sich auf einem Stuhl niederließ. Er blickte sich ein wenig im Arbeitszimmer des Consuls um, konnte aber nichts außergewöhnliches entdecken, sodass er seine Aufmerksamkeit schon nach wenigen Augenblicken wieder voll und ganz seinem Gesprächspartner und, so die Götter seinem Vorhaben gesonnen waren, zukünftigem Tutor, widmete.
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Am Tag nach der gemeinsamen Salutatio mit seinem Onkel also kam Quintus Flaccus, seines Zeichens Sproß der Gens Flavia alleine mit einem einzelnen Sklaven im Schlepptau vormittags bei der purgitischen Casa angetrabt. Jener Sklave trat auch brav an die Porta, pochte ordentlich dagegen und verkündete, sobald jene augetan ward: "Mein Dominus, Quintus Flavius Flaccus ist hier auf Einladung des Consuls Spurius Purgitius Macer um mit ihm über sein Tirocinium Fori zu sprechen." So weit so gut, denn das waren im Grunde alle vorerst nötigen Informationen.
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Bedächtig einen Schritt vor den anderen setzend, eine wohl etwa zum Drittel ausgerollte Schriftrolle in beiden Händen trat Flaccus auf und rezitierte ... Homer, was auch sonst? Die Odysseia war es, wohl um den fünften Gesang, die der junge Flavier in Hexametern vor sich hermurmelte und dadurch unbewusst aber dennoch wirkungsvoll den Jahrtausende alten Atem des Dichters, dem die junge Domitilla sich vermutlich ob ihrer Flucht aus der Bibliothek glücklich entronnen glaubte, in den herbstlichen Garten trug. Natürlich wusste Flaccus selbst nichts von alledem, weder dass Flavia Domitilla sich in den Gärten befand, noch dass sie aus der Bibliothek entschlüpft war, genaugenommen wusste er von ihr nicht mehr, als dass sie erst vor wenigen Tagen nach Rom und in die Villa gekommen war - Gelegenheit zum Kennenlernen hatte es bisher noch keine gegeben. Und doch war das im Grunde vielversprechendes Wissen, war Domitilla ja damit ein dem des Flaccus nicht unähnliches Schicksal widerfahren, zumindest, was die Tatsache, dass sie sich jetzt in Rom, im Schoß der flavischen Familie befand, betraf. Und doch war es weder die Intention noch die Hoffnung des Flaviers gewesen, ausgerechnet sie im Garten zu treffen, sodass er eben dies, sie zu treffen, zunächst auch gar nicht tat. Wie sollte er sie denn auch bemerken, wenn er in Gedanken sich ja gar nicht in den flavischen Gärten, ja nicht einmal in Rom befand, sondern vielmehr unter der Besatzung des Ithakers, die eine Herausforderung nach der anderen zu meistern hatte, und ihrer Heimat doch nicht näher zu kommen schien, ob des unbändigen Zorns des gewaltigen Beherrschers der Meere, Poseidon.
Nichtsdestotrotz schien es unumgänglich und wer weiß, vielleicht hatte ja auch Fortuna ihre Hände im Spiel, sie, die der jungen Flavia ja heute besonders hold schien (oder sollte die glückliche Flucht aus der Bibliothek etwa nicht ihrer Gunst zu verdanken sein?). Jedenfalls ließ Flaccus im richtigen Moment die Schriftrolle sinken und Anwesenheit der jungen Flavia gewahr, ein Umstand, der zunächst nur ein etwas überraschtes "Oh.", ihn hervorbringen ließ, hatte er doch nicht damit gerechnet irgendjemanden, am wenigsten wohl Domitilla in den herbstlichen Gärten anzutreffen. "Salve, Domitilla.", fügte er rasch hinzu. "Ich bin Flavius Flaccus, dein ...", kurz ratterte es merklich im Kopf des jungen Patriziers, als er mühsam versuchte die korrekte verwandschaftliche Beziehung zu der jungen Flavia herauszufinden, "...ach, lassen wir das." Beendete er den mühsamen Prozess aber bald wieder, erstens, weil es im Grunde ja egal war, und zweitens, weil er im Moment noch zu sehr in die Odyssee vertieft war, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. "Hast du dich schon eingelebt?"
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Der übermütige Schubser von Axilla ließ Flaccus laut lachen. Woran er in diesem Moment nicht denken konnte, war, dass es das erste Mal seit sehr langer Zeit war, dass er wieder einmal einfach Spaß mit einer Freundin hatte. "Ähm, ja ... vermutlich", angestrengt versuchte er, sich das Lachen zu verkneifen, während er Axillas vorwurfsvollem Blick mit seinen belustigt glitzernden braunen Augen gekonnt standhielt, "wenngleich er sich manchmal erst beim zweiten Blick offenbart, oder beim dritten ..." ein seltsames Gefühl an seiner Nasenspitze brachte Flaccus leicht aus dem Konzept und Axillas Kichern bestärkte seine Vermutung noch, dass er im Moment wohl bestenfalls ein albernes Bild abgab. Nichtsdestotrotz, ganz Patrizier, versuchte Flaccus die Contenance zu wahren und fuhr sich mit gespielt beiläufiger Geste durchs Haar, was jedoch zur Folge hatte, dass die klatschnassen Ärmelfalten seiner Toga sich selbstständig machten und seinen Arm hinaufwanderten, um dann, nach vollbrachter Geste, nass wie sie waren, dort kleben zu bleiben anstelle wieder an ihren angestammten Platz zu rutschen. Reichlich mühsam war also der Versuch des Flaviers, sein Erscheinungsbild einigermaßen in Ordnung zu bringen, bevor er Axilla eben jenes Angebot machte, sich doch in einem der Balnea zumindest notdürftig zu versorgen - was die junge Iunia offenbar gänzlich falsch verstand.
"Nein...", Flaccus musste unwillkürlich lächeln, "...das geht vermutlich wirklich nicht. Aber wenn du dich mit einer einfachen Tunika zufrieden geben würdest, ließe sich sicherlich etwas finden, und da hätten meine Verwandten zweifellos nichts dagegen." Schließlich gab es in einem so gewaltigen Haushalt, wie dem flavischen, ja schiere Unmengen an Sklaven, sodass wohl auch dementsprechende Massen an Kleidung zur Verfügung stehen mussten, um Gäste auch einkeiden zu können, ohne die Kleiderschränke der flavischen Hausbewohner anzuzapfen. "Wenn du es aber vorziehst, deines und das Leben deiner Sklaven aufs Spiel zu setzen, und bei dem Wetter", im richtigen Moment schickte Zeus, der große Blitzeschleuderer eines seiner Geschosse, wie, um den Worten des Flaviers noch mehr Gewicht zu verleihen, zur Erde, und das Donnergrollen nach dem Einschlag schien selbst die massiven Mauern der flavischen Villa erzittern zu lassen, "nach Hause zu gehen, will ich dich nicht aufhalten...", wieder blickte er nach draußen, von wo nun endlich die Sklaven, völlig durchnässt und triefend mit den Früchten, an deren prallen Oberflächen tausende kleine Tröpfchen glitzerten, und den Bechern und Krügen zurückkamen und wo der Regen mittlerweile mit archaischer Gewalt auf den grünen Rasen des Gartens niederprasselte.
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Zitat
Original von Iunia Axilla
Und zum Thema neue Provinzen kann ich nur sagen: Man sollte lieber bündeln und nicht noch weiter zerfasern.Ganz meine Meinung. Man sollte so dicht und konzentriert wie nur möglich bündeln, um größtmögliche Interaktionsmöglichkeiten für die einzelnen IDs untereinander zu bieten.
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Der Eifer, mit dem sich sein Onkel bei Purgitius Macer ins Zeug haute, ließ die Augen des jüngeren Flaviers glänzen. Auch das Wohlwollen, mit dem der Purgitier seinem Anliegen grundsätzlich begegnete ließ Flaccus hoffen.
"Natürlich, jederzeit!", hatte er doch im Moment alles andere als vielfältige Verpflichtungen, denen er nachkommen musste, abgesehen vom persönlichen Studium, das natürlich ohnehin die oberste Verpflichtung eines so wissenshungrigen jungen Menschen, wie Flaccus zweifelsohne einer war, darstellte.
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Hoffentlich nicht allzu lange krankheitsbedingte Abwesenheit.
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Der Gentleman wusste eine Niederlage einzugestehen - so auch Quintus Flavius Flaccus. Schweigend, einen undruchdringlichen, eisernen Audruck auf der Stirn gab der Flavier den Sklaven ein kaum merkliches Zeichen, auf das hin jedoch die Sänfte sich sofort in Bewegung setzte und vom Ort des unrühmlichen Geschehens rasch sich entfernte. In Gedanken jedoch prägte Flaccus sich das Erscheinungsbild des älteren ein, um bei Gelegenheit gleiches mit gleichem vergelten zu können.
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Sichtlich empört blickte Flaccus aus seiner Sänfte nach dem Mutigen, der es doch tatsächlich gewagt hatte, sein Angebot zu überbieten. "1200 Sesterzen" rief er rasch und würdigte den Decimer keines Blickes mehr.
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Der triefende Molosserhund stand einfach da, genoss die erfrischende Wirkung der Bewegung und den Geruch der "elektrizitätgeschwängerten Luft" an Axillas Seite, seine Brust hob und senkte sich merklich, denn auch seine Atmung hatte sich durch den kurzen Sprint ins Trockene etwas beschleunigt, und wurde erst nach einigen Augenblicken der Tatsache gewahr, dass er Axilla immer noch an der Hand hielt. Leicht irritiert öffnete er seinen Griff und trat einen Schritt zur Seite, war dies doch für sein Empfinden eine zutiefst sonderbare, weil ungewohnte Situation und musterte die junge Frau neben ihm, deren Frisur wohl auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Ein Schmunzeln konnte er sich nicht verkneifen, zumal auch Axilla sich ob seines eigenen Anblicks eines lauten Kicherns nicht erwehren konnte. Wohlweislich unterließ Flaccus zunächst den Blick an sich selbst hinunter, ahnend, dass er seinem so nach Perfektion (auch das äußere Erscheinungsbild betreffend) strebenden Geist wohl zutiefst zuwider wäre. Lächelnd blickte stattdessen Axilla an. "Solange sie jedenfalls weniger abbekommen hat als DU, wird sie schon zu retten sein..." Denn Axilla glich im Moment tatsächlich eher einer Quellnymphe, die etwas zu ausgelassen herumgeplantscht hatte oder aber einer Dryade nach einem heftigen Wolkenbruch, denn einer jungen römischen Dame. Er ließ seinen Blick ihren Körper nach unten wandern an dessen Rundungen der feuchte Stoff des dunklen Kleides sich nun eng anschmiegte. "Du kannst dich gerne im Balneum frisch machen, wenn du willst und ich denke Aglaia", er wies auf die junge Sklavin, die, nachdem sie die Kithara hoffentlich einigermaßen liebevoll im Cubiculum ihres Dominus versorgt hatte, wieder zu den beiden gestoßen war, "wird dir dabei zur Seite stehen und sicherlich auch etwas Trockenes zum Anziehen für dich finden..." Nun erst tat er das ohnehin Unumgängliche und ließ auch an sich selbst seinen Blick herunterwandern, während er demonstrativ etwas Wasser aus seiner rechten Sandale schüttelte. "Und ich denke, auch ich sollte zumindest eine trockene Tunika anziehen..." Schließlich sollte sich hier doch niemand den Tod holen, selbst wenn die Räumlichkeiten der flavischen Villa natürlich angenehm temperiert waren. "Ich schlage vor, wir treffen einander anschließend in der Bibliotheca, Aglaia wird dich begleiten..."
Dass Axilla bereits genug von ihm hatte und schon nach Hause wollte, zog Flaccus, nicht nur angesichts des Wetters, sondern eher grundsätzlich dem flavischen Selbstbewusstsein entsprechend, erst gar nicht in Erwägung. Außerdem, und das war wohl der gravierendste Grund von allen, hatte er noch nicht genug von ihr! Die Faszination, die sie bei ihrem ersten Treffen bei Flaccus bewirkt hatte, war durch das schrittweise Vortasten in ihre Geschichte und Persönlichkeit, gleich dem Eintauchen unter die spiegelnde Oberfläche des unendlichen Ozeans, während des Gespräches im Garten keineswegs geschmälert, sondern wohl eher noch intensiviert, zumindest jedoch auf eine gänzlich andere Ebene gerückt worden. War es zunächst ja ihr bloßes äußeres Erscheinungsbild, ihre außergewöhnliche Aura gewesen, die ihn in ihren Bann gezogen hatte, so waren es nun hintergründigere Dinge, wie die Verbindung von tiefer Erfahrung und Weisheit und einem aufgeweckten, fast naivem, kindlichen Gemüt, die er in ihrer Person verwicklicht glaubte und in ihren Worten empfand, die die Quelle seiner Faszination bildeten. Ein dumpfer Donnerschlag ließ Flaccus nach draußen blicken. - Zweifellos, an Rückkehr war jetzt nicht zu denken.
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Die Antwort des Skaven warf Flaccus zwar nicht gänzlich vom Hocker, ließ aber doch genügend vom Potential des jungen Mannes durchschimmern, sodass er, an Titus Tranquillus gewandt, mit klarer Stimme "700 Sesterzen bietet Quintus Flavius Flaccus." über die Plebs hinweg rief. Er hatte nicht vor, den Sklaven weiterer Proben seiner Fertigkeiten zu unterziehen, sondern würde hier ganz und gar auf die ihm eigene flavische Intuition vertrauen, stets das Beste und Richtigste zu tun. Immerhin würde er ihm durch sein hübsches Erscheinungsbild und sein Interesse an Bildung sicherlich angenehme Gesellschaft bieten, in welchen Bereichen er besonderes Talent aufzuweisen hatte, würde sich früher oder später ohnehin zeigen. Dann blickte er sich neugierig um, ob wohl ein anderer noch mehr Interesse an dem Sklaven zeigen würde und sein, ohnehin erhöhtes, Gebot zu übertrumpfen wagte.
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Nicht dem Zufall, sondern vielmehr der Tatsache, dass dem jungen Flavier bei seinem letzten Besuch der Märkte bewusst geworden war, dass er bisher eines persönlichen Sklaven, für andere junge Patrizier seines Alters durchaus üblich, entbehrte, war es wohl zuzuschreiben, dass die flavische Sänfte an diesem Herbsttag erneut ihren Weg zum Sklavenmarkt gefunden hatte. Etwas kühler war es bereits geworden, der Winter rückte beständig näher, als Flaccus also das Angebot begutachtete, das der Händler dem etwas gelangweilt herumlungernden römischen Volk präsentierte. Bisher war durchaus interessante Ware feilgeboten worden, junge, hüsche Mädchen, kräftige Barbaren, doch nicht das, wonach Flaccus suchte. Dann allerdings wurde ein junger Mann vorgestupst, der durchaus ansehnliche Gestalt besaß und, wenn man den Worten des Händlers trauen durfte, auch etwas im Köpfchen hatte.
"Hast du dich schon mit Philosophie beschäftigt, Dichtung oder Musik?", rief Flaccus in geschliffenem Attisch direkt dem Sklaven zu.
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Geschichte und Rechtskunde? Eine unangenehme Begleiterscheinung umfassender Ausbildung - nicht für den jungen Flavier.
"Die römische und griechische Geschichte habe ich natürlich studiert, mit dem Werken Herdotos, des Thukydides, Xenophons, Polybios', auch des Didorus Siculus, des Strabon aber auch die Werke des Fabius Pictor, Catos Origines, auch Sallustius Crispus, Caesar, Curtius Rufus, Cornelius Tacitus habe ich gelesen. Die Beschäftigung mit dem Recht hingegen blieb bisher lediglich auf die rhetorische Ausbildung beschränkt, in deren Rahmen ich in fingierten Rechtsstreitigkeiten wohl unzählige Male für die eine oder andere Seite sprach.", antwortete Flaccus dem Consul ehrlich, wenngleich es ihm nun angenehmer gewesen wäre, er hätte doch etwas mehr Zeit für das Rechtsstudium aufgewandt.
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Gedankenverloren folgte Flaccus mit seinem Blick den gewaltigen Wolkentürmen, die nun langsam nicht nur gewaltig sondern zunehmend auch bedrohlich wirkten. Düster dräute der Himmel, die mächtigen Wolkenwände schoben sich übereinander, brachen in sich zusammen, formten sich neu, gewaltiger als zuvor. Fast schon glaubte man in der Ferne dumpfes Grollen zu vernehmen, ja selbst die junge Sklavin, die noch einige Momente, fasziniert durch den Gesang des Flaviers - vermutlich hatte sie tatsächlich keines der griechischen Wörter verstanden - in bewundernder Regungslosigkeit verharrt war, blickte etwas verschreckt mit weiten dunklen Rehaugen gen Himmel, wagte jedoch nicht, sich ohne Erlaubnis ihres Dominus zu bewegen, verharrte also lediglich leicht zitternd an ihrer Stelle, während sie dem bedrohlichen Schauspiel folgte.
Flaccus hingegen schien gar keine Anstalten zu machen, sich der faszinierten Betrachtung des gewaltigen Werkes Iupiters entziehen zu wollen, oder gar sich gänzlich von der Kline zu erheben. Er wandte lediglich nach einigen Momenten seinen Kopf, der jedoch immer noch auf den locker verschränkten Armen ruhte, und blickte Axilla an. "Nur so, ich will dich einfach kennenlernen...", ein unschuldiges Lächeln schlich sich auf seine zarten Lippen.
Die immer stärkere Anspannung der Sklavin indessen, schien Flaccus nicht zu bemerken, hatte er sie doch auch nicht in seinem direkten Blickfeld. Nein, die Iunia war es, deren tiefgrüne Augen seine Blick mit seltsamer Kraft anzuziehen schienen. Sie war eine attraktive junge Frau, zweifelsohne, kunstvolle Details in ihrer Aufmachung ließen auch auf ihren verspielten, phantasievollen Geist schließen, von den Göttern schien sie in gleichen Maßen mit Charme und einem bezaubernden Erscheinungsbild bedacht (womit sich so manche Frau zweifellos bereits zufrieden gegeben hätte), nein auch Geist hatten die Mächtigen in ihre Unterhaltung gelegt, Witz und Intelligenz und, davon hatten ihre Gedanken zur Liebe den jungen Denker restlos überzeugt, auch Weisheit schien aus ihren Worten zu sprechen. Und doch, begünstigt auf so viele Weisen, beschenkt mit unzähligen positiven Eigenschaften, hatten die Götter doch ein allzu grausames Spiel mit ihr getrieben. Wohl nur in Bruchstücken würde Flaccus jemals die Ausmaße des Leides erfassen können, das Axilla bereits in ihren jungen Jahren zuteil geworden war. Und doch schien ihm ihre Gefühlswelt nicht völlig fremd, hatte schließlich auch er geliebte - ja, über alles geliebte, das stand fest! - Menschen verloren. Viel zu früh, wenn es bei den Geliebten nicht immer zu früh war ...
War es die bloße Faszination für ihr scheinbar extravagantes, außergewöhnliches Wesen gewesen, die ihn dazu getrieben hatte, ein zweites Treffen herbeizuführen? Waren es die Bilder ihres anziehenden Körpers, ihres überwältigenden Erscheinungsbildes, die, in seinem Kopf herumgeisternd, er nicht mehr los geworden war? Lediglich eine trotzige Reaktion auf das seltsame Gebaren seines Onkels bei der Verlobungsfeier? Oder aber steckte doch noch mehr dahinter? Gab es jene tiefe, mächtige Bindung, die Menschen stärker zusammenfügte, als der menschliche Geist es zu erfassen vermochte? Manche mochten es Seelenverwandtschaft nennen, schrieben es dem Schicksal oder auch den Moiren zu, die die Lebensfäden der Sterblichen kunstvoll ineinander verwebten. Sollte es tatsächlich so sein, wie Platon lehrte, dass die Seele, bevor sie in den sterblichen Körper eintrete, zwischen den Ideen sich aufhalte und Bindungen mit anderen Seelen eingehe?
Er hatte es gespürt, damals bei Polyxene, in Athen. Vom ersten Augenblick an. Mit einem Schlag hatte er verstanden. wovon Platon gesprochen hatte, doch dann geschah jenes schreckliche Unglück. Nun, bei der Sponsalia, als er Axilla zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er Ähnliches gefühlt, und doch, es war anders, so gänzlich anders ...
All dies und noch viel mehr überschlug sich in Sekundenbruchteilen im Geist des jungen Flaviers, während er in Axillas grünen Augen zu versinken drohte. Ein seltsames Gefühl an seiner Nasenspitze weckte ihn jäh aus seinem Zustand der Trance, riss ihn mit sanfter Gewalt fort aus jenem Meer an Empfindungen, Erinnerungen und Phantasien, die sich seines Geistes bemächtigt hatten, und hieß ihn, durch eine leichte Bewegung nur, wieder gen Himmel zu blicken. Es war soweit und das Unvermeidliche trat ein: es begann zu regnen. Mit einem verzückten Gesichtsausdruck ließ der Flavier noch einige der Tropfen sein Antlitz benetzen, ehe ihm sichtlich ein Gedanke in den Kopf schoss, der ihn unvermutet plötzlich sich aufrichten ließ. Schreckerfüllt blickte er auf die Kithara, sein Instrument, das immer noch neben ihm auf der Kline ruhte und dessen edle Oberfläche mittlerweile von einigen glitzernden Tropfen geziert wurde."Schnell, bring die Kithara in Sicherheit!", rief er schon fast der jungen Sklavin zu, die, sichtlich erlöst, endlich dem bedrohlichen Donnergrollen und den, sich mit schneidendem Wind anbahnenden Anzeichen des Gewitters entfliehen zu können, unverzüglich nachkam. Sie schnappte also das Instrument und rannte wie der Blitz los in Richtung der Villa. Auch Flaccus war nun vollständig aus seiner starren Bewegungslosigkeit erwacht, und von seiner Kline aufgesprungen. Schnell ergriff er Axillas Hand und noch ehe die wohl wusste, wie ihr geschah, oder gar protestieren konnte, hatte er sie schon aufgezogen und zog sie nun hinter sich her, durch den immer stärker werdenden Regen auf die Villa zu. Von dort kamen ihnen bereits einige Sklaven aufgeregt herbeieilend entgegen, wohl um die Früchte, die Becher und Krüge in Sicherheit zu bringen.
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Eine der flavischen Augenbrauen wanderte unmerklich nach oben, während Flaccus konzentriert Axillas Worten lauschte. Sie sprach ruhig und sachlich - und obendrein in Bildern, die der poetische junge Mann nachvollziehen konnte. Vertrauen ist Freiheit. Freiheit ist Schönheit., wiederholte er im Geiste die Quintessenz, das überraschend simple Conclusium ihrer Betrachtung und pflichtete nickend bei. Es mochte stimmen, dass Liebe im besten Falle nichts Bedrückendes, sondern, ganz im Gegenteil, ein unerahnte Dimension der Freiheit in sich barg und doch war dem nicht immer so. Wie viele Dichter besangen die unglückliche, weil einseitige Liebe, die hartherzige Aphrodite, die mit allzu gewaltiger Kraft auf arme junge Menschen sich stürzte. Ein feines Mittelmaß mochte wohl, wie in nahezu allen Bereichen des Lebens das Optimum und die Grundlage für die maximale hedone darstellen: eine gute Balance zwischen Gemeinsamkeit und Freiheit als Grundlage für wahre Liebe? Diesem Gedanken konnte Flaccus durchaus etwas abgewinnen und siehe da: in den nächsten Worten würde Axilla die Ambivalenz der Liebe treffender zum Ausdruck bringen, als der junge Flavier selbst das wohl vermocht hätte. In ihren Bildern schien so tiefe Wahrheit zu liegen, so alte Weisheit und vollkommene Erkenntnis, die Flaccus selbst erst mit aller Deutlichkeit seine eigene Unwissenheit, seine Unerfahrenheit vor Augen führten. Es war eine paradoxe Situation, die sich in den flavischen Gärten zutrug. Gewiss nicht älter als Flaccus selbst, belehrte ihn die junge Frau doch in so beindruckender Weise über das Wesen, die Gestalten der Liebe, dass selbst Nikodemos es nicht berührender formulieren hätte können.
Und so blickte Flaccus Axilla lediglich nachdenklich an, nachdem sie geendet hatte, um sich schließlich wieder auf die Kline sinken zu lassen und, mit hinter dem Haupt verschränkten Armen, gen Himmel zu blicken. Einige Zeit lang folgten seine dunklen Augen dem faszinierenden Spiel der Wolken, die mittlerweile am tief blauen Herbsthimmel aufgezogen waren, sich zu beeindruckenden Gebilden auftürmend, dem jungen Mann dabei halfen, seine Gedanken zu ordnen. "Hast du eigentlich Geschwister?", fragte er schließlich in die angenehme Stille, die, lediglich vom sanften Plätschern der Quelle untermalt, sich auf die beiden jungen Menschen gesenkt hatte, während er weiter dem gewaltigen himmlischen Schauspiel folgte. Seine Frage mochte etwas weit hergeholt sein, und doch war durch die Augenblicke der Stille das vorhergehende Thema gleichsam zu einem offenen Abschluss gekommen, sodass sie nun nicht völlig unpassend schien, sondern lediglich frischen Wind in das Gespräch brachte, gleichsam dem Herbstwind, der langsam auffrischte und die Blätter an den Bäumen erzittern ließ.
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Ein Schatten von Schwermut schien sich auf die Züge der der Iunia zu senken und Flaccus konnte nicht verhindern dass das Gespräch ihm gleichsam aus der Hand glitt, seiner Kontrolle entschwand. Zumal auch die Liebe eine so sonderbare Sache war. Kaum ein anderes Phainomenon war so oft beschrieben, besungen, bedichtet worden und doch blieb das Gefühl für den Flavier auf seltsame Weise aubstrakt, mehr ein Gedankenspiel denn konkrete Empfindung. Hatte er der junge Mann jemals selbst geliebt? Zwar hatte er Nikodemos als Knabe, Polykarpos und dessen Familie, unter ihnen auch Triandaphilos, als Jugendlicher tief in sein Herz geschlossen, doch die Liebe zu einer Frau? Zweifellos, ein so poetisches Gemüt wie das des Flaviers konnte sich weiblichen Reizen nur schwerlich verschließen und dennoch hatte er, zwar wohl oft Neugier und Interesse, aber nie etwas mit jener von den Dichtern besungenen "unsterblichen Liebe" für eine Frau gefunden, bis zu jenem Tag im letzten Sommer als er im Theater Polyxene, eine junge griechische Frau, von den Göttern gleichermaßen mit makellosem Aussehen als auch überwältigender Intelligenz gesegnet, kennenlernte und vom ersten Moment an fasziniert von ihrer Person, ja wohl in sie verliebt war. Doch wieder schien Fortuna dem Flavius nicht hold zu sein, denn schon nach kurzer Zeit, in der sich jedoch eine ebenso intensive wie anregende Beziehung zwischen den beiden jungen Menschen entwickelt hatte, raubte ein schreckliches Schiffsunglück Polyxene das Leben und Flaccus wohl seine erste, seine einzige "Liebe". Wieder war jener gezwungen gewesen sich die Worte seines Mentors ins Gedächntis zu rufen, die schon bei dessen eigenem Ableben dem Knaben Trost zu spenden vermocht hatten.
Nun also sollte er Stellung nehmen zu einem Thema, das er eigentlich nicht verstand, einer Frau widersprechen, die, nicht nur bereits verheiratet, nein, sondern vergleichbar mit Flaccus selbst und dennoch auf so andere Weise auch durch das hartherzige Schicksal mit dem unwiderbringlichen Verlust geliebter Menschen konfrontiert worden war. Er sollte nun also ein Bild der "Liebe" verteidigen, das er im Grunde genommen im Mantel der Aurorität Anakreons, unter dessen Namen es überliefert war, bisher nie in Zweifel gezogen hatte. Natürlich war ihm klar, dass der Typus des sich in Liebe zu einer Frau verzehrenden Mannes, wie ihn die griechische Lyrik, aber, von ihr inspieriert, in gleichem Maße auch Ovid, Properz und Tibull in ihrer Dichtung besangen, gewissermaßen UNrömisch und, vielmehr noch, ziemlich verweichlicht und so gar nicht dem "harten" männlichen Geschlecht angemessen scheinen mochte - und doch: "Was kann es denn Schöneres geben, als nur seinen geliebten Menschen zu sehen, ja als Kleid ständig mit ihm zu sein, den geliebten Körper zu salben, ihm Gutes zu tun, ihn als Perle zu zieren und schließlich den Schritt der Angebeteten als Sohle zu schützen?" Die etwas betrübliche Tatsache war, Flaccus wusste es selbst nicht, er wusste nicht, ob es etwas Schöneres gab, allein, die Dichtung empfand diese völlige Hingabe an die Geliebte als höchste Erfüllung.
Aus Axillas Tonfall war klar herauszuhören, dass sie der Einstellung des Gedichts nicht zustimmen konnte, und so oblag es schon allein dem rhetorischen Selbstbewusstsein des Flaviers, grunsätzlich eine Gegenposition einzunehmen. Wie oft hatte er genau dieses Spiel, anhand fingierter Rechtsfälle, in Athen gespielt, ja wie oft selbst schon mit Nikodemos, der die Tatbestände einfach in kindgerechte Formen transferiert hatte. "Warum du jemand wollen solltest, der sich dir so vollkommen unterwirft?", wiederholte der junge Mann die dritte Frage des iunischen Trikolons, ehe er sich sammelte und anhob zu sprechen von einer Sache, von der er im Grunde überhaupt keine Ahnung hatte, er wusste lediglich, was die Dichter über dieses Phainomenon berichteten und deren Autorität und Weisheit anzuzuweifeln ginge weit über das Weltverständnis des jungen Flaviers hinaus. "Was,", begann er, Axilla keineswegs finster oder unfreundlich, sondern lediglich konzentriert anblickend, "was könnte einer Frau als deutlicherer Liebesbeweis eines Mannes, was als offensichtlicheres Zeichen seiner Hingabe gelten, als sein Wille, nur ihr alleine zu dienen? Nur sie sehen, hören, berühren zu wollen, nur mit ihr zusammen zu sein, den ganzen Tag? Einer solchen Liebe könnte sich wohl selbst die hartherzigste Frau nicht verschließen und müsste sich Venus' Macht beugen ..."
Immerhin, in Anbetracht der spärlichen Zuneigung die ihm selbst in seinem jungen Leben von Venus zugeteilt worden war, sprach Flaccus ganz ordentlich und klang wohl so, als ob er mehr Ahnung von der Sache hätte, als tatsächlich der Fall war. Ob Axilla seiner, der poetischen Sicht der Dinge etwas abgewinnen würde können, schien ihm im Moment zweitrangig, vielmehr drängte etwas anderes das wissbegierige Gemüt des Flaviers: die letzte Bemerkung der Iunia, dass Liebe für sie etwas anderes wäre, vermochte seine Neugier gleichsam zu wecken und anzustacheln. "Was ist Liebe dann für dich?", stellte er die entscheidende Frage, die in ihrer schlichten Naivität beinahe unschuldiger klang, als Flaccus selbst tatsächlich war.
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Alles Gute!