Beiträge von Quintus Flavius Flaccus

    Nachdenklich und mit einem Anflug von Zweifel, dem unverfänglichen Ton des alten Tiberiers zum Trotz nickte Flaccus. Zweifellos wartete eine große und nicht unbedingt einfache Aufgabe in Germanien auf ihn, doch er war guten Mutes, die hohen Erwartungen seines Patrons nicht zu enttäuschen.


    "Ich denke er wird die zwingende Sinnhaftigkeit dieses Beschlusses einsehen, und den Plan unterstützen.", meinte der junge Flavius schließlich, jedenfalls hoffte er, dass dem so war und seine Reise mit Erfolg gekrönt werden würde. Dann allerdings erschrak er beinahe, als er, seine Gedanken waren zum ersten Mal seit Beginn des Gespräches, der mittlerweile bereits geraume Zeit zurücklag, etwas frei, erkannte, wieviel Zeit bereits vergangen war. "Ich schlage allerdings vor, dass wir die genauen Umstände bei einem neuen Treffen besprechen, denn ich will deine kostbare Zeit nun wirklich nicht länger in Anspruch nehmen.", schlug er schließlich höflich vor, und versuchte das Gespräch auf diese Weise langsam zu einem vorübergehenden Ende zu führen.

    Wenngleich wieder in die Palme entschwunden, so glaubte Flaccus doch, beim Fortschreiten durch das peristylium ab und an einen flinken Schatten zu erblicken oder ein verdächtiges Rascheln in den Blättern zu vernehmen, untrügerische Anzeichen, dass das freche Äffchen die illustre Gruppe wohl noch nicht gänzlich aus den Augen zu lassen im Sinn hatte. Und doch hatte er das pelzige Ding mit einem Schlag schlichtweg vergessen, als sich plötzlich der abendliche Garten auftat und in seiner angenehmen Schönheit dem erstaunten flavischen Blick darbot. Entlang des weißen Kieselweges und an verschiedenen Plätzen im Garten, flackerten stille Fackeln, deren vereinzelte Lichttropfen in der Dunkelheit Glühwürmchen gleich den Weg zu den besonders angenehmen Plätzchen dieses Paradieses zu weisen schienen. Entferntes Gelächter ließ auf andere gutgelaunte Nachtschwärmer schließen, die sich im Garten herumtrieben, selbst die im Haus allgegenwärtige sanfte Musik war auch hier noch zu vernehmen, die entspannte Stimmung zart untermalend. Als Flora sich eine überaus exotisch anmutende Blüte, von welcher Flaccus mit Gewissheit glaubte, sie noch niemals zuvor in seinem jungen Leben zu Gesicht bekommen gehabt zu haben, ins Haar steckte, schenkte er ihr ein zartes Lächeln, sagte jedoch nichts weiter. Sagte zwar nichts, konnte in seiner durch den fremdartigen Wein exaltierten Stimmung jedoch sich der anmutigen jugendlichen Schönheit nicht verschließen.



    Weiter führte sie die Sklavin, welche mit ihrer fremd anmutenden Schönheit gewiss selbst schon manchen Römer in hoffnungslose Verliebtheit gestürzt hatte, durch den Garten, federleichten Schrittes und grazil in all ihren Bewegungen. Geschwungen war der Pfad, den die drei entlang spazierten, eine kleine Brücke führte gar über ein Bächlein, das munter durch den nächtlichen Garten plätscherte und in seinem pechschwarzen Fluss den großen Ball des Mondes verschwommen widerspiegelte. Einige Ecken später fanden sich die beiden jungen Patrizier schließlich scheinbar auf einer kleinen Lichtung des Gartens wieder, die in zu einer bescheidenen Grotte zu führen schien, woher ein warmer Lichtschein das Plätzchen erhellte und in der sich, erst beim Nähertreten kam dieses Wunder zum Vorschein, ein Becken befand, welches, von den in der kleinen Höhle befindlichen Fackeln und Lämpchen erhellt, in einem anregenden Türkis mit völlig ruhiger Oberfläche dem staunenden Auge des Flaviers darbot. Dieses Wunder, ob von kunstfertiger Menschenhand oder der allgewaltigen und höchst erfinderischen Natur selbst geschaffen, vielleicht auch gar das Werk eines Gottes, war jedenfalls gewiss einmalig in seiner Einzigartigkeit und Schönheit. Am Rande des Beckens befanden sich strahlend weiße Tücher, sorgsam zusammengefaltet, zwei gefüllte Becher sowie eine Schale mit verschiedenstem Obst und eine Lyra, die Flaccus mit einem Anflug von Strahlen auf seinen feingeschwungenen Zügen erblickte. Als er sich jedoch umwenden, und Anuket die umwerfende Schönheit dieses Platzes bestätigen wollte, war die junge Sklavin mit einem Male verschwunden und lediglich Floras zarte Züge ließen sich in der Dunkelheit ausmachen. Flaccus lächelte geheimnisvoll und das Blitzen seiner dunklen Augen trug einen schelmischen Zug.

    Verwunderung glaubte Flaccus zunächst aus dem Mienenspiel seines Sklaven zu erkennen, wenngleich sich jenes rasch wandelte, schließlich einen zarten Ausdruck freudiger Gewissheit annahm, als Luca der Bitte nachkam, und sich auf der Kline niederließ. Gerade und aufrecht, wie der junge Flavier auch den Charakter der Griechen einschätzte, saß jener da, während seine Herr selbstverständlich, auf einen Ellbogen abgestützt, auf der Kline lag, wie es üblich und Sitte war. Dass Luca es zunächst vorzog, sitzen zu bleiben, nahm er ihm nicht übel, schob es vielmehr auf die Unsicherheit, die sein betont vertrauliches Verhalten bei dem Sklaven auslösen mochte. Erfreut nahm er dann zur Kenntnis, dass Luca wenigstens den Becher mit Wein beherzt ergriff, wenngleich er es, den Regeln der Höflichkeit folgend, zunächst noch unterließ, davon zu trinken. Dann begann er zu erzählen, dass es er sich bisher gut zurecht gefunden, und eine scheinbar belustigende Bekanntschaft mit Flaccus' Onkel Piso geschlossen hatte, was jenen nun dazu veranlasste, seinen Becher zu erheben, und dem Griechen jovial zuzuprosten. "Sehr gut. Geben die Götter, dass der gute Beginn Knospe größerer Dinge sein möge!" Ein guter Schluck des blutroten Trunks fand seinen Weg zu Boden, wo die Tropfen über den kostbaren Stein perlten. "Flavius Piso ist mein Onkel und auch einer deiner Herren.", erklärte er dann, nachdem er ein wenig an dem Becher genippt hatte, "Er ist ein überaus wichtiger Mann in der Stadt, Senator und Pontifex, also sowohl in der Politik als auch im Dienst an den Göttern bereits zu höchsten Ehren aufgestiegen. Er ist mir in vielen Dingen Vorbild.", fuhr der junge Flavius offen fort, um seine Wertschätzung des älteren Verwandten deutlich zum Ausdruck zu bringen.


    Dann allerdings stellte Luca eine offene Frage an seinen Herren, die Flaccus kurz etwas zögern und die Augenbraue leicht empor wandern ließ. Schnell machte sich allerdings ein fröhlicher Ausdruck auf seinem Antlitz breit. "Wunderbar.", meinte er dann mit einem Lächeln, und nahm noch einen Schluck Wein. Dann allerdings wurde seine Miene wieder etwas ernster, keinesfalls in negativer Art und Weise, lediglich Zeichen gesteigerter Konzentration. "Luca. Einer der Gründe, weshalb ich dich gerufen habe, ist, um dich zu fragen, ob es Dinge gibt, worüber du dir nicht klar bist ... die du nicht verstehst? Es mag das Haus, die Familie, Rom oder auch ganz andere Dinge betreffen. Wenn du etwas wissen willst, frag einfach frei heraus!", forderte Flaccus seinen Sklaven auf, denn er konnte sich gut vorstellen, dass es für ihn nicht einfach sein mochte, sich an sein neues Leben in der Villa Flavia zu gewöhnen.

    "Dann werde ich am besten sobald als möglich aufbrechen.", meinte Flaccus schüttelte dann jedoch auf die Nachfrage des Tiberiers den Kopf. "In Germanien? Nein, das kann ich mir kaum vorstellen ... doch es mag auch ein anderer plausibler Grund gefunden werden...", selbst, wenn ein solcher dem jungen Flavier im Moment einfach nicht in den Kopf schießen wollte. "Du sprachst von Verhandlungen, die mit dem Annaeer zu führen seien ... worum handelt es sich dabei genau?", erkundigte sich Flaccus dann, denn die andere Komponente des Gesprächs, die Darlegung des Planes, würde er wohl aus dem bereits Besprochenen einigermaßen bewältigen können.

    Also Paestum ist eine überaus wichtige Stadt. Schande, dass die nicht auf der Karte ist! ;)


    Wenns also nicht so möglich ist, dann eben nicht. Das Gut, wo alle diese Güter produziert werden ist nunmal bei Poseidonia/Paestum, das ist nicht zu ändern. ;)


    [SIZE=7]Wo würde denn das hinführen - jahrhundertealte flavische Familiengüter einfach umzusiedeln...[/SIZE]

    Einen kurzen Seitenblick auf Duccius Vala werfend erkannte Flaccus, dass jener offenbar nicht im Sinn hatte, dem gütlichen Einlenken des Purgitiers zuerst Antwort zu geben, sodass er selbst abermals knapp seine Stimme erhob. "Ja, selbstverständlich. Es ist jedenfalls, und das möchte ich nochmals betonen, keine Tatbestandsmäßigkeit gegeben, da das niedrige Angebot keinesfalls erfolgte, um Mitbewerbern den Zutritt zum Markt zu erschweren. Nichtsdestotrotz will ich, um der Concordia willen, der Forderung des Klägers in bereits genannter Weise nachkommen." Nun traf ein durchaus berechnender Blick den Duccius, denn Flaccus versuchte zu ergründen, ob jener es dabei belassen würde, oder die Angelegenheit gänzlich ins Lächerliche zu treiben gedachte. Zuzutrauen war es ihm womöglich.

    Ganz wie erwartet, dauerte es nicht allzu lange, ehe es an der Tür klopfte und Luca, der für Kleobulos offenbar nicht allzu schwer zu finden gewesen war, in die Gemächer seines jungen Herrn eintrat. Jener empfing den Sklaven mit einem freundlichen Lächeln und einem fröhlichen Blitzen in seinen dunklen Augen. Die kleine elfenbeinerne Spielfigur auf dem Brett ablegend, wies Flaccus mit den schlanken Fingern seiner offenen Hand einladend zu einer zweiten Kline, die in spitzem Winkel zu der seinen ebenfalls an dem kleinen Tischchen sich befand, und öffnete, die gesummte Melodie verklingen lassend, seine Lippen. "Luca. Sehr gut. Bitte lass dich nieder, mach es dir bequem.", forderte er den Mann in griechischer Sprache auf, und bemerkte fröhlich das Schmunzeln, welches beim Anblick des Soldatenspiels die Lippen des ehemaligen Kämpfers zierte. Wie schon bei ihrem ersten kurzen Gespräch, bemerkte Flaccus die aufrechte, stolze Haltung des Griechen, die freundlich und respektvoll, nicht jedoch unterwürfig und kriecherisch wirkte und fand Gefallen daran. Diese sichtbare Aufrichtigkeit Lucas war es, die ihn verlanlasst hatte zu beschließen dem Mann tiefes Vertrauen entgegenzubringen, denn er hatte keine Zweifel daran, dass er ihm stets frei und aufrecht Rede und Antwort stehen würde. Ein solcher Vertrauter war es, den der junge Flavier dringend nötig hatte, und welcher, entgegen den beiden älteren Griechen Kleobulos und Myson, auch seine ab und an etwas jugendlich übermütigen Ideen verstehen würde. Als Luca seiner Aufforderung Platz zu nehmen gefolgt war, schenkte der junge Flavius selbst zwei Becher voll mit einem rubinroten Wein seiner südlichen Güter und schob einen seinem Sklaven zu. Dann musterte er ihn einige Momente lang mit wachen Augen und unverhohlener Neugier, ehe er auf Griechisch fortfuhr. "Ich hoffe du hast dich bereits in der Villa zurechtgefunden, und einige der anderen Sklaven kennengelernt?" Zweifelsohne hatte er genügend Gelegenheit dazu erhalten, denn Flaccus selbst hatte Kleobulos den Auftrag gegeben, in den vergangenen Tagen etwas auf den neuen Sklaven Acht zu geben, sodass jener sich gut zurechtfinden und die bisweilen recht exzentrischen Sitten und Gepflogenheiten des flavischen Haushalts kennenlernen würde.

    Flaccus, stets den Drang verspürend, allen Dingen auf den Grund zu gehen, erlag natürlich auch dem Drang, das Geheimnis des fremdartigen Geschmacks des Weines zu lüften und machte einen zufriedenen Eindruck, als er glaubte die Lösung gefunden zu haben. Tatsächlich jedoch mussten noch andere, aus fernen Ländern stammende Dinge, die dem Flavier schlichtweg nicht vertraut sein konnten, dem Wein beigemengt sein, welche dessen berauschende Wirkung verstärkten, zunächst jedoch Sinne der beiden jungen Menschen zu schärfen schienen, sodass sie, wiewohl in einer seltsamen, verklärten, mit exotischen Düften, Klängen und Bildern angereicherten, ganz und gar märchenhaften Welt, doch klar und scharf alle Empfindungen in sich aufzusaugen vermochten. Und so hatten bereits wenige Schlucke des Trankes gereicht und ein tiefes Glücksgefühl hatte sich des Flaviers bemächtigt, füllte seine Glieder und ließ ihn sich unendlich frei fühlen, und begierig nicken, als Flora entschied, dieses unwirkliche Traumreich näher erkunden zu wollen. Lachend ergriff er Floras Hand, ehe er sie etwas übermütig auf die Beine zog, und schließlich mit ihr Anuket folgte, die von den besonderen Orten des Anwesens zu schwärmen begann. Mosaike in komplexen und diffizilen Mustern zierten die Wände, kleine Kohlebecken ließen wohlduftende Rauchschwaden durch die Luft ziehen, als das Grüppchen durch einen peristylartigen Gang zog, in dessen Mitte ein kleiner Garten mit fremdartigen Pflanzen und einem sanft plätschernden Brunnen ein vollkommenes Bild abgab. Als plötzlich ein kleines pelziges Ding aus einer Palme auf die junge Sklavin herabfiel, zuckte Flaccus zunächst etwas erschrocken zurück, ehe Anukets fröhliches Lachen ihn einstimmen ließ in ein herzhaftes Lachen über den eigenen Schreck. Auch er hatte noch nie zuvor ein solches Lebewesen mit eigenen Augen gesehen, wiewohl er natürlich bereits von diesen Tieren gehört hatte, die mitunter geradezu menschlich sich verhielten, sodass er interessiert und mit einem breiten Grinsen das Tierchen musterte, das sich auf der Schulter der anmutigen Sklavin breit gemacht hatte. Als Flaccus es etwas genauer betrachtete, legte das Äffchen jedoch den Kopf schief, als ob es den Fremdling in ebenso intensiver Weise mustern müsste, bis sie offenbar die Freude daran verlor, dem jungen Patrizier kurzerhand ihre kleine Zunge entgegenstreckte und dann mit einem beherzten Sprung wieder in jener Palme verschwand, woher sie vor wenigen Augenblicken so unvermutet zum Vorschein gekommen war. Diese Dreistigkeit des Tierchens ließ Flaccus abermals lachen, ehe er sich lächelnd Flora zuwandte: "Hast du das gesehen? Sie hat uns angeblickt wie ein Mensch!" Anuket lächelte über das beinahe kindliche Entücken der beiden jungen Patrizier, ehe sie mit einer kleinen Geste zum Weitergehen einlud: "Kommt, ihr müsst unbedingt den Garten sehen, es ist nur noch ein kleines Stück." Arm in Arm folgten sie der jungen Frau noch einige Gänge und Ecken weiter, ehe sie schließich zu einer breiten Tür gelangten und sich vor ihnen ein Weg aus weißen Kieseln ausbreitete und der Garten sich auftat.

    Einige sanft und schmeichlerisch flackernde Öllämpchen waren in den Räumlichkeiten des jungen Flaviers entzündet worden, deren Licht nun an den Wänden tanzte und alles in warme Farben zu tauchen schien. Einige Tage waren vorüber gegangen seit jener hünenhafte griechische Sklave gleichsam in Besitz und Leben des Flavius eingetreten war, Tage, in denen jener Gelegenheit erhalten hatte, das gewaltige Anwesen der Familie, einen Bruchteil der unzähligen Sklaven des Hauses und seine zukünftigen domini und dominae kennenzulernen. Nun hatte Quintus die Zeit reif gefunden, sich erneut ausgiebig und umfassend mit Luca zu unterhalten, und es sich dafür bei einer kleinen Sitzgruppe in einer Ecke des größten Raumes seiner Gemächer bequem gemacht, wo er den Sklaven nun, schlicht gekleidet in eine einfache Tunika, entspannt erwartete. Er hatte Kleobulos, den Griechen, losgeschickt, um den Mann zu finden, wie er generell besonders im Moment, da Myson noch auf der Reise nach Alexandria oder bereits in der Stadt sich befand, viele anfallende Dinge an jenen delegierte. Mit einem kleinen Spielstein des ludus latrunculorum, welches auf einem zierlichen Beitischchen aufgebaut worden war, in den Händen herumspielend, summte er eine schlichte Melodie vor sich hin, die ihm in diesem Augenblicke in den Kopf gefallen war.

    Die von ehrlichem Interesse und Sorge am Befinden seiner jüngeren Verwandten getragene Frage nach Flammas Befinden schien beim Vater kaum Resonanz zu finden, wiewohl er hernach doch das Wohlbefinden seiner Tochter bestätigen, schließlich gar noch eine Bemerkung über ihre zierliche Gestalt über die Lippen bringen konnte, wenngleich dieses Thema ihn offensichtlich kaum zu exaltieren vermochte. Sich dieses Umstandes allmählich bewusst werdend, beließ der Jüngere es schließlich bei einem flachen Nicken, um, den Worten seines Großonkels folgend, abermals zu jener sonderbaren Verhandlung zurückzukehren, die ihrer scheinbaren Bürde zum Trotz doch letzten Endes dieses Gespräch gleichsam initiiert hatte, folglich so unangenehm gar nicht sein konnte, und dessen Vorschlag, mit seinem Sohn daran zu partizipieren. Abermals freundlich nickend tat Flaccus seine Billigung kund. "Aber natürlich. Meine Apologie wird ihm wohl auch in rhetorischer Hinsicht durchaus lehrreich sein." In Gedanken schwebte ihm bereits eine flammende Rede vor, Frucht aller bisherigen Studien in diesem Gebiet. Betrüblicherweise würde nicht mehr genügend Zeit bleiben, sie noch vor der Verhandlung dem Athener Xenophanes vorzulegen, um dessen Rat und Feile schriftlich einzufordern, doch war er durchaus zuversichtlich auch in Ermangelung des Urteils dieses hochgelehrten Mannes eine wortgewaltige Rede zu verfassen. Lange jedoch schien Gracchus auch bei diesem Thema nicht sich aufhalten zu wollen, schlug er doch nach einer kurzen nachdenklichen Pause einen gedanklichen Pfad ein, der dem Jüngeren gleich willkommen war. "Ich werde zur nächsten Wahl antreten, und mich um das Amt eines monetalis bewerben. Natürlich wäre mir auch eine cooptatio in das Collegium der Epulonen eine Ehre, zumal mein tatkräftiger Einsatz bei der Vorbereitung des diesjährigen Fests der Dea Dia gewiss meine kultischen Kompetenzen zu untermauern vermag.", im vollen Bewusstsein, dass seinem Onkel zweifellos Mittel und Wege offenstanden, auf die Septemvirn in seinem Sinne einzuwirken, so lag eine solche parteiische Einflussnahme dem redlichen Wesen des Jüngeren nicht im Sinne, lief sie seinen Prinzipien doch zutiefst zuwider.

    "Ehrenwerter iudex prior, Duccius, Quiriten!", seine Stimme in einer Weise erhebend, die mehr Enthusiasmus mitschwingen ließ als das bei seinen gewöhnlichen Reden als advocatus der Fall war, begann Flavius Flaccus zu sprechen, "Bei allen Gerichtsprozessen von einiger Bedeutung bin ich zu Anfang meines Plädoyers im Allgemeinen aufgeregter, als es meine Ausbildung und Studium vermuten lassen. Und gerade bei dieser Causa gibt es vieles, das mich in Aufregung versetzt. Hier und heute soll ich nämlich für mich selbst sprechen - nicht jedoch in einer Sache von einiger Wichtigkeit, keine schreckliche Anklage, keine niederträchtigen Vorwürfe sind es, gegen die ich mich verteidigen muss, nein! - ein Verstoß gegen die Lex Mercatus wird mir vorgeworfen. Wiewohl die Sache mich also in einige Verwirrung und Aufregung versetzt, so sollte ich doch eigentlich überaus glücklich sein. - Wir alle sollten glücklich sein, Mitbürger, denn offensichtlich ist unsere civitas so frei von allem Übel, so makellos, so strahlend rein von Unschuld, dass eine solch unscheinbare Angelegenheit beträchtliche Gewichtigkeit erhält, und die strahlendsten Männer des Staates sich mit ihr befassen. Felix ter et amplius also der Staat, dem eine solche Friedlichkeit gegeben ist! - Aber sollten wir lediglich aufgrund der Marginalität des Streitfalls auf die Wahrung der Gesetze verzichten? - Bei den Göttern, natürlich nicht! Mit aller Härte und gebührenden Strenge soll begangenes Unrecht geahndet werden. Doch ich stehe hier und kann freien Herzens sagen, nicht unrecht gehandelt zu haben!


    Wenngleich die Wahrheit meiner Worte durch Adel, Redlichkeit, Eifer für die Wissenschaften und untadeliges Wesen allein zu genügend Strahlkraft gelangen sollte, so will ich doch Schritt für Schritt das mir vorgeworfene Unrecht abstreifen, damit auch nicht nur der Schleier des Verdachts an mir haften bleiben möge. Der Duccius hat es wohlweislich unterlassen, das mir vorgeworfene Vergehen in all seinen Facetten zu schildern, zweifellos wissentlich, dass dadurch das von ihm konstruierte Anklagekonstrukt in sich zusammenstürzen würde, wie eine hoffnungslos verplante insula. Nun will ich, der Angeklagte, es auf mich nehmen, die Anklageschrift zu zitieren, um die Dinge zu klären. - Obwohl sowohl der ehrenwerte Iudex, als auch der Wortlaut der Aklageschrift von einem Verstoß gegen die Lex Mercatus Paragraph vier Absatz drei sprechen, so glaube ich doch, einigermaßen glaubhaft machen zu können, dass ich weder ein Sklave, noch mein Status niedriger als der eines Ritters ist, ich also alle meine Güter und Betriebe rechtmäßig bewirtschafte,", bei diesen Worten konnte Flaccus sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, fuhr jedoch unmittelbar und erneut ernst fort, "und, ohne dem Kläger, dem Prätor, der die Klage angenommen hat, oder dem Iudex, welcher diese Verhadlung leitet, Unkenntnis der römischen Gesetze vorwerfen zu wollen, so denke ich doch, dass wir in dieser Streitfrage den Paragraphen fünf im Absatz drei behandeln. Titus Duccius Vala gibt also an, dass in meinem Namen an den Märkten der Stadt rohes Fleisch zum Preis von 1.35 Sesterzen vertrieben wurde, was die Herstellungskosten unterschreite und somit seiner Meinung nach juristisch zu ahnden sei, da es einen Verstoß gegen die lex Mercatus eben im Paragraph fünf Absatz drei darstelle. Manche Bürger mögen diesen möglicherweise nicht in seinem vollständigen Wortlaut im Gedächtnis haben, sodass ich ihn kurz vortragen möchte.", eine kleine Wachstafel ergreifend zitierte er laut, klar und deutlich, "Der Staat darf einen Betrieb mit einer Strafabgabe belegen, wenn er Waren zu einem Preis unterhalb der Herstellungskosten anbietet, um damit Mitbewerbern den Zutritt zum Markt zu erschweren. et cetera. Das ist alles. Nun gilt es hier jedoch zweifellos einige Dinge zu klären. So zunächst die Frage des Betriebes, welcher jenes rohe Fleisch, gleichsam das corpus delicti, hergestellt hat, um es danach unter den Herstellungskosten zu verkaufen. Es handelt sich hier um ein Landgut in Kampanien, welches etwas außerhalb der Stadt Paestum liegt, und sich bereits seit Jahrhunderten dort im Besitze meiner Familie befindet. Meine Ahnen haben es errichtet, dem ehrenhaften altitalischen Bauerntum treu, und redlich verwaltet bis in diese Tage, da ich mich nun diesem Vorwurf ausgesetzt sehe. Nun ist es allerdings schon verwunderlich, wenn der Duccius von gesetzmäßig festgelegten Mindestpreisen an den Märkten der Stadt spricht. - Ich hätte eigentlich gedacht, dass mein Studium des römischen Rechts nach meiner Ausbildung in Griechenland ein intensives gewesen war, doch offenbar kennt Duccius Vala die Gesetze der Stadt genauer. Mir jedenfalls ist kein Gesetz bekannt, welches den Mindestpreis für ein Stück rohes Fleisch an Roms Märkten festlegt. Die lex Mercatus spricht hier lediglich von den Herstellungskosten, welche nicht unterschritten werden dürften. Nun wächst meine Bewunderung dieses Mannes allerdings langsam ins Unermessliche, denn er hat offenbar nicht nur eine exzellente Kenntnis der leges Romanae, sondern darüber hinaus auch Einsicht in die Herstellungskosten von Fleisch auf meinem kampanischen Landgut, welche ich selbst erst nach intensiver Korrespondenz mit dem dortigen Verwalter in Erfahrung bringen konnte. Die verblüffende Antwort: Es existieren keinerlei Herstellungskosten. Der dortige Bestand an Ziegen, denn es handelte sich um Ziegenfleisch, vermehrt sich gänzlich von selbst, es fallen dabei keinerlei Kosten an. Auch das Gras ist als Futter auf den Ländereien in Hülle und Fülle vorhanden, den Transport und die Tötung der Tiere erledigen Sklaven, deren Unterhalt sich wiederum aus den Erträgen des Landguts bestreiten lässt. Die gesamte Herstellungskette speist sich also aus dem, was guter, kampanischer Grund und Boden selbst abwerfen. Nun mag dennoch das unüblich niedrige Angebot Aufsehen und Aufregung verursachen, doch möchte ich es genau erklären und rechtfertigen. Als ich selbst nach dem Tod meines Vaters die Verwaltung des kampanischen Landguts auf mich nahm, hielt ich es für klüger, die Erzeugnisse nicht in Poseidonia und der näheren Umgebung zu vertreiben, wie mein Vater das getan hatte, sondern sie zunächst nach Rom zu transportieren, um sie schließlich hier gewinnbringender verkaufen zu können. Zumal ich selbst mich seither in Rom aufhalte, mag diese Entscheidung gewiss nachvollziehbar erscheinen. Den im Gesetzestext enthaltenen Vorwurf, das Angebot niedrig gestaltet zu haben, um damit Mitbewerbern den Zutritt zum Markt zu erschweren, weise ich jedoch auf das Heftigste von mir, bin schließlich ich derjenige, welcher Zutritt zum Markt erlagen wollte, und nicht bereits einen soliden Stock an Abnehmern gewonnen hatte. Die Situation stellte sich für mich also folgend dar: Große Mengen rohen Fleisches befanden sich in Rom, und der Druck, sie zu vertreiben war groß, beginnt rohes Fleisch schließlich bereits nach kürzester Zeit zu verderben. Dennoch, Quiriten, wurde kein einziges Stück Fleisch verkauft, sodass der niedrige Preis unmöglich etwaigen Konkurrenten zum Schaden gereicht haben kann! Worin besteht also das Unrecht, welches ich begangen habe? Etwa im vergeblichen Versuch, den Verlust durch das verderbende Fleisch mit einem niedrigen Preis möglichst gering zu halten? - Dieser Vorwurf ist lächerlich, und kann so nicht geltend gemacht werden, denn ich denke nun wahrhaft und wirklich glaubwürdig gemacht zu haben, dass der niedrige Marktpreis für rohes Fleisch keinesfalls so niedrig angesetzt wurde um - Zitat der betreffenden lex - damit Mitbewerbern den Zutritt zum Markt zu erschweren, sondern lediglich, um die eigenen Verluste nach Möglichkeit zu mindern.


    Nun jedoch, da feststeht, dass dieser Mann durch mich keinerlei Verlust und Schaden erlitten hat, mag es doch lohnenswert erscheinen, einiges über die Erwartungen des Anklägers zu sagen. Dieser zeichnet sich zwar anscheinend weder durch Scharfsinn noch durch Erfahrung und Übung aus, ist aber trotzdem nicht ohne Hoffnung und Erwartung hierher gekommen. Dass er das Volk gegen einen jungen patricius, der tatsächlich weder Frau noch Kinder mit dem ernähren muss, was er tagtäglich vom Markt nach Haus bringt, wohl aber eine verwitwete Mutter zu versorgen hat, die, nach dem Verlust ihres Gatten in viel zu jungen Jahren, nun in eben jenem kampanischen Landgut sitzt, und deren Lebensunterhalt sich zum Großteil aus dessen Erträgen speist. - Wo Duccius, ist deine Frau, wo sind deine Kinder? - Wenn es also nicht existentielle Bedrohung ist, ja nicht einmal auch nur der kleinste erlittene Schaden, welchen Grund könnte Duccius Vala haben, einen jungen Mann edler Abstammung kurz vor dem Eintritt in den Cursus Honorum vor Gericht zu zerren? Quiriten, es giebt nur einen einzigen Grund, der diesem homo novus die Niedertracht verleihen kann, sich gegen das altitalische Bauerntum zu stellen, gegen die Ehre des redlichen Bewirtens von Grund und Boden, gegen alles, was uns Römer heilig, ihm jedoch lediglich Mittel zum Zweck ist. Der Streitfall selbst ist ihm völlig egal - er hat ja keinerlei Schaden erlitten! - nein, ihm geht es lediglich darum, sein politisches Fortkommen auf dem Rücken eines möglichst vornehmen, ihm ansonsten jedoch völlig gleichgültigen unschuldigen jungen Mannes zu bewirken. Möglicherweise hat er sich Ruhm und Ehre, wenigstens jedoch Bekanntheit seines Namens verhofft, durch dieses sein selbstloses Einstehen für Recht und Gesetz, doch tatsächlich versucht er, einem rechtschaffenen Bürger übel mitzuspielen.


    Um meinen guten Willen und die unerbittliche Hoffnung, der Warheit zum Siege zu verhelfen, nun endgültig unter Beweis zu stellen, erkläre ich mich gern bereit dazu, ein öffentliches Opfer im Tempel des Merkur darzubringen, nicht jedoch zur Sühne für nicht begangenes Unrecht, sondern pro populo Romano Quiritibus, zum Wohl und Heil der Stadt und des römischen Volkes, dessen Tugend, Ehre und Rechtschaffenheit sich heute erneut als über jeden Verdacht erhaben gezeigt haben."


    Tosenden Beifalls gewiss, zog sich der Flavier nach dieser flammenden und wortgewaltigen Apologie zurück, um den Fortgang der Dinge abzuwarten.

    Nickend beim Angebot des Tiberiers, am nächsten Treffen der Verschwörer teilnzunehmen, runzelte er schließlich dennoch die Stirn, hing die Frage des Zeitpunkts der Reise doch immer noch im diffusen Nebel der Unkenntnis. "Wann käme denn, den momentanen Umständen nach, eine solche Reise nach Germanien dem Lauf der Dinge gelegen, etwa schon in anbsehbarer Zeit?" Ein gewichtiger Punkt, der zu klären notwendig war, schließlich bedurfte eine Reise solchen Ausmaßes ein beträchtlich Maß an Vorbereitungen. "Und welchen Grund mag man dieser Reise geben, unter welchem Deckmantel sie durchführen, schließlich könnte sie durchaus Misstrauen, oder wenigstens Aufmerksamkeit erwecken..." - Denn ohne plausiblen Grund würde es wohl durchaus seltsam für den jungen Patrizier anmuten, sich einfach den Beschwerlichkeiten einer solchen Reise in die nördlichen Provinzen zu unterziehen, anstatt seine Karriere in der Stadt voranzutreiben.

    Cubiculum Aureliae Priscae | Tilla Romania et Aurelia Prisca et Quintus Flavius


    Ein einfaches "Sie müsste genau so sein wie du", wäre dem Kern der Sache wohl genauso nahe gekommen, dennoch fand der junge Flavier es ein wenig unangebracht, der frischvermählten Gattin seines Onkels so etwas zu offenbaren, wiewohl ihr zweifellos klar war, dass auch sie einen "Hauptgewinn" am illustren Markt der mehr oder minder heiratswütigen Aristokratie darstellte, oder mittlerweile eher dargestellt hatte. Glücklich dreifach und mehr also Piso, der diesen Schatz, gleichsam kostbares Kleinod und strahlende Perle, ergattert hatte, und fortan sein Eigen nennen konnte... Dennoch spürte der junge Flavier keineswegs auch nur einen Anflug von Neid, hielt er derart niedere Gedanken doch zumeist überaus erfolgreich von seinem Geiste fern. Und so gab er sich lieber dem unterhaltsamen Spiel hin, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen, und so die Frau seiner Träume zu skizzieren, wobei ihm gar nicht in den Sinn kam, dass es Prisca unter Umständen irritieren könnte, wenn er in ihrer Gegenwart von einer anderen, natürlich fiktiven und lediglich seinen Fabulationen entsprungenen, Frau schwärmte, schließlich war ja auch sie es gewesen, die ihn dazu aufgefordert hatte.


    ... Ja das ist sie zweifellos!, erst Priscas Worte riefen den Flavier zurück von der genussvollen Betrachtung seiner selbst erkornen Venus, zurück in die Villa Flavia, zurück in ihr Cubiculum, und schließlich zurück zu ihr selbst, was ihn schließlich dazu veranlasste, sich wieder aufzurichten, und der Aurelia ein strahlendes Lächeln zu schenken. Mit einem Schulterzucken nahm er schließlich einen Schluck Wein, denn er hatte natürlich keineswegs erwartet, dass Prisca tatsächlich mit der Frau seiner Träume würde aufwarten, sodass er auf ihren kleinen Scherz hin schmunzelte und auch selbst unweigerlich an Flora denken musste, die in der Tat eine sehr aufgeweckte junge Frau war, und seinen Gedankenspielereien, dessen wurde er sich jedoch erst jetzt gewahr, tatsächlich in vielen Punkten nahe kam. Dennoch lag es nicht in seiner Natur, deshalb Trübsal zu blasen, sah er sich schließlich (noch) nicht dem politischen Druck ausgesetzt, schnellstmöglich eine Heirat zu schließen und Kinder (tunlichst zunächst einen Sohn) in die Welt zu setzen.


    Dann allerdings stellte Prisca ihm eine seltsame Frage, die ihn aus der etwas übermütigen, scherzhaften Laune in ein wenig ernsters Fahrwasser trieb. Eine solche Frau, und nicht dem Adel enstammend? - Flaccus mochte sich diesen Usmtand nicht so recht vorstellen, diese Frau musste einfach eine Patrizierin sein. "Ich ... würde mich nicht anmaßen, meinen Willen dem der Familie ... und den Umständen ... voranzustellen.", erklärte er zögernd, denn tatsächlich lag es ganz und gar nicht in seiner Natur, sich auf diese Weise gegen die eigene gens zu positionieren. Zweifellos würde diese Antwort die Aurelia kaum verwundern, selbst wenn sie unter Umständen eine etwas romantischere erwartet hätte, welche dann jedoch, und dessen waren sie sich zweifellos beide sicher, kaum ehrlich gewesen wäre. Dennoch würde eine standesgemäße Heirat eine Beziehung zu jener Frau, gerade wenn sie niederen sozialen Verhältnissen entsprungen wäre, kaum unmöglich machen ...

    Ganz und gar hatte der orientalische Zauber die beiden jungen Patrizier umfangen, und sog sie gleichsam unaufhörlich tiefer hinab in eine Welt exotischer Empfindungen, anregender Illusionen und fremdartiger Vergnügen. Selbst der Wein trug einen ungewohnten Geschmack, schien auch, soweit das durch die intensiven Gewürze überhaupt zu beurteilen war, kaum verdünnt, war dennoch nicht schwer und schmeckte überaus ansprechend. Etwas vorsichtig zunächst nahm Flaccus einen kleinen Schluck, begeistert von der wahren Geschmacksexplosion, die der Trunk an seinem Gaumen bewirkte, ließ er einen weiteren, beinahe begierlichen, jedenfalls weitaus größeren Schluck folgen. - Nur um sich eingestehen zu müssen, dass dieser Wein zweifellos einer der exquisitesten war, den er je gekostet hatte. "Bei Bacchus ...", murmelte er, immer noch überwältigt von der Köstlichkeit des Tranks. „Wonach schmeckt das bloß? … Ingwer oder Muskat? … nein, es müssen Nelken sein … ja!“, ein weiterer ausgiebiger Schluck schien seine Vermutung zu bestätigen, „Nelken, eindeutig. – Fabelhaft!“ Glückselig strahlend über die Lösung des geschmacklichen Rätsels, nahm der junge Flavier gleich noch einen weiteren Schluck.


    [Blockierte Grafik: http://img847.imageshack.us/img847/7554/cleonymuskleiner.jpg]| Cleonymus


    Gerade, als er jedoch ein Gespräch mit Flora beginnen wollte, trat erneut jemand an die beiden heran, ein Mann, der sich als Cleonymus, der geheimnisvolle Gastgeber des Abends entpuppte, wiewohl er nun in ein schlichtes, bodenlanges Gewand gehüllt war, das jedoch durch filigrane Verzierungen an den Rändern und am Saum einen sehr kostbaren Eindruck machte. „Es freut mich, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Ihr werdet es gewiss nicht bereuen, denn…“, ein rätselhafter Ausdruck umspielte seine Züge, „… diese Nacht vermag eine sehr besondere zu werden. Fühlt euch frei in meinem Haus und zögert nicht, all die Wunder zu erkunden, die es für euch bereithält. Anuket habt ihr bereits kennengelernt?“ – Lautlos war die junge Frau aus den Tüchern hervorgetreten, sodass sie nun, bei der Nennung ihres Namens an der Seite des Aegypters stand. „Sie wird euch den ganzen Abend zur Verfügung stehen, und jeden Wunsch erfüllen.“ Erneut ein ebenso seltsames Angebot wie es bereits zuvor aus dem Munde der Sklavin selbst erklungen war und das wohl bewusst so blass formuliert war, um die Phantasie der beiden jungen Menschen in Ganz zu setzen. „Ich werde mich nun verabschieden, denn auch auf mich warten an diesem Abend noch zahlreiche Verpflichtungen … Genießt die Freiheit!“ Eine höfliche Verbeugung und ein zweideutiges Lächeln später, war Cleonymus bereits verschwunden, und ließ die beiden Patrizier mit der jungen Sklavin zurück.


    [Blockierte Grafik: http://img339.imageshack.us/img339/9296/lv14.png]| Anuket


    Diese begann nun in gedämpfter Lautstärke und mit sanfter, warmer Stimme zu sprechen. „Möchtet ihr noch andere Teile des Hauses besuchen? – Es gibt viel zu sehen! Wenn ihr jedoch hier bleiben wollt, so kann euch aber auch hier, an Ort und Stelle, jeden Wunsch erfüllen.“, erklärte sie vielversprechend, und blickte die beiden daraufhin erwartungsvoll an. Flaccus verspürte Lust und Neugier, auch die anderen Wunder des Hauses zu erkunden, wollte aber die Entscheidung ganz Flora überlassen, sodass er sie lediglich mit einem munteren Lächeln anblickte. „Was meinst du?“

    Nun also kam der funkelnde Kern im Inneren, Quintessenz des Gespräches, mit einem Schlag ans Licht und wie vom Donner gerührt erschrak der junge Aristokrat innerlich, ohne jedoch die ernste und pflichtbewusste Miene in seinem Anlitz zu verziehen. Er sollte also als Gesandter in Germania fungieren, wiewohl eine gewiss essentielle so doch auch eine überaus brisante und höchstgefährliche Aufgabe, barg doch die bloße Reise in den Norden allein bereits unzählige Gefahren, vielmehr noch das verschwörerische Gedankengut, welches der junge Mann, in seinem Kopfe wohl verborgen, bis dorthin transportieren musste. Dennoch war Flaccus zu sehr Römer, als dass die Aussicht auf Gefahren sein Pflichtbewusstsein gegenüber seinem patronus würde trüben können. Und offenbar war jener Tag, welchen der Tiberier vor gar nicht allzu langer Zeit noch in unbestimmte Zukunft projiziert hatte, rascher herangeeilt, als erwartet. Auch kamen ihm die Worte eines gewissen Aureliers in den Sinn, wenngleich seine "Tätigkeit" in Germanien wohl gänzlich anderer Natur sein würde, als etwa jene eines gewählten Quaestors, eines Tribuns oder gar Legaten. Die Möglichkeit, die Bitte, vielmehr die ihm zugewiesene Aufgabe des Patrons auszuschlagen kam dem jungen Mann also gar nicht in den Sinn, so dass er nach einiger Zeit des Überlegens bedeutungsschwer nickte. "Ich könnte mir durchaus vorstellen, diese, wie du sie bezeichnest, delikate Aufgabe zu übernehmen ... doch", warf er sofort ein, sich gleichsam selbst unterbrechend, "Hat sich Annaeus Modestus bereits grundsätzlich mit dem Vorhaben einverstanden erklärt? - Ist er eingeweiht?" Denn wenn Flaccus eine Sache gewiss nicht tun wollte, so war das mit dem Legatus Augusti über die Verschwörung zu plaudern, nur um dann in Germanien als Verräter hingerichtet zu werden. "Darüber hinaus...", fügte er noch nach einer kurzen Gedankenpause hinzu, "... ist es wichtig, dass ich rechtzeitig zurück in Rom bin, um meine Kandidatur für das nächste Jahr bekannt zu geben - mein Vigintivirat darf sich nicht noch länger verzögern." Schließlich hätte er dieses Amt bereits jetzt bekleiden sollen, ein Umstand, der lediglich durch eine Verkettung unglücklicher Umstände von den Göttern verhindert worden war.

    Als der Tiberier den Überlegungen seines Klienten beipflichtete, nickte jener nochmals grave, ehe ihm schließlich ein Gedanke kam, der, wiewohl so offensichtlich, doch bisher nicht von dem jungen Mann bedacht worden war: Die Forderung nach der aktiven participatio des Flaviers, welche wohl mit dem Faktum seiner Einweihung in die verschwörerischen Pläne verbunden sein musste, bisher jedoch nicht zur Sprache gekommen war.


    "Der Plan scheint ausgereift, wiewohl das zentrale Element der Nachfolge zweifellos in Bälde geklärt werden muss, vor allem aber jener Punkt, ob der neue princeps unseren Reihen entstammen, oder jedoch ein in dieser Hinsicht Unbeteiligter sein sollte. Wie auch immer jedoch in dieser Angelegenheit entschieden werden sollte, so stellt sich mir doch die Frage, in welcher Weise ich selbst zum erfolgreichen Gelingen dieses Plans zur Rettung der res publica beitragen kann ..."


    Sanft lenkte der junge Mann auf diesen seinen neuen Gedanken der persönlichen Verstrickung in die diffizilen Handlungsabläufe des komplexen Plans ein, welche von dem Consular wohl angestrebt werden musste, konnte sich Flaccus den bloßen Umstand dieses Gesprächs doch nur dadurch erklären. Es musste schließlich unvernünftig, wenn nicht gar verrückt anmuten, Männer in dieses höchst brisante Vorhaben einzuweihen, deren Mithilfe weder essentiell, noch wenigstens wünschenswert erschien.

    Einem gewissen Hang mancher Mitglieder des flavischen Hauses zu außergewöhnlichen Auftritten frönend, erschien Quintus Flavius wiewohl reichlich spät, so doch durchaus noch pünktlich, umkreist von dem beinahe obligaten Pulk an unfreier wie auch freigeborener Gefolgschaft, äußerst traditionell gekleidet und dennoch mit einem Hauch kosmopolitischer Eleganz in seinem Erscheinungsbild, in jenem Raum, welcher das amtliche Ambiente für die erste öffentliche Anhörung in jener Klage gegen seine Person bilden sollte. Ruhig und mit jener unzerstörbaren Selbstsicherheit, die dem Auftreten der meisten Aristokraten anhaftete wie der prickelnde Duft neuen Lebens den ersten Frühlingstagen, trat er ein, um zunächst auf den Iudex Prior der Verhandlung zuzuschreiten, welcher, sichtlich einem günstigen Wink der Götter gemäß, in der Person des Consulars Purgitius Macer den Vorsitz führte, eines Mannes, den der junge Flavius schon während seines Tirociniums unter dessen Konsulat zu schätzen und zu bewundern gelernt hatte, und mit dem ihn manches freundliche Wort, wie vielmehr noch einige durchaus anregende Diskussionen verbanden. Die Hand zu einer Grußgeste formend, erklang schließlich auch seine Stimme, klar und ruhig. "Salve Consular Purgitius.", ehrenhaft und respektvoll klangen die Worte durch den Raum, ehe er sich auch jenem Manne zuwandte, in welchem er seinen Kläger zu erkennen glaubte. "Magistrat." Begleitet von einem kurzen Nicken, fiel die Begrüßung hier deutlich knapper, jedoch mit demselben respektvollen Unterton aus. Beim Weg zu seinem Platz striff sein Blick langsam über die Bänke, welche den am Prozess unbeteiligten Zusehern zur Verfügung standen, wo er schließlich seinen Großonkel Gracchus und Minor erkannte, welchen er ein freundliches Lächeln und ein Nicken schickte, nicht unfroh über den familiären Beistand, den die bloße Anwesenheit der beiden zu signalisieren vermochte.