Beiträge von Xanthias

    Xanthias erwiderte etwas müde das freundliche Lächeln des jungen Mannes, der ihn in der Taberne begrüßte. "Salve, ich bin Xanthias. Domina Seiana hat mich damit beauftragt einen Blick auf die wirtschaftliche ihrer Betriebe zu werfen ... wenn du mir also die Aufzeichnungen über Einnahmen und so weiter zeigen würdest ....?", formulierte er die Bitte nach den Bilanzen und blickte sich nochmals im Atrium um. Es sah tatsächlich alles sehr freundlich und einladend aus. Erst jetzt bemerkte der Grieche, wie erschöpft er eigentlich war. Solche Strapazen war er einfach nicht gewohnt und dabei hatte er noch weitere Betriebe abzuklappern.

    Nach seinem, zugegebener Maßen, sehr, sehr langen Rundgang durch die Betriebe seiner Herrin kehrte Xanthias sichtlich geschlaucht zur Casa der Decimer zurück. Er hatte die Taberna Medica, den Buchladen und nicht zuletzt auch das Fernhandelsunternehmen und die Töpferei der Decima besucht. Nun jedoch stand er, um einige Papyri sowie die sichtlichen Anzeichen der Strapazen, die er erlitten hatte, reicher, vor der Tür zum Cubiculum seiner Domina. Er klopfte kurz an und trat ein. "Salve, Domina.", begrüßte er sie mit etwas kratziger Stimme und blieb im Türbereich stehen, um Seiana die Gelegenheit zu geben, ihn wieder wegzuschicken, falls sie im Moment zu beschäftigt war.

    Es hatte lange gedauert. Eine halbe Ewigkeit. Wieso eigentlich? Sofort nach der katastrophalen Erfahrung im Buchladen war Xanthias auf die Suche nach der Taberna Medica seiner Herrin gegangen. Und doch hatte es scheinbar unendlich lange gedauert, bis er sie endlich gefunden hatte. Etwas abseits der Traianischen Märkte befand sie sich, und doch im Grunde gut auffindbar - vorausgesetzt, man kannte den ungefähren Standort.


    Bald würde der Abend und mit ihm die Dunkelheit der Nacht über die Stadt hereinbrechen und tatsächlich brannten bereits einige Öllampen im Atrium des Ladens, als der Grieche ihn betrat. Er musterte die freundliche Atmosphäre des Raumes, den Pflanzengürtel um das Impluvium, den kleinen Altar an der linken Seite, die geschmackvolle Einrichtung. Alles in allem war der erste Eindruck also durchaus positiv zu nennen, allein, mit dem bloßen Eindruck würde Xanthias sich nicht zufrieden geben. Günstige Zahlen zur momentanen wirtschaftlichen Lage des Betriebs wären eine willkommene Untermauerung des freundlichen Bildes.

    Die Liste des Bestandes in der Hand, strebte Xanthias also zunächst jenen Regalen zu, in deren Richtung der Gallier mit dem Vermerk, dass sich "da drüben" die griechischen Schriften befinden sollten, gewiesen hatte. "Aischylos, Alkaios, Alkmaion, Anakreon ...", wenigstens war die Liste alphabetisch geordnet, in den Regalen sah das leider ganz anders aus. Eine kleine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis Xanthias nach angestrengter Suche endlich wenigstens einige Werke der angeführten Autoren ausfindig gemacht hatte. Doch hier stand Empedokles neben Thukydides, Geschichtsschreibung neben Tagödie, Bukolik neben Epik. Dem ästhetisch epfindlichen Griechen schien sich beim Anblick des Chaos schlichtweg der Magen umzudrehen. Rasch trat er aus den Regalen hervor, um zu sehen, ob wenigstens bei den Römern noch zu hoffen war.


    Hier sollte doch allein durch die rein quantitative Unterlegenheit leichter Ordnung zu schaffen sein. "Caesar, Catullus, Cicero...", einiges war tatsächlich zu finden, "Phaedrus, Plautus, Plinius" Klassische Fabel neben altgediegener Komödie und avantgardistischer Epistolographie - wenigstens nach dem Alphabet geordnet. Auch hier trat Xanthias schon bald zurück. Zweifelsfrei, der Laden hatte Potential, doch es würde wohl eine ganze Weile und viel Arbeit brauchen, hier alles auf Vordermann zu bringen. Der Grieche trat erneut auf den Tresen zu und deponierte die Papyrusliste dort. "Ich denke, ich habe einen Eindruck gewonnen.", wandte er sich sodann an den Gallier und tatsächlich sollte er sich besser beeilen und nicht mehr allzu viel Zeit in diesem trostlosen Buchladen verbringen, schließlich harrten noch zwei weitere Betriebe ihrer Inspektion, "Ich danke dir und wünsche noch einen angenehmen Tag!" Die Ironie in seinen Worten schien nahezu greifbar, bestand doch für den Griechen kein Zweifel, dass dieser arbeitsscheue Gallier sich einen eben solchen zweifellos machen würde.

    Der ohnehin eher ... ungünstige Eindruck jenes Sklaven, der - nur die Götter mochten wissen, warum - mit der Betreuung des Buchladens beaufragt worden war, schien sich durch sein eher beunruhigendes Lachen nach Xanthias' Erwähung der Listen lediglich zu verschlimmern. Dem Griechen schwante Übles. Wenngleich der Sklave allem Anschein nach keinen besonderen Wert auf penible Buchführung legte, brachte er zumindest ein paar Papyri hervor, die Xanthias sogleich an sich nahm und auf dem Tresen entrollte. Ein einziger Blick auf die Abrechnungsliste bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen und ließ ihn gar an seiner Herrin zweifeln. Nun war er doch schon einige Zeit in Rom und Seiana hatte stets einen klugen, überlegenen Eindruck auf ihn gemacht. Sollte sie tatsächlich nicht bemerkt haben, wie schlecht es um ihre Buchhandlung bestellt war? Natürlich waren einige Verkäufe vermerkt, doch ließ die bloße Quantität der Käufe vermuten, dass man die Abrechnungsliste einer Buchhandlung in einer kleinen Provinzstadt, aber doch nicht im gewaltigen Rom, der Hauptstadt eines so riesigen Reiches in Händen hielt. Wenn es nicht problemlos möglich war, die Verkaufszahlen zu verdreifachen, mochte Xanthias sich endgültig mit seinem Schicksal und Sklavendasein zufrieden geben.


    Sodann wandte sich der Grieche den Bestandslisten zu, schreckte jedoch, in die Lektüre derselben vertieft, deutlich zusammen als dieser ungebildete Sklave doch tatsächlich von Zeug sprach, das noch, in Kisten verstaut, seiner Eingliederung in den ohnehin eher mageren Bestand der Bibliothek harrte. Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten diesen Gallier, oder was auch immer er sein mochte, nicht auf der Stelle gehörig zurechtzuweisen, letztendlich scheiterte es an dem Bewusstsein, dass jener wohl nicht zuletzt an körperlicher Kraft und Größe dem eher zarten Griechen zweifellos deutlich überlegen war und eine bracchiale Auseinandersetzung, die Xanthias als Folge auf seine Worte durchaus erwartete (dieser Mann war schließlich ein Barbar!), eher schlecht für ihn ausgefallen wäre. Er biss sich also lediglich auf die Lippen, während er die Liste schnappte und an den Regalen nach den zugehörigen Werken suchte.


    "Sind die Schriftrollen nach irgendeinem Prinzip geordnet?", fragte er den Sklaven, bereits einen etwas entnervten Unterton in der Stimme. Zumindest konnte Xanthias kein Ordnungsprinzip erkennen - und wenn er es nicht konnte, würde es die Kundschaft, so denn einmal sich eine hierher verirrte, wohl auch nicht.

    Ah ja, endlich kreuzte hier mal jemand auf. Etwas skeptisch musterte Xanthias den Sklaven, der durch sein Gebaren wohl genau das Gegenteil eines vorbildlichen Buchhändlers widerszuspiegeln schien. "Chai...", gerade konnte sich der Grieche noch selbst unterbrechen: "Salve." Nun doch schon einige Zeit in Rom, waren so grundlegende Dinge wie die Begrüßungsformeln seiner Heimat noch immer fest im Bewusstsein des Griechen verankert, was sich so schnell wohl auch nicht ändern würde. "Domina Seiana hat mich damit beauftragt, mir einen Bild ihrer Betriebe zu bilden. Könntest du mir bitte die Abrechnungen der letzten Zeit, sowie Listen des aktuellen Bestandes vorlegen?" Zunächst galt es, einen Eindruck zu gewinnen, wie die Buchhandlung finanziell dastand, und wie das Angebot an Werken aussah.

    Einige Papyri für nötige Aufzeichnungen, die Xanthias sicherheitshalber mit sich genommen hatte, unter dem Arm, betrat er die etwas abseits gelegene Buchhandlung seiner Herrin. Er musterte den mittelmäßig großen Geschäftsraum des Ladens und sofort spürte er deutlich, dass hier irgendetwas fehlte. Zwar standen einige Regale herum, die auch schon eine beträchtliche Anzahl an Schriftrollen beherbergten, und dennoch konnte er sich eines gewissen Eindrucks an Lieblosigkeit, den der Raum ihm vermittelte, nicht erwehren. Eher beiläufig schienen die Schriftstücke hier und dort ein eher ärmliches Dasein zu fristen, scheinbar noch nicht von kundiger Hand sorgfältig geordnet und in sinnvolle Konstellationen zueinander gebracht. Auch wirkte die Ausstattung des Raumes eher spartanisch, was dem zutiefst attischen Geschmack des Griechen grundlegend missfiel. Alles in allem also eine Atmosphäre, die seinen Eindruck von der groben, unsensiblen und ungebildeten Art der Römer nur zu bestätigen schien. Eine bibliotheca oder eben auch Buchhandlung musste seiner Meinung nach, den Anspruch an sich stellen, zumindest ein wenig der geistigen Strahlkraft jener Werke, denen sie als Heimat diente, in ihrer Atmosphäre zu vermitteln. Kurzum, einer gewissen Ordnung und Ästhetik sollte eine Buchhandlung nicht entbehren.


    Darüberhinaus konnte Xanthias, niemanden in dem Geschäftsraum sehen, sodass er sich zunächst bemerkbar machte: „Ist hier jemand?“

    Nur langsam hob Xanthias seinen Blick wieder und blickte etwas verblüfft in das entpannte Antlitz der Decima. Ihre Miene schien zwar undurchdringlich, doch ohne verärgerte oder unzufriedene Züge. Die fast schon als versöhnlich zu bezeichnenden Worte seiner Herrin nahm Xanthias zwar wahr, konnte aber immer noch nicht gänzlich fassen, dass sein Versagen, denn genau so empfand er sein Unvermögen, mit einer klaren Antwort des Praefectus zu Seiana zurückzukehren, offenbar ungestraft bleiben sollte. Doch damit nicht genug, die Decima hatte offenbar vor, ihn mit einer verantwortungsvolleren Aufgabe zu betrauen, zumindest erschien ihm die Anweisung, sich ein Bild über die Betriebe seiner Herrin zu machen, als ein vielverprechender Schritt in Richtung fordernderer Aufgaben als einfacher Botengänge. Wenngleich seine Interessenspräferenzen stets auf die Bereiche eher künstlerischer Natur gelegen hatten, so war es doch unvermeidlich gewesen, dass er auch in die Kunst Betriebe klug zu Verwalten, im elterlichen Gut Einblick erhalten hatte.


    Er konnte zunächst also gar nicht fassen, dass Seiana ihm in scheinbar pardoxer Weise für einen lediglich zur Hälfte erfüllten Auftrag mehr Vertrauen zugestehen wollte, doch eben das schien der Fall zu sein. Der ansonsten so eloquente Grieche musste nach den rechten Worten suchen. "Ich ... danke dir, domina." Mehr brachte er im Moment schlichtweg nicht heraus, so mitgenommen war er immer noch durch die überraschende Wendung. "Ich werde dir sofort Bericht erstatten, wenn ich mir ein Bild gemacht habe.", fügte er noch hinzu, bevor er sich erhob und nach einer flüchtigen Verbeugung rasch gleichsam aus dem Cubiculum seiner Herrin flüchtete, um sich selbst darüber klar zu werden, was eben geschehen war.

    Die Erleichterung der jungen Sklavin beim Betreten der Bibliothek nahm Xanthias durchaus wahr und freute sich auch darüber, war doch eine freundliche und entspannte Atmosphäre die wohl wichtigste Grundlage um schöne Musik zu machen. Der Tatsache, dass er Mia mit dem schnellen griechischen Tanz wohl etwas ins kalte Wasser stieß, war er sich durchaus bewusst, doch sie schlug sich ganz hervorragend. Während manch anderer ihn ob seiner Direktheit wohl einige Momente lediglich entgeistert angestarrt hätte, fing sie das Paar Krotala geschickt auf und begann sich auch dem flotten Tempo des Tanzes anzupassen. Das abrupte Ende des Musikstücks war wohl auch für Mia etwas überraschend gekommen, denn sie klapperte noch munter einige Takte darüber hinaus. Die Verlegenheit, die ihr Blick widerspiegelte entkräftete der junge Grieche mit einem fröhlichen Lachen.


    „Na das klingt doch wunderbar!“, meinte er, während er das Band der Chelys von seinem linken Handgelenk abwickelte, „Der Rhythmos scheint dir keine Probleme zu bereiten … dann wenden wir uns dem doch gleich dem Melos zu…“ und er reichte Mia die Chelys. Die Krotala fanden wieder ihren angestammten Platz in jener kleinen Truhe, die auch noch eine ganze Reihe anderer Musikinstrumente verwahrte. Einfühlsam stand Xanthias daraufhin der jungen Sklavin beim Anlegen der Chelys bei, führte ihre Hände an die richtigen Positionen und straffte die Bänder, die das Instrument an der optimalen Stelle hielten. So sanft und zart ging er dabei vor, dass die sicherlich aufgekeimte Nervosität sich in eine Atmosphäre völliger Entspannung und Harmonie auflöste. „Versuch einfach, der Musik zu folgen …“, gab er Mia einen Rat, der ihr im Moment wohl noch etwas diffus und nicht sonderlich hilfreich vorkommen mochte, der jedoch die Quintessenz aller Musikalität, die der Grieche in seien jungen Jahren verfeinert hatte, darstellte.


    Dann begann er eine Melodie anzustimmen, sanft und leise zunächst, griechische Worte, die von der alten Zeit der Väter erzählten. Allmählich jedoch blühte der Gesang auf, nahm Form an, wurde präsenter, greifbarer - doch schon bald überschattet von einem Hauch an Melancholie, einen wunderbaren Kontrast zu der eben noch übermütig fröhlichen Stimmung des Tanzes bildend. Es war eine Geschichte der Sehnsucht. Einsam klagt ein Mann den Göttern sein Leid, fern der Heimat, fern seiner Geliebten. Traurig wendet er sich gegen den sternbedeckten Nachthimmel und fragt sich, was er verbrochen, womit er die Götter erzürnt … dass sie so grausam ihn fernhalten von seinen Lieben. Von betrüblicher Schönheit ist das Lied des jungen Mannes, von berührender Verzweiflung seine Klagen, die den Raum der Bibliothek nun erfüllen. Filigran gesellen sich allmählich einige Töne zu den Klagerufen jenes Mannes, durch behutsame Hand der Lyra entlockt, verdichten sich langsam zu einer eigenen Melodie, gleichsam die Antwort der Nacht auf die Rufe des Einsamen.

    Zweifellos mochte Xanthias momentanes Verhalten seiner Herrin als ein Novum seiner Persönlichkeit erscheinen und das war es auch, konnte sich doch nicht einmal der Grieche selbst an eine Situation erinnern, die ein vergleichbares Mass an Verlegenheit bei dem sonst so gewandten jungen Mann provoziert hätte. Ihren Worten und der eindeutigen Geste folgend, ließ er sich sodann nieder, schluckte noch einmal merkbar und begann zu erzählen. "Es war mir weder möglich dein Schreiben persönlich an die Scribae des Praefectus zu übermitteln, noch eine Antwort desselben abzuwarten. Die Torwache zeigte sich in dieser Angelegenheit mehr als unkooperativ, sodass ich - wenn auch nicht gänzlich unverrichteter Dinge, schließlich gab ich das Schreiben der Torwache weiter, in der Hoffnung, es würde auf diesem Wege bis zum Praefectus vordringen - so doch auch nicht nach der vollständigen Erfüllung des Auftrages wieder umkehren musste. Es tut mir leid.", in Erwartung einer, wenn schon vielleicht nicht manifest zornigen, so doch zumindest ziemlich unzufriedenen Reaktion seiner Herrin, senkte der Grieche den Blick um das Unvermeidliche über sich ergehen zu lassen.

    Nachdem er noch einmal tief Luft geholt hatte, kam der Grieche Seianas Worten nach und trat ein. Mit einer Verlegenheit, die wohl keiner bei ihm vermutet hätte, blieb er sodann am Eingang stehen und richtete seinen Blick zu Boden. Das Bewusstsein, den so schlichten Auftrag der der Römerin nicht problemlos erledigt zun haben, traf ihn tiefer, als er selbst es für möglich gehalten hätte. So wagte er es im Moment auch nicht, als erster das Wort zu ergreifen, oder gar unaufgefordert Platz zu nehmen.

    Wenn auch nicht gänzlich unverrichteter Dinge, so doch auch nicht annähernd zufrieden mit dem Verlauf jenes Botenganges, der zunächst so banal anmutete, sich aber doch als schwieriger zu verwirklichen gestaltet hatte, als gedacht, stand Xanthias nun etwas betreten erneut vor der Tür des Cubiculums seiner Herrin. Höchst unangenehm schien ihm die Situation, in der er sich nun befand. Einerseits wollte er sich nicht die Blöße geben, einzugestehen, dass er den Auftrag der Domina wohl nicht zu deren höchster Zufriedenheit auszuführen vermocht hatte, andererseits würde er wohl genau das müssen und angesichts der relativ kurzen Zeit, die er erst ein Sklavendasein fristete und bei den Decimern lebte, konnte er sich die Folgen seines Scheiterns nicht so recht vorstellen. Etwas nervös klopfte er also an die Tür und trat nicht sofort, wie noch wenige Stunden zuvor, einfach ein.

    "So überbringt dem Praefectus bitte diese Botschaft.", erwiderte Xanthias der Torwache und überreichte ihr die versiegelte Schrifrolle.



    Praefectus Urbi
    Potitus Vescularius Salinator
    Cohortes Urbanae
    Castra Praetoria, Roma



    Salve Praefectus Urbi,


    für die Acta Diurna ein Profil über dich und deine Arbeit zu schreiben, möchte ich gerne ein persönliches Gespräch mit dir führen. Ich denke, die Bürger würde es sehr interessieren, über einen der mächtigsten Männer Roms zu lesen.


    Es würde mich sehr freuen, wenn du meine Bitte nach einem Gespräch erfüllen würdest, und warte auf deine Antwort.


    Mögen die Götter dich behüten,


    [Blockierte Grafik: http://img442.imageshack.us/img442/8797/seianaunterschriftkj1.png]


    "Wenn es möglich ist, würde ich die Antwort gerne abwarten.", fügte der Sklave seiner Bitte noch hinzu.

    Mit dem erhofften gemeinsamen Ausflug/Auftrag für Xanthias und Aristea zu den Castra Praetoriana war es nun leider nichts geworden, denn kaum hatten die beiden das Cubiculum ihrer Herrin verlassen, war auch schon Demetrios um die Ecke geeilt, um Aristea für eine wichtige Aufgabe heranzuziehen. Schulterzuckend hatte Xanthias das zur Kenntnis genommen, fühlte er sich doch durchaus fähig, den scheinbar banalen Auftrag auch alleine auszuführen.


    Als er schließlich das Haupttor der Castra erreichte, sah er sich einer etwas grimmig dreinblickenden Torwache gegenüber. "Salve, Miles!", grüßte er den Soldaten in seinem besten Latein, "Ich komme im Auftrag der Auctrix Decima Seiana, um für sie einen Termin mit dem Praefectus Urbi zu vereinbaren. Wäre es wohl möglich, dass ich zu diesem Zweck zu den Scribae des Praefectus vorgelassen werde? "

    Mit beiden Armen stieß Xanthias die Tür zur Bibliothek der Decimer auf, die in zahlreichen Regalen etliche Schriftrollen der wichtigsten römischen, aber auch griechischen Werke beherbergte. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte der Grieche den Sklaven, der sich um die Bibliothek kümmerte, und mit dem er schon in seinen ersten Tagen in der Casa Freundschaft geschlossen hatte. Nicht nur teilten sie ihre Interessen für Literatur und Lyrik, nein der Sklave war auch begierig darauf, Griechisch zu lernen, was Xanthias für sich zu nutzen wusste. Er brachte dem Sklaven ab und zu einige Brocken seiner Muttersprache bei, dafür überließ dieser dem Griechen jederzeit die Bibliothek, um darin zu musizieren, zu lesen oder einfach nur für sich zu sein. So machte er ihm auch heute mit einem vielsagenden Lächeln klar, dass seine Anwesenheit nicht weiter vonnöten war, worauf sich dieser, nachdem Xanthias und Mia eingetreten waren, in Richtung Tür verzog, und diese hinter sich schloss, nachdem er die Bibliothek verlassen hatte. Nun ganz unter sich, machte Xanthias eine einladende Geste in Richtung einer Sitzgruppe, die sich, vom restlichen Raum durch Bücherregale getrennt, etwas abseits befand, direkt an einem Fenster, das hinaus auf den blühenden Garten der Casa wies.


    Von der Wand griff sich der Grieche seine Chelys, schlang sich das am Corpus befestigte Band um sein linkes Handgelenk, suchte schließlich noch in einer kleinen Truhe nach einem Paar Krotala, jenen Klanghölzern, die die Frauen bei Symposien in seiner griechischen Heimat zu spielen gepflegt hatten, welche er der jungen Sklavin anschließend zuwarf. "Dann lass uns ein bisschen musizieren!", meinte er mit einem übermütigen Lächeln auf den Lippen, die Freude ließ ihn über das ganze Gesicht strahlen. Und schon griff er in die Saiten zu einem fröhlichen griechischen Tanz, unterbochen von übermütigem Lachen über den etwas verdutzten Gesichtsausdruck Mias.

    Mit flinken Augen überflog der Grieche die Zeilen auf der Tafel der jungen Sklavin. Ob die Villa Aurelia weit weg von der Casa Decima war? "Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wie weit die Villa der Aurelier von unserer Casa entfernt ist. Ich bin leider erst wenige Wochen in Rom und noch nicht viel außerhalb der Casa herumgelaufen...", gestand er der jungen Frau verlegen grinsend. "Ja, wieso nicht? Komm doch einfach mit, so ist es sicher am einfachsten!", meinte er dann, obwohl er keine Ahnung hatte, wie seine Herrin Seiana wohl reagieren würde, wenn er einfach mit einer fremden jungen Sklavin aufkreuzen würde. Mit starken Zornausbrüchen war jedoch auf keinen Fall zu rechnen, soviel war sicher.

    Xanthias trat näher heran und nahm, nach der Handbewegung seiner Herrin, auf der angebotenen Sitzmöglichkeit Platz. Seiana erkundigte sich über seine ersten Tage in der Casa und Xanthias musste lächeln. Er hatte sich von Anfang an gut in den Räumlichkeiten zurechtgefunden und kannte inzwischen auch schon alle Sklaven der Familie - zumindest beim Namen. Um sie näher kennenzulernen würde es wohl noch einige Wochen brauchen, doch im Grunde kam er mit den meisten gut aus.


    "Danke, die letzten Tage erschienen mir gleichsam dem Elysion, wo der Nektar aus der Quelle der Lethe den unsterblichen Helden auf ewig alles Vergessen iridischer Leiden ermöglicht.", gab er der Decima eine blumige Antwort, doch tatsächlich kam ihm das einfache Leben bei den Decimern im Vergleich zu den Wochen in den Händen der Piraten und Sklavenhändler nahezu paradiesisch vor.


    Eben wollte er sich nach der größeren Aufgabe erkundigen, die er bereits erwartet hatte und die sicherlich der Grund für dieses Gespräch war, hatte er doch in den letzten Tagen lediglich kleine Aufgaben im Hause bekommen, um sich etwas einzuleben, als Aristea, in Xanthias Augen gleichsam einer griechischen Göttin, voll Anmut und strahlender Schönheit, das Cubiculum betrat und ihn sogar mit einem kleinen Lächeln beschenkte, bevor sie sich ganz der Domina widmete.


    Dann lauschte der Grieche konzentriert den Erklärungen, die Seiana ihnen bezüglich des Auftrages, den sie für die beiden ersonnen hatte, gab. Als sie geendet hatte, und die beiden Sklaven musterte, überlegte Xanthias einen Moment. Es war sicherlich kein allzu verantwortungsvoller Auftrag, schließlich hätte die Decima auch einfach einen Brief schreiben können, doch sicherlich war er nicht belanglos und zumindest ein Schritt in Richtung bedeutenderer Aufgaben.


    Xanthias nickte also ernst und antwortete: "Ich für meinen Teil habe keine Fragen." Dann blickte er zu Aristea, um zu sehen, ob auch sie mit dem gemeinsamen Auftrag einverstanden war.

    Xanthias befand sich gerade im Garten, als ihn die Nachricht erreichte, dass Seiana ihn zu sich rufen ließ. Unverzüglich und im Gewissen, dass ihm die Decima nun wohl seinen ersten Auftrag geben würde, machte er sich auf zum Cubiculum seiner Domina. Am Weg stellte er schon Überlegungen an, welcher Art der Auftrag wohl sein würde und ob seine Herrin ihn als eine Art Probe benutzte, um den neuen Sklaven zu prüfen.


    Als er bei Seianas Räumlichkeiten angekommen war, klopfte er kurz an die Tür und trat dann ein. "Ihr habt nach mir rufen lassen, Domina?"