Beiträge von Xanthias

    Die junge Dame schien ausgesprochen begeistert zu sein von Xanthias' Vorschlag, sie beim Musizieren zu unterstützen. Und auch ihm gefiel der Gedanke, gemeinsam mit Mia Musik zu machen eigentlich ziemlich gut. "Ich kannte viele Musiker, in meiner griechischen Heimat. Hier in Rom habe ich allerdings noch keine kennengelernt. Ich würde mich aber über jede Bekanntschaft freuen..."


    Sie schien ein gerne zu schreiben, und obwohl Xanthias eigentlich keine Probleme mit der römischen Sprache hatte, könnte er eine unterstützende Hand sicherlich gut gebrauchen. Nicht selten gebrauchte er noch griechische Idiomatik, die, lediglich in lateinische Worte gekleidet, ihre wahre Herkunft nicht zu verbergen vermochte. "Ja, das ist eine wundervolle Idee, so können wir uns beide helfen! Was das Üben angeht, so können wir uns theoretisch in der Casa Decima treffen, dort gibt es einen wundervollen Garten und auch die Bibliothek sollte geeignet sein, allerdings müsste ich noch meine domina um Erlaubnis fragen. Wenn es dir jedoch in der aurelischen Villa angenehmer ist, können wir auch dort musizieren. Ganz wie du willst."

    Xanthias genoss das Spiel und auch Aristea schien Freude daran zu haben - schließlich ging sie auf die Bedingung ein. Lächelnd beugte sie sich vor zu Xanthias, ein paar Strähnen ihres dunklen Haares fielen ihr ins Gesicht und umspielten ihre schmalen Wangen, ihre wohlgeformten und äußerst einladend aussehenden Lippen näherten sich ... und wanderten langsam an seinen eigenen vorbei, bis sie für einen kurzen Moment seine Wange berührten, ja fast nur streiften, und sich schließlich flüsternd an seinem Ohr vorbeibewegend endgültig entfernten.


    Verzaubert sah der Grieche die junge Sklavin an, lediglich ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Danke." Seine Augen blickten tief in die ihren, seine Hand wanderte zögernd zu der Stelle an der ihre Lippen seine Wange gestreift hatten und verblieb dort. "Schlaf gut. Ich wünsche dir schöne Träume." Und fast schon mit Gewalt musste er sich losreißen von ihrem Anblick, der ihn so unnachgiebig in seinen Bann gezogen hatte, und erschöpft ließ er sich auf die Liege sinken und vertraute sich dem grenzenlosen Reich der Träume an.

    Seianas Entgegnung viel anders als erwartet aus. Ihre Worte ließen Xanthias nicht nur auf ein großes diplomatisches Geschick schließen, welches die Römerin zweifellos besaß, sondern vielmehr auf Klugheit, ja nahezu Weisheit, die den Griechen im Laufe ihrer Antwort unweigerlich auf ihre Seite zog, sodass er schlussendlich etwas verdutzt dasaß und nicht mehr anders konnte als ihr beizupflichten. Die Decima hatte es doch tatsächlich fertig gebracht, den sonst so wortgewandten Griechen etwas in Verlegenheit zu bringen, was Xanthias nicht nur in Erstaunen sondern vor allem in Bewunderung versetzte - ein Gefühl, das er anderen Menschen, und am wenigsten Römern, nur äußerst selten empfand.


    "Es ehrt mich zutiefst, domina, dass Ihr das Können und Wissen meines Volkes nicht nur schätzt, sondern auch vom fruchtbaren Einfluss unserer Kultur auf die Eure die richtigen Ansichten habt. Ich muss Euch außerdem beipflichten, dass das Talent eines Volkes, die Errungenschaften anderer Völker anzuerkennen, und in den eigenen Alltag zu integrieren, von wahrer Überlegenheit zeugt - schließlich sind auch wir Griechen uns unserer kulturellen Wurzeln, die zum Teil auch im Humus anderer Völker ranken, wohl bewusst." Auch wenn die meisten Griechen das nicht ohne weiteres eingestehen würden, wodurch sie sich von den Römern nicht allzusehr unterschieden, wie Xanthias leider feststellen musste. Diese römische Dame allerdings, die ihm jetzt gegenüber saß, und als deren Sklave er wohl die nächste Zeit zu verbringen gezwungen sein würde, schien zu wissen, wovon sie sprach, und ihre Worte imponierten dem jungen Griechen. Sein Los schien ihm mit einem Mal leichter zu ertragen, da seine Herrin ihm offenbar intellektuell mindestens ebenbürtig war.
    "Es gehört zu den edelsten Tugenden, seine eigene Unkenntnis einzugestehen, um von anderen zu lernen. Hochmut und Ignoranz halten in der Tat nur Narren auf, sich der Weisheit eines anderen Menschen - oder Volkes - zu beugen."


    Während er sprach, wurde er sich plötzlich seiner gewaltigen Müdigkeit bewusst, die ihn fast schon zu überwältigen drohte. Er musste das Gespräch wohl, selbst mit dem Risiko, unhöflich zu wirken, in eine andere Richtung lenken. "Entschuldigt, domina, doch es war ein sehr anstrengender Tag für mich, ich möchte Euch um die Erlaubnis bitten, mich zurück zu ziehen." Bewusst hatte der Grieche sie nicht nach etwaigen Aufgaben gefragt, schließlich würde sie ihm diese wohl ohnehin zukommen lassen, sobald sie sich über ihn ausreichend Gedanken gemacht hatte.

    Xanthias nahm Mia die frisch beschriebene Tafel ab, und seine Augen wanderten über die Zeilen. Die junge Dame sollte also in der Musik unterrichtet werden . . . Xanthias überlegte kurz. Ob er wohl...? Versuchen konnte man es ja...


    "Weißt du, " begann er "ich selbst bin der Lyra und der Kithara kundig und auch auf der Tibia weiß ich manch schöne Weise. Also, wenn du Lust hast, könnte ich dir etwas beibringen, zumindest bis du den Rector der Schola erreichst..." Der Grieche hatte zwar im Moment allerhand zu tun, doch würde er sicher einen Teil seiner Freizeit der Musik widmen können. Außerdem schien Mia ein wirklich nettes Mädchen zu sein und sie tat Xanthias leid, wenn sie jetzt mit der schlechten Nachricht zu ihrer Herrin zurückkehren müsste, dass sie im Moment kein Instrument lernen könnte.


    Was waren eigentlich seine Aufgaben in der Casa Decima? Xanthias war sich darüber selber nicht ganz im Klaren ... "Im Moment habe ich noch nicht viele Aufgaben, ich denke, meine Domina versucht gerade herauszufinden, ob sie mir genug vertrauen kann, um mich mit der Verwaltung ihrer Betriebe zu beauftragen. Sie ist eine sehr kluge, aber auch etwas vorsichtige Frau. Im Großen und Ganzen habe ich es aber, glaube ich mit den Decimern ganz gut getroffen, es hätte viel schlimmer kommen können."


    Ob er schon Freunde gefunden hatte? Sofort musste Xanthias an Aristea denken, und lächeln. Ohhh jaa, das hatte er! Allerdings wollte er Mia im Moment nicht unbedingt von Aristea erzählen, also sagte er einfach: "Ja, ich habe auch schon ein paar Freunde unter den anderen Sklaven gefunden."

    "Dann bestehe ich allerdings auf einen letzten Kuss. Du denkst doch nicht etwa, dass ich dich einfach so wieder zu deinem Lager ziehen lasse!", setzte Xanthias die "Verhandlung" lächelnd fort.


    Was Aristea über Komplimente sagte, trug für Xanthias einen bittere Note. Im Moment konnte und wollte er allerdings nicht weiter darüber nachdenken, warum das so war. Lediglich seine Komplimente musste er natürlich verteidigen: "Wenn ich aber eine so fabelhafte Frau wie dich sehe, komme ich einfach nicht umhin, das auch in Form eines Kompliments zu verbalisieren." Und in der Tat fand Xanthias Aristea, so kurz er sie auch erst kennen mochte, einfach unglaublich.


    Wie auch immer Aristeas persönliche Einstellung Komplimenten gegenüber sein mochte, Xanthias fand, dass sie wunderschön war und niemals würde er zögern, ihr das auch zu sagen, selbst, wenn sie das misstrauisch oder sonst irgendwie machen würde.

    Das hübsche Mädchen beugte sich wieder über seine Tafel und begann drauf los zu schreiben. Neugierig wartete der Grieche ihre Antwort ab. Das Leben bei der Gens Aurelia schien angenehm zu sein, zumindest hatte sie offenbar etwas Freizeit zur Verfügung, die sie nach ihren Wünschen gestalten konnte. Sie hatte etwas zu erledigen, das schief gegangen war ... vielleicht konnte Xanthias helfen.


    "Was ist denn schief gegangen?", fragte er Mia freundlich.


    Die Geschichte über ihre Entführung klang so abenteuerlich und unglaublich, dass Xanthias nicht wusste, was er davon halten sollte. Skeptisch blickte er sie an, während sie aus dem Brunnen trank. Wollte dieses Mädchen ihn etwas zum Narren halten? Er war schon kurz davor, ihr die Tafel zurückzugeben, einfach aufzustehen und wegzugehen. Doch irgendetwas ließ ihn zögern und schien ihn auf sonderbare Weise bei Mia festzuhalten. Vielleicht war ja doch was dran, an ihrer haarsträubenden Geschichte...


    Er gab ihr die Wachstafel zurück und lächelte sie an. "Wenn ich ehrlich sein soll ... Ja, es klingt ziemlich verrückt."


    Und nach einer kurzen Pause. "Und was tust du, wenn du nicht gerade in fremde Länder entführt wirst oder Wahrsagungen erfüllst?"


    Man sah der jungen Sklavin zwar an, dass sie schon viel mitgemacht hatte, aber solch absonderliche Geschichten?

    Wie Schuppen fiel es Xanthias von den Augen . . . Deshalb hatte sie bis jetzt kein Wort gesagt ... Mia konnte offenbar gar nicht sprechen! Deshalb hatte sie ihn auch nicht einfach darum gebeten, sich vorzustellen und deshalb strich sie jetzt - anstatt ihm eine Antwort zu geben - die Tafel glatt und begann mit einem stilus in das Wachs zu ritzen. Xanthias' Augen folgten ihrer Hand, während sie die Buchstabe an Buchstabe reihte. Sie war also auch Sklavin und gehörte Aurelia Prisca. Der Name sagte Xanthias nichts, von einem Aurelius allerdings sprach seine Herrin öfter, .. Marcus Corvinus oder so.


    "Ich bin mir sicher, dass unsere Dominae sich kennen ... die Aurelia ist doch eine patrizische Gens, wenn ich mich recht erinnere? Wie ist das Leben als Sklave bei den Patriziern?"


    Ägypten. Xanthias hatte bereits viel von diesem märchenhaften Land gelesen. Es hieß, dass sie dort Gebäude errichtet haben, die bis zum Himmel reichen! Und außerdem sollte es dort Tiere mit langen Mäulern und tausenden Zähnen geben, richtige Ungeheuer. Und Pferde mit Höckern am Rücken, die tagelang ohne Wasser überleben konnten.


    "Was hat dich nach Ägypten geführt? Hast du dort die Wunder gesehen, von denen man liest?", neugierig blickte er Mia an.

    Anstatt ihm eine Antwort zu geben, zog das Mädchen lediglich eine kleine Tafel aus ihrer Tasche und deutet auf einen Namen inmitten des Textes, der dort stand: Mia.


    Xanthias blickte sie fragend an. "Mia, ist das dein Name?" Was für eine Frage - na klar war das ihr Name, wieso hätte sie sonst draufgedeutet! "Entschuldige, natürlich ist das dein Name." verbesserte er sich schnell und fügte noch hinzu: "Ein schöner Name, wenn ich das anmerken darf." Er lächelte sie an und hoffte, so ein Gespräch eröffnen zu können.


    Doch wieder sprach das junge Ding kein Wort, stattdessen deutete sie auf ihn und blickte ihn mit ihren braunen Augen fragend an. Offenbar sollte er sich vorstellen. - Aber wieso bat sie ihn nicht einfach darum? Obwohl ihn die Situation im Moment ziemlich verwirrte, versuchte Xanthias trotzdem freundlich ein bisschen von sich zu erzählen: "Also, wie ich bereits sagte, mein Name ist Xanthias. Ich stamme aus Phokis, das ist in Griechenland. Vielleicht kennst du das berühmte Orakel von Delphi? Das liegt nämlich genau in dieser Region. Ich bin Sklave der Decima Seina, allerdings noch nicht allzu lange."
    Das musste fürs erste reichen, schließlich wollte er diesem seltsamen Mädchen nicht seine ganze Lebensgeschichte aufbinden. Während seiner Worten hatte sie ihn lediglich neugierig angesehen, allerdings kein einziges Mal den Mund augetan, um zu unterbrechen oder nachzufragen. Was war nur mit diesem Mädchen los?


    "Aber erzähl' doch ein bisschen von dir. Bist du auch Sklave?", obwohl ihm die Situation immer abstruser wurde, versuchte er das Gespräch aufrecht zu erhalten. Er war nun selbst etwas neugierig geworden und wollte hinter das Geheimnis der jungen Dame kommen.

    Aristea musste lachen und somit hatte Xanthias erreicht, was er wollte: Die Situation in harmlosere Gefilde zu führen. Übertreibung war immer noch das beste Mittel, um Menschen zum Lachen zu bringen. Als sie bei seinen Beteuerungen skeptisch die Augenbraue hochzog, musste auch er lächeln.


    "... selbst wenn ich dir hinterherstiege, wir würden nicht weit kommen. Ich könnte meine Augen wohl nicht mal eine Minute von dir lassen!", wusste er auch die mythologische Anspielung in einen Witz zu verwandeln. Ob sie wohl ahnte, wie treffend ein Vergleich seines Wesens mit Orpheus tatsächlich war?


    Aristea rollte sich zur Seite. "Ungern. Aber wenn meine Göttin darauf besteht...", er lächelte. Natürlich war auch ihm klar, wo Aristea die Nacht verbringen würde, aber das musste er ihr ja nicht klar machen.

    Es war äußerst heiß, als Xanthias durch die engen Gassen in der Nähe des Mercatus eilte. Er war am Rückweg von einem Botengang für seine Domina. Eigentlich hatte er den Rest des Tages frei, aber trotzdem lief er zielstrebig in Richtung der Casa Decima. Dort im Garten würde es wenigstens etwas kühler sein, und er könnte in Ruhe etwas lesen oder Musik machen. Ja, das war eine gute Idee, er hatte die Lyra schon lange nicht mehr geschwungen, obwohl das früher zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählte. Früher, in Griechenland. Er hatte mit seinem alten Leben noch immer nicht vollständig abgeschlossen, stellte er fest. Wahrscheinlich würde er das auch nie können. Wollte er es überhaupt?


    Als er so in Gedanken versunken dahineilte, fand er sich plötzlich am Mercatus wieder, in der Nähe eines kleinen Brunnens. Als er das Wasser plätschern sah, spürte er erst, wie trocken seine Kehle war, und dass er schon lange nichts mehr getrunken hatte. Die paar Minuten würde er wohl auch noch in der Sonne aushalten, dachte er sich und änderte seinen Kurs in Richtung des Brunnens. Als er dort ankam, bildete er mit beiden Händen eine Schale, in die er das frische Wasser strömen ließ. Dann führte er sie zum Mund und ließ das erfrischende Naß langsam seine rauhe Kehle hinunterrinnen. Gleich füllte er die Hände nochmals mit Wasser, um auch sein Gesicht zu erfrischen. Das tat gut! Einen letzten Schluck tat er noch, dann blickte er auf ... und geradewegs in das Gesicht eines hübschen jungen Mädchens.


    "Oh, ich habe dich gar nicht bemerkt! Mein Name ist Xanthias, wie heißt du?", sprach er sie mit einem Lächeln auf den Lippen freundlich an.

    So miserabel die Situation im Moment auch war, Xanthias musste lächeln. Aristea war einfach ein so liebenswerter Mensch. Jetzt versuchte sie ihm sogar noch sein schlechtes Gewissen zu nehmen. Außerdem hatte sie eigentlich recht, wozu die Dinge überstürzen? Ihn eilte nichts und so wie es aussah, würde er wohl noch lange Zeit im Besitz der Decima bleiben, also konnte er sicherlich auch warten, bis Aristea bereit war. Schließlich schien es ihr gefallen zu haben, denn Xanthias schenkte ihren Worten Glauben, auch wenn es gut möglich war, dass sie auch diese nur gesagt hatte, damit er sich besser fühlte. Er blickte etwas schelmisch in ihre Augen. "Du hast wohl Recht. Aber ich werde bis in alle Ewigkeiten warten, wenn es sein muss. Du wirst mich nicht mehr los!", Xanthias lächelte sie an, in der Hoffnung, dass er durch seine Worte auch sie zum Lächeln bringen würde, und die Situation so etwas entschärfen könnte - immerhin lag sie immer noch, mit beiden Händen abgestützt, über ihm.

    Sim-Off:

    Sorry. Wird nicht wieder vorkommen.


    Es war gewaltig. Eine Explosion an Sinneseindrücken, die sich ereignete als Xanthias Aristeas zarte Lippen berührte, ihr feines Haar durchfuhr. Nie wäre er auch nur im Traum auf den Gedanken gekommen, dass es Aristea nicht gefallen könnte. Doch aus irgendeinem Grund schien sie zu zögern, küsste Xanthias noch ein letztes Mal, bevor sie ihren Kopf hob und sich mit den Armen von der Liege abstützte. Während sie nun sprach, fielen ihr die Haare etwas ins Gesicht, was sie nur noch schöner machte.


    Dann die kalte Dusche. Ernüchterung. Sie schien Bedenken zu haben, die nicht so einfach aus dem Weg zu wischen waren wie bei Xanthias, der mit seinem Leben eigentlich schon abgeschlossen hatte ... bis zu dem Zeitpunkt, als er Aristea begegnet war.


    "Aber..." Xanthias blieben die Worte weg, noch nie war ihm Ähnliches widerfahren. Noch nie hatte ihn eine Frau auf diese Weise abblitzen lassen, und dann ausgerechnet diese Sklavin? Aber er respektierte ihren Wunsch, ihre Bedenken natürlich. Eines musste er allerdings klarstellen.


    "Aristea, du bist sicherlich kein Trostpflaster, es mag stimmen, dass ich einsam bin, doch das hat mit dieser Sache nichts zu tun. Du bist einfach wunderschön und ich ...... bitte verzeih mir." und er blickte tief in ihre braunen Augen und hoffte dass sie es tun würde.

    Die Wärme in Xanthias Körper breitete sich aus und nahm an Intensität zu. Auf seiner Haut spürte er ein angenehmes Kribbeln, ausgehend von der Magengegend, doch sich rasch über den gesamten Körper bis in die Fingerspitzen ausbreitend. Sie waren einander sehr nahe. Xanthias konnte Aristeas Atem in seinem Gesicht fühlen. Im fahlen Schein des Lichts, das vom Türspalt in den Raum fiel, betrachtete er das Antlitz der Sklavin. Ihre dunklen Augen, die feinen, anmutigen Züge, ihre wohlgeformten Lippen, als sie zu sprechen begann. Tausend Gedanken, Einwände, Bedenken schossen ihm durch den Kopf, doch etwas Gewaltiges aus seinem tiefsten Inneren hatte sich seiner bemächtigt, hatte Dinge in Gang gesetzt, die er nicht mehr aufhalten konnte, selbst wenn er gewollt hätte. Langsam, wie in Trance, hob er seine rechte Hand, die Zeit schien stehen zu bleiben, er musste nicht darüber nachdenken, was zu tun war. Sanft strich er ein paar Strähnen ihres schwarzen Haares aus ihrem Gesicht bis hinter ihr Ohr. Von dort führte er seine Hand langsam in ihren Nacken. Er neigte seinen Kopf etwas weiter nach vor, näherte sich ihrem Gesicht, führte aber gleichzeitig auch mit seiner Hand ihren Kopf etwas weiter an seinen heran. "Ich habe meinen Gefühlen noch nie so sehr getraut, wie in diesem Moment, Aristea.", unterbrach er sie sanft. Dann erreichten sich ihre Lippen. Während er begann, sie anfangs sehr vorsichtig, doch immer leidenschaftlicher zu küssen, berührte er mit seiner linken Hand ihren Oberschenkel und begann sie langsam auf die Liege zu ziehen, so, dass er schließlich unter ihr lag und sie sich über ihm befand. Dann strich er, mit seiner linken Hand von ihrem rechten Oberschenkel ausgehend, ihre gesamte Seite entlang mit seinen Fingespitzen nach oben, bis er auch mit seiner zweiten Hand in Aristeas Nacken landete, wo er, sie noch immer küssend, begann ihren Kopf sanft zu streicheln.

    Nun, die Decima schien zumindest nicht in die für Römer so typische barbarische Wut auszubrechen, wenn man ihre Kultur als unterlegen darstellte. Das machte sie für Xanthias schon etwas sympathischer. Ganz im Gegenteil schien seine Aussage die Römerin sogar zum Lächeln gebracht zu haben. Sie dachte wohl, sich in einer überlegenen Position zu befinden. Doch diese Illusion würde Xanthias wohl zerstören müssen. Also holte er aus zu einem apologetischen Verteidigungsschlag.


    "Nun, domina, Horaz mag zwar Römer gewesen sein, doch wenn wir die Epoden betrachten, so ist er in ihnen doch nur Nachahmer des großen Ioniers Archilochos von Paros. Insofern demonstriert er selbst als bestes Beispiel wie sehr die römische Lyrik abhängt von der griechischen und ohne sie nicht existieren kann. Diese Tatsache mochte mich zum einen bewegt haben, eben dieses Stück auszuwählen, zum anderen und vor allem war es jedoch sicherlich die Aussage des Stücks an sich. Denn wenn selbst ein Anhänger eines Volkes nicht umhin kommt, dessen Mordlust auf das Heftigste zu kritisieren, so müsste das eben diesem Volke wohl zu denken geben."


    In der Tat schien diese Diskussion eine interessante Entwicklung zu nehmen, und der Grieche war bereits sehr gespannt ob und wie seine Herrin kontern würde.

    Aristeas Lächeln ließ keinen Zweifel daran, dass sie Xanthias' Frage völlig richtig verstanden hatte. Als sie dann so antwortete, wie er es im tiefsten Inneren zwar zu hoffen gewagt, doch fernab vom Bereich des Möglichen angesehen hatte, entflammte ein Feuer in ihm. Es war lange her, seit er das letzte Mal ein ähnliches Gefühl verspürt hatte. Fast schon hatte er vergessen, wie es sich anfühlte. Doch mit einem Schlag kehrten die Lebensgeister in den Körper des Griechen zurück. Und sein Leben, das er schon als verwirkt angesehen hatte, durchfuhr plötzlich gewaltvoll ein frischer Wind.


    Er dachte kurz nach wie weit er gehen konnte. Aus Aristeas Antwort schloss er, dass auch sie wohl ähnliche Gefühle, wenngleich nicht in dieser Intensität verspüren musste, hätte sie sonst nicht einen Freund erfunden, oder sich erst gar nicht auf das Gespräch eingelassen?


    Xanthias blickte in Aristeas braune Augen. Irgendein Zeichen würde ihm verraten, ob sie einverstanden war mit dem, was sich in diesem Moment zwischen ihnen entwickelte.

    Seianas Einstellung gegenüber Sklaven gefiel Xanthias. Auch in seiner Familie hatte ein äußerst lockerer Umgang mit den Sklaven geherrscht - er selbst hatte sie ohnehin stets eher als Freunde als Untergebene betrachtet. Auch lange Diskussionen mit den Sklaven hatte er genossen, in denen sie frei und ohne Rücksicht auf den Standesunterschied ihre persönliche Meinung vertreten konnten.


    Die Frage seiner Herrin wollte Xanthias ehrlich beantworten, auch wenn er dadurch in Gefahr lief, sich unbeliebt zu machen: "Es wird euch nicht gefallen das zu hören, domina, aber diese Epode des Horaz spiegelt meine innere Einstellung Rom gegenüber wider. Ich bin tief überzeugt von der geistigen und kulturellen Überlegenheit Griechenlands über Rom. Wenn überhaupt, so war es wahrscheinlich Mut, der mich bewog, so klar zu sprechen."


    Manche würden es wohl töricht nennen, als Sklave seiner neuen, römischen Herrin gegenüber so zu sprechen. Doch Xanthias war ein Mensch, der seine Überzeugungen nicht leichtfertig traf, sondern immer erst nach intensiver Beschäftigung und mit aller Bestimmtheit seines Geistes und Herzens. Wenn er sie allerdings getroffen hatte, so behielt er sie nicht für sich, und würde - wenn es das Schicksal verlangte - auch mit seinem Leben für sie einstehen. Deshalb stand es auch jetzt für ihn nicht zur Debatte, sich seiner neuen Herrin gegenüber als ein anderer Mensch auszugeben, als er tatsächlich war. Grieche mit Leib und Seele.

    Mit einem schelmischen Grinsen begann Aristea ihn weiter zu necken. Lächelnd blickte er sie an. "Mag sein, dass ich abgestumpft bin ... die Ratten und meine anderen Gefährten hat allerdings weder mein Aussehen, noch mein Körpergeruch gestört" er musste lachen obwohl er im Gedenken an die letzte Zeit eigentlich schaudern müsste. "Trotzdem fühlt es sich so besser an."


    Aristea nahm seine Aufforderung an und ließ sich neben ihm auf der Liege nieder. Xanthias musste überlegen. Eigentlich wollte er gar nichts sagen, er genoss die bloße Nähe des Mädchens. Schließlich aber, bevor die Stille unangenehm wurde: "Gibt es außer deinen Eltern, Tomyris und Demokedes noch jemanden in deinem Leben, für den du soviel empfindest?" in griechischen Worten stellte er Aristea diese persönliche Frage. Er wusste nicht, ob er damit zu weit gegangen war, allerdings knüpfte die Frage logisch an das Gespräch vor der Unterbrechung an.

    Xanthias richtete sich etwas auf. Einen Moment lang betrachtete die junge Sklavin den Körper des Griechen. Ihr Blick blieb an seiner Narbe hängen. Xanthias versuchte in ihrer Miene zu lesen, ob sein Anblick etwas in ihr bewegte, konnte aber nichts erkennen. Schnell blickte sie wieder auf und direkt in seine Augen. Auch ihre Augen waren dunkel. Erstmals hatte Xanthias die Gelegenheit ihr Gesicht zu betrachten. Ihre Züge waren fein, weich, wunderschön.


    "So so, findest du?" erwiderte er mit einem Lächeln auf den Lippen Aristeas Bemerkung bezüglich seines Körpergeruchs. Seine Handgelenke schmerzten in der Tat noch immer an den Stellen, an denen sich die Seile des Sklavenhändlersin seine Haut geschnitten hatten. Doch seine Schmerzen hatte Xanthias in der letzten Stunde nahezu vergessen. Viel zu sehr war er verzaubert gewesen von der jungen Sklavin, ihren Worten, den Bildern, die ihre Erzählungen in seinem Innern erzeugt hatten.


    Alles ging viel zu schnell. Gerade erst hatte er Aristea kennengelernt und schon hatte sie ihn in ihren Bann gezogen und er sich widerstandslos unterworfen. Er hatte Dinge gesagt, über die er sich selbst noch nicht einmal klar gewesen war. Und trotzdem wollte er nicht, dass es jetzt vorbei wäre. Viel zu gut hatte ihm das Gespräch, allein die bloße Anwesenheit Aristeas getan.


    "Setz dich doch." er deutete mit seiner Hand neben sich auf die Liege.

    Aristea schien froh zu sein, dass er nicht darauf bestanden hatte, das Wasser selbst zu holen, vielleicht brauchte sie auch einfach etwas frische Luft. Oder Abstand, Distanz. Sie stimmte seiner Bedingung zu, ihm morgen die Casa zu zeigen, allerdings nur, wenn sie etwas Freizeit haben und Demetrios sie lassen würde. Dieser Demetrios, obwohl ein Grieche wie Xanthias, hatte bei ihm keinen guten Eindruck hinterlassen. Schon am Markt hatte er ihn etwas misstrauisch angeblickt und auch den restlichen Tag war er sehr wortkarg gewesen. Ganz anders als Aristea, die sich inzwischen ihren Weg durchs Servitriciuum gebahnt und die Tür beim Hinausgehen einen Spalt weit offen stehen gelassen hatte.


    Es würde wohl ein bisschen dauern, bis sie wiederkam, also begann Xanthias sich Gedanken zu machen. Er hatte Aristea schon viel über sich erzählt. Vielleicht zu viel für die kurze Zeit, die sie sich erst kannten. Allerdings hatte auch sie von persönlichen Dingen gesprochen. Sie schien ein freundliches Wesen zu sein, wohl auch ungefähr so alt wie Xanthias, er hatte sie allerdings noch nicht nach ihrem genauen Alter gefragt. Und es war wunderbar mit ihr zu sprechen, ihre Stimme klang noch immer in Xanthias' Kopf, die griechischen Wörter gaben ihm ein heimeliges Gefühl. Eigentlich war er froh, sich der jungen Sklavin so sehr anvertraut zu haben, mit irgendjemandem musste er ja reden und er hätte sich wohl keine angenehmere Gesprächspartnerin wünschen können.


    Als Aristea den Raum wieder betrat, schreckte Xanthias aus seinen Betrachtungen hoch. Im Lichtstrahl der durch die Tür fiel konnte er sie genauer betrachten. Sie war schön. Ihre Gestalt, die Bewegungen, die Züge hatten etwas Griechisches wenn auch nicht zur Gänze. Wer war wohl ihr Vater gewesen? Sie näherte sich der Liege mit einer Sicherheit und Eleganz in ihren Bewegungen, die Xanthias ihr ob der späten Stunde und der Tatsache, dass sie einen relativ dunklen Raum - inzwischen etwas erhellt durch das Licht von der Tür - betreten hatte, gar nicht zugetraut hätte.


    Mit einem Lächeln auf den Lippen reichte sie dem Griechen den Becher, der ihn gerne annahm. Kurz berührten sich ihre Hände. "Danke" sagte Xanthias auf Griechisch, als Aristea ihre Hand wegzog.

    Überwältigt von ihrer Entschiedenheit ließ sich Xanthias wieder auf seiner Liege nieder. Ihr Vorschlag, sein Angebot als "quasi in die Tat umgesetzt" zu betrachten ließ in lächeln.


    "Also in Ordnung. Ich warte hier. Allerdings nur unter der Bedingung, dass du mir morgen wirklich die Casa zeigst!" ließ er sich überreden, was jedoch weniger daran lag, dass er keine Lust hatte, Wasser zu holen sondern vielmehr daran, dass er tatsächlich nicht die geringste Ahung hatte, wo er es jetzt her bekommen könnte.