Seianas Entgegnung viel anders als erwartet aus. Ihre Worte ließen Xanthias nicht nur auf ein großes diplomatisches Geschick schließen, welches die Römerin zweifellos besaß, sondern vielmehr auf Klugheit, ja nahezu Weisheit, die den Griechen im Laufe ihrer Antwort unweigerlich auf ihre Seite zog, sodass er schlussendlich etwas verdutzt dasaß und nicht mehr anders konnte als ihr beizupflichten. Die Decima hatte es doch tatsächlich fertig gebracht, den sonst so wortgewandten Griechen etwas in Verlegenheit zu bringen, was Xanthias nicht nur in Erstaunen sondern vor allem in Bewunderung versetzte - ein Gefühl, das er anderen Menschen, und am wenigsten Römern, nur äußerst selten empfand.
"Es ehrt mich zutiefst, domina, dass Ihr das Können und Wissen meines Volkes nicht nur schätzt, sondern auch vom fruchtbaren Einfluss unserer Kultur auf die Eure die richtigen Ansichten habt. Ich muss Euch außerdem beipflichten, dass das Talent eines Volkes, die Errungenschaften anderer Völker anzuerkennen, und in den eigenen Alltag zu integrieren, von wahrer Überlegenheit zeugt - schließlich sind auch wir Griechen uns unserer kulturellen Wurzeln, die zum Teil auch im Humus anderer Völker ranken, wohl bewusst." Auch wenn die meisten Griechen das nicht ohne weiteres eingestehen würden, wodurch sie sich von den Römern nicht allzusehr unterschieden, wie Xanthias leider feststellen musste. Diese römische Dame allerdings, die ihm jetzt gegenüber saß, und als deren Sklave er wohl die nächste Zeit zu verbringen gezwungen sein würde, schien zu wissen, wovon sie sprach, und ihre Worte imponierten dem jungen Griechen. Sein Los schien ihm mit einem Mal leichter zu ertragen, da seine Herrin ihm offenbar intellektuell mindestens ebenbürtig war.
"Es gehört zu den edelsten Tugenden, seine eigene Unkenntnis einzugestehen, um von anderen zu lernen. Hochmut und Ignoranz halten in der Tat nur Narren auf, sich der Weisheit eines anderen Menschen - oder Volkes - zu beugen."
Während er sprach, wurde er sich plötzlich seiner gewaltigen Müdigkeit bewusst, die ihn fast schon zu überwältigen drohte. Er musste das Gespräch wohl, selbst mit dem Risiko, unhöflich zu wirken, in eine andere Richtung lenken. "Entschuldigt, domina, doch es war ein sehr anstrengender Tag für mich, ich möchte Euch um die Erlaubnis bitten, mich zurück zu ziehen." Bewusst hatte der Grieche sie nicht nach etwaigen Aufgaben gefragt, schließlich würde sie ihm diese wohl ohnehin zukommen lassen, sobald sie sich über ihn ausreichend Gedanken gemacht hatte.