"Vielen Dank Consul Cuspius."
Mit diesen Worten und einem dankenden Kopfnicken in Richtung Konsul erhob sich Livianus von seinem Sitzplatz und trat in die Mitte des Saals. Bei seinem kurzen Weg dorthin fiel ihm wieder ein, dass es ihm im Laufe seines Lebens immer leichter gefallen war - egal in welcher Situation - vor seinen Soldaten zu sprechen, als hier in diesen altehrwürdigen Hallen, die ihm nach all der Zeit auch heute noch einen gehörigen Respekt und eine gewisse Ehrfurcht einflößte, eine Rede zu halten. Er versuchte seinen leichten Anfall von Nervosität zu unterdrücken und breitete, wie es bei Reden vor einer Versammlung durchaus üblich war, seine Arme aus.
"Patres conscripti,
Eine dunkle Zeit liegt hinter uns und ich bin wahrlich froh, heute wieder hier bei euch zu stehen und in viele bekannte und vertraute Gesichter blicken zu können. Vieles hat sich im Laufe dieser stürmischen Zeit verändert, und auch ich war bei meiner Rückkehr nach Rom schockiert über das was ich gehört und mit eigenen Augen gesehen habe. Das römische Volk, aber auch der Senat hat das heillose Durcheinander und die grauenvollen Verbrechen, mit denen der Usurpator Vescularius Salinator unsere geliebte Urbs aeterna überzogen hat, noch nicht überwunden, und die Konsequenzen des Bürgerkrieges sind noch aller Orts zu sehen und zu spüren. Unser vorrangigstes Ziel als Senatoren Roms sollte sein, den Menschen und dem Reich wieder seine Stabilität zu geben. Denn auch wenn sich im Laufe der langen Geschichte unseres Reiches viel verändert hat, eines ist immer gleich geblieben: Die Konstanz und die Routine dieser Institution. Ein wichtiger Eckpfeiler unserer Gesellschaft, auf den unser Volk seit Jahrhunderten bauen konnte und es bestimmt auch die nächsten Jahrhunderte noch können wird.
Ich stehe heute mit dem großen Wunsch vor euch die Arbeit aufzunehmen, die unsere geschätzten amtierenden Consuln nach dem Ende des Bürgerkriegs begonnen haben. Trotz der bisher vergangenen Zeit habe ich immer noch das Gefühl, dass so manche Wunden noch nicht verheilt sind und so manche Gräben noch nicht überwunden wurden. Ich denke, dass es nicht nur mir so geht, und uns allen ist bewusst, dass es wohl auch noch einige Zeit dauern wird, bis uns der Alltag wieder eingeholt hat und alles seinen gewohnten Gang nimmt. Aus diesem Grund ist es mir auch ein großes Bedürfnis, meinen Teil dazu beitragen zu dürfen, wieder etwas zu bewegen und mitzuhelfen die Folgen dieser Schreckensherrschaft und deren unseligen Ausgang möglichst zu einem raschen Ende zu führen. Ein Ende, das uns letztendlich wieder eine zukunftsreiche Aussicht bescheren möge.
Mir ist bewusst, dass in der Vergangenheit nicht immer ein jeder von euch einer Meinung mit mir war und ich berichte nichts Neues, wenn ich euch an die Uneinigkeit erinnere, die früher oft in diesen Hallen herrschte. Doch gerade jetzt, so kurz nach einem bewaffneten Konflikt, in dem Römer gegen Römer standen, in dem Brüder ihre Brüder erschlagen mussten und die Urbs aeterna ihre Söhne auf beiden Seiten verlor, ist es von unbestreitbarer Wichtigkeit, dem Volk Einigkeit und Verbundenheit vorzuleben und dem Zorn und dem Wunsch nach Vergeltung, der bei einigen noch unter der Oberfläche brodelt und ausbrechen könnte entschlossen und einig entgegenzuwirken. Ich bitte euch nicht, die Kontroversen aus der Vergangenheit, die unter manchen von euch oder auch unter uns herrschten zu vergessen. Aber ich bitte euch sie hinten anzustellen und der Vernunft Vortritt zu lassen. Einer Vernunft, die uns dazu leitet Rom und seinem Volk wieder das zurück zu geben, was es verdient – Frieden, Wohlstand und Stabilität."
Livianus ließ diese Worte ein wenig auf die versammelten Senatoren wirken, ehe er weitersprach.
"Mit großer Freude habe ich so wie ihr im Laufe dieses Tages gesehen, dass viele junge Männer aus gutem Hause um unsere Gunst wetteifern und sich um ein Amt im Cursus Honorum bemühen. Ich kann euch nur bitten ihnen allen eine faire Chance zu geben, ganz gleich welchem Stand oder welcher Familie sie angehören mögen. Gleichzeitig hat es mich auch in meinem Wunsch das Consulat anzutreten bestärkt. Denn ich sehe es als eine der Hauptaufgaben eines Consuls vor allem in Zeiten wie diesen, solchen jungen Männern in ihren Bemühungen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, sie anzuleiten und ihnen die gemeinsame Richtung zu weisen. Ich denke, dass meine Person und mein bisheriger Werdegang allgemein bekannt sind und ich hoffe ihr schreibt mir die nötige Erfahrung zu, die es braucht um ein solches Amt ausfüllen und ausüben zu können.
Darüber hinaus habe ich vor als gewählter Consul ein augurium salutis in Auftrag zu geben, sowie unseren Imperator und den gesamten Senat einzuladen ein großes Opfer gemeinsam mit mir und den Magistraten des Cursus Honorum im Beisein des römischen Volkes darzubringen. Auch unseren Göttern gegenüber müssen wir unsere Einigkeit demonstrieren und zeigen, dass wir Römer nach diesem Bürgerkrieg alle Feindseligkeiten gegenüber unseren Nächsten abgelegt haben und der umfassende Friede im Römischen Reich wieder hergestellt ist.
Es wäre mir eine Ehre und eine Freude, wenn ihr mir das Vertrauen aussprecht und es mir ermöglicht Rom, seinem Volke und euch im kommenden Jahr als Consul zu dienen. Ich kann euch versichern, dass ich es mit ebenso viel Pflichtgefühl, Standhaftigkeit und Sorgfalt angehen werde, wie ich auch meine bisherigen Ämter und Kommandos zum Wohle unseres Reiches ausgeübt habe.
Ich danke euch."
Damit schloss Livianus seine Rede ab, senkte seine Arme und blieb in der Mitte der Halle stehen. Gleichzeitig ließ er seinen Blick durch die Runde schweifen und wartete darauf, ob jemand eine Frage stellte oder ihn vielleicht einer seiner Befürworter unterstützend zu Wort meldete. Schließlich war er schon vor der Wahl nicht untätig gewesen und hatte die Zeit für einige Gespräche genutzt.