Beiträge von Marcus Marius Madarus

    Zitat

    Original von Paullus Atius Scarpus


    "Da liegst du sehr richtig..", grinste Sönke den Mann verschmitzt an, bevor er den Rest seines Bechers in sich hineinstürzte, "..als Legionär Roms werde ich es zu Ruhm und Ehre bringen, ganz im Sinne der großen Feldherren wie Käsar, Aleksanner und natürlich Gaius Mahrius, jawoll!"


    Als der Mann von seiner Familie erzählte, stutzte Sönke nicht schlecht, dessen Sippe doch stets und seit gefühlten Ewigkeiten auf demselben Hof abseits der Stadt lebte. Verwandte irgendwo anders suchen... da fiel ihm nur sein Vetter Rolf ein, der in Bingium wohnte, das mit einigen Stunden Wegstrecke eine halbe Welt entfernt schien.
    "Du hast Verwandte gesucht? Und was hat die hierher getrieben? Und wieso musstest du sie suchen?"


    Als der Mann sich abwandte um sich etwas zu Essen zu organisieren war Sönke nur allzu gern bereit dem Marsch zu den Tafeln zu folgen, Reden machte ja so hungrig, und noch einmal so hungrig wenn es umsonst Essen gab.
    "Oh ja.. gute Idee, vielleicht ist noch etwas von den drei Schweinen da, die sie extra für diesen Abend geschlachtet haben.", brummte der Junge genießerisch als er dem Atier folgte, "Oh, doch, so einige kenne ich... allerdings sind das meist keine Bürger, und noch seltener Menschen von Stand. Die Duccii sind da wohl die einzigen, und die reichen ja auch, wenn du sie kennst. Eine große und sehr angesehene Familie." Wobei ihm wieder Hadamar einfiel.. wo trieb der Typ sich denn nur rum?

    "Die Ala...", sprach Sönke mit offener Bewunderung in seiner Stimme, "..da wollte ich hin. Aber jetzt hat man mir das Bürgerrecht verschafft, und so kann ich zur Legion gehen. Außerdem bin ich nicht so gut zu Pferd, das kann mein Bruder Thorgall besser als ich."


    Nervös nippte Sönke an seinem Met um vor der Kälte zitternden Glieder wieder in Zaum zu bekommen. War dieser Tag die Definition von arschkalt, und hatte der dick in Fell und Wolle eingepackte Mensch beim tatenlosen rumstehen nichts besseres zu tun als sich durch Flüssignahrung aufzuwärmen. Gespannt hörte er dabei dem Mann zu, doch je mehr er sagte, desto mehr musste Sönke schließlich den Kopf schütteln: "Die Legion ist meine Bestimmung, da bin ich mir sicher. Die Nornen haben mir diesen Weg gewiesen, und ich werde ihn gehen. Außerdem... ich bei der Verwaltung? Guter Mann, ich kann nicht einmal lesen und schreiben.. was sollte ich bei der Verwaltung?" Mal ganz davon abgesehen, dass Sönke sich besseres vorstellen konnte als in einer kleinen Kemenate den Schriftstengel zu schwingen und dabei zu versauern.


    "Keine nordischen Götter... UNSERE Götter. DIE Götter, wenn du es so sagen willst. Ich habe mir sagen lassen die Römer nennen sie Iupitter und Ceres.. und Odin, oder Wodan ist der Göttervater, richtig. Aber Freya ist nicht seine Frau, Wodans Frau ist Frigg. Die Römer nennen sie Iuno, glaube ich.", wieder wärmte ein Schluck des goldenen Göttertrunks Sönkes Innenleben, und wieder musste er ob der Worte des Mannes staunen, "Hispania? Das ist doch echt weit weg... sicher eine Woche oder gar mehr zu Fuß! Wie verschlägt es einen dann hier zu uns in die Wälder?"

    "Ein Soldat also?", griff Sönke gierig die Information auf, die man ihm gerade zuteil hat werden lassen, "Ein richtiger Soldat? Das ist ja toll... ich will auch Soldat werden! Aber ich habe meinen sechzehnten Winter noch nicht erlebt, und darf deshalb noch nicht... aber bald werde ich zur Legion gehen, und ein richtiger Streiter Roms werden! Genauso wie du!" Dass er vor allem nicht gehen konnte, weil er seinen Eltern noch diesen einen Winter auf dem Hof helfen musste, das wollte er hier nicht erwähnen. Hätte es ihn nicht gehalten, wäre er schnurstracks nach der Bürgerrechtsverleihung zur Castra gelaufen, hätte dem Rekrutierungsmenschen rotzfrech ins Gesicht gelogen, und wäre schon als fünfzehn Jahre alter Junge in die Legion eingetreten. So war das! Wahrscheinlich hätte er vorher noch seinen Flaum wochenlang nicht rasiert um älter auszusehen, und dann wäre er Soldat geworden!


    "Das hier?", fragte er verwundert, denn es wollte ihm beim besten Willen nicht einfallen wie man in Germania leben konnte ohne mitzubekommen was das Julfest war, "Das ist das Jul! Die längste Nacht des Jahres! Die Sonne wird wiedergeboren und mit zunehmender Kraft den Sommer bringen. Man wird Freya opfern um die Nacht zu überstehen und begeht die lange Dunkelheit im Kreis von Freund und Familie. Odin wird im ersten Morgengrauen die Geister der Toten über den Himmel führen, ich hoffe ihr habt im Castellum genug Essen vor die Türe gestellt..."

    Oh, wie peinlich. Der Kerl stellte sich nicht einmal selbst vor... Sönke zog Luft zwischen den Zähnen ein und überlegte sich, wie er die Situation wohl entschärfen mochte. Auch wenn der Mann ihm ein frohes Julfest wünschte, wirklich begeistert schien er nicht zu sein. Aber was half bei solcherlei Dingen? Richtig. Alkohol!


    "Einen Moment..", sprach Sönke und verzog sich eilends in der Menge, nur um wenige Augenblicke später mit zwei dampfenden Bechern mit heißem Met zurück zu kommen. Volksspeisungen waren echt gefährlich, besonders für einen Menschen wie Sönke, der Überfluss nicht kannte.
    "Der vertreibt die Kälte schneller als den Gliedern als es die Flammen können..", grinste der Junge den Mann an, nur um dann verlegen den Becher zwischen den Händen zu drehen, "..entschuldige, aber du bist nicht von hier, oder? Die Stadt ist nicht unbedingt groß.. man kennt sich. Aber du... nein, du bist nicht von hier. Bist du ein Handelsmann? Hat es dich eingeschneit?"

    Zitat

    Original von Paullus Atius Scarpus
    Mehr als 2 Stunden später und etlichen Pausen aufgrund der miserablen Strassenlage kam Scarpus etwas erfroren am Schauplatz des Festes an. Er hatte sich vorgenommen der Verwaltung einen Beschwerdebrief zu senden aufgrund der unzulänglichen Räumung der Strassen welche ein grosses Hindernis war um Truppen schnellstmöglich von A nach Y zu verlegen.


    Doch die Szenerie vor Ort ließ ihn den Gedanken vergessen denn was er hier sah lenkte ihn völlig ab.


    Nase und Lippen tief in einem Becher mit gewürztem Wein versteckt (was er eigentlich absolut widerlich fand, aber als neuer Bürger des römischen Reichs eine seltsame Pflicht empfand sich diesem Gesöff auszuliefern) trottete Sönke über den Platz und bewunderte das große und offene Feuer. Was er allerdings noch mehr bewunderte, war die Tatsache, dass so verdammt viele Leute da waren. Das wachsende Feuer verdrängte ließ die Abendämmerung noch viel früher zur Dunkelheit werden, und die Schemen der Menschen gaben ein gespenstisches Bild ab, aber irgendwie schienen so auch alle gleich. Nicht, dass er Gefahr lief gleich dem Statthalter auf die Schulter zu klopfen...


    Wem er allerdings auf die Schulter klopfte, war definitiv nicht Hadamar. Das war wer anders.. allerdings fiel Sönke das erst auf, als der Mann sich umdrehte und so sein Gesicht durch die lodernden Flammen erhellt wurden.
    "Hadamar, altes.. oh..", stutzte Sönke, dem die Sache sofort peinlich war. Aber wie war das noch? Ein römisches Soldat wich nicht zurück. Nein, er griff immer an... auch wenn Sönke weit davon entfernt war ein römischer Soldat zu sein, so nahm er diese durch viel jugendliche Fantasie katalysierte Regel sehr ernst.
    "Salve, ich bin Marcus Marius Madarus, Bürger des römischen Reichs und der Civitas Mogontiacum!", stellte er sich mit viel gewolltem Stolz und kaum übersehbarer Naivität selbst vor, "Ein frohes Jul dir, Fremder!"

    "Ja, aaaaaber...", begann Sönke mit bedeutungsschwangerer Stimme, "...mein Vater ist mein Vater, und deine Mutter ist deine Mutter. Wir könnten nicht einmal Plätze tauschen, wie soll ich meine Haare so rot bekommen? Und dann noch die ganzen Pickel! Und diese schrille Stimme! Ich erinnere mich noch genau als Lanthilda meinte, du wärst doch ein sehr ansehliches junges Mannsbild. Bis du den Mund aufgemacht hast. Jetzt heiratet sie wohl wen anders.. außerdem ist es sowieso utopisch, dass einer von Wolfriks Erben einen aus meiner Sippe heiratet. Aber genug.. AUTSCH... nein, hast du nicht, fällt mir gerade so ein."


    Sönke rieb sich den Oberarm in gespielter Empörung und blickte Hadamar gespielt vorwurfsvoll an.
    "Moment... DIE Walda? Wann war das? Kann doch noch garnicht so lange her sein, hat die nicht gerade einen Jungen zur Welt gebracht, und dann Hals über Kopf diesen Scriba aus der Stadt geheiratet?"
    Mit zusammengekniffenen Augen stierte Sönke seinen Freund an, voll der Hoffnung, dass dieser darauf einstieg. Immerhin war es immer ein verdammt großes Risiko sich mit einer Frau einzulassen, die wurden immer so schnell schwanger. Und drehten dann voll am Rad.. was man auch verstehen konnte, immerhin konnte man so durch einige Augenblicke der Freude die Zukunft einer ganzen Familie verhageln. Andererseits wussten die Mädels oft auch, warum auch immer, wann was ging, und wann gerade nicht. Was Sönke nicht im Ansatz verstand. Mutter hatte Lanthilda immer beiseite genommen wenn es um Frauensachen ging, und Hartwig die Jungs, wenn es um Männersachen ging. Da war eine klare Grenze dazwischen, an die zu überschreiten Sönke im Leben nicht denken würde. Frauen waren... Frauen. Und kümmerten sich folglich um Frauenkram. Und Männer waren Männer... und kümmerten sich folglich um Männerkram. Das einzige, was Sönke noch mitbekommen hatte, war die sein Vater Frigg geopfert hatte um die Geburt seines jüngsten Geschwisterkinds zu begleiten und zu einem guten Ende zu führen. Sönkes dritter Bruder überlebte die erste Nacht nicht, aber seine Mutter. Und das war es letztendlich worauf es ankam.

    "Mein Vater sieht nur zwei Hände weniger bei der Arbeit.", grummelte Sönke in seinen nichtvorhandenen Bart, "Weißt du, was er gesagt hat, als Witjon ihm eröffnete, dass ich das Bürgerrecht bekomme? Er hat versucht, mich noch die letzten Monate als Arbeitskraft zu behalten. Sönke hat noch nicht einmal die Mannbarkeit erreicht, Witjon."
    Röchelnd zog Sönke hoch, und rotzte einen satten Flatschen in den Teich, die Fische waren ihm im Moment sowieso scheiss egal.
    "Mein Vater ist nicht stolz. Alles andere als das. Ich musste die Urkunde bei Witjon lassen, aus Angst, Vater würde sie zerreissen. Mutter ist auch nicht besser.. die hat nur Angst davor, dass die Römer mich umbringen! Dabei will ich doch MIT ihnen kämpfen, nicht GEGEN sie! Die einzige, die gratuliert hat war Lanthilda."


    Mit trübem Blick starrte er weiter auf die sich wieder beruhigende Wasseroberfläche. Er hatte sich das alles vollkommen anders vorgestellt.. und jetzt das. Na, wenigstens war die Aussicht auf Mädchen etwas erfrischender.


    "Öhm.. naja... also...", versuchte Sönke sich an einer originalgetreuen Beschreibung des mogontinischen Fummel- und Grabschmarktes, "..nein. Es ist nicht einfacher. Ich weiß nicht, wie du das mit dieser.. wie hieß sie noch? Nun, wie du das mit der gemacht hast... ich habe HAARGENAU dasselbe versucht, und dafür eine gelangt bekommen!"

    "Junge, das ist ein Schwert.", grunzte Sönke mit verdrehten Augen, "So ein Teil ist alleine vom Metall her schon zehn Schweine wert. Außerdem ist es ein Schwert, verdammte Axt.. meines Vaters Väter haben höchstens mal einen Speer in der Hand gehabt, oder eine kleine Axt, wenn überhaupt. Ein Schwert ist... nun.. ein Schwert!"


    Er sah seinen Freund perplex an, streckte die Arme von sich und ließ sich wieder zurück ins Gras sinken, um es Hadamar gleich zu tun und sich einen der wenigen noch frischen Grashalme in den Mund zu stecken. Bald würde der Frost kommen und das Gras auf den Weiden und Auen in dürres, schmächtiges Grün verwandeln.


    "Du klingst nur so, weil du die verdammte Wahl hast. Weißt du wie meine Perspektive vor drei Wochen noch ausgesehen hat? Ich würde auf dem Hof ackern bis mein alter Herr von Hel gerufen wird. Dann würde ich auf dem Hof ackern bis meine Mutter von Hel gerufen wird. Ich würde irgendein dummes Mädchen heiraten das ich nicht liebe, und würde mit ihr ein paar Bälger in die Welt setzen und so lange ackern bis ich selbst irgendwann einmal Hel gegenüberstehe. So einfach ist das, und weißt du was? Es wäre VOLLKOMMEN normal. Mein Vater hasst meine Träume, weil sie von dem abweichen was eigentlich mein Lebensweg ist. Aber er muss sich wohl damit abfinden, dass die Nornen einen anderen Weg für mich beschieden haben... und der ist es, meinen Dienst in der Legion zu tun! Achwas.. weißt du... behalt dein Schwert. Bei der Legion bekommt jeder sein eigenes, wenn auch nur diese kurzen Römerdinger. Aber jeder sein eigenes!"


    Er beobachtete den Himmel, der von einem knalligen Rotorange immer grauer wurde. Wie oft hatten sie hier gesessen? Sehr oft... Sönke fühlte sich auf einmal richtig alt. Er würde bald ein Mann sein..


    "Ich glaube, Witjon wird schon etwas finden, dass du zu tun hast. Er findet für jeden etwas zu tun. Wir haben seit über sieben Wintern keinen Hunger mehr gelitten, und das nur, weil immer jemand da war der den anderen etwas zu tun gab. Da nimmt er sich nicht so viel. Lando hat das alles angefangen.. plötzlich war mehr zu tun als Leute da waren. Da hatten wir auf einmal KNECHTE auf dem Hof! Ich bin mir sicher, er würde auch für dich etwas finden.. aber sieh es doch mal so, wenn du in die Stadt ziehst, könnten wir uns öfter sehen! Auch mal einen draufmachen, würfeln gehen... oder ein paar Mädchen klarmachen!"


    Was so salopp gesagt wurde, zerbrach Sönke in letzter Zeit heftig den Kopf. Mädchen klarmachen. Normalerweise ging das über ein wenig Geknutsche und Gefummel nicht hinaus, und Sönke hatte bisher nicht einmal ersteres zustande gebracht. Als Heiltrud gestorben war, hatten sich auch Sönkes Hoffnungen zerstreut auch mal mehr zu fühlen zu bekommen als nur Stoff. Es war zum Verrückt werden...

    Sönke feixte die spöttische Bemerkung seines Freundes weg, nur um einige Momente lang zu überlegen, ob das jetzt wirklich spöttisch gewesen war oder nicht. Manchmal hatte Hadamar seltsame Anwandlungen. Wie zum Beispiel, ihm das Geschenk zur Schwertleite zu geben.


    "Wie jetzt? Im Ernst.. ich meine, wirklich?", der Gedanke ein EIGENES Schwert zu besitzen hatte durchaus was für sich. Achwas: er war das größte! Mit dem eigenen Schwert durch die darbenden Reihen der Feinde zu marschieren, das war es, was Sönke sich nicht nur einmal am Tag vorstellte. Abgesehen von nackten Frauen, selbstverständlich. Wie zum Beispiel... oh.. Schuldbewusst wurde er sich der Gegenwart Hadamars gewahr, als seine Gedanken drohten in ein paar ganz bestimmte Zimmer der Casa Duccia abzudriften.


    "Eh... natürlich meine ich das Ernst!", schnappte er dann gespielt empört, "Ruhm und Ehre!! Ich sag es dir... ein heldenhafter Soldat zu werden, und vielleicht irgendwann vom Imperator persönlich ausgezeichnet zu werden!" Den Part, der normalerweise darauf folgte und stringent etwas mit Hadamars weiblicher Verwandtschaft zu tun hatte, ließ er geflissentlich aus. Was ihn dann aber doch auf eine andere Frage brachte: "Und was ist mit dir? Hat deine Mutter sich jetzt entschieden? Kommst du in die Stadt oder bleibst du auf dem Hof?" Wenn zweiteres der Fall wäre, würden ihre Treffen so unregelmäßig bleiben wie bisher, dessen war Sönke sich schmerzhaft bewusst.

    "Du bist witzig...", knurrte Sönke zurück, den leisen Hohn seines Freundes durchaus persönlich nehmend, "..ja, irgendwie habe ich das. Ich meine, du hast leicht reden. Deine Familie ist ohnehin von gemachtem Stand. Und jetzt habe ich das Bürgerrecht, also DAS Bürgerrecht.. und... und nichts!"


    Er setzte sich auf, nur um weiter auf das Wasser zu starren. Was hatte er sich eigentlich erwartet? War es naiv gewesen, dass ihn jetzt alle so ansehen würden wie er sie früher angesehen hatte? Er hatte sie bewundert, irgendwie waren sie ihm alle so herrschaftlich vorgekommen. Entrückt von einer Welt die Sönke bisher kannte, und für unentrinnbar gehalten hatte. Jetzt war er einer von ihnen, und er musste erkennen, dass sich eigentlich nichts geändert hatte. Aber er klammerte sich fest daran, dass etwas sich ändern würde... sich ändern MUSSTE. Als Bürger hatte man doch alle Möglichkeiten, oder nicht?


    "Naja..", druckste er schließlich ein wenig herum, "..erst einmal den Winter überstehen. Und dann... dann werde ich ein Mann! Das wird sicher nicht so groß aufgezogen wie bei dir, ich meine, du bist ein Sohn Wolfriks! Ich werde sicher kein Schwert geschenkt bekommen. Aber vielleicht einen Speer, sogar mit Eisenspitze.. und dann kann ich zur Legion. Um Ruhm und Ehre zu erwerben, und meinen Vater stolz zu machen."


    In den ausladenden Ländereien der Duccii gab es auch einen Wald. Einen ziemlich großen Wald. Und in diesem Wald gab es einen See, von dem man sich erzählte, dass er entstanden sei als ein Riese auf den Schneeverhangenen Hügeln des Rhenustals ausgerutscht sei, und bei seinem Aufschlag ein tiefes Loch in den Boden riss, dass der Allvater Rhein bald mit seinem Wasser gefüllt hatte.


    Hierher kam Sönke oft um zu fischen, und gerade im späten Herbst konnte man sich ab uns an noch einen leckeren Karpfen hinzufangen. Manchmal vielleicht sogar einen Aal.. meißt kam er allerdings her um alleine zu sein, wenn er keine Lust hatte zuhause auszuhelfen. Zu tun gab es schließlich ständig, und die einzige Möglichkeit zum Nichtstun war die auf eine lange Weidenrute zu starren an deren Ende festes Garn angebracht war. Natürlich mit einem dünnen Haken aus Vogelknochen am Ende, der fast genauso oft brach wie die Leine riss.
    Aber was tat man nicht alles, um einfach einmal alleine sein zu können? Beziehungsweise zu zweit...


    "Weißt du..", murrte Sönke leise, um die Fische an diesem Abend nicht zu vertreiben, "..irgendwie hab ich mir das schon anders vorgestellt. So als Bürger, weißt du? Ich heiße jetzt Marcus Marius Madarus, aber geändert hat sich irgendwie nichts. Ich muss immernoch auf dem Hof schuften, Holz schlagen, Sachen schleppen und so. Und auf dem Markt schauen sie einen auch nicht anders an. Dabei bin ich jetzt richtiger römischer Bürger! Also RICHTIGER römischer Bürger, aber wem erzähl ich das? Hörst du mir überhaupt zu? Hallo?"

    "Marcus Marius Madarus!", kam es über Sönkes Lippen bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte. So lange hatte er sich vorgestellt wie sein Name lauten würde, wenn er zu den Bürgern des Reichs gehören würde, so oft war Marcus Marius Madarus in seinen Träumen sturmschreiend in die Reihen der Feinde gerannt um sie alle nacheinander nieder zu machen. Dabei war hier alles auf seinen Traum von Legionärsleben geprägt: Marcus für Mars... Marius für Mars und den alten Feldherrn... Mars, Mars, Mars. Und Madarus weil es einfach nur unheimlich männlich klang. Marcus Marius Madarus. Der Dreiklang hatte was, war so rhythmisch. Wie die Trommeln, die einen in die Schlacht führten.
    "Marcus Marius Madarus soll mein Name sein!", wiederholte Sönke sternentrunken mit glasigem Blick. Sein Traum wurde wahr! Er würde zur Legion gehen! Nur noch eine Ernte! Nur noch eine Ernte würde er einbringen, dann würde sein Traum vom Legionärsleben in Erfüllung gehen!

    Weitermachen. Der Mann war lustig. Wie sollte er weitermachen, wenn er ständig darüber nachdenken musste, warum Witjon auf einmal am Ackerrand auftauchte und nach seinem Vater verlangte? Würde er Hartwig von Sönkes Erscheinen erzählen? Das würde sicherlich Ärger geben; zwar hatte er seinem Sohn selbst vorgeschlagen sich bei Witjon um die Sache mit der Armee zu kümmern, doch ging er nie davon aus, dass man gegen seine Meinung handelte. Söhne hatten zu folgen bis sie verheiratet waren und selbst Söhne hatten. Dann konnten sie anfangen ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Vorher nicht.


    "SÖNKE!!! KOMM HER!!!", schallte die Stimme seines Vaters über den Acker, was ihn so erschreckte, dass der junge die Garbe fallen ließ an der er gerade arbeitete. Jetzt gab es sicherlich Ärger.. mit zögerlichen Schritten stapfte der Junge über den Acker und es dauerte seine Weile, in der Witjon und Hartwig ihn anstarrten, der eine mit gutgelauntem Lächeln, der andere finster dreinblickend. Nichts könnte ihn in diesem Moment nervöser machen.


    "Vater. Witjon."

    Das Gespräch nahm nicht die erhoffte Wendung. Eher im Gegenteil... Witjon wiederholte nur ein paar Argumente, die er zuhause an der heimischen Tafel schon so oft hatte hören müssen. Jung. Hilfe. Arbeit. Vater. Vater. Vater.
    Er zog die Lippen schmal und wappnete sich innerlich gegen die kommende Absage. Gegen die erwartete. Doch auch wenn Witjon ihm keine klare erteilte, so schlugen seine Worte auf den jungen Mann ein wie Peitschenhiebe.


    "Eh... ja... danke.", war alles, was der Junge hervorbrachte. Verschämt und mit geknicktem Blick schlurfte er aus der Tür, und mit dem Knallen derselben schienen auch seine Träume zu zerplatzen. Er würde so schnell nicht den Rechen aus der Hand legen, um ihn gegen eine Hasta einzutauschen.


    Dreck, überall Dreck. Die letzten heißen Tage des Jahres bedeuteten nichts anderes. Und Muskelkrämpfe, fette Schwielen an den Händen und schmerzende Gelenke. Von morgens früh bis abends wenn die Sonne unterging. Und warum das ganze? Um Garben zu binden. Eine nach der anderen, Feld um Feld.
    Sönke wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß aus dem Gesicht, und zog damit eine weitere Schliere flüssigen Drecks über sein Antlitz. Mit jeder Garbe die er eindrehte beförderte er mehr trockenen Staub in die Luft, der sich überall festsetzte: in den Kleidern, in den Haaren, auf der Haut. Sönke hatte das Gefühl, dass sich das Zeug selbst in ihm festsetzte. Es war einfach überall. Und dann dieser stete Trott... sein Vater ging vor und schnitt mit stoischer Routine mit einer Sichel durch, seine Mutter hinterher um die abgeschnittenen Stengel in ungefähr gleich große Portionen einzuteilen und Sönkes Teil war es schließlich den Packen zusammen zu drücken, sich mehrere lange Exemplare herauszusuchen und mit diesen eine passende und leicht zu transportierende Garbe zu binden.


    Schneiden, packen, binden. Schneiden, packen, binden. Sönke war es so leid. Aber die Nornen hatten es wohl nicht anders gewollt, sonst wäre er Sohn eines Bürgers geworden und könnte sich jetzt als Legionär verdingen.. was nicht stimmte, natürlich. Er war ja noch zu jung. Aber die Vorstellung an sich war schön. Als Legionär, vielleicht sogar als Optio, der mit kräftigen Männern jeden Tag die Sicherheit der Bürger um sie herum sicherstellt. Mit dicken Panzerplatten bewaffnet in einer unschlagbaren Kollonne in die Schlacht schreitet, das Schwert einsatzbereit gezügt mit dem Blick starr über den Schildrand.
    Schneiden, packen, binden. Schneiden, packen, binden.
    Der Feind würde heran nahen, drohend, wild, ungeordnet. Und doch Todbringend. Und trotzdem würden sie furchtlos ihnen entgegenmarschieren, den Tod im Blick um letztenendes Ruhm und Glorie zu erlangen. Die Schwerter würden auf die Schilde geschlagen, mit jedem Schritt, ein gleichsamer Rhythmus der sie schließlich zum Sieg tragen würde.
    Schneiden, packen, binden. Schneiden, packen, binden.
    Der Centuro würde sie anfeuern, Worte der Motivation und des Ansporn schreien um mit ihnen gemeinsam in die Reihen des Feindes zu dringen, und sie schließlich zu sprengen. Blut würde spritzen, wütendes Gebrüll würde laut, und schließlich würden sich Angst und Panik in den Reihen des Feindes ausbreiten, weil die Legionäre geschlossen Schulter an Schuler stehen, undurchdringlich, unschlagbar.
    Schneiden, packen, binden.
    Und trotzdem, einer würde durchbrechen, Mord im Blick und Blutdurst in der Hand, wild um sich schlagend würde der Barbar seinen Weg durch die Reihen schlagen, bis er schließlich zum Legaten vordringen würde. Aber Sönke würde ihn aufhalten. Ja, ganz sicher, Sönke wäre der Held, der letztlich den großen Legaten vor dem sicheren Tod durch Barbarenhand rettet... Sönke würde in einem anstrengenden Kampf den Barbaren niederringen und den Legaten retten, um dann vom Kaiser selbst geehrt zu werden. Er, Sönke, Sohn eines Bauern! Er würde vom Kaiser belohnt werden! Und die Frauen würden zu ihm aufblicken, ja, das würden sie... vielleicht sogar... nein, ganz sicher... Elfleda und Eila... auch die kleine Naha... er wäre ihr Held! Er wäre der Held der Stadt! Vielleicht sogar der umliegenden Dörfer! Ja, das wäre er... er wäre...


    "SÖNKE!! SCHLÄFST DU???", bellte die Stimme seines Vaters in den Tagtraum hinein, der mit herzzereissendem Klang zerstob wie die Blase einer Lauge im groben Holzbottich, "MACH WEITER, WIR WOLLEN SCHLIEßLICH AUCH FERTIGWERDEN!!"


    ..er wäre der Held. Ganz, ganz sicher. Nach all dem schneiden, packen und binden.

    "Wie, zu welcher Truppe?", fragte Sönke reichlich ratlos, den die Frage recht überforderte. Recht überforderte deshalb, weil man in seiner Lage das Problem der Wahl nicht kannte. Mehr als eine Wahl zu haben galt schon als reichlicher Luxus, und hatte meißt mit irgendwelchen Haken zu tun, die groß genug waren um einen Mann zu heben.
    "Eh.. naja, ich kann ja eigentlich nur zu den Auxiliaren. Die Reise bis Confluentes kann ich ja gerade so noch hinter mich bringen, wenn ich mich einer Gruppe anschließe. Bis nach Castra Regina zur ersten Ala, oder gar in die Colonia Claudia zur Classis werde ich es wohl kaum schaffen. Daher bleibt mir eigentlich nur die Ala II. Für die Legio bräuchte ich das Bürgerrecht, und das bekomme ich nur durch den Dienst in einer Auxiliareinheit. Aber vielleicht meine Kinder... irgendwann... die könnten zur Legion gehe, wenn ich überlebe, heißt das."


    Die Frage nach dem Nutzen für die Duccii ließ er unbeantwortet. Wie sollte er das auch beantworten können? Witjon war der Mann für die Gedanken über Nutzen und Nachteil. Sönke wollte eigentlich nur ein Held werden. Wie Rodrik der Rote. Oder Lars der Lindwurmjäger. Oder Bernulf der Bärentöter. Außerdem winkte am Ende des Dienstes ein Stück Land. Ein eigenes Stück Land, dass er dann mit seinem Weib und seinen Kindern würde bewirtschaften können, ohne die Frondienste an seinem Muntherrn mit stemmen zu müssen. Dann wäre er ein gemachter Mann... ein Mann mit Bürgerrecht.

    Die Reaktion Witjons fiel nicht ganz so aus, wie Sönke es sich erhofft hatte. Der junge Mann schrumpfte etwas in den Sessel hinein, wie um sich vor den Worten des Sippenoberhaupts zu verkriechen, doch es brachte nichts. Was hatte er auch erwartet? Dass Witjon ihn freudestrahlend nach Confluentes schicken würde? Ja, Sönke, super Idee, Sönke, echt klasse das, Sönke!
    Nein, natürlich reagierte er nicht so. Und der junge Mann schalt sich geknickt selbst einen Tor.. nun sollte er sich auch Argumente überlegen. Sollte er die gleichen Argumente hervorholen, die er seinem Vater entgegengeschleudert hatte? Dass sein jüngerer Bruder fast dem Kindesalter entwachsen war? Dass Lanthilda heiraten würde, und man ihren Mann in die Munt holen könne? Dass Thorgall eben seinen angestammten Platz einnehmen müsse, und jemand anderes auf der Hros arbeite? Nein. Wer war er auch, mit seinem Muntherrn zu diskutieren? Immerhin war es an den Duccii, Gründe für Entscheidungen zu finden und diese dann auch zu treffen...


    "Ich hatte gehofft, dass du einen Nutzen darin sehen würdest, wenn sich Angehörige der Munt hocharbeiten...", war dann das einzige, was sehr leise über seine Lippen kam.

    "Auf Landulf. Und auf Lando.", sprach Sönke nachdem er sich brav auf den gewiesenen Stuhl gesetzt hatte, und nippte vorsichtig an dem dargebotenen Bier. Die Frage, was ihn hertrieb war viel schwerer zu beantworten als er gedacht hatte. Es hatte so einfach geklungen, als er seinem Vater patzig entgegengeworfen hatte, dass er Witjon einfach fragen würde. Und nun hockte er hier, und bekam kein Wort heraus.


    "Ehm.. also..", stotterte er erst einmal um den heißen Brei herum, bevor er sich dann in einem leichten Anflug von Mut wieder dessen entsann, was er eigentlich vor hatte, "..naja.. Thorgall ist mein älterer Bruder. Und eigentlich sollte er die Höfe weiter führen. Aber Lando hat ihm eine Stelle in der Hros gegeben, und jetzt arbeitet er dort Tag ein Tag aus. Aber das entspricht nicht...", wollte er hier wirklich mit den Traditionen argumentieren? Nein, wahrscheinlich würde Witjon ihm daraus einen Strick drehen.
    "Nun... ich möchte zur Armee. Ich habe lange darüber nachgedacht, und ich möchte zur Armee. Ich weiß, dass ich eigentlich die Höfe weiterführen sollte, aber es ist nicht meine Bestimmung, auf den Feldern mit der Hacke in der Hand zu sterben. Ich möchte zur Armee... und dafür brauche ich deine Erlaubnis, Witjon. Ich bin wie mein Vater und meine Familie an die Söhne Wolfriks gebunden, aber wir arbeiten schon so lange für euch... und es würde sich natürlich auch für euch lohnen! Natürlich würde es das! Ich wäre einfach nur Soldat, und kein Bauer mehr... also... verstehst du?"

    Wie Kinder nunmal waren, fing Naha bald an zu zappeln, um das Neugeborene in Augenschein nehmen zu können. Sönke setzte die kleine Dame alsbald ab, und mit einem Satz war sie in der Menge verschwunden, immer demjenigen hinterhereifernd, der gerade ihren kleinen Bruder trug.


    "Eh.. was?", erschreckte Sönke sich erst einmal, als jemand seinen Namen rief. Schon fast automatisch ergriff er die ihm entgegengestreckte Hand samt Unterarm, und begriff erst dann, dass es Witjon war, der ihn grüßte.


    "Achso.. na... ich... eh... ich war im Garten, und habe Naha davor bewahrt sich den Hals zu brechen. Mal wieder... und... eigentlich... Glückwünsche, Witjon! Glückwünsche! Ein Sohn ist ein gutes Zeichen!", verhaspelte er sich erst, um mit einem Ruck dann doch mit dem eigentlichen Grund heraus zu rücken, "Ich wollte mit dir sprechen. Über meine Zukunft."