Dreck, überall Dreck. Die letzten heißen Tage des Jahres bedeuteten nichts anderes. Und Muskelkrämpfe, fette Schwielen an den Händen und schmerzende Gelenke. Von morgens früh bis abends wenn die Sonne unterging. Und warum das ganze? Um Garben zu binden. Eine nach der anderen, Feld um Feld.
Sönke wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß aus dem Gesicht, und zog damit eine weitere Schliere flüssigen Drecks über sein Antlitz. Mit jeder Garbe die er eindrehte beförderte er mehr trockenen Staub in die Luft, der sich überall festsetzte: in den Kleidern, in den Haaren, auf der Haut. Sönke hatte das Gefühl, dass sich das Zeug selbst in ihm festsetzte. Es war einfach überall. Und dann dieser stete Trott... sein Vater ging vor und schnitt mit stoischer Routine mit einer Sichel durch, seine Mutter hinterher um die abgeschnittenen Stengel in ungefähr gleich große Portionen einzuteilen und Sönkes Teil war es schließlich den Packen zusammen zu drücken, sich mehrere lange Exemplare herauszusuchen und mit diesen eine passende und leicht zu transportierende Garbe zu binden.
Schneiden, packen, binden. Schneiden, packen, binden. Sönke war es so leid. Aber die Nornen hatten es wohl nicht anders gewollt, sonst wäre er Sohn eines Bürgers geworden und könnte sich jetzt als Legionär verdingen.. was nicht stimmte, natürlich. Er war ja noch zu jung. Aber die Vorstellung an sich war schön. Als Legionär, vielleicht sogar als Optio, der mit kräftigen Männern jeden Tag die Sicherheit der Bürger um sie herum sicherstellt. Mit dicken Panzerplatten bewaffnet in einer unschlagbaren Kollonne in die Schlacht schreitet, das Schwert einsatzbereit gezügt mit dem Blick starr über den Schildrand.
Schneiden, packen, binden. Schneiden, packen, binden.
Der Feind würde heran nahen, drohend, wild, ungeordnet. Und doch Todbringend. Und trotzdem würden sie furchtlos ihnen entgegenmarschieren, den Tod im Blick um letztenendes Ruhm und Glorie zu erlangen. Die Schwerter würden auf die Schilde geschlagen, mit jedem Schritt, ein gleichsamer Rhythmus der sie schließlich zum Sieg tragen würde.
Schneiden, packen, binden. Schneiden, packen, binden.
Der Centuro würde sie anfeuern, Worte der Motivation und des Ansporn schreien um mit ihnen gemeinsam in die Reihen des Feindes zu dringen, und sie schließlich zu sprengen. Blut würde spritzen, wütendes Gebrüll würde laut, und schließlich würden sich Angst und Panik in den Reihen des Feindes ausbreiten, weil die Legionäre geschlossen Schulter an Schuler stehen, undurchdringlich, unschlagbar.
Schneiden, packen, binden.
Und trotzdem, einer würde durchbrechen, Mord im Blick und Blutdurst in der Hand, wild um sich schlagend würde der Barbar seinen Weg durch die Reihen schlagen, bis er schließlich zum Legaten vordringen würde. Aber Sönke würde ihn aufhalten. Ja, ganz sicher, Sönke wäre der Held, der letztlich den großen Legaten vor dem sicheren Tod durch Barbarenhand rettet... Sönke würde in einem anstrengenden Kampf den Barbaren niederringen und den Legaten retten, um dann vom Kaiser selbst geehrt zu werden. Er, Sönke, Sohn eines Bauern! Er würde vom Kaiser belohnt werden! Und die Frauen würden zu ihm aufblicken, ja, das würden sie... vielleicht sogar... nein, ganz sicher... Elfleda und Eila... auch die kleine Naha... er wäre ihr Held! Er wäre der Held der Stadt! Vielleicht sogar der umliegenden Dörfer! Ja, das wäre er... er wäre...
"SÖNKE!! SCHLÄFST DU???", bellte die Stimme seines Vaters in den Tagtraum hinein, der mit herzzereissendem Klang zerstob wie die Blase einer Lauge im groben Holzbottich, "MACH WEITER, WIR WOLLEN SCHLIEßLICH AUCH FERTIGWERDEN!!"
..er wäre der Held. Ganz, ganz sicher. Nach all dem schneiden, packen und binden.