Beiträge von Marcus Marius Madarus

    http://www.kulueke.net/pics/ir…_torhausundwege_klein.png Ein seltsames Gefühl hatte sich in Sönke ausgebreitet, als er sich der ehemaligen Rus und dem jetzigen Latifundium näherte. Alleine schon das steinerne Torhaus an der Via Borbetomaga ließ ihn innehalten. Der auf die gekalkten Wände gemalte Wolf der Duccii konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier vor etwas mehr als einem Jahr noch ein simples Tor aus Holz gestanden hatte, mehr dazu gedacht das Vieh am Verlassen der Weiden zu hindern als Menschen am Eintreten.
    Die Wege dahinter waren wenig mehr gewesen als durch hundertfache Nutzung ausgetretene und ausgefahrene Pfade im steten Wettstreit zwischen nachdrängendem Gras und niederzwingendem Fuß- und Hufwerk - und kein aus weißem Sand und Kalk festgeklopftes Straßending. Viele der Bäume am Wegesrand erkannte er wieder, andere Lücken waren durch Neupflanzungen geschlossen worden die Jahrzehnte brauchen würden um ihren Nachbarn an Höhe auch nur nahe zu kommen. Während er durch die Wege wanderte, durchaus erst an den an bekannter Stelle unbekannt wirkenden Gebäuden der Rus vorbei, fiel ihm auf, dass man sich zumindest bei den Feldern die Arbeit einer Neuanlegung gespart hatte. Die Felder und Weiden waren so geblieben wie sie gewesen waren, als Sönke selbst noch Hand angelegt hatte um seinem Vater und seinen Geschwistern zu helfen - vor der Legion, vor dem Dienst im Stahl, vor dem Krieg. Die Obstbäume waren auch geblieben, wobei einige Neuanpflanzungen etwas in die Gruppen zu zwingen versuchten was dort vorher kaum gewesen war: Ordnung.


    Der Sand knirrschte unter den Soldatenstiefeln, die er längst mal wieder mit neuen Nägeln hätte beschlagen sollen, als er langsam zur Hros gelangte... zumindest hielt der den Komplex für die Hros, da die Koppel davor recht verräterisch war. Der Wind pfiff, merklich kälter als noch vor wenigen Wochen, über den Rhein den Hügel hinauf und zupfte an der roten Soldatentunika wie auch am sich immer öfter willfährig zu Boden fallen lassenden Laub und Sönke stellte sich im Angesicht der offensichtlichen Veränderungen ratlos auf dem Wege stehend die Frage, ob das hier noch viel mit der Rus zu tun hatte auf welcher er aufgewachsen war.


    Sim-Off:

    Wer mag, der/die darf. :)

    Herbstregen konnte man sich auf die eine oder andere Art und Weise schönreden und sicherlich hatte der eine oder andere sich in einer Tändelei dazu hinreißen lassen, mit einem Mädchen im Regen zu tanzen nur um später die Hand unter den Stoff schieben zu können. Für jeden Bauern war der Regen ein Segen, solange er nicht allzu häufig kam... und die Bauern in Germania konnten sich wahrlich nicht über zuwenig Regen beklagen.
    Für den Soldaten war Regen nichts anderes als ein nervendes Ärgernis, das jede kurzweilige Routine eine Ewigkeit dauern ließ.


    So war es auch bei der Wache am Tor, die heute der vierten Centurie der zweiten Cohorte zugewiesen war, da sich Sönkes Hoffnung auf eine Wetterbesserung nicht erfüllte als sie beim Wachwechsel ihre Zeit beim Tor antraten. Natürlich konnten sie die meiste Zeit im Schutz des Tores stehen und die einzelnen Passanten und kleineren Marketender dort kontrollieren, aber einer musste die zahlreichen Wagen prüfen die hier ein und ausfuhren. Und dem traditionell geworfenen Los entsprechend war Sönke es, der gerade dann raus in den Regen musste als es am heftigsten zu gießen begann.
    Natürlich war kaum etwas verbotenes zu finden und Sönke quittierte die genervte Stimmung der ebenfalls im Regen auf ihren Wagen hockenden Marketender mit einer noch finsteren eigenen.
    Der neue Legat hatte die Unsitte beibehalten, dass die Wache immer in voller Montur abzuhalten war, was laut Sönkes Meinung einerseits unnötig und andererseits beim Wachdienst total kontraproduktiv war. Das Geschübe der Lorica behinderte sie mehr als alles andere bei der Kontrolle der Wagen und nicht nur einmal hinterließ das Blech blaue Flecken, was Sönkes Meinung natürlich nicht gerade hob.


    Der Singsang des Regens, der auf seine Rüstung und seinen Helm prallte, war in etwa auch das einzige was zu hören war, von gelegentlichen Flüchen der Marketender und gebellten Drohungen Sönkes mal abgesehen.
    Als er nach getaner Arbeit vom Wagen sprang und der Dreck der Straße ihm bis über die Knie spritzte war es dann auch vorbei mit seiner Geduld: der nächste, der sich hier einen dummen Spruch erlaubte würde es faustdick abbekommen.

    Oh ja, sie hatten sich vorbereitet. Tagelang hieß es nebst dem normalen Tagesdrill: polieren, putzen, protzen.
    Es war den Soldaten selbstverständlich nicht neu gewesen, aber irgendwie kam es im Trott der Alltäglichkeit, der von den Legionssoldaten nach ihrer Rückkehr nach Mogontiacum Besitz ergriffen hatte, jedes Mal doch überraschend. Immerhin führte kaum ein Soldat einen Kalender bei dem er sich wichtige Termine merkte. Das Gedächtnis funktionierte eher kollektiv und vor allem von oben herab: in den Schreibstuben der Principia hielt irgendwer den Kalender im Auge, setzte die Offiziere darüber in Kenntnis welche dann pünktlich und weit im Voraus damit begannen ihre Untergebenen zu stressen.


    Sicherlich gab es sogar den einen oder anderen Deppen unter den Legionären, der sich sogar darauf freute in gestriegelter Uniform durch die Civitas zu marschieren und vor Familien und Frauen einen auf dicke Hose zu machen. Sönke selbst hatte ja vor Jahren die Soldaten vom Straßenrand aus bewundert und lange davon geträumt einer von ihnen zu werden.
    Dann war er tatsächlich einer dieser Soldaten geworden und die Legion (und vor allem der Bürgerkrieg) hatten ihm mit aller Härte die militärromantischen Flausen aus dem Kopf geprügelt.
    So folgte dem Jungen-Sönke, der vom Straßenrand die mit stolzer Brust vorbeimarschierenden Soldaten bewundert eben kein tapferer und heldenhafter Soldaten-Sönke, der ebenso stolz die Straße im Pulk seiner Legion entlangmarschierte... sondern ein vom Tohuwabohu sichtlich genervter Berufssoldat, der nicht das geringste für dieses Spektakel überhatte. Alleine die Tatsache, dass die Centuriones bei solchen Feierlichkeiten mit Freigang ebenso freigiebig waren wie die Mädchen der Stadt mit ihren Reizen, machte die Sache halbwegs ertragenswert.

    "Nunja... was soll ich da erzählen?", rieb Sönke sich ein wenig ratlos am Kopf, immerhin gab es viel und garnichts zu erzählen, wenn man so wollte, "Wir sind halt in den Süden gezogen. Über die Montes Alpes... da haben wir schlafende Steinriesen gesehen, so große hab ich noch nie gesehen. Die sind mit Sicherheit dreissigmal so hoch wie die bei uns hier... oder gar zwanzigmal. War ganz schön gefährlich, wir haben ein paar Männer da oben verloren. Dann waren wir in Italia, das war so ganz anders wie hier... viel weniger Wald, VIEL weniger. Und da wuchsen auch andere Dinge, andere Bäume und so, sehr seltsam. Naja, dann waren wir halt in Verona und haben uns mit den anderen Legionen getroffen... laut unseren Offizieren waren das... zwanzig... vierzig... auf jedenfall verdammt viele Männer. Bei Vicetia haben wir uns schließlich eingegraben und den Feind erwartet... und dann...." , stockte Sönke, als er sich der großen Mauer näherte die in seinem Geist um Vicetia herum errichtet worden war und die er tunlichst in Ruhe lassen würde, weshalb seine Erzählung einen dezenten Sprung machte: "Rom ist groß. Verdammt groß... ich habe noch nie eine größere Stadt gesehen. So große Gebäude... da waren welche, die waren dreimal oder viermal oder vielleicht auch zehnmal so groß wie die Regia des Legaten. Und gestunken hat es zum Himmel, als würden die Leute einfach auf die Straße kacken, unglaublich war das... und laut... wobei, als wir hinein sind war es erst ziemlich leise. Und ich hab den Usurpator gesehen... aber da war er schon tot." , und seinen Ring geklaut, der seitdem um seinen Hals baumelte, aber das musste er Witjon nicht sagen, sonst kam dieser noch auf die Idee er würde ihm gehören (was er muntrechtlich gesehen ja sogar tat).

    "Hmhmhja... danke." , murrte Sönke, der die gute Laune seines Patrons nicht ganz teilte, einfach weil er sich nicht im klaren darüber war, was er hier jetzt eigentlich sollte. Etwas unbehaglich ließ er sich also nieder und sich den heißen Würzwein reichen (etwas, das von seinem Legionärsgehalt vielleicht einmal im Monat drin war) und rutschte auf dem Stuhl in deutlicher Unruhe hin und her. Irgendwann war ihm klar, dass er irgendwas auf die Worte Witjons erwidern musste, und da Sönke nunmal alles andere als ein verbalakrobatisch begabter Mensch war, war dies wenig mehr als ein schlichtes: "Joa... danke für deine Unterstützung, Witjon."
    Warum hatte er nichts von sich hören lassen? Das war eine verdammt gute Frage... die Sönke sich nicht ein einziges Mal selbst gestellt hatte.
    "Nun, ich hatte zu tun... das Lager wieder herrichten, der Dienst und so..." , und vor allem: was sollte ich dir schon erzählen? Ich vegetiere seit Monaten im Lager herum und funktioniere vor allem wie ein Vollautomat?
    Dass Sönke seine Eltern besuchte oder mit seinen Kameraden die Kneipen und Lupanare der Stadt unsicher machte war irgendwie auch in diesem zugegebenermaßen ziemlich tumben Programmcode enthalten. Mehr aber auch nicht..

    Lustlos, aber seine Pflicht tuend tauchte Sönke ein paar Tage nach der 'Einladung' in der Casa Duccia auf um seinen Patron und den Anführer ihrer Gemeinschaft Rede und Antwort zu stehen. Seit der Rückkehr der Legio² war einige Zeit vergangen und er hatte sich bisher nur bei seinen Eltern gezeigt, nicht aber bei den Duccii selbst gemeldet.


    "Witjon." , grüßte er das Sippenoberhaupt als er zur verabredeten Zeit in das Arbeitszimmer eintrat, nur in die übliche Soldatentunika gekleidet, da er seinen wollenen Wintermantel unten in der Halle gelassen hatte, "Du wolltest mich sehen."

    "Öh..." , machte Sönke verdutzt, als die Frau anstelle einer damenhaft-schüchternen Antwort eine kokett-freche lieferte. Er war ja nun schon ein paar Jahre bei der Legion, aber so etwas war ihm außerhalb eines Lupanars noch nicht untergekommen, weshalb er einen moment verdattert innehielt, bis seine Kameraden checkten was gerade abging und ihn aufzuziehen begannen: "Will der Bürgerkriegsveteran Sönke uns etwa weißmachen, dass er von einem einfachen Weib aus dem Konzept gebracht wird?"
    "Harrrr....", tönte ein anderer, "..in der Schlacht steht, beziehungsweise fällt unser Sönke seinen Mann, aber im Angesicht eines frechen Weibs wird der Schwanz auf einmal schlapp."
    "Jaja, jaja... ich hab's verstanden." , murrte Sönke, raffte sich auf und brummte der Frau zu: "Komm mit, ich bring dich in die Principia..."
    Sprach's und verschwand aus der Tür um das Weib eben dorthin zu führen... und das, ganz der Gentleman der er nicht war, ohne ihr ein Stück seines Mantels zum Schutz vor dem Regen anzubieten.

    Steifgefroren durch den kurzen Weg im Eisregen und durchnässt bis auf die Knochen tauchte Sönke zusammen mit der Susina auf, die nach ihrem Vater fragen wollte.
    "Miles Marius Madarus." , meldete Sönke sich mit verschnupfter Stimme, "Dies ist Susina Alpina, sie sucht nach ihrem Vater Titus Pollius Nestus, oder so... der soll von den Equites Singulares von Augusta Vindelicum hierher versetzt worden sein, wisst ihr da was?"

    Zitat

    Original von Susina Alpina


    Es goß aus Eimern, aus eiskalten Eimern, weshalb sich ein Großteil der Wache in der Wachstube verkrochen hatte und nur ein armer Wicht sich draußen gegen das Tor presste um so wenig von dem Eisregen abzubekommen wie möglich. Etwas irritiert schauten die Soldaten trotzdem drein, als die Frau da einfach mir-nichts-dir-nichts unangekündigt in der Stube stand, und nahezu zeitgleich wurde unterbewusst und kollektiv beschlossen, den armen Wicht dort draußen zur Strafe für diesen Lapsus gleich noch eine Stunde im Regen stehen zu lassen.


    Die Frau selbst wurde von den Männern begrüßt, wie man als quasi-alleinstehender Soldat in einer Männergesellschaft eine einzelne, einsame und unbeschützte Frau nunmal begrüßte: man starrte sie erst einmal ordentlich auf ihre körperlichen Vorzüge abcheckend an.
    "Eh, wie bitte?" , fragte Sönke, der mit seinem Blick etwas länger als alle anderen auf dem behügelten Oberkörper der Frau stehen geblieben war, und hob erst nach einer Weile denselben um die Frau, die irgendwer an die Brüste dranmontiert hatte irritiert anzuschauen: "Wen? Wer? Ollius Festus? Noch nie gehört." , brummte er, als sein Blick nachdenklich abschweifte während er sich an den Namen zu erinnern suchte, was zwangsläufig dazu führte, dass der Blick wieder auf ihrem Vorbau hängen blieb: "Also... wirklich, noch nie gehört. Bei den Equites Singulares, sagt ihr? Eh... sagst du? Nein, noch nie gehört. Habt ihr von diesem Ollius von den Singulares aus Augusta Vindelicum gehört?"
    Die Frage an die Kameraden weitergegeben, widmete sich Sönke wieder dem Studium des weiblichen Vorbaus, etwas, von dem sich seine Kameraden auch nicht abbringen lassen wollten: "Neeeeeee... du?" - "Was, ich? Nein.... du?" - "Njiet. Nö, noch nie gehört. Soviele von diesen Singulares gibt es doch garnet, oder?!"
    "Ich glaube, jeder Legat hat unterschiedlich viele... ich weiß nicht wieviele der jetzige hat. Aber vielleicht hat er ja welche aus Vindelicum mitgenommen?" , fügte Sönke mit träumerischem Blick hinzu, während er seine Kenntnisse über den Vorbau der Frau um eine sachkundige Analyse ihres restlichen Körperbaus erweiterte, "Man könnte jemanden in die Principia schicken und dort nachfragen lassen."
    "Ich mach das sicher nicht, es ist arschkalt draußen!" , protestierte einer der anderen Soldaten.
    "Und nasser als in der Höhle einer alten Lupa!", nölte ein anderer.
    "Ich allerdings..." , sprach Sönke, der einen seiner Meinung nach brillanten Einfall hatte, "...würde das tun. Wenn du mich in gewisserweise überzeugen könntest, dir zu helfen!" Das dreckige Grinsen, das diesen Worten folgte sprach Bände... und machte ziemlich deutlich, dass es ihm hier nicht um Geld ging.

    Zitat

    Original von Numerius Duccius Marsus


    Wenn besagter Marius nicht seit einiger Zeit der personifizierte Running-Gag der Legion wäre, hätte ihn keine Sau am Tor gekannt. Da aber jeder die Geschichte wusste, wie der Mann aus dem Nichts zum Optio befördert wurde, und diese Beförderung dann in Rekordzeit selbst versaute und sich wieder degradieren ließ, konnten die Soldaten sogar die Centuria der besagten Cohors nennen, als sie jemanden losschickten um den Marius herzuholen.


    "Moin." , grüßte Sönke den Boten als er zum Tor getrottet kam, "Du hast eine Botschaft für mich?"

    http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/56.jpg "Wir wissen wer du bist, Domitius. Und ich bin kein Centurio..", murrte der wachhabende Soldat, immerhin war der Domitier lange genug in der Spitze der Provincialverwaltung um allseits bekannt zu sein, "Ich kann dir nicht sagen, ob der Legat Zeit für dich hat.. ich verwalte nicht seinen Terminplan. Aber ich kann dich in die Principia bringen.. da kannst du dann sehen was geht."
    Ohne groß abzuwarten ob der Domitius nun mitkam oder nicht wandte er sich um und stapfte in Richtung Principia davon..

    http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/56.jpg "Mahlzeit.", murrte der weiterhin schlecht gelaunte Soldat als Begrüßung zu den Schreibern im Scriptorium und deutete auf den Domitius hinter sich, "Ich hab den Praefectus Praetorio der Provinz mitgebracht.. der möchte mit dem Legaten sprechen. Oder einen Termin abmachen... naja, seht es selbst."
    Sprach's, machte auf dem Absatz kehrt und ließ das hohe Tier mit den Schreibern alleine..

    Die letzten Meilen waren die längsten, hatte man Sönke immer wieder eingebläut, jetzt endlich verstand er es. War der Marsch zurück zwar nicht halb so anstrengend und entbehrungsreich wie der nach Italia über die Alpen, aber er war langwierig und monoton. Sie hatten einige sehr seltsame und sich von ihrer Heimat unterscheidende Landschaften gesehen, sie waren über Giganten der Berge gestiegen, sie hatten ein zahlenmäßig klar überlegenes Heer geschlagen und hatten die Urbs Aeterna eingenommen. Sie hatten das Mare Nostrum gesehen und Gallia durchquert. Das war an Abenteuern genug und mit jedem verstreichenden Tag wünschte man sich mehr an die Tore ihres Castellums zurück.. und es kamen noch viele Tage.
    Als das Wetter rauer wurde, war es fast als würde man sie willkommen heißen im Land ihrer Väter in welchem der Wind einem mit scharfer Klinge die Züge ins Gesicht schnitt und der Regen sie mit Kälte füllte. Diejenigen die lesen konnten verbreiteten die Neuigkeit, dass der Legat sie von Nordwesten an die Stadt heranführte und sie nicht am Rhenus zurückmarschieren würden... was ihre Heimkehr wiederum um einige Tage verlängerte.


    Und dann, als sie sich endlich Mogontiacum näherten und heimkehrten, geschah es, dass die in Vicetia noch bis zum Brechen des Gegners haltende Ordnung der zweiten Legion im ersten Ansturm einer Armee barst. Es war nicht etwa so, als würden sie unvorbereitet getroffen, nein, man hatte es gar herbeigesehnt.
    Noch vor den ersten Gräbern an der Via Bingia warteten sie, die Angehörigen der Soldaten der zweiten Legion. Als der erste Jubel aufgellte erschraken sich die meisten noch, aber dabei blieb es nicht... immer lauter jubelte man ihnen zu, den Helden von Mogontiacum, den Rückgekehrten... die Straße war umsäumt von Frauen, Männern und Kindern die auf ihre Väter, Söhne und Ehemänner warteten. Immer dann, wenn jemand bekanntes erblickt wurde rief man ihm aufmunternde Worte zu oder ließ ihn im besonderen hochleben, was bei der schieren Masse der Menschen in ein riesiges Geschrei und Gerufe ausartete.. bis die ersten sich nichtmehr beherrschen konnten und einfach in die Soldaten rannten um ihre wiedergekehrten Liebsten an sich zu drücken und sie mit Küssen willkommen zu heißen. Manche Centuriones versuchten nicht einmal halbherzig die Ordnung wieder herzustellen, doch es war zwecklos: dem einen Beispiel folgten einige, dann zig, dann hunderte und kaum darauf stand der Heerwurm still als an der Via Bingia Soldaten und Angehörige durcheinanderströmten um einander zu finden.
    Hier und da war dann ein lautes Freudengekreisch oder Trauergeheul zu vernehmen als jemand besonderes entdeckt wurde... oder eben nicht.
    Sönke selbst fielen seine Eltern um den Hals bevor er sie entdecken konnte und ehe er auch nur ein Wort sagen konnte hatte seine Mutter ihn mit Küssen bedeckt, während sein Vater ihm nur mit einem erleichterten Lächeln auf die Schultern klopfte. Auch sein großer Bruder Thorgal war da.. und der kleine Iring, der so klein nicht mehr war. Jetzt und hier fiel ihm auf wie lange er eigentlich weggewesen war. Gewesen war. War.
    Er war daheim.

    Mit jedem Tag und jeder Woche die sie unterwegs waren stieg die Sehnsucht der Männer nach ihrer Heimat. Immerhin waren sie über ein Jahr fort gewesen, hatten die gefährlichen Alpes überquert (die ihnen dieses Mal gottseidank erspart blieben), bei Vicetia eine Übermacht geschlagen, die ewige Stadt belagert und schließlich besetzt. Genug Abenteuer und vor allem genug der bösen Erinnerungen für viele der Männer die in perfekter Ordnung erst einmal zurück nach Verona marschierten, um dort ihre zuvor oder immernoch verletzten Kameraden abzuholen und schließlich gen Westen nach Gallia aufzubrechen.


    Der Trott des Marschierens war eine gelungene Abwechslung vom stumpfen Trott der besetzten Urbs ab, der aus der Langeweile viel zu viele schlechte Ideen hervorgebracht (und Sönke letztlich seinen Posten als Optio gekostet) hatte. Marschieren, Lager aufbauen, Schlafen, Lager abbauen, Marschieren... das war ein einfacher Tagesablauf wie geschaffen geschundene Gemüter zurück ins Glied zu zwingen. Als sie bei Lugdunum angekommen waren, waren sechs Wochen vergangen und von allen Städten die sie passierten war diese besonders widerwillig ihre Vorräte für das vorbeiziehende Heer abzugeben. Auch wenn der Bürgerkrieg lange vorbei war... die Belagerung und den Angriff der mehr eingebildeten denn reellen Rebellenarmee hatte man weder vergessen noch verziehen.


    Ein weiterer Nebeneffekt des eher negativen Rufs der ehemaligen Rebellen und nunmehr Kaisertreuen war, dass sie in Lugdunum so gut wie keine neuen Rekruten zur Auffüllung der doch schon recht ausgedünnten Reihen der Legion anwerben konnten. Bei jedem Ort den sie erreichten wurden andere ausgesandt arme Seelen und Abenteuerlustige für die Armee anzuwerben.. und je nachdem wieviele Männer man mitbrachte wurde ein Bonus gezahlt.


    Sönke war mit seinem Conubium eine der weniger erfolgreichen Gruppen, was vor allem daran lag, dass die Ereignisse Roms ihnen immernoch auf die Gemüter drückte. Wenn man es genau nahm, brachten sie von ihrer Rekrutierungstour in einer Kneipe in einem Vorvicus von Cabillonum genau zwei Männer mit. Einer der beiden war zwei Tage später noch nicht wieder nüchtern... und der andere hatte dermaßen mit seinem Alter gelogen, dass sie ihm hatten Kohlestaub ins Gesicht geschmiert damit er einigermaßen nach dem richtigen Alter ausgesehen hatte.
    Alles in allem waren sie nachher kaum reicher als vorher... dafür hatten sie ihren Ruf als Kneipenschläger ein weiteres Mal bewiesen.

    Als Sönke zum Legaten befohlen wurde musste er nicht lange nachdenken worum es ging. Obwohl Denken ohnehin nicht gerade zu seinen Stärken zählte, war das in den wenigen Stunden dieses Tages besonders schwer. Sein Gesicht lieferte einige Hinweise darauf wieso das schlichte Uhrwerk dahinter so aus dem Takt geraten war. Das linke Auge zugeschwollen leuchtete das Antlitz des Optios in allen Farben und gleich zwei Zähne hatten schonmal fester im Sattel gesessen. Die Erinnerung an den gestrigen Abend fiel ihm nur in Bruchstücken zu, aber das was er bisher zusammenbekommen hatte ließ ihn nicht gerade jubeln. Wie es zu der Schlägerei gekommen war konnte er durch die Erzählungen seiner Kameraden rekonstruieren... und auch in etwa den Verlauf. Doch wie er zurück zum Lager seiner Legion gelangt war.. und warum keine Urbaner oder Vigiles die Party aufgelöst haben konnte sich nun wirklich niemand erklären.


    So stand er nun mit ziemlich belämmerter Miene vor'm Legaten und ließ die Tirade über sich ergehen, wohlweißlich worauf es hinauslaufen würde. Das also war seine Zeit als Optio... die schneller vorbei war als er in seinen Posten hineinwachsen könnte. Nicht, dass er jemals verstanden hatte warum er zum Optio ernannt worden war.. und wie bei Loki er diesen Posten auszufüllen hatte. Nun... offensichtlich wusste er nun, wie er ihn NICHT auszufüllen hatte.


    Ein Nicken mit dem geschundenen Kopf war dann auch alles, wozu er wirklich imstande war als die Litanei ihr Ende hatte... und nicht zum ersten Mal seit Beginn des Feldzugs wünschte er sich einfach nur nach Hause.

    Obwohl ihr Abmarsch unmittelbar bevorstand war Sönke heute alles andere als gut drauf. Eigentlich schon seit Tagen, da gewisse Vorgänge der letzten Tage alles andere als die Stimmung gehoben haben.
    Er selbst war gerade erst zu seinem Contubernium zurückgekehrt und nahm schnurstracks an dem nicht erkannten Hadamar Richtung auf einen seiner Kameraden, der das Unheil schon kommen sah und den Kopf einzog, woraufhin Sönkes Backpfeife seinen Kopf nur streifte.
    "Du und deine beschissenen Ideen!" , giftete Sönke und fuchtelte vor dem Kameraden mit der Hand rum: "Geh zu Pasinia, sagte er. Die wird dich schon aufmuntern, sagte er. Die kann Sachen mir dir machen, die du nie wieder vergisst, sagte er. DIE ALTE WAR WEIT WIE EIN SCHEUNENTOR!" , schrie er den unter seinem Wutanfall scheinbar immer kleiner werdenden Legionär an, und lupfte schließlich mit erbostem Blick die Tunika um dem armen Kerl sein Gemächt zu zeigen: "Und was hat sie mit mir gemacht? DIE KRÄTZE HAT SIE MIR GEGEBEN, DU VOLLDEPP! Das werd ich ganz sicher nichtmehr vergessen... eigentlich solltest du meinen verdammten Sack kratzen, wäre ich mir nicht sicher, dass du selbst dazu zu blöd wärst!"
    "Ich geb zu...", murrte der Soldat, wobei er nicht allzu betroffen schien, "...das mit der Krätze geht auf meine Kappe, die hab ich nämlich jetzt auch, also behalt deine für dich UND PACK DEIN TEIL WIEDER EIN.", wedelte er mit der Hand ab um Sönke dazu zu bringen die Tunika wieder fallen zu lassen. Schließlich konnte er sich dann aber ein Lachen doch nicht verkneifen: "Aber das mit dem Scheunentor kann ich nicht unterschreiben... für mich war sie schön eng. Vielleicht hattest du einfach nicht das passende Kaliber!"
    Das war der Moment, in welchem brüllendes Gelächter unter den zuvor den Konflikt still beobachtenden Kameraden ausbrach. Erneutes Kopfeinziehen bewahrte den Soldaten allerdings nicht von der knallenden Kopfnuss, die Sönke ihm verpasste bevor er nur ein schlichtes "Witzknicker." brummte und einer seiner Kameraden ihn auf Hadamar aufmerksam machte.


    "Moin Hadamar..." , grüßte Sönke den Freund nicht allzu erfreut mit einem knappen Kopfnicken, "...watt iss?"

    Es dauerte eine Weile, bis das Ohrfeigen durchaus gewohnte Gesicht des ohnmächtig darniederliegenden Sönke sich endlich im Gehirn Gehör verschaffen konnte. Im Kuddelmuddel der vom Alkohol und der Schlägerei ordentlich durcheinander gebrachten Zentralmembran landete die Nachricht von den Ohrfeigen allerdings im vollkommen falschen Postfach, was dazu führte, dass Sönke erst einmal nur: "Hmrmrphhh... laff mich schlafen, Mama..." murrte und er sich zur Seite drehte.
    Als daraufhin weitere Ohrfeigen in seinem Gesicht niedergingen wurde die Botschaft noch einmal gegengecheckt und schließlich zur Station weitergereicht, um in demjenigen Abteil zu landen, in welchem zumindest in letzter Zeit die meisten Schlagereize gelandet waren.
    "MILES MARIUS MELDET SICH ZU BEFEHL!" , schoss Sönke aus dem vermeintlichen Schlaf nach oben und nahm im Sitzen sowas ähnliches wie Haltung an, schwankend, aber doch nach recht soldatischer Art. Einen Moment später schien sein Blick tatsächlich in dieser Welt anzukommen, und einen Moment lang blickte er die beiden Typen irritiert an, bevor irgendwas in ihm dämmerte.
    Schließlich fiel der Dupondius und Sönkes Blick verfinsterte sich sichtlich. Als klar wurde, dass ihn im wieder alles auf Angriff schaltete, warf er sich schon aus dem Sitzen auf den nächstbesten der beiden Typen und hämmerte ihm seine Faust ins Gesicht.