Beiträge von Okhaton

    Okhaton kam aus dem servitricium und trat ins atrium. Er sah sich um - irgendwer schrubbte den Rand der piscina. Okhaton sprach den Burschen an: "Wo. Ist. Flavia Celerina?" Er bekam einen Wortschwall zur Antwort, viel zu schnell gesprochen. Und freundlich war er auch nicht. "He, Entschuldigung..." murmelte Okhaton auf Griechisch und ging zum peristylium.


    Jetzt müsste er nur noch wissen, welcher der Seitenräume der Herrin gehörte. Bei dem Ruf, den er offensichtlich schon im Haus hatte, musste er nicht unbedingt jemanden nach ihrem Zimmer fragen, und am Ende den falschen Raum zu erwischen und Corvinus zu treffen war auch nicht gerade nach seinem Geschmack...

    Okhaton hatte, auf die abwehrende Geste Tillas, sie losgelassen, es war ja ohnehin nur ein kurzes Halten gewesen, dass sie nicht stürzte. Dieser Patraios sollte wohl abreisen - schade, der hätte als Trainingspartner getaugt, auch wenn er so eigenartig grinste. Vom Rest des Gesprächs hatte Okhaton kaum etwas mitbekommen. Er lächelte nochmal in die Runde und ging zu den Waschschüsseln, er hatte kein Bedürfnis, sich zu unterhalten; er rieb sich Hände und Gesicht ab und ging dann los, die Herrin zu suchen. Diesmal wollte er vermeiden, in missverständliche Situationen zu geraten...


    Sim-Off:

    Bin dann wieder aus dem Thread... ;)

    Bei den Göttern, das war 'mal jemand, der genauso groß, wenn nicht noch ein kleines Stück größer war als Okhaton. Er war das einfach nicht gewöhnt...wirklich nicht... aber gut! Wenigstens schien es keinen Ärger zu geben. Alle schienen schon seinen Namen zu kennen. Hatte sich die peinliche Sache mit Celerina herumgesprochen? Hoffentlich nicht. Wenigstens konnte der Hüne griechisch. "Chaire..." Er hatte von den Vorstellungen kaum etwas verstanden. Das Mädchen hieß Tilla, das hatte er mitbekommen. In seinem deutlich ägyptisch gefärbten Griechisch fuhr er fort, an Patraios gewandt: "Schön, euch zu treffen...stör'n wir euch grad?"


    Das hatte doch ein wenig intim ausgesehen. Oder war das so ähnlich wie mit ihm und Celerina, dass es einfach nur so aussah? Er fragte sich, wann die Herrin sich seiner erinnern würde, und wie er diese eigentümlichen Blicke von ihr zu deuten hatte, den er gleich am ersten Tag bekommen hatte.

    Okhaton war missgelaunt. Er hatte nur eine neue Begleitung für das Wandererlied auf der Kithara erfinden wollen, da hatte es gleich zwei Saiten in der Mitte zerrissen. Er würde Celerina bitten müssen, ihn auf den Markt gehen zu lassen um neue Saiten zu holen, ansonsten konnte sie sich ihre Musik in den Bart... naja, das nun nicht gerade.


    Er wollte nur durch das servitriciuum, um sich zu waschen und dann die Herrin zu suchen. Nach dem peinlichen Auftritt mit ihrem Mann gleich am ersten Tag hatte er sich bisher abwartend verhalten - Ärger mit Corvinus, ihrem Mann, wollte er vermeiden, auch wenn er aus Randbemerkungen einiger Sklaven, die er leider wegen ihres Dialekts nur schwer verstand, schloss, dass der Gute auch nicht gerade ein Kind von Traurigkeit war.


    Mit dem Gedanken, dass auch in reichen Römerfamilien nicht immer alles so war, wie es auf den ersten Blick aussah, stieß er gegen das Mädchen, das er völlig übersehen hatte. Reflexhaft fasste er sie an der Schulter, damit sie nicht hinfiel. "Uff...'tschulligung." stieß er auf Griechisch hervor - erst dann sah er die zwei, die ihm Raum saßen. Verdammt, falscher Moment.

    So schnell hatte sich wahrscheinlich in diesem Hause noch niemand angezogen. Das war nochmal gutgegangen - offenbar war der Hausherr, der Marcus hieß, kein besonders jähzorniger Mann. Glück gehabt! Okhaton hatte sich schon halb von den Liktoren abgemurkst gesehen. Man hörte ja so allerlei von den feinen Leuten in Rom...


    Oh ihr Götter, jetzt sah er Okhaton auch noch an. Er starrte auf den Boden. Ein langer Kerl - die meisten Leute waren kleiner als er - und wer immer seine Kleidung herstellte, verstand dieses Fach. Der Ägypter murmelte ein kaum hörbares "Salve, dominus." Was sollte er auch tun, von der brandneuen Besitzerin in eine so verdammt peinliche Lage gebracht...

    Als gedrillter Kämpfer fuhr Okhaton herum und schätzte die Situation ab - Männer mit Waffen, Männer mit Schriftrollen, einer mit einer Toga, mit einem Gesichtsausdruck, als... nun...als hätte er seine Frau mit einem halbnackten Sklaven im von allen Göttern verdammten ATRIUM seines eigenen Hauses angetroffen. Das musste er Hausherr sein...


    Taktisch war da nichts zu holen, Okhaton hatte von den Liktoren gehört. Es waren nicht eben viele und Soldaten waren das auch nicht, aber mit Äxten in Kombination mit x-facher Unterzahl war... Moment, worüber dachte er da nach? Nein...er konnte hier keine spontane Flucht wagen, wo um alles in der Welt sollte er hin?


    So starrte er wohl wenig intelligent dreinblickend den Hausherrn an, wobei er Celerina zufällig fast hinter sich verschwinden ließ. Das hier war ein ernstzunehmendes Problem. Eine Karriere als unbewaffneter Löwenringer war nun nicht Okhatons Idealvorstellung...

    Okhaton trat näher und beugte sich vor, damit Celerina die Narbe besser sehen konnte; eine Linie aus hellerem Gewebe, etwa zwei Finger lang und so breit wie Zeige- und Mittelfinger nebeinandergelegt, zog sich von seinem rechten Schlüsselbein fast gerade nach hinten über die Schulter. "Da..." Er musste sich räuspern angesichts der wenig gewöhnlichen Situation. "Da ist mir im Steinbruch ein größerer Brocken mit der Kante draufgefallen. Über mir hat irgendein Schwachkopf nicht aufgepasst beim Herauslösen aus dem Berg." Über das Lob seines Körpers freute der Ägypter sich durchaus - nur dass solch ein Körper eben nicht ausblieb, wenn man im Steinbruch schuftete.

    Zum ersten Mal war eine allem Anschein nach ungefilterte Gefühlsregung bei Okhaton zu sehen. Hätte sie lingua latina gesprochen, hätte er vermutet, er habe falsch verstanden, aber nein, ihr Befehl war eindeutig gewesen. Nachdem seine Augenbrauen wieder gesunken waren, ging ein kurzes, schwer zu lesendes Zucken über sein Gesicht. Er hätte das Gefühl selbst nicht genau benennen können, das dazu führte. Es war eine Mischung aus Unter- und Überlegenheitsgefühl - aber gut, er hatte anderes zu tun, als über sein Inneres zu grübeln, es half ohnehin nicht. Er stand nach dem langen Sitzen leicht steifbeinig auf, löste den leichten Gürtel, den er trug, und streifte in einer raschen Bewegung seine Tunika ab.


    Er stand unbekleidet mitten im Atrium - es machte ihn nicht eben glücklich, aber er war diesen Dingen gegenüber indifferent geworden in den letzten Jahren. Außerdem - auf die Art bekam die Makedonierin im Hintergrund auch einmal etwas Schönes zu sehen.


    Okhaton hatte die Gestalt eines Ringers, kaum ein Muskel war nicht trainiert. Seine grundlegende Gestalt war jedoch eher schlank als wuchtig, und so wirkte er nicht sehr martialisch, sondern eher in die Richtung von Hermes tendierend. An den Oberschenkeln, an den Armen und an den Schultern hatte er neben der einen längeren Narbe einige kleinere, die von Unfällen mit Steinblöcken oder unglücklich geflogenen Splittern stammten.


    Er war für einen Sklaven gut gepflegt - Graecia hatte ihm viele Mußestunden gelassen, die er zum Teil auf eben die Körperpflege verwendete; es war ihm einfach nichts sonst eingefallen, das er tun konnte.


    Nun brachte Okhaton es freilich nicht mehr fertig, Celerina kühl ins Auge zu blicken. Er schaute nun in die Richtung des Peristyls, ohne jedoch wirklich etwas wahrzunehmen.

    Okhaton lächelte entschuldigend. "Nein, lesen kann ich nicht...aber so schwer kann das ja nicht sein...ich kann es bestimmt lernen. Aber vortragen kann ich, ich kenne ein paar Geschichten, aber natürlich auf Griechisch." Ihre Aussage, er werde keinen Mangel an Lebensmitteln und Kleidung leiden, sogar einen Überfluss daran haben, beruhigte ihn - ohne ihn aber zu überraschen, das Haus war offenkundig ein mehr als nur wohlhabendes. Hunger war Geschichte, und wahrscheinlich auch Überanstrengung, außer vielleicht die der Stimme. Er verbarg seine Zufriedenheit darüber sorgfältig. "Mit den Wächtern würde ich gerne trainieren."


    Er reckte sich leicht und suchte seine Schultern etwas zu lockern. Durch die verrutschende Tunika wurden erst seine kräftigen Oberarme, dann seine auf den zweiten Blick beinahe wuchtig zu nennende Nacken- und Schulterpartie ins Licht gerückt. Eine Narbe hob sich weiß von der linken Schulter ab, aber der Gesamteindruck schien nicht mit dem feinsinnigen Musiker zusammenzupassen, sondern sprach Bände von seiner Zeit im Steinbruch. Er ließ die Schultern wieder fallen und blickte in die dunklen Augen Celerinas, sein Ausdruck alles andere als unfreundlich, aber ohne mehr als ein grundsätzliches Wohlwollen zu verraten. Er wusste, wie er aussah - nachdem ihn die Sache mit dem Lesen durcheinandergebracht hatte, hatte er nun wieder festen Boden unter den Füßen.

    Okhaton ließ den Schwall an Fragen auf sich einprasseln, sein Gesicht blieb kühl, so gut wie unbewegt. Er hatte kein Interesse daran, seine wenig erfreuliche, aber auch wenig bemerkenswerte Lebensgeschichte hier auszubreiten. "Ich war seit einem Jahr bei Graecia, davor war ich nur ein paar Monate in einem Steinbruch in Hispania, der aufgegeben wurde. Und davor war ich eben bei meinen Eltern, mein Vater war Händler in Alexandria, Freier natürlich. Sind beide vor zwei Jahren im Sommer am Fieber gestorben. Es war der schlechte Teil vom Jahr, ich hatte mehr Schulden als Besitz geerbt, so kam das mit der servitudo." Er streute das lateinische Wort ein, er war schließlich servus bei den Römern und nicht bei den Griechen. "Ich konnte schon singen und Kithara spielen, ich habe dann noch etwas Ringen und mit dem Stock zu schlagen gelernt, ich kann das alles ganz gut."


    Er wusste sehr gut, dass seine Vorlieben nach menschlichem Ermessen keine Rolle spielen würden, und dass auch seine sonstigen Gefühle mit "unbedeutend" noch übertrieben wichtig bezeichnet waren - und so erwähnte er die mit keinem Wort. Er mochte eigentlich alle Aufgaben, das Wachen vielleicht sogar noch lieber als das Singen, das irgendwie immer beinhaltete, dass er eine ganze Menge von sich zeigen musste.

    Okhaton war von ihrem Stimmungswechsel wiederum irritiert, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Die Katze, die den Hals nicht zeigt, wird auch nicht gebissen, so hatte sein Vater immer gesagt. "Ich habe gesungen und die Herrin oder den Herrn bewacht, wenn sie ausgingen...aber das war nur meine zweite Aufgabe. Und ich habe manchmal kleinere Botengänge gemacht." erklärte er, wobei er kurz in Celerinas Augen blickte. Schwer zu lesen, wie die meisten - dass im Auge an sich gesehen werden konnte, wie ein Mensch war, war Hokuspokus. Manche konnten es spüren, aber direkt zu sehen war es nicht. "Meine Mutter. Sie ist tot." beantwortete er die zweite Frage. Er hatte das Misstrauen schon bemerkt - aber es war ja auch selten, dass Sklaven irgendeinen Privatbesitz hatten, insbesondere junge wie er. Irgendwann würde er vielleicht etwas haben, womit er sich freikaufen konnte...aber das waren jetzt nicht einmal Träume, er hatte andere Probleme.


    Eine kurze Pause entstand; dann beschloss er, sich doch etwas aus der Deckung zu wagen. "Welche Aufgaben wirst du mir geben, Herrin?"

    Der Ägypter hatte den Becher dankend angenommen, hielt jedoch in der Bewegung inne, als Celerinas Frage kam. "Ich bin nicht unglücklich. Einer, der singt, will beachtet sein, und Graeceias familia, so gut freundlich sie sonst war, hat mich nicht beachtet." Dann trank er - er hatte geantwortet.


    Als sie doch einigermaßen heftig forderte, den Ring zu sehen, zog er sacht die Augenbrauen hoch. Impulsiv war diese Frau. Wenn man die Römerinnen und Römer immer nur als Befehlsgeber erlebte, konnte man leicht den Eindruck gewinnen, sie seien in ihren Gefühlen ganz anders als man selbst. Dann griff er ruhig in den kleinen Schlitz, unter dem der Beutel angebracht war, und zeigte ihr den simplen Ring aus Bronze. Sicher war sie viel Besseres gewohnt. "Eine Erinnerung." setzte er einsilbig, wie er gegenüber den Römern war, hinzu.

    "Okhaton heiße ich." erklärte derselbe, ebenso auf Griechisch, das bei ihm die Klangfarbe der ägyptischen Region hatte. Seine Stimme war vom Singen und von der Überraschung etwas rau, aber immer noch war ihre enorme Resonanz zu hören, und auch der melancholische Unterton, der, wie Okhaton wohl als einziger wusste, eine angeborene Eigenschaft war, war nicht verschwunden.


    Die neue Herrin gab sich ja recht gnädig - und ein wenig mehr Interesse als Graeceia schien sie auch zu zeigen. Vielleicht wartete hier eine nette Zukunft auf ihn? Er tastete nach seinem einzigen relevanten persönlichen Besitz, einem Ohrring, der seiner Mutter gehört hatte und den er in einem Beutelchen an der Innenseite seiner Tunika trug.


    Er dachte an Aaron, wie der ihm immer gesagt hatte, dass ein kräftiger Leib auch den Geist stark macht - und er hatte rechtbehalten, denn Okhaton war weit weniger verunsichert, als er selbst geglaubt hatte.

    Das sonst hübsche Gesicht Okhatons verzog sich in einem Ausdruck größter Überraschung, der ihn wenig intelligent aussehen ließ. Hatte er nur wieder nicht aufgepasst oder ein Wort missverstanden? "Te eum dono...multos servos Camenis praelatos habemus." - das hieß doch wohl "Ich schenke ihn dir, wir haben viele Sklaven" und dann irgendwas mit Musen, weil die Römer ihre Musen "Camenen" nannten. Und dann war sie abgerauscht. Nicht, dass Okhaton ihr nachtrauerte, er hatte das Gefühl, das sie nicht besonders viel von Musik verstand, und besonders mit ihm befasst hatte sich ohnehin niemand bei ihr und ihrem Mann, aber überraschend war die Sache nun doch.


    Er drehte sich noch immer verwirrt zu Flavia. "Domina..." murmelte er in einem etwas misslungenen Versuch, sie zu grüßen. Was hatte das jetzt alles zu sagen? Nicht einmal ein philosophos konnte die Frauen verstehen, schon gar nicht die feinen Römerinnen.

    Okhaton beobachtete, wie die Herrin mit der Flavierin die Katze umschmeichelte. Wirklich ein hübsches Tier - er erinnerte sich, vor vielen Jahren einmal so eine gesehen zu haben, bei einem der Priester.


    Er überprüfte die Stimmung seiner Laute und betrachtete diskret diese Flavierin; nicht nur ihre Hände waren schön und feingliedrig, auch ihr Gesicht mit dem schmalen Mund und den rosigen Wangen (wenn auch letztere künstlich "verbessert" sein mochten, so war es von Könnerhand geschehen). Der Ägypter konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken - sie war jedenfalls ein schönerer Anblick als der alte Ubius, mit dem er sich bei Graeceia eine winzige Kammer teilte.


    Im Moment wurde nichts von ihm verlangt, so blickte er zum Himmel, wo langsam die Sterne auftauchten. In Rom gab es sehr schöne Gebäude, und dieses gehörte in jedem Fall dazu. Er klimperte leise auf dem Instrument, in diesen Tongruppen, für die er keinen richtigen Namen hatte, den er sich hätte merken können, die aber irgendwie zusammenpassten. Er erkannte Müdigkeit bei der Herrin - kein Wunder. Sie waren den ganzen Tag schon unterwegs gewesen, bei dutzenden von Besuchen, von denen aber keiner auch nur annähernd so lang oder so bedeutsam gewesen wäre wie dieser.

    Griechisch! Viel besser. Sie meinte es also ernst - nun gut, es gab Schlimmeres, als von der sauiberen Hand einer schönen Frau Trauben zu essen. "Angst" ging etwas an der Sache vorbei, er war vielmehr etwas ungläubig gewesen. Okhaton erlaubte sich ein leicht verschmitztes Lächeln und schnappte eine der Weinbeeren. "Danke, Flavia." antwortete er auf Latein. Er hätte noch hinzugefügt, dass ich mich freute, dass ihr seine Musik zu gefallen schien, aber das schien mir unpassend. In seinem neuen unfreien Leben war ein Wort weniger immer besser als eines mehr.


    Graeceia nannte Aegyptus als mein Heimatland. Ich dachte an den wundervollen Nilstrom, der viel zu erzählen wusste von den Ebenen und Wäldern der Länder im Süden, jenseits des imperium. Mein Vater war als junger Mann einmal weit in den Süden gereist zu den Nubiern; er schwärmte bis zuletzt davon, die Reise kam sogar in seinen letzten Fieberträumen vor...

    Füttern... was war das? Okhaton verstand nicht. Er verkniff sich ein selbstzufriedenes Grinsen - die Dame war ja völlig hin und weg. Darf ich ihn...ach um das Essen ging es? Er mochte Trauben, aber als er zuletzt nachgesehen hatte, hatte er noch eigene Hände gehabt. Egal... die Herrin nickte bestätigend. Sollte er ihrer Freundin jetzt aus der Hand füttern, oder wie das hieß? Da musste er zwar das Instrument nicht aus der Hang legen, aber irgendwie war es doch eigenartig...

    Okhaton ließ den letzten Ton des Nachspiels sanft ausklingen. Er spürte bereits ein leichtes Kratzen im Kehlkopf, er würde seine Stimme etwas schonen müssen, wenn er noch länger durchhalten wollte. Hier war es kühl - es wurde Abend, und die Sonne war schon nicht mehr zu sehen. Er dachte an die Abende, an denen er auf dem Dach seines Elternhauses sitzend singen und spielen gelernt hatte - gerade mal zwei Jahre war es her, warm war es gewesen in jenem Sommer, bevor sein Leben in die Brüche ging. Beide Eltern am bösen Fieber gestorben, innerhalb von Wochen, ohne einen Berg von Schulden abgetragen zu haben...


    Über Umwege war er bei seiner jetzigen Besitzerin gelandet. Sie und ihr Mann ließen ihn ab und zu spielen und singen, ansonsten bediente er Gäste oder diente als Wächter, wenn nicht der alte Judäer Aaron den Herrn oder die Herrin begleitete. Okhaton sah zwar aus, als könne er kein Wässerchen trüben, aber unter der schlichten Tunika verbarg sich ein kraftvoller Körper, nachdem er ein halbes Jahr in einem Steinbruch gearbeitet hatte. Der Mitsklave, der ihm im Steinbruch sein Stück Brot hatte abknöpfen wollen, lief seit dem Versuch mit einer schiefen Nase und einem viel besseren Sinn für Mein und Dein herum. Eigentlich tat Okhaton die Sache leid - aber er hatte ihn nunmal überrascht, er hatte reflexartig reagiert.


    Er warf einen kurzen Blick auf seine Herrin; die schätzte ihn zwar, kümmerte sich aber sonst nicht großartig um ihn. Er fühlte sich oft einsam, aber das war ihm letzten Endes recht, so musste er nichts erklären, alles ging seinen Gang, ohne dass er dazu kam, um Chancen zu trauern, die ihm ein ungünstiges Schicksal geraubt hatte. Sein Blick schweifte weiter.


    Die Gastgeberin, Flavia Celerina hieß sie wohl, wirkte wie die meisten feinen Damen, die er gesehen hatte - geradezu überirdisch schön mit den ganzen aufwändigen Mitteln, die ihnen dafür zur Verfügung standen, aber auch verdammt weit weg von ihm selbst. Sie war aber keine von den ganz Üblen - sie hatte ihm sogar einen kleinen Wasserkrug geben lassen, damit er sich die Kehle befeuchten konnte. Die Herrin hatte seinen Blick bemerkt: "Spiel das Lied vom Wandern...mit den Sternen das..."


    Okhatons lateinischer Wortschatz speiste sich vor allem aus Liedtexten, die er leidenschaftlich und inzwischen in erheblichem Tempo auswendiglernte. Er nahm noch einen Schluck, nickte und richtete den Blick zum Himmel.


    "Ein Wanderer auf der Straße
    Kennt nicht den Weg, kaum noch sein Ziel
    Es wird schon Nacht, die Venus blinkt
    Und er bräuchte doch gar nicht so viel,
    um zufrieden zu sein..."


    Das Lied gelang ihm prächtig, überhaupt hatte er das Gefühl, schon lange nicht mehr so schön gesungen zu haben. Vielleicht war dieses Lied leichter als die anderen, weil er sich selbst so sehr darin wiederfand...


    Als auch dieses Lied verklungen war, fing er den Blick der Hausherrin auf; die schien er wirklich zu erfreuen, obwohl sie müde wirkte, traurig irgendwie. Gut! Womöglich ließ ihm seine Herrin dafür morgen ein Stück Kuchen geben, wie es manchmal vorkam.