Beiträge von Servius Obsidius Antias

    Lügen war nicht unbedingt seine Stärke. Aber so wie der Mann fragte war es keine Lüge. Nach dem Vater war er freier römischer Bürger.


    " Ja, ich bin demnach freier Bürger. Habe keinen unehrenhaften Beruf ausgeübt. Bin nie verurteilt worden und habe keine Verbrechen begangen."


    Der Tischler hatte ihm bescheinigt, dass er sehr gut mit Holz umgehen konnte und hätte ihn behalten, aber die Umstände zwangen ihn zu anderem.


    " Die Tischlerei."gab er an. Seine Nervosität hatte nachgelassen. Vorsicht war immer noch geboten. Kein falsches Wort, sonst war es aus.


    " Lesen und schreiben, kann ich nicht gut." Das stimmte aufs Wort, was das Lateinische betraf. Damit tat er sich schwer. Griechisch dagegen beherrschte er sehr gut. Das musste er dem Mann ja nicht unter die Nase reiben, das warf nur Fragen auf, die er vermeiden wollte.

    Es galt, das war die schwerste Hürde. Wie sehr hatte er geübt um sich alles zu merken, nichts falsch zu machen. Namen, Orte, alles was er gehört hatte. Chio schrieb auf was sie zusammengetragen hatten. Sie fragte ihn ab. Auf der Wachstafel wuchs die Geschichte einer neuen Familie. Ob sie gut genug war um hier zu bestehen, stellte sich gleich heraus.


    "Mein Vater hieß Lucius Obsidius Decula. Ich komme aus der Nähe von Ateste."

    Er sah auf seine Hand die er nach der Tür ausstreckte. Die Finger zitterten kaum sichtbar. Reiß dich zusammen, du hast keine andere Wahl.


    Die Tür hinter sich geschlossen, blieb er stehen und sagte seinen Spruch auf.


    " Ja. Meine Name ist Servius Obsidius Antias."


    Er wurde ruhiger. Mehr als schief gehen konnte es nicht und es war eigentlich egal wo es schief ging. Hier, in Rom, in den Straßen Mantuas. Zu verlieren hatte er nichts.

    Sein Arm um sie gelegt, kämpfte er. Alles war so weit weg gerückt. Eine kleine casa, eine Familie, eine Arbeit die ihn und seine Familie ernähren konnte, frei sein. Träume unerreicht. Er wollte nicht aufgeben, chio im Stich lassen, sie enttäuschen. Aber es sah ausm als ob das Opfer was er den römischen Göttern gebracht hatte, nicht reichte. Sein Leben einem Gott weihen war das, was er als letztes anbieten konnte.


    " Du darfst keine Angst haben." er ließ sich mit ihr auf's bett sinken. Ihre Haare, sein Fingerspitzen berührten sie behutsam. Mit seinen Blicken versuchte er in ihrer Mimik zu lesen. " Was ist das für ein Leben, wenn ich dir nicht den kleinsten Wunsch erfüllen kann. Wir hungern müssen. Ruhelos umherziehen, weil wir Angst haben entdeckt zu werden. "


    Er küsste sie zärtlich, seine Hand wanderten ihren Arm entlang, zeichnete die Konturen ihres Körpers nach. Ein unbändiges Verlangen nach ihr blendete alle Sorgen und die Hoffnungslosigkeit aus. Er sah sie, roch sie, fühlte sie, nur sie nichts anderes. Diesmal nahm er sich nicht zurück, es gab einfach keinen Grund mehr zu warten. Sie gehörte zu ihm. Sein Handeln sprach eine deutliche Sprache. Heute ließ er sich nicht davon abbringen, sie mit ins Chaos der Gefühle zu stürzen. Süchtig nach mehr zu machen, sich davon tragen lassen. Er nahm sich die Zeit, bedachte jede ihrer sensiblen Stellen, zärtlich, sanft zu Anfang, dann fordernder, bis er ihr unmissverständlich zu verstehen gab. Bis hierher sind wir getrennte Wege gegangen, den Rest des Weges gehen wir gemeinsam.

    Seine kleine Chio. Ihre zarten kleinen Hände, spendeten Wärme, bremsten die aufkommende Wut in ihm ab. „ Er hat damit zu tun. Ja, da bin ich mir mehr als sicher. Ich sage es ihm auf den Kopf zu.“ murmelte Aretas. Wütend stand er auf, konnte sich nciht mehr beherrschen. „ Der Tischler hat mich nach Hause geschickt. Er hat genug Leute. Ich werde nicht gebraucht. Es wäre besser die Stadt zu verlassen. Als er das sagte, konnte ich mir denken woher der Wind weht.“ Mit geballten Fäusten lief er , wie ein waidwundes Tier auf und ab. „ Aus Mitleid hat er mir das Werkzeug überlassen. Er wollte nicht das ich gehe, aber er musste mich wegschicken.“ In Aretas brodelte es. „ Dieser dicke Blutsauger ist an allem Schuld.“ Er setzte sich wieder zu Chio. „ Es tut mir Leid Chio, ich bringe dich nach Rom zurück und nehme alles auf mich. Du sollst nicht wegen mir unglücklich werden.“ Er sah auf ihre zarten Hände, hielt sie behutsam fest. „ Du hattest es gut bei der Tiberia.“ Ein Augenblick des Schweigens. „Eins wäre noch möglich, ich gehe zur Legion. Ich habe nichts zu verlieren, entweder hier oder in Rom geht’s mir an den Kragen. Du brauchst keine Angst zu haben. Es ist kein Krieg. Die Legion hat hier ihren Stammplatz. Du kannst hier wohnen, ich komme jeden Ausgang zu dir. Du bekommst das Geld. Die casa wird repariert, es wird alles gut. Heiraten werden wir nach meiner Dienstzeit.“

    Der Tischlermeister schickte ihn nach 5 Tagen weg. Gab ihm 8 Sesterzen mit. Er hätte ausreichend Leute. Aretas wusste aus welcher Ecke das kam. Mürrisch betrat er die casa, schmiss das Werkzeug in die Ecke. Das hatte im der Meister überlassen. Es hatte ihm Leid getan ihn weg schicken zu müssen. " Du kannst gut mit Holz umgehen, du findest wo anders Arbeit." Er hatte sich ängstlich umgesehen und geflüstert. " Am besten du gehst hier weg." Wohin sollte Aretas mit Chio gehen. Den Kopf in den Händen vergraben saß er auf dem Bett.

    Der Name sagte ihm nicht viel. So sehr lange hielten sie sich ja noch nicht in der Stadt auf. Bei seiner Art, war es vielleicht angebracht den "ah ja, der Name ist mir schon zu Ohren gekommen", zu mimen.


    Aretas öffnete die Porta so, dass sein unangekündigter Gast eintreten konnte.


    " Sicher tritt ein, aber erwarte nicht zu viel in diesem halb verfallenen Haus. Eine geschäftliche Angelegenheit lässt sich bereden. Verzeih im Voraus den Zustand und die, den Umständen entsprechend, spärliche Einrichtung."


    Eine geschäftliche Angelegenheit ? Pferdezucht? Das konnte er sich von diesem Mann nicht vorstellen. Er war eher das Sinnbild eines reichen Kaufmann's.


    " Entschuldige, mein Name ist Servius Obsidius Antias. Ich habe um diese Zeit nicht mit Besuch gerechnet. Folge mir bitte."


    Aretas ging voraus ins cubiculum, den einzig hergerichteten und bewohnbaren Raum. Er bot Decrius seinen Platz an. Stellte ihm seinen noch nicht angerührten Becher mit frischem Wasser hin. " Darf ich dir vorstellen, das ist meine zukünftige Herrin des Hauses." Er stellte sich zu Chio.

    Ein Klopfen unterbrach ihn. Besuch? oder etwa.... Die Angst entdeckt zu werden blieb. Er sah zu Chio und ging langsam zur Porta. Einen Augenblick wartete er atmete durch und öffnete. Ein Sklave hatte geklopft, doch was sich hinter ihm aufbaute war wesentlich wichtiger. Ein wohlgenährter Mann, eine Sänfte. Was wollte er ? Viel hatten sie nicht was für ihn von Interesse sein konnte.


    " Salve, was wünschst du? " wandte Aretas sich direkt an den wohlbeleibten Zeitgenossen.

    Die Löffel richtig. Die hatte er in seiner Tasche. Eine begonnene Schnitzerei rutschte rutschte heraus. Grob waren die Konturen festgelegt. Ein Pferd, gedrungen, klein, kräftig. Er lächelte und steckte es wieder weg. “Hier sind sie.” Er legte die Löffel auf die Truhe und setzte sich. Wortlos nahm er einen und nahm vom dampfenden Puls. Pustend suchte er Zeit zu gewinnen. Wie erklärte er ihr ...... “ Mmmhh.., hast du gut gekocht.” Es war noch heiß , er jonglierte den Puls im Mund hin und her. “ Ich hätte es wissen müssen, Frauen sind Naturtalente was das Kochen angeht.” Er grinste und schluckte runter.


    Seufzend sah er sie an und legte den Löffel beiseite. “ Das erste. Man hat mir den Römer abgenommen, aber ....” Er begann mit dem Löffel zu spielen. “ Eine Arbeit als Römer zu bekommen... Hätte ich mich unter Stand verkauft, wäre es aufgefallen. Der Magistratus hat mir den Posten eines Vigil’s angeboten. Nach Aushang ist das Sklavenarbeit, ich musste ablehnen. Es hätte Gerede bei den Nachbarn gegeben. Den Centurio vigilum hat er mir nicht gegeben, ich hätte zu wenig Erfahrung. Eine Stelle für einen Peregrinus, aber mit der Situation nach der Seuche erklärbar.”


    Ein Löffel Puls unterbrach sein Reden. Kauend bemerkte er. “ Mmhh,..Scripa und Verwalter seiner Farbmischerei hat er mir noch angeboten. Aber du weißt ja. Latein lesen und schreiben...” Er knallte den Löffel auf die Truhe. Wurde etwas lauter. “ Nicht mal als Römer bekommt man eine gut bezahlte Arbeit!” Die Pferdezucht erwähnt er gar nicht erst. Sollte er die Legion erwähnen ? Der einzige Ausweg, hier alles wieder aufbauen zu können. Als Handwerker bekam er zu wenig. Er sprach es doch an. “ Ich habe bei der Legion nachgefragt....”

    Es war schwer auf ehrlichem, auf fast ehrlichem Weg an Arbeit zu kommen. Gut bezahlte Arbeit versteht sich. Was sagte er Chio ? Wie sollte er ihr erklären, dass er den Vigil abgelehnt hatte, ablehnen musste. Geknickt betrat er die Casa. Puls! Nach frisch gekochtem Puls roch es. Wenn der Tag anders gelaufen wäre.....


    Chio stand in der culina. Er gab sich einen Ruck, packte seine trüben Gedanken beiseite und stellte sich hinter sie. Vorsichtig fasste er von hinten ihre Schultern und zog sie zu sich. Umarmte sie zärtlich, lehnte seinen Kopf an ihren. " Es duftet herrlich. Hast du das alleine gekocht?"


    Er erspähte den Honigtopf. " Hhhmmm..." Seinen Finger ableckend. " Ich bin ausgehungert wie ein Wolf, lass uns Essen." sagte er, obwohl ihm nicht nach Essen war. Chio hatte sich solche Mühe gegeben. Das durfte er nicht ignorieren.


    Anerkennend nickte Aretas, als er das cubiculum sah. " Den Schutt beiseite geräumt, den Herd in Gang gebracht, das cubiculum sauber gemacht und Essen gekocht.... Du warst sehr fleißig." Wenn er das von sich behaupten könnte, wäre ihm wohler gewesen. " Du bist eine gute Frau. Meine Frau." ganz konnte er seinen Traurigkeit nicht verbergen, als er das sagte.

    Das war einfach gesagt, ein Empfehlungsschreiben. Von wem denn? Er kannte hier keinen, zum Glück, für ihn. Sonst würde er hier nicht mehr frei herum laufen. In der Frage eine Arbeit zu bekommen schlecht. Wie sollte er an eine Empfehlung kommen, wenn man ihm nichts zu traute. Bei seiner letzten "Arbeitgeberin" konnte er schlecht um eine bitten. Aretas zuckte resigniert mit den Schultern und ging.

    " Danke für die Empfehlung. Ich werde sie im Auge behalten." Der Tip mit der Pferdezucht, vielleicht sollte er dort wirklich vorsprechen. So richtig konnte er sich nicht dafür erwärmen. Die Römer hatten zwar Pferde aber die reichten bei weitem nicht an die thrakischen Zuchten heran. " Dann entschuldige nochmals, vale bene, Magistratus."


    Ein letzter Versuch, auch der gescheitert. Was sollte folgen? Aretas ( Servius Obsidius Antias) stellte fest, dass man auch mit einem römischen Namen nicht unbedingt zu Arbeit kam.

    Niedergeschlagen ging er durch die Straßen Mantua's. Vorbei an spielenden Kindern, kleinen Grüppchen Frauen, die sich unterhielten, an verwaisten Häusern, den schäbigen Insulae. All dem schenkte er keine Beachtung. Ihn beschäftigte die Tatsache, dass er keine geeignete Stelle bei der Stadt bekommen hatte. Ein Geräusch, irgend etwas ließ ihn aufblicken. Was machte er denn hier? Sein Blick fiel auf das Tor zum Lager der Legion. Der Centurio hatte gesagt... fragen kostete nichts.


    Er blieb bei der Torwache stehen. " Salve, Miles. Darf ich fragen, wie die Verdienstmöglichkeiten bei der Legion sind und was man außer der Ausrüstung noch alles bekommt? ...Und wie lange genau ist man als Legionär verpflichtet? Oder kannst du mir jemanden nennen, der mir darüber ganz genau Auskunft geben kann und wo finde ich denjenigen? "

    Bunter Hund, wie ihm das in dem Zusammenhang einfiel, er zuckte innerlich mit den Schultern. Eine Farbmischerei, nicht das, was er sich wünschte. Mit Tieren, also Schafen, Zeigen, Pferden hätte er kein Problem gehabt. Mit einer Farbmischerei konnte er nichts anfangen. So wie es sich anhörte, war da viel Schreiberei zu erledigen. Es spielte sich fast alles auf Wachstafeln und Papyri ab. Er kam mit vielen Leuten in Kontakt, keine gute Ausgangsposition, nicht entdeckt zu werden. " Farben sind keine Tiere. Bei Pferden, Schafen oder Ziegen, wäre ich nicht abgeneigt gewesen." Es gab nichts was er weiter dazu zu sagen hatte. " Schade, die Götter haben wohl anderes mit mir vor." Von wegen,nach dem Opfer hatte er nicht einen kleinen Wink von ihnen bekommen. Er musste alleine entscheiden und das hatte er getan.

    " An welche Form von Geschäftsführung hast du denn gedacht?" Geschäftsführung, ein Teil scriba, ein Teil Organisator, ein Teil Händler. Den Teil scriba, mit dem konnte er sich noch nie anfreunden. Sehen was er anzubieten hat. Chio lief ihm nicht weg. Mit ihr musste er nach seiner Rückkehr sowieso beratschlagen wie es weiter ging, wenn die Geldfrage geklärt war.

    Unsanft hielt ihn jemand am sagum fest. Er war entdeckt, schoss es ihm durch den Kopf, seine wahre Identität bekannt. Bis ihm der Scriba sagte, dass der Magistrat ihn noch mal sprechen wolle. Erleichtert drehte Aretas um. Was hatte der Magistrat denn noch zu bieten.


    Beim Magistratus angekommen, entschuldigte er sich für sein übereiltes Verlassen des officium's. " Du wolltest mich noch einmal sprechen? Hast du eventuell eine andere Lösung für unser beider Problem gefunden?" So unrecht hatte er damit nicht. Die Stadtverwaltung suchte Händeringend nach Leuten. Aretas nach einer Arbeit die genug Geld einbrachte, um Chio und ihm das Auskommen zu sichern und die casa wieder instand setzen zu lassen.