Beiträge von Servius Obsidius Antias

    Sie verstand sich mehr auf Pferde als er erwartet hatte. Der Vorschlag von ihr war gut. Daran hatte er auch schon gedacht, das Training unter Lärm. Für die kommenden Rennen von Vorteil. Die Pferde wären dann damit vertraut.
    " Sie warten schon sehnsüchtig darauf auf die Bahn zu kommen. " Er ging zum Gespann. Jeder bekam seinen Apfel. " Eine gute Idee mit dem Lärm. Hier sind genug Leute, die es machen können. Für den Anfang vielleicht nicht zu viel, dass ich sie nach und nach dran gewöhne. Später ein Trainingsrennen um zu sehen wie es gewirkt hat."
    Er tätschelte der Stute den Hals und bestieg den Wagen. " Du willst wirklich zu jedem Training kommen ?" vergewisserte er sich, bevor er den Pferden die Zügel gab.

    Der Brief musste warten. Seine Ausrüstung hatte er angelegt. Aretas verließ die Kammer und ging zur Futternische. Vier Äpfel für die Pferde, bevor das Training begann.
    Er kam den Gang entlang, das Gespann war fertig. Daneben, mit Sicherheitsabstand sah er Tiberia Faustina. " Guten Morgen Domina Tiberia Faustina. Das Gespann und ich sind soweit." Prüfend sah er nach dem Sitz der Peitsche.

    " Bis Morgen..." Er setzte sich auf sein Bett. Sie freute sich, dass er wieder da war? Merwürdig. Das hatte er nicht gedacht. Sie zickte meist. Ja, es war weniger geworden. Sie verstanden sich besser. Er mochte sie ja auch irgendwie. Müde legte er sich hin und ließ den Tag Revue passieren.

    Der Anfang war eine kleine Einstimmung. Es floss Blut, nicht viel , für Zivilisten sicher einen Aufschrei wert. Aretas sah zu Chio, das war nichts für feinfühlige Gemüter.Der Reiter machte weiter. Dann ließen sie den Irren frei. Er musste Irre sein, so wie er auf die Marter reagierte. " Sie lassen ihn frei? DA! , ein Stier , das wird interessant. Der Stier ist richtig wütend." Ein kurzer Blick zu Chio. " Gehts dir gut?"

    In seiner Tunika knisterte es. Der Brief ! Vor dem Training oder nach dem Training ? Er holte ihn heraus, öffnete ihn. So viel Zeit war noch um wenigstens den Brief zu lesen.



    An
    Aretas
    Villa Tiberia
    Roma




    Lieber Aretas!
    Mir geht es gut. Dem Kind und mir geht es gut. Nach einer ewig langen, anstrengenden Reise sind wir im besch kalten, nassen Mogontiacum angekommen. Sei froh, dass du nicht hier sein musst. Du würdest dir sonst den Arsch Allerwertesten abfrieren. Die Casa Quintilia in Mogontiacum ist ganz nett, aber ziemlich beengt.


    Stell dir vor, auf der Hinreise hatte ich einen Blick auf meine Heimatstadt werfen können. Leider war nicht genug Zeit, um dort Halt zu machen. Es juckte mir so in den Fingern, einfach vom Wagen zu springen und wegzulaufen. Aber ich hab´s dann doch gelassen.
    Ich vermisse dich jeden Tag. Du fehlst mir so. Hoffentlich findet der Brief seinen Weg zu dir! Bitte lass von dir hören, sonst werde ich hier noch verrückt. Nur das Kind in meinem Bauch erinnert mich noch an dich. Ich wünschte, du könntest hier sein, wenn es kommt.
    Mist, jetzt fange ich wieder an zu flennen heulen. Ich habe dich lieb und vermisse dich!


    Deine Caelyn





    Das war viel. Seine Lateinkenntnisse waren nicht die Besten. Sprechen ja, aber Lesen und schreiben.... Er verschob das Lesen notgedrungen. Erst das Training, dann der Brief in aller Ruhe. Er faltete ihn zusammen und legte ihn auf sein Bett.

    Seine Sachen geschultert, verließ er die Villa über den Seiteneingang und lief einem Fremden in die Arme. So halb in der Tür stehend, dachte sich Aretas, könnte er nachfragen was er wünschte. Der Fremde sah in kurz an. " Ich habe hier einen kleinen Brief, von einer hübschen jungen Frau aus Germanien. Sie sagte ich solle ihn hier abgeben. Mmmmhhh, ein Aretas oder so ähnlich, soll hier in der Villa sein." Er wedelte mit dem Brief herum. " Ein Liebesbrief verstehst du?" flüsterte er Aretas zu. " Dann gib ihn her. Ich bin es selber." sagte Aretas unwirrsch und ungeduldig.Der Händler zog den Brief weg. " He, woher weiß ich das du es wirklich bist? Sag mir wie die Schreiberin aussieht." Aretas wusste von wem. Er beschrieb Caelyn. " Na gut. Dann glaube ich das mal." sagte der Händler und gab ihm den Brief. "Lebwohl." Aretas bekam die Verabschiedung nicht mehr mit, er sah unentwegt auf den Brief, steckte ihn in seine Tunika und rannte zum Stall.

    Die Tiere waren versorgt. Das Training begann erst in der Hora quarta. Er hatte noch Zeit. Aus seiner Kiste holte er ein Stück Holz, es war grob vorgearbeitet. Mit einem Messer begann er es weiter zu bearbeiten. Span für Span wurde es plastischer, glich immer mehr einem Pferd. Es sollte für seinen Sohn oder sein Töchterchen sein. Es war nicht das erste Tier, was er schnitzte. Einen Stier und einen Bären hatte er schon versteckt. Ein Anhänger lag mit in der Kiste, ein Reiter auf einem Pferd.
    Die Knechte wurden aktiv. Die Hora quarta war angebrochen. Sie begannen die Pferde einzuspannen. Aretas packte alles zusammen und zog seine Rennausrüstung an. Machte sich fertig um sein Gespann über die Bahn zu schicken.

    Wie sollte er es ihr erklären. " Ich habe Caelyn versprochen mich zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass sie mit nach Germanien muss. Ich habe gehoffte, egal wo, aber in Rom in ihrer Nähe zu sein. Das es dann so kam, konnten wir beide nicht ahnen." Er atmete tief durch. " Ich habe mein Wort gegeben nicht wieder wegzulaufen. Daran halte ich mich." Für ihn war alles gesagt. Er sah zu ihr. " Es muss dir nicht Leid tun."

    Er rechnete fieberhaft nach, benutzte seine Finger dazu. Was sie danach wissen wollte, drang nur langsam zu ihm vor. Er blieb stehen. Es war zu erwarten gewesen, dass sie dewegen irgendwann fragen würde. " Ja, es ist wegen Caelyn. Sie trägt mein Kind." Er sah in den Himmel, den ziehenden Wolken nach. " Ihr Dominus ist nach Germanien und hat sie mitgenommen." Er schluckte seine Wut herunter. "Sie war der Grund, weswegen ich gegangen bin, das Kind der Grund meiner Rückkehr. Zu den Saturnalinen habe ich sie das letzte Mal gesehen." Er ging weiter. Sie waren am Seiteneingang angekommen.

    "Mmmmhhhh.....wie lange dauert das, bis zur Geburt." Er wusste das es dauerte, aber nicht wie lang genau. Es gefiel ihm nicht im Unklaren zu sein. Er wusste nicht mal, ob Caelyn in Germanien angekommen war, wie es ihr ging, was mit ihrem Kind war. Wann es soweit war bei ihr. Mit Hilfe von Chio, wenn sie es wusste, konnte er ungefähr abschätzen, wann Caelyn das Kind bekam. Sie liefen langsam fast gemütlich zu Villa. Weit war es nicht mehr.

    Ihr plötzlicher griff an seinen Arm wunderte ihn schon. " Ja, kann ich. Du hast recht uns hetzt keiner." Er sah sich um. " Und verfolgen ..nein, keiner zu sehen." er lachte mit, verlangsamte seinen Schritt und lief neben ihr. " Sicher nehme ich dich mit. Tiberia Faustina wird nichts dagegen haben. Denk ich mal." Ihm brannte eine Frage auf der Zunge, er wusste nur nicht wie Chio sie aufnahm. " Kennst du dich in Frauensachen aus...Kinder kriegen und so?" Verlegen sah er beim Laufen auf das Pflaster vor sich.

    "Das hier ist die Thermae Titi. Eine öffentliche Badeanlage. Dahinter? Ich weiß nur, dass es was mit dem verrückten Römerkaiser Nero zu tun hat. Da musst du einen Römer fragen, die wissen da besser Bescheid." Er befühlte seinen Arm " Er hält noch." und grinste. "Es ist nicht mehr weit bis zur Villa. Kommst du morgen zur Hinrichtung mit?" Er lief ein Stück vor ihr. Mittlerweile hatt er sich damit abgefunden, dass sich nicht gern an der Hand nehmen ließ. Es gab auch keinen Grund mehr dafür.

    Geschlafen hatte er nicht. Bis in den Morgen lag er wach. Die Villa war wie leer gefegt. Er packte seine Tunika und ein kleines Bündel in eine Decke und machte sich auf in die Stallungen. Seine Kammer hinter den Boxen war unverändert. Er verstaute das Bündel und die Tunika in der Kiste, den kleinen Lederbeutel dazu. Die Decke legte er auf sein Bett. Tja, er war wieder da.
    Die Pferde wurden gefüttert, er ging hinaus zu den Boxen des Gespann's. Das übernahm er ab heute wieder selber.
    Viele Fragen stellte er sich. Jetzt erst nahm er sich die Zeit darüber nach zu denken. War die Aussicht auf die Freiheit ein Leben in den Stallungen wert? Keiner konnte sagen, wann er ein Rennen gewann. Es konnte das nächste sein, oder nie passieren. Die Götter waren noch nicht besänftigt, alles ungewiss. Hatte er leichfertig eine Platz unter Menschen gegen die Einsamkeit in den Stallungen getauscht? Ruhm, Ehre und Freiheit hatte er hier in Aussicht, war es das wirklich wert?

    Großes Gedränge war am Gange. Diesmal hatte er keine Vorsorge getroffen und ihre Hand genommen. Ein Fehler wie sich im Nachhinein herausstellte. Er wurde von ihr getrennt. „ CHIO..CHIO...“ Keine Chance sie in dem Gewühl zu finden, er musste warten bis er draußen war. Dort war mehr Platz, es verlief sich, so dachte er. Menschen über Menschen. Wie sollte er Chio hier wiederfinden. Ein Sprung, nichts zu sehen. Am Ausgang blieb er stehen, hier musste sie raus kommen. Da ein dunkler Schopf. „ Chio...“ Er hielt die junge Frau am Arm fest. Sie dreht sich zu ihm, sah in empört an. „ Entschuldigt... ich dachte..“ Er ließ sie los. Sie hatte es scheinbar eilig und verschwand in der Menge. Das war noch mal gut gegangen. Er widmete sich wieder den Menschen, die aus dem Kolloseum strömten. Wieder ein dunkler Schopf. Er drängte sich zu ihr durch. Zwei Schritte schneller und er war neben ihr. Es war Chio. „ Chio!...“ Er war erleichtert sie gefunden zu haben. Sofort nahm er ihre Hand. „ Keine Widerrede. Blut und Wasser habe ich geschwitzt. Wir gehen gleich hier rechts an der Thermae Titi lang.“ Er führte sie nach rechts, dort wurde es leerer.

    Aus der Tür raus. Da stand Chio. " Ich ... Du sollst zur Domina." Was hätte er ihr sonst sagen sollen, oder wollen, oder... Der erste Wermuthstropfen lief an ihm vorbei. Er hatte ihn sich selber eingeschenkt. Ein bisschen traurig und glücklich, legte er sich in seine Nische. An Schlafen war nicht zu denken.

    Der Wein war willkommen, auf diese Abmachung gab es nichts besseres. Die Wermuthstropfen schluckte er hinunter.Aretas dankte den Göttern, prostete ihr zu und trank seinen Wein. Den kleinen Lederbeutel in der Hand erhob er sich. " Ich danke dir Domina und Wünsche eine angenehme Nacht."

    Der Kampf ging untentscheiden aus. So besonders war er nicht. Leben und Leben lassen. Das war in Ordnung. Ihn beschäftigte mehr, dass Chio nicht ganz begriffen hatte was er ihr da offenbarte. Je länger er es betrachtet um so besser war es , dass sie es nicht so verstanden hatte. Caelyn war allgegenwärtig und Chio für ihn Tabu. Trotzdem mochte er sie von Tag zu Tag mehr. Was blieb ihm übrig? Ihr aus dem Weg zu gehen, das war keine Lösung. Er musste es akzeptieren, dass er sie maximal wie seine Schwester behandeln durfte. " Ja, lass uns gehen." Na das wird was werden, wenn Tiberia Faustina in der Villa wartete. Er hatte Chio mitgenommen, ohne zu fragen und Morgen wollte er unbedingt die Hinrichtung sehen.

    Wo ein Haken war konnten auch zwei sein. Das bekam er gerade zu spüren und ein dritter kam dazu. Es war kein Haken, ein Dorn. Kyros konnte sich jetzt breit machen. Das gefiel ihm gar nicht. Dazu kam, dass er Chio mehr und mehr mochte. Was nicht gut war und das wusste er. "Ich vertraue auf dein Wort und gebe meins, danach weiter für die Factio zu fahren. Natürlich bezahlt." Er grinste. " Dass sie öfter beim Training zusehen würde,in den sauren Apfel biss er. Dafür winkte viel zu viel, um es nicht zu tun.

    Rennen fahren. Nichts lieber als Rennen fahren. Die Pferde über die Bahn jagen. Da brauchte er nicht zu überlegen. Aber....Er schlug alles in den Wind. Die Aussicht auf Freiheit und Geld,waren das beste Lockmittel. Dem konnt er nicht widerstehen. " Ich will weiter Rennen fahren."

    Ihm blieb beinahe der Mund offen stehen, als der kleine Lederbeutel in seiner Hand landete. Das Klimpern hörte sich gut an. Wein, Therme mit ......Tiberia Faustina unterbrach seine Gedankengänge. Er sollte sich setzen. Mit gemischten Gefühlen nahm er Platz. Wie Öl gingen ihre Komplimente herunter und dann kam der Haken. Sagte er das was er dachte, könnte ihn das in die Stallungen zurück bringen. Dort hatte er mehr Freiheiten, war immer bei den Pferden. Aber kaum jemanden, mit dem er zu tun hatte, reden konnte. Er wusste nicht wie weit sich Tiberia Faustina mit Pferden auskannte. Sagte er nicht die Wahrheit und sie kannte sich aus. Dann hatte er genauso schlechte Karten, hier zu bleiben. Er sah nach unten, hatte seine Hände ineinander gelegt.


    „Mmmhh... Es ist ein gutes Gespann. Die Pferde sind jung. Das war ihr erstes Rennen. Sie hat der Lärm irritiert. Ich müsste genauso viel Zeit wie in das alte Gespann investieren. Das Zusammenspiel ist noch nicht so wie es sein müsste. Die Feinheiten fehlen. Das braucht viel Zeit.“ Er war seinem Gewissen gefolgt, Lügen würde die Vertrauensbasis zerstören, die er langsam von sich aus versuchte aufzubauen. „ Sie sind auf mich eingestellt. Ich bin ihre Hauptbezugsperson.“ Es fiel ihm nicht leicht. Was jetzt daraus wurde, lag in der Hand der Domina.