Beiträge von Octavia Varena

    Es war fast erlösend, ein leises Lachen löste sich aus ihrer Kehle, denn sie wollte Verus weiß Gott nicht schocken. Atia war unterdies schon aufgesprungen und blickte nur ungläubig auf die Szene die sich ihr da bot. Da knieten die beiden verliebten Leute wie putzende Sklaven auf dem harten Boden herum und schmachteten sich an. Sollte einer die jungen Leute verstehen?


    Unter einigem Schniefen rang sie sich zu einer Antwort durch. "Mein Vater ist schon lange tot und seit Jahren schon bin ich rechtlich unabhängig. Die einzige Person, die dir meine Hand geben kann, bin nur ich selbst." Sie lächelte leicht, auch wenn ihre Tränen noch immer kullerten.

    Sie dachte ihr Herz würde stehen bleiben und die sonst so stoisch ruhige Atia stöhnte auf, als würde der Herzschlag sie treffen, als Verus seine Absicht sie zu heiraten bekundete. Es war als würde alle Kraft sie verlassen und obwohl sie sich diesen Moment so oft in ihren Gedanken ausgemalt hatte, war er nun doch ganz anders gekommen, als sie es erwartet hatte. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und ließ sich zu ihm auf die Knie herab, sodass sie von Angesicht zu Angesicht vor ihm kniete, als sie zu sprechen anfing.


    "Unsere Begegnung war schicksalhaft und wärst du kein Mann von Stand, sondern ein Sklave, würde ich mit dir durchbrennen. Es zählt nicht was du bist, solang mir dein Herz treu ist, Verus und solange dein Herz mich liebt, egal welchem Stand ich angehöre. Aber ich fürchte mein Vater wird dir meine Hand nicht geben können..." Sie kämpfte erneut schwer mit den Tränen und diesmal konnte sie sie nicht bändigen, auch wenn nicht ersichtlich war ob sie aus Freude oder Trauer weinte. Fast hilfesuchend griff sie nach Verus Hand und umschloss sie mit ihren beiden kleinen Händen, ehe sie ihm einen Kuss auf den Handrücken hauchte.

    Varena taxierte ihn und da er keinen Hunger zeigte, griff sie weiterhin beherzt zu, mehr um ihren Fingern etwas zu tun zu geben, als dass sie wirklich so hungrig gewesen wäre. Als er ihr eröffnete, dass er sie mochte, wusste sie sofort, dass er eigentlich etwas anderes ausdrücken wollte und sie erwiderte mit einem warmen Lächeln und etwas kryptisch "Es ist mehr als nur Mögen..." aber sie ließ mit Worten offen, wie sie das meinte, aber ihre Augen sprachen Bände, dass sie seine Gefühle erwiderte. Vielleicht war es noch früh so tiefe Gefühle anzusprechen, aber wäre Atia nicht im Raum, wäre die Situation wahrscheinlich wesentlich anders.

    Varena löste sich nur widerstrebend von Verus und obwohl ihr Blick auf ihm ruhte, strich ihre Hand fast gedankenverloren über das neue Schmuckstück. Sie würde es gewiss in Ehren halten. Sie trat einen Schritt zurück und ließ sich fast verlegen wieder in den Sessel sinken. Wie sollte sie ihr Gespräch nun weiterführen? Sie konnte ihn doch nicht stundenlang anhimmeln und übers Wetter wollte sie auch nicht sprechen. Da sie nicht recht weiter wusste und etwas verlegen war griff sie zu einer Weintraube und meinte leise. "Hast du auch solchen Hunger? Du solltest zugreifen..." Auch wenn es normale Konversation war, so klang es doch irgendwie affig in ihren Ohren. Da saß sie mit dem Mann ihrer Träume und wusste nicht, was sie sagen sollte.

    Varena genoss es, dass er ihr die Kette umlegte und sie dann sanft umdrehte. Kurz überlegte sie und warf einen Blick zu Atia hinüber, die vorgab wieder vor sich hinzudösen. Dann blickte sie Verus verliebt an und der Schalk stahl sich wieder in ihren Blick. Sie war so aufgeregt wegen des Geschenks, wie ein kleines Mädchen und dann fiel sie ihm plötzlich um den Hals und hauchte ein leises "Danke" in sein Ohr. Sie konnte diesem Impuls einfach nicht widerstehen, auch wenn sie nur eine Sekunde später schon das peinliche Gehüstel von Atia hörte. Dieser Augenblick war es wert.

    Varena blinzelte einige Tränen weg und küsste die Kette dann sanft, ehe sie ihn wortlos bat ihr diese umzulegen. Sie sah seinen Blick und sie wusste nur zu gut, was sich hier entwickelte. Auch wenn sie noch sehr jung war, so wurde ihr sofort klar, dass sie ihr Herz in diesem Moment an Verus verschenkt hatte. Selbst ohne das Geschenk und die feine Toga, als er noch mit Rauschebart wie ein Barbar einen philosophischen Disput mit ihr geführt hatte, waren die Gefühle schon dagewesen. Selbst wenn sie nichts über ihn wusste, würde sie sich in ihn verlieben, dass war ihr klar. Mit zitternden Beinen stand sie auf und drehte ihm den Rücken zu, damit er ihr die Kette umlegen konnte.

    Es war wie ein elektrischer Schlag, als er ihre Hand berührte. Ihr ganzer Arm kribbelte und sie genoss dieses warme Gefühl, dass Verus in ihr auslöste. Sogar das Metall der Kette war warm in ihrer Hand und sie ahnte nur ansatzweise, dass seine Worte wohl auf mehr als nur dieses kostbare Geschenk bezogen waren. Als sie die Kette erblickte, musste sie erst einmal tief Luft holen. Ganz gefangen war sie von dem goldenen Geschmeide, das durch seine Schwere von einem sehr hohen Preis zeugte. "Das...das ist für mich?" fragte sie ein wenig ungläubig, hatte sie doch noch nie so etwas Wertvolles in der Hand gehalten. "Das kann ich doch nicht annehmen...das ist Schmuck für eine reiche Patrizierin..."


    Sie suchte seinen Blick zur Bestätigung, dass dieses Geschenk wirklich für sie gedacht war. Er kannte sie doch erst so kurz und dann das? Die junge Frau war vollkommen baff, doch es schmeichelte ihr auch ungemein. Sie wartete auf eine Bestätigung von ihm, dass es auch wirklich für sie war, denn sie konnte es einfach nicht glauben, dass man ihr etwas so Schönes schenkte, aber noch viel tiefer breitete sich eine Kenntnis in ihrem Bewusstsein aus, dass diese Begebenheit mehr war als Geplänkel oder Verliebtheit. Hier entspann sich ein deutlich festeres Band zwischen Verus und ihr.

    Varena signalisierte Atia jetzt nicht die Anstandsdame rauszukehren und diese zog sich wieder in eine Ecke zurück. Als Verus sich gesetzt hatte schenkte sie ihm eigenhändig Wein aus einem Krug in einen Becher und antwortete verspielt. "Frauen mögen es gefunden zu werden...und es freut mich, wenn das Ergebnis die Suche wert war." Bevor sie jedoch zu einer längeren Rede ansetzen konnte, eröffnete er ihr, dass er ihr ein Geschenk mitgebracht hatte. Das Gefühl war schön, aber seltsam. Sie war noch nie von einem Mann beschenkt worden in dieser Art und vor lauter Aufregung wurde sie ganz rot im Gesicht. "Ein...Geschenk?" Sie war gespannt wie eine Feder, was es denn sein könnte, aber sie hielt sich zurück um nicht kindisch zu wirken.

    Varena erhob sich höflichkeitshalber, als Verus eintrat und als er anfing zu sprechen, machte die junge Frau große Augen. Noch bei ihrer letzten Begegnung sah er aus wie ein Barbar mit Rauschebart in der einfachen Bürgertoga, auch wenn sie anhand des Rings schon etwas geahnt hatte. Aber nun stand ein respektabler Ritter vor ihr, herausgeputzt wie es seinem Stand entsprach. Vor lauter Gucken bemerkte sie sein Ehhhm sowieso nicht und sie brauchte auch einige Momente, bis sie seine Begrüßung erwiderte. Im Gegensatz zu ihm war sie in ihrer einfach schneeweißen Tunika mit passendem Schultertuch eher unscheinbar gekleidet.


    "Salve, Verus. Nein, nein du störst nicht. Aber ich hätte gedacht, dass du länger brauchst um mich zu finden. Ich hätte dir vielleicht meinen Gensnamen nicht sagen sollen, dann wäre es eine größere Herausforderung gewesen." Sie lächelte schelmisch und bot ihm dann mit einer Geste an Platz zu nehmen, während sie sich selbst wieder in den bequemen Lesesessel fallen ließ. Ihre Schriftrolle hatte sie unbeachtet auf einen Beistelltisch verfrachtet und schon kurz nach den wenigen Worten, die sie ausgetauscht hatten, kam ihre Dienerin Atia mit einem Tablett voll Käse, Schinken, Obst und Wein.

    Varena las versunken in einer griechischen Schriftrolle, als einer der Sklaven die Bibliothek betrat und sich leise räusperte. "Domina, ein Decimus Verus ist an der Porta erschienen. Octavius Macer scheint nicht im Haus zu sein. Soll ich ihn zu dir bringen, Domina?" Die junge Frau blickte einen Moment entgeistert, doch dann setzte sie ein Lächeln auf und verfiel in hektische Betriebsamkeit. Ihre Dienerin Atia war davon aufgewacht, nachdem sie friedlich in einer Ecke gedöst hatte und blickte ihre Herrin verwirrt an. Sie winkte dem Haussklaven zu, dass er Verus hergeleiten sollte und richtete dann schnell ihr Haar mit Atias Hilfe. Dann schickte sie Atia los um Wein und einen Imbiss zu holen, ehe sie sich wieder lässig auf einem der Lesesessel niederließ und möglichst entspannt wirken wollte, obwohl sie schrecklich aufgeregt war.

    Der Ianitor überlegte kurz und meinte "Folge mir ins Atrium, Herr. Ich werde sogleich einen Octavier herbeiholen." Er gab die Tür frei und ließ Verus eintreten, um hinter ihm wieder zu schließen.

    Voller Wut und verletztem Stolz riss Varena mit einem Schwung die Tür auf und blickte dem größeren Aculeo ins Gesicht. "Ich kann es auch buchstabieren für dich...Geh weg! Und nimm deinen Aufpasser da gleich mit! Verschwindet!" Die junge Frau wirkte wie eine Furie und nachdem sie einige Sekunden lang den Zorn wirken ließ, knallte sie die Türe zu ihrem Zimmer wieder zu. Sie merkte schon wie sich der Zorn legte und die Tränen zurückkehren wollten. Sie wollte nicht, dass die Männer auch noch ihre Schwäche sahen.


    Atia ging Aculeo hinterher und fasste diesen sachte an der Schulter. "Vielleicht solltest du wirklich gehen, Germanicus Aculeo. Du siehst doch, dass du hier nichts erreichen kannst. Deine Worte prallen an tauben Ohren ab." Die mütterliche Dienerin hatte schon fast Mitleid mit dem jungen Mann, aber Varena hatte ihre Launen, auch wenn sie zart und scheu nach außen hin wirkte. Sie wusste, dass ihre Herrin sich zurückgezogen hatte und ihre Meinung nicht mehr ändern würde.

    Der Ianitor öffnete die Tür und erkannte gleich, dass hier wichtiger Besuch erschienen war. "Wen darf ich melden?" fragte der Sklave ehrerbietig und wartete dann auf die Antwort, um den betreffenden Einwohner der Casa holen zu können.

    Als Aculeo von Zimmer zu Zimmer wanderte lehnte sich die junge Frau mit dem Rücken gegen die Tür und lauschte seinen Schritten. Wie konnte er nur so um ihre Hand anhalten? War sie denn eine Kuh die man verschacherte? Laut rief sie "Geh weg! In hundert Jahren würd ich dich nicht heiraten! Ich will dich nie wieder sehen!" als sie seine Schritte vor ihrem cubiculum hörte. Der Zorn und der Kummer waren deutlich aus ihren Worten zu hören. Sie hoffte er würde nun gehen, bevor dies noch zu einem viel schlimmeren Eklat wurde.

    Varena lachte leise auf, als er seinen Vortrag beendet hatte und legte ihm in vertrauter Geste ein Hand auf den Unterarm. "Du musst mich nicht belehren, Verus. Aber trotz allem ist die Liebe ein Grundprinzip und ein Eckpfeiler des Lebens. Vielleicht siehst du als Mann das Leben anders als ich, weil ich eine Frau bin. Aber die Liebe ist für mich das höchste Gut..." Sie lächelte Verus noch einmal zu, bevor sie sich ein wenig näher beugte. "Vielleicht besuchst du mich einmal und wir setzen diesen Disput fort. Vale, Verus." Sie wartete seine Antwort nicht ab, um diesen Zauber des Augenblicks nicht zu beenden. Doch im Vorbeigehen streifte sie wie zufällig seine Seite und strich sacht über seinen Oberarm, ehe sie den Tempel mit eiligen Schritten verließ.


    Als sie den Tempel verlassen hatte und der Haussklave zu ihr aufschloss, war sie ganz überrascht über ihren Mut. Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt und gehofft, dass Verus genug Interesse an ihr haben würde, um sie zu besuchen. Sollte ihr diese weibliche List nicht gelingen, würde sie ihn vielleicht nicht so schnell wiedersehen, aber das musste sie riskieren. Man musste sie Vögel fliegen lassen, damit sie zu einem zurückkehrten.

    Varena biss sich direkt auf die Lippe, doch sie war noch nicht bereit klein bei zu geben. Auch wenn sie keine gute Antwort auf seine Thesen hatte, so beschloss sie ihn einfach an zu strahlen. "Ich spreche kein Hundisch nein...aber ich kannte mal eine Sklavin, die erstaunlich gut mit Tieren zurecht kam, als könnte sie mit denen sprechen." Als sie endlich einen Tempeldiener entdeckte, winkte sie diesem und schwebte dann lächelnd an Verus vorbei. Sie wechselte nur einige Worte mit dem Tempeldiener und übergab ihm die Opfergaben, die sie mitgebracht hatte in ihrem Korb. Fleisch und Wein zu Ehren von Iuppiter und schon nach zwei, drei Minuten war sie fertig mit dem Akolythen.


    Als sie gut gelaunt zurück kam stimmte sie wieder in das Gespräch ein. "Ich muss wohl anerkennen, dass ich keine bessere Erklärung finde als deine. Aber um auf den Sinn des Lebens zurück zu kommen...Der Sinn des Lebens ist die Liebe. Kennst du das Prinzip der Agape?" Mit einem entwaffnenden Lächeln sprach sie die Worte genüsslich und sie erwartete eine heftige Reaktion, auch wenn der Zauber den sie um Verus wo, sich auch auf sie erstreckte. Je länger die Unterhaltung andauerte, desto wärmer wurde ihr ums Herz.

    Atia stellte sich Aculeo selbstbewusst in den Weg und meinte abweisend "Lasst sie zufrieden, Herr. Erspart ihr weiteren Kummer..."


    Varena war schon längst in ihrem Zimmer und hatte laut hallend ihre 'Tür hinter sich zugeknallt. Diese Schmach würde sie mit sich herumschleppen, das war klar.

    Je mehr er sprach, desto mehr genoss sie diese Diskussion. Es war Jahre her, dass sie so ungezwungen über solch interessante Themen sprechen konnte. Auch wenn sie über seine Aussagen mit ihm übereinstimmte, wollte sie die Diskussion weiterführen und schauen in welche Richtung sich das alles bewegte. Ihrer Seele tat es auf jeden Fall gut die Bewunderung in seinen Augen zu sehen, wie ein Balsam. Seltsam, dass sie erst einige Minuten hier mit diesem Mann stand und gleich so tiefgreifende Gespräche führte. Wo hatte sich Verus nur die ganze Zeit versteckt?


    "Aber was ist Kunst anderes, als die Schönheit die wir schon in der Natur beobachten? Ist es nicht auch Musik dem Gesang der Vögel zu lauschen? Verständigen sich nicht auch die Tiere, wenn auch nicht durch Worte wie wir es tun? Auch Tiere können aus Erfahrung lernen und abschätzen, also kann es keine rein menschliche Begabung sein. Vielleicht besitzen auch Tiere eine Seele und wären zu ähnlichen Dingen wie wir imstande, könnten wir sie nur verstehen? Ich denke eher, wir ahmen die Natur nach, wenn auch in sehr geschicktem Maße." Damit wollte sie der Diskussion neue Nahrung geben und war schon gespannt auf seine Antwort. Sie blickte ihm sehr tief in die Augen, da sie sich diesmal die Reaktion nicht entgehen lassen durfte.

    Die junge Frau merkte, dass Sedulus versuchte die Situation noch zu retten, aber Varena war einfach nur gedemütigt. Sie hatte das Gefühl, dass man Aculeo direkt hierher geschleppt hatte und auch Sedulus Worte konnten das nicht ändern. Fast schon abweisend meinte sie "Wie soll man einen Antrag erwidern, der von anderen gestellt wird?" Fast hilfesuchend blickte sie zu Atia, aber diese schaute nur enttäuscht drein. War sie so schrecklich, dass Aculeo es nicht fertig brachte sie selbst zu fragen? Tränen stiegen ihr in die Augen und sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in ihr Cubiculum. Es war ihr direkt egal was die Männer von ihr halten mochten, aber diese Situation ertrug sie einfach nicht.

    Varena begann zu lächeln, als er anfing zu sprechen. Sie war schon kurz davor zu fragen, was der Auflauf hier sollte, als Aculeo zu sprechen anfing. Doch mit jedem Wort, dass der junge Mann sprach, verging Varenas Lächeln immer mehr. Also war er doch nicht wegen ihr gekommen, sondern nur weil es ihm befohlen wurde. Varena ging immer mehr auf Abstand und beobachtete Sedulus, wie er wohl zu dem Thema stand. "Sprich nur weiter Aculeo...sag dein Sätzchen auf" erwiderte sie leise und bitter. Sie erwartete nun eine Entschuldigung oder etwas in dieser Art. Atia hatte wohl recht gehabt, was schöne, junge Männer und deren Ernsthaftigkeit betraf.