Beiträge von Aulus Iunius Seneca

    Seneca saß indes still aber aufmerksam in der Ecke und schaute sich das bürokratische Treiben an. Wenn er was gefragt werden sollte so würde er natürlich antworten, doch aktuell freute er sich nur für die beiden Iulier, und darauf, dass er beide anschließend zum Feiern einladen würde.

    "Platon?" fragte Seneca ob der philosophischen Ergüsse seines Offiziers welche ihn durchaus überraschten. Er selbst hatte sich nie sonderlich für die Schriften der großen Denker interessiert, doch mit dem Alter würde der Reiz des Lesens eventuell doch noch den Weg in sein Interessensfeld finden.
    Genauso überrascht war Seneca wegen der Herkunft des Germanicers, Rom, der Bursche kam also direkt aus der Hauptstadt des Reiches und hatte es bis an die Grenze im Norden geschafft...
    "Schau an, ein echter Römer also, das kommt bei der Garde stets gut an." merkte er scherzhaft an, er musste es ja wissen auch wenn er kein waschechter Römer war, zumindest wenn man die Sache geographisch betrachtete, entstammte er doch einer der römischsten Familien überhaupt.
    "Meine Frau und ich wurden beide in Tarraco geboren, kennenlernen durften wir uns jedoch erst in Roma. Wer weiß ob wir nicht eines Tages nach Hispania zurückkehren, irgendwann hat jeder einmal die Pflicht fürs Reich getan." Seneca war noch kein Greis und dennoch standen ihm nicht mehr allzu viele militärische Posten offen, da machte man sich an Abenden wie diesem schon seine Gedanken.
    "Aber genug von den Gedanken eines alternden Mannes der das Gladius gegen den Schreibtisch eingetauscht hat. Decurio Germanicus, kann man dich für deine bisherigen Bemühungen um deine Turma belohnen?" fragte Seneca offen heraus, denn nach Jahren als Offizier wusste er mit Zuckerbrot und Peitsche zu wirtschaften.

    "Das ging uns wohl allen so. Als Seiana und ich in diese Gegend kamen brach der Winter gerade über die Provinz herein. Selbst die Einheimischen sagten uns, dass der Winter ungewöhnlich kalt und schneereich war. Straßen und Flüsse waren unbefahrbar und das Leben hier stand tagelang still." erinnerte sich Seneca an die Anfangszeit in Germanien "Aber wenn man sich erst einmal auf die Kälte einstellt dann findet man sich gut zurecht. Natürlich ist es kulturell ein wenig karger als in Aegyptus aber die Gemeinde arbeitet aktiv daran dies zu ändern." fuhr er fort, beließ es aber dann auch dabei, da es nun doch um etwas geschäftliches ging und sich für Seneca die Chance bot noch einiges für die Ala beschaffen zu lassen.
    "Unsere Männer sind recht gut versorgt, wir haben einiges an Getreide, Hülsenfrüchte und auch getrockneten Fisch sowie Fleisch besorgen können welches uns über den Winter bringen sollte. Unser Problem sind die zahlreichen Pferde welche wir ebenfalls mit enormen Mengen an Futter versorgen müssen. Wir haben Bezugsquellen, jedoch werden wir diesen Winter wohl Futter aus dem Süden herschaffen lassen müssen."

    "Duplicarius Ocella?" fragte Seneca mehr oder weniger rhetorisch. Zuerst war er von dem Gedanken befallen, dass es bei einer römischen Einheit mehr als einen Ocella geben könnte, doch dann fiel ihm ein, dass die meisten Männer der Einheit eher exotische Namen trugen.
    "Er wird erst einmal in deiner Einheit bleiben. Zum einen wäre dies ein zu steiler Aufstieg, der Fragen bezüglich Gerechtigkeit und der Behandlung der nicht-römischen Offiziere aufwerfen würde. Und zum anderen, wie du schon ganz richtig sagtest, ist für diesen Posten jemand vorgesehen, der zumindest die größten Dialekte der heimischen Sprache akzentfrei spricht. Also keine Sorge Decurio." versicherte Seneca und blickte über den Vallum hinaus...
    "Als ich hier vor einiger Zeit herkam war dieses Land der schlimmste Platz auf Erden für mich. Karg, kalt und nass. Die Menschen unzivilisiert und schroff." beschrieb er Germanien aus seiner Sicht wenig schmeichelhaft "Doch nun bin ich schon so lange hier und weg aus Rom, dass dies fast schon meine Heimat geworden ist. Ich werde ein Kind haben welches in Germanien geboren ist und eine Tochter, welche sich wohl nicht an ihre Zeit in Italia erinnert." befand er, und zog seinen Mantel ein wenig enger...
    "Sag Decurio, ich habe es vergessen, aus welchem Teil des Reiches stammst du?"

    "Natürlich werde ich dich begleiten, jedoch in sicherer Entfernung bleiben." scherzte Seneca mit, fuhr aber dann fort "Obgleich ich denke, dass sie in der jetzigen Situation weniger gefährlich ist sofern man nicht in greifbarer Nähe ist. Allzu schnell ist sie nicht."
    Ein leichtes Grinsen folgte einem Blick in die Ferne, so "fern" wie es eben in einem Officium ging "Ich scherze natürlich nur. Die Schwangerschaft steht ihr sehr gut, obgleich ich mich für sie freue wenn es vorbei ist und für uns alle wenn der Nachwuchs dann einmal da ist." relativierte er seine doch schon etwas gemeinen aber keineswegs böse gemeinten Aussagen, horchte jedoch auf als der Decimer auf die Versorgung der Legion zu sprechen kam, ein Thema, welches auch ihn beschäftigte, nur eben für die Ala "Iulius Licinus hatte das ebenfalls angesprochen. Wir könnten einige Versorgungskäufe bündeln. Ich denke das hätte Vorteile." befand Seneca und kramte nach einigen Unterlagen bevor er merkte, dass dies ja eigentlich ein privater Besuch war und die Suche somit einstellte.
    "Aber gut, willkommen in Mogontiacum übrigens, ich hoffe doch, dass der Kulturschock bisher klein ausfiel?"

    "Richtig. Natürlich habe ich von deinem Dienstantritt gewusst, ich habe jedoch nicht mit Besuch gerechnet." sagte Seneca etwas grinsend, überall lagen Schriftrollen und Wachstafeln herum welche sich mit der Versorgung im Winter und einigen wenigen Aufklärungsberichten befassten, der Iunier mochte sein kontrolliertes Chaos, aber gerade sein Schreibtisch zeigte in diesen Tagen nicht einmal mehr die Hälfte seiner Holzoberfläche.
    Doch als der Decimus weitersprach, baute Seneca kurz Spannung auf, 'du weißt warum ich hier bin', kurz befürchtete Seneca eine späte Familienrache, doch kurz darauf fuhr Massa fort und die Mimik des Praefectus wurde zunehmend freundlicher und entspannter.
    "Nun, in diesem Fall freue ich mich dich auch endlich einmal kennenzulernen Appius." erwiderte Seneca mit einem kurzen Nicken und lehnte sich etwas in seinen Sitz zurück nachdem er sich aus der vorher so aufgeweckten Sitzhaltung löste.
    "Es überrascht dich vielleicht, dass ich ebenfalls zu den Iuniern gehöre die nichts gegen eine Verbindung haben." scherzte er kurz, und hoffte, dass diese ganze Decima-Iunia-Geschichte zumindest hier in Mogontiacum keine allzu große Rolle spielte.
    "Der Nachwuchs lässt zum Nachteil von Seiana noch auf sich warten. Den Umständen entsprechend geht es ihr gut, unsere Sklavenschaft sowie meine Wenigkeit sind allerdings die Leidtragenden. Wir behandeln sie wie ein rohes Ei, und naja, du kennst sie ja, das gefällt ihr nicht unbedingt." erklärte der Iunier und bemerkte, dass das alles ein wenig herrisch klang "Aber abgesehen von den Umständen der Schwangerschaft sind wir sehr glücklich. Du solltest Seiana unbedingt besuchen, dein Brief hat sie wirklich sehr gefreut."

    "Der Praefectus wird dich sofort empfangen Tribunus. Bitte folge mir." erwiderte der Schreiberling und erhob sich von seinem Schreibtisch um kurz an der Holztür um diese anschließend zu öffnen.
    "Praefectus, melde Tribunus Appius Decimus Massa ist hier um dich zu sprechen." berichtete der Mann knapp und zog sich dann wieder zurück.
    Seneca selbst nickte dem Mann zu und blickte dann auf den Decimus. Er wusste, dass ein Verwandter seiner Frau im Anmarsch war, das hatte sie ihm erzählt, doch dass der Mann ihn hier besuchen würde kam für ihn recht unerwartet. Aber was sollte es? Nun war er hier, und Verwandschaft war nun mal Verwandschaft, auch wenn sie angeheiratet war.
    "Willkommen Decimus, ich bin überrascht dich hier zu sehen aber keineswegs negativ. Bitte, mach es dir bequem. Kann ich dir was anbieten?" fragte der Iunier und deutete auf einen der Sessel vor seinem schweren Holztisch.

    Der Scriba blickte kurz auf und wollte gerade irgendeine Ausrede erfinden. Doch der Rang und vor allem der Familiennamen des Tribuns ließ ihn aufhorchen, weshalb er den Mann umgehend eintreten ließ. Der Praefectus hatte momentan sowieso nur Schreibkram zu erledigen.

    "Ich weiß was Elena für dich war. Ich ärgere dich nur, auch wenn es deiner Familie sicher besser ging als meiner, aber das ist ja kein Wettbewerb."
    entgegnete Seneca halb im Scherz und halb ernst, ließ das Thema aber dann auch auf sich beruhen, sonst würde es wirklich noch in einem Wettbewerb ausarten wer von den beiden die bescheidenere oder strengere Kindheit erlebt hatte. Es war schon seltsam, beide liebten ihre gemeinsame Heimatstadt, doch beide hatten dort nie den Luxus genossen welche sie in Rom oder Mogontiacum erlebten. Geld war eben doch nicht alles.
    "Ach und übrigens: Der einzige Mann der es wagt der Augusta zu widersprechen ist der Imperator. Ich lass das einfach mal so im Raum stehen." scherzte er und ließ dabei offen, ob er sich selbst in dieser Rolle sah, zumindest unter diesem Dach.
    Dann kam allerdings das wahre Leben wieder zwischen das eheliche Schauspiel: Silana brauchte eine Lehrerin um sie auf das Leben der Nobilitas vorzubereiten, und in Germanien waren derartige Kompetenzen leider seltener anzutreffen als in Rom, auch wenn Seneca nur gutes über die Duccia gehört hatte.
    "Richtig, aber andererseits: Was in dieser Stadt hat nicht irgendetwas mit den Ducciern zutun?" fragte er rhetorisch, schließlich hatte er das Gefühl, dass diese Familie in jedem Amt, jedem Geschäft und jeder Truppe involviert waren. Der Umstand, dass die Duccier stets auf ihre germanischen Wurzeln pochten stieß bei Seneca nicht zwingend auf Begeisterung, aber man konnte wohl nicht alles haben.
    "Ich kann sie ja mal einladen, dann können wir mit ihr reden. Ich bin sicher, dass wenn auch Licinus seine Zustimmung gibt ein gemeinsamer Unterricht zustande kommt." befand er, und beließ diese dabei nur allzu gern auf ihrer Wange und ihren Lippen, bevor er sie nach einer ganzen Weile löste.
    "Ich liebe dich, das sag ich dir viel zu selten weißt du das?" sagte der lächelnd, bevor er sich nach vorne beugte und sie auf die Stirn küsste "Leider will die Ala mir mein Glück nicht gönnen. Ich muss noch einiges für morgen im Officium erledigen. Ich überlasse dich also wieder deiner Literatur. Ruh dich aus!" sprach er noch knapp bevor er sich wieder ein wenig von ihr löste und sich erhob um sich wieder seinem Dasein als Schreibtischsoldat zu widmen.

    "Salve Legatus!" grüßte auch Seneca den Mann knapp, schließlich war er lediglich der Zeuge an diesem Tag und übte sich deshalb in dezenter Zurückhaltung, auch um Esquilina und Licinus den nötigen Raum zu geben um diesen Tag zu einem schönen Erlebnis für beide zu machen.
    Insgeheim beobachtete er das Gespräch jedoch recht genau, denn es war ungewohnt, dass sein Freund Licinus in so einer Situation war und es war dementsprechend interessant zu sehen wie sich der knurrige Praefectus schlug.

    "Ich habe nichts anderes erwartet Decurio." entgegnete Seneca, schließlich waren es ja eigentlich die Lager am Limes die wirklich in der eher unruhigen Zone waren und hier, am Rande Mogontiacums, waren ein paar besoffene Bauern meist die einzige Unruhelage.
    "Sonst alles in Ordnung Germanicus? Wie macht sich die Prima?" fragte er weiter um sich beiläufig über den Gemütszustand seines Offiziers zu informieren und die Nacht durch ein wenig Plauderei zu verkürzen.

    Seneca hatte eigentlich wenig Lust auf Amtsgänge, schließlich war sein gesamter Posten bei der Ala mittlerweile ein einziger gefühlter Amtsgang. War er einst der Soldat im Felde, bewaffnet mit Gladius und Schild, war er nunmehr ein Schreibtischsoldat geworden der das Feld nur noch in Ausnahmefällen sah...
    ...und wenn dann nur stark bewacht und in Watte gehüllt.


    Heute jedoch ging es mehr um einen Freundschaftsdienst als um was anderes, weshalb er darauf geachtet hatte pünktlich in der Regia zu erscheinen. In einem Fellmantel gehüllt (es wurde schließlich kälter) erschien Seneca zum Termin und entdeckte vor dem Officium bereits Esquilina und Licinus, welche er mit einem zurückhaltenden Lächeln begrüßte.
    "Salve ihr beiden! Heute ist der große Tag. Ich hoffe ihr freut euch!" begrüßte er sie und patschte Esquilina dabei kurz den Kopf, da er selbst ebenfalls etwas nervös war, was irgendwie seltsam war, da er ja nur als Zeuge fungieren würde.
    "Alles in Ordnung mein Freund?" wandte er sich dann an Licinus bevor er den Mantel ablegte.

    Es war eine der Nächte in denen Seneca nicht den Weg zurück zum Landgut nahm, sondern die Nacht im Praetorium verbrachte. Diese Nacht waren zumeist von Schlaflosigkeit geprägt, der Iunier war mit den Jahren ein Gewohnheitstier geworden, sodass er es nicht mehr im aufgewühlten Bett aushielt und sich auf eine nächtliche Runde durch das Lager machte.
    Recht interessant war es schon, das Lager hatte eine ganz eigene Stimmung wenn die Nachtruhe eingekehrt war und die Mannschaften nur noch in ihren Stuben saßen und sich Geschichten und Anekdoten erzählten, die viele von ihnen über die Jahre bereits dutzende Male gehört hatten.
    Der alten Zeiten willen und auch für die Kontrolle der Lagerroutinen stapfte er Iunier in seinem Fellmantel hinauf auf den Wall und schritt den Gang entlang, bis er schließlich ein bekanntes Gesicht antraf...
    "Germanicus, eine ruhige Nacht hoffe ich?" fragte der Prafectus, während sein Blick die Ferne weit über die Spitzen des Walls suchte.

    Sim-Off:

    Kann ja sein, dass der Herr beschäftigt ist ;)


    "Ein Decimer?" fragte Seneca beiläufig, selbstverständlich gab es nicht nur eine Familie Decima im gesamten Reich und selbst die Familie seiner Frau war so riesig, dass man hier und da schon einmal verwandt war ohne sich zu kennen, aber dennoch wäre es doch interessant mehr über diesen Mann zu erfahren.
    "Seianas Familie ist nicht allzu begeistert von ihrer Wahl was mich betrifft. Weißt du zufällig, ob der Mann mit ihr verwandt ist?" hakte Seneca noch einmal aus Interesse raus und grinste dabei, denn über all diese Querelen war er mittlerweile mehr oder weniger hinweg, Rom wirkte unfassbar weit entfernt.
    "So oder so, ich werde ihm schreiben. Wir brauchen diese Vorräte dringend." sagte er mehr für sich selbst als für Licinus und trank einen Schluck "Aber gut, wir haben die letzten Winter ja auch gut überstanden. Schlimmer als unser erster Winter hier wird es ja wohl kaum werden. Wo wir gerade dabei sind, ich plane erneut eine Saturnalienfeier hier im Haus."

    Die Beförderung einer Klasse von Tirones war immer ein erhabenes Gefühl für den Praefectus Alae. Wieder einmal ein paar tüchtige Männer welche den Dienst für Rom an der Front tun würden, und welche den römischen Traum träumten.
    ...oder den Traum von Geld und einem Dach über dem Kopf, aber an Tagen wie diesem hielt sich Seneca gerne einmal an idealistischen Illusionen fest.
    Mit etwas Abstand verfolgte der Iunier die kleine "Zeremonie", die Offiziere erledigten das schon ganz gut, und er wollte die Aufmerksamkeit nicht an sich reißen. Zu einem späteren Zeitpunkt würde er aber sicher noch einige Worte verlieren, denn die Männer wurden gebraucht, es gab sowohl im Dienst an der Waffe als auch im Dienst am Hammer, also dem handwerklichen Bereich, eine ganze Menge zutun und Seneca hatte bereits zu viel Zeit mit den Planungen verschwendet.