Beiträge von Chiomara Minor

    Der Ausflug konnte interessant werden. Kyros war ausgesprochen gebildet und in der Geschichte bewandert, dass sie quasi an seinen Lippen hängen würde, wären da nicht die vielen Menschen, denen sie immer wieder ausweichen musste. Dass die Rostra dafür gebaut war, dort Reden zu halten, war ihr bekannt, über den Namen, über die eigentliche Bedeutung, wurde sie nie aufgeklärt. Diesmal würde sie sich den Platz genauer ansehen.

    "Wie ist das eigentlich in einer Republik? Kann dort jeder.. autsch, Entschuldigung." Chio war einen Moment unaufmerksam, ihr Blick auf Kyros gerichtet, dass sie mit einem großen Kerl zusammenstieß, der ihr ärgerlich nicht sehr schöne Namen gab. Verlegen konzentrierte sie sich lieber wieder auf ihren Weg. Kyros hielt sie hoffentlich nicht für dumm wegen der Frage. Still folgte sie ihm weiter, bis sie endlich an der richtigen Stelle ankamen.

    Sie war auffallend still, während sie neben ihm herging. Die Menschen verliefen sich in den Straßen, es wurde immer ruhiger. Aretas führte sie in einen Garten, Chio war froh, dass er ihr die Ruhe ließ, bis sie dort ankamen. Staunend sah sie sich um. Es gab so vieles in dieser Stadt zu entdecken, der Garten hier war genau das, was sie im Moment ersehnte. Ruhe, Schönheit, Geborgenheit. Seine Frage holte sie aus ihren Gedanken. "Nein... nein, es ist schön hier. Können wir hier eine Weile bleiben?" Sie umrundete den Brunnen, setzte sich schließlich an seinen Rand und strich vorsichtig mit der Hand durch das Wasser. Sanfte Wellen zogen bis zur Mitte und sie folgte ihnen mit ihrem Blick. Langsam kehrte ihr Lächeln zurück. Neugierig drehte sie sich zu Aretas. "Du warst schonmal hier, hm?" Bestimmt war er mit seiner Freundin hier, dafür war das ein geeigneter Ort, romantisch... und ruhig.

    Viel zu neugierig, war sie schneller wieder zurück als eigentlich beabsichtigt. Mit geröteten Wangen und einem strahlenden Lächeln führte sie Aisha zurück in den Stall, schenkte ihr zum Abschied noch ein paar besondere Streicheleinheiten und übergab sie dann einem Stallburschen. Nun musste sie sich aber beeilen, sie wollte wenigstens noch ein bisschen vom Training mitbekommen. Tatsächlich hatte sie Glück, Aretas fuhr gerade wieder auf die Bahn und Chio fand auch schnell ihre Herrin. Gespannt stellte sie sich zu ihr. "Was hab ich verpasst? Wie ist er? Machen sich die Pferde gut?"

    Die Rostra... na gut, wieso nicht. Normalerweise würde sie das niemals interessieren, aber schaden konnte es auch nicht. Kyros war so ganz anders als Aretas. Neugierig folgte sie seinem Blick, deutete dann in eine andere Richtung. "Ich glaube, das ist dort drüben." Sie wartete, ließ ihn vorgehen. Immerhin war er größer und konnte sich einen besseren Überblick verschaffen. Und ihm würde man sicher auch bereitwilliger Platz machen. "Du hast von Rom gelesen? Dann weißt du über viele Gebäude hier schon bescheid? Ich habe nämlich schon einiges gesehen, aber keine Ahnung, um was es sich handelt." Da konnten sie sich sicher gut ergänzen. Fröhlich lächelnd folgte sie ihm und war nun ehrlich gespannt auf das andere Rom.

    Ausnahmsweise ließ sie zu, dass er ihre Hand nahm. Das gestern war ihr noch gut in Erinnerung, das sollte nicht wieder passieren. Trotzdem gingen sie nicht gleich, er wollte wohl warten, bis das größte Gedränge vorbei war. "Nein, das Blut hat mir wirklich nichts ausgemacht. Davon hab ich schon genug gesehen... " Er zog sie mit sich, achselzuckend ging sie mit ihm nach draussen. Normalerweise hätte sie neugierig nachgefragt, im Moment war ihr alles egal. Alles, bis auf eine Tatsache. "Ich will noch nicht zurück." Was sie stattdessen wollte, wußte sie aber auch nicht. Vielleicht sollte er sie doch einfach nur nach Hause bringen.

    Der Anblick hielt sie in seinem Bann. Die Löwinnen, die Stück für Stück Fleisch aus dem toten Körper rissen, auf Knochen kauten, sich um die besten Leckerbissen stritten. Es war widerlich, und doch mußte sie sich regelrecht zwingen, den Blick abzuwenden. Blass? Sie fühlte sich sonderbar, der Todeskampf war so aufregend gewesen, brachte ihr Blut in Wallung, und jetzt? Selbst Aretas starrte sie eher an wie einen Fremden. "Das Blut macht mir nichts..." und das war nicht gelogen. Zu gern hätte sie ihm erklärt, was mit ihr los war, doch dafür müsste sie es erst einmal selbst wissen. Und weil sie ihm auch den Spaß nicht verderben wollte, blieb sie geduldig stehen und wartete. Chio wollte nicht wieder verlorengehen. denn noch während sich die Löwen ihre Mahlzeit schmecken ließen, begannen, die Menschen nach draussen zu strömen.

    Chiomara schrie und brüllte sich die Seele aus dem Leib, solange der Stier wütete und auch noch, als die Löwen anfingen, sich dem Verletzen zu nähern. Fasziniert starrte sie nach unten, der Kerl schaffte es doch tatsächlich, eine der Löwinnen zu töten. Nur die Art, wie er es tat, ließ ihren Atem stocken. Er war selbst zu einem wilden Tier geworden. Sein Schrei, der irre Blick, als er von dem erlegten Tier abließ, er hatte nichts menschliches mehr an sich.


    Glücklicherweise war er aber nicht mehr stark genug, sich gegen die restlichen Löwinnen zu wehren. Eine nach der anderen machte sich über ihn her, Chio konnte den Blick nicht abwenden. Immer stiller wurde sie und bleicher. In ihrem kurzen Leben musste sie schon so einiges mit ansehen, aber das übertraf alles. Ihr war übel, und als er endlich tot war, wollte sie nur noch hier weg. Den Jubel, der hereinbrach, nahm sie nur am Rande wahr. Ihr war nicht nach feiern, auch wenn sie froh war, dass er tot dort unten im Sand lag. Vorsichtig zog sie an Aretas Tunika. "Können wir gehen? Bitte..."

    Es war ein schöner Tag, nicht mehr ganz so kalt und Chio freute sich darauf, ein wenig durch die Stadt zu ziehen. Bisher war nie die Gelegenheit gewesen, jedenfalls nicht so richtig und vor allem nicht, mit soviel Zeit. Ein bisschen stolz war sie schon, denn sie durfte Kyros herumführen, zumindest, soweit sie sich selbt auskannte. Alles andere würde sicher spannend werden. Neues entdecken, und hoffentlich nicht verlaufen. Damit kannte sie sich ja auch schon aus.


    Schon bald erreichten sie das Forum Romanum. Chiomara war auch immer wieder aufs neue beeindruckt von der Größe und Vielfalt, die es hier zu sehen gab. Allzuoft war sie noch nicht hier gewesen, an einen dieser Besuche konnte sie sich auch nicht mehr so recht erinnern, aber davon musste niemand wissen. Schmunzelnd fiel ihr Blick auf Kyros, der mehr als bewundernd dastand und sich alles ganz genau ansah. "Beeindruckend, nicht wahr?"

    Sie konnte es gar nicht erwarten, ihm beim Trainieren zuzusehen. Endlich schien es loszugehen, da kam dieser Stallbursche, und meinte, das Pferd wäre fertig. Na toll... Nicht, dass sie etwas dagegenhätte, auszureiten, aber eigentlich wollte sie doch heute zusehen. "Danke!" rief sie ihm resigniert nach und ging ihm hinterher. Wenigstens schien Aisha sich zu freuen und schnaubte ihr freudig entgegen, als sie näherkam. Vorsichtig öffnete sie die Box und streichelte das Tier, bevor sie es hinausführte. Heute wollte sie nicht in der Halle bleiben. Wenn sie schon nicht zusehen durfte, dann konnte sie genausogut draussen reiten. "Na komm, meine Schöne, heute machen wir einen kleinen Ausflug."

    Chio hielt sich diesmal wieder im Hintergrund und hörte aufmerksam zu. Kein Wort wollte sie verpassen, und erst recht nichts vom Training, das sie ohnehin viel mehr interessierte. Voller Bewunderung war sie für Faustinas Weitsicht in Bezug auf die Pferde und den Lärm. Und sie hatte Recht, mit Pferden konnte er es wirklich besser als mit Menschen, da wußte er genau, was er zu tun hatte. Innerlich seufzend sah sie zu den Pferden. Dann stieg Aretas in den Wagen. Seine letzte Frage ließ sie schmunzeln. Hatte da jemand Angst? Chio jedenfalls würde gerne zu jedem Training kommen, aber das interessierte hier ja niemanden...

    Chio glaubte schon, der Stier hätte ihn schlimmer erwischt, doch der Kerl schien das Glück auf seiner Seite zu haben. Ein zweifelhaftes Glück zwar, aber immerhin. Aber er war lange nicht mehr so aufmerksam, wie zu Anfang. Der Stier traf wieder und Aretas Arm musste noch mehr ertragen. Ihr war gar nicht bewußt, dass sie sich an ihm festhielt, während sie gebannt nach unten sah. Der Kerl blieb in der Hocke, was hatte er vor? Erschrocken schrie sie auf, als sie es erkannte. Sie ließ Aretas los und brüllte nach vorne, wie viele um sie herum. "PASS AUUUUFFFF.... " und zu Aretas gewandt. "Dieser Mistkerl... " Hoffentlich schafft er es nicht. Immerhin wurde es jetzt richtig spannend, viel besser, als die eher langweiligen Quälereien am Anfang.Da wäre ihr so einiges mehr eingefallen für so ein Schwein.

    Das Lachen war das Lachen Ahrimans persönlich, da war sie sich sicher. Vorsichtshalber trat sie einen Schritt zurück, zog sich ein Stück Stoff vors Gesicht. Nicht ein Anzeichen des Schmerzes, es schien ihn nicht zu berühren. Geschickt, als wüßte er genau, was er tat, sprang er beiseite, kurz, bevor der Stier ihn erreichte. Chio griff wieder nach Aretas Arm, ließ aber gleich wieder los, sie wußte ja noch, gestern.. "Ahriman.. das ist Ahriman, er hat sich in den Körper geschlichen, siehst du? Niemand hält sowas aus, ohne zu schreien." Erschrocken griff sie doch wieder zu, als sie erkannte, dass der Stier auf den Kerl zurannte. "Da!! Er sieht ihn nicht... er... " Da stieß der Stier auch schon zu und nahm ihn auf die Hörner. Ein unmenschlicher Schrei...

    Chio war aufgeregt, es war die erste Hinrichtung, die sie hier in Rom miterleben durfte. Die Vorbereitungen, die dort unten getroffen wurden, ließen ein großes Spektakel erwarten. Mittlerweile wußte sie auch, weshalb der Kerl hinterichtet werden sollte, und wenn sie dem Gekeife so zuhörte, konnte sie nur hoffen, sie würden ihn solange leiden lassen, bis er um den Tod betteln würde. Dann endlich ging es los. Mit der Zange war der Kerl dort unten nicht gerade zimperlich, und als er dann den Muskel durchschnitt, in der Wunde herumstocherte... Chio wurde bleich. Das Blut störte sie weniger, aber das Fleisch, der Knochen.. Wenn sie nicht so neugierig gewesen wäre, hätte sie weggesehen, aber so war sie gespannt, wie er weiter leiden sollte. Nur noch ein Brandzeichen? Was war denn jetzt los, er wurde losgebunden? Ah, ein Stier, und der sah gar nicht freundlich aus. Aretas besorgte Frage... Gut? Ja.. "Ja, mir gehts gut." Die Anspannung verdrängte den Ekel, und bald kehrte auch die Farbe in ihr Gesicht zurück.

    "Ja, ich glaube, du hast Recht, aber einen Leibwächter brauchst du auch."


    Als Faustina ihre Hand nahm, lehnte sie sich an ihre Schulter. Der Wein hatte sie müde gemacht. Und nicht nur der. Das war ein aufregender Tag gewesen. Langsam fielen ihr die Augen zu. Ihr letzter Satz ließ sie wieder etwas wacher werden. Morgen früh? Das war toll. Chio setzte sich auf.


    "Wir beide? Das wäre toll. Ich wollte schon immer sehen, wie die Pferde trainiert werden. Dann sollten wir jetzt schlafen gehen, damit wir ihn richtig anfeuern können."

    Chio mußte grinsen. Ja, einen knackigen Hintern hatte er wirklich, aber mit dem wüsste sie etwas besseres anzustellen. Bei dem Gedanken wurde sie rot. Er war ein Mann und außerdem vergeben, aber wenn sie an Faustinas Hintern dachte, das hatte ungefähr die gleiche Wirkung. Aber hier ging es gerade um etwas anderes als ihren Hintern. "Ohja, das wirst du. Ich bin sicher, du bist die beste Nachfolgerin deines Vaters. Und ich glaube, Aretas kann es wirklich schaffen, er hat Talent. Und Köpfchen, wenn ich daran denke, wie er in der letzen Runde seine Chance erkannt und genutzt hat. Er ist toll... also, als Fahrer."

    Das war ein hartes Los. Von der Freundin getrennt zu werden, und dann das Kind.. Sie hätte ihm gerne geholfen, aber wie sollte sie. Natürlich musste es ihr nicht leid tun, sie konnte ja nichts dafür. ER tat ihr leid, er tat ihr wirklich leid. Aber was sollte sie sagen? Die Wahrheit, sie sprudelte aus ihr heraus, bevor sie es verhindern konnte. "Ich bin froh, dass du zurückgekommen bist.. " Sie spürte, wie sich ihre Gesichtsfarbe zu ändern begann und öffnete schnell die Tür, ging ihm voran durch die Gänge, bis zu seiner Nische und ihrer Tür. Dort drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Sie hätte ihm gerne noch etwas nettes gesagt, wegen seiner Freundin, aber es war wohl wirklich alles gesagt. "Bis morgen.. "

    Er blieb stehen, sie bemerkte es gerade noch und drehte sich zu ihm um. Sie war also tatsächlich schwanger und es war sein Kind. Jetzt wurde ihr auch klar, wieso sie so traurig und verzweifelt aussah... und er sich betrinken wollte. Er ging weiter, sie sah ihm erst eine Weile nach, bevor sie ihm langsam folgte. Seine Freundin war gar nicht mehr in Rom und er wußte wahrscheinlich nicht einmal, wie es ihr ging. Das musste schrecklich sein, abgesehen von seinem Kind.


    Sie waren an der Villa angekommen. Chio blieb stehen, wollte ihn trösten, berührte leicht seinen Arm. Was sollte sie sagen? "Das tut mir leid. Ehrlich... Und du hast nicht versucht, wegzulaufen und ihr zu folgen. Wieso bist du geblieben?"

    Wielange? Hm.. So genau wußte sie das auch nicht. Bisher hatte sie das auch nicht interessiert. Nachdenken, irgendjemand mußte das doch einmal erwähnt haben. "Ich weiß nicht genau, einige Monate... " Sieben Monate? Da war was mit dem Mond. Nein, neun... ja, neun waren das. Ganz sicher. "Neun... neun Monate muß ein Kind wachsen, bis es geboren wird." Stolz ging sie neben ihm her. Da fiel ihr wieder seine Freundin ein. "Wieso willst du das wissen? Ist es wegen.. " Verlegen biss sie sich auf die Lippe. Jetzt oder nie. ".. wegen deiner Freundin? Wo ist sie eigentlich? Wieso hast du sie nicht zu den Kämpfen mitgenommen?" Nun war heraus, was sie schon lange wissen wollte. Schnell ging sie weiter, sie wußte nicht, wohin mit ihrer Verlegenheit, auch wenn sie auf die Antwort brannte.

    Puh, endlich nicht mehr so hetzen. "Da bin ich ja beruhigt, wenn uns keiner verfolgt. Wohl auch besser für denjenigen ." Schließlich war er jetzt Leibwächter. Sie gingen eine Weile nebeneinander her, was sie viel besser fand. Dabei sah sie sich die vielen Gebäude an, die sie alle noch kennenlernen musste. " Kennst du dich in Frauensachen aus...Kinder kriegen und so?" Die Frage überraschte sie nun wirklich. "Ähm... naja, ein bisschen. Was willst du denn wissen?" Sie war einmal zufällig bei einer Geburt dabeigewesen, zwangsläufig, auf der Reise hierher. Ansonsten wußte sie nur das, was man als Frau eben darüber wußte.