Beiträge von Chiomara Minor

    Abwartend stand sie da, während der Zweig zischend durch die Luft zog und mit einem Knall im Kissen landete. Chiomara zuckte erschrocken zusammen und zog den Kopf ein. Es machte ihr unmissverständlich klar, was sie erwartet.


    Faustina´s Befehl ließ keine Widerworte zu. Mit zittrigen Fingern löste sie die Spange an ihrem Umhang, ließ ihn von den Schultern gleiten. Dabei schickte sie einen flehenden Blick zu ihrer Herrin, bevor sie zögernd den Gürtel löste und ihre Tunika über den Kopf zog. Am Ende stand sie nackt vor Faustina. Allein angesichts dieser Demütigung hätte sie ihr alles versprochen. Ihr Blick fiel auf den Zweig, der drohnend in der Hand lag.


    "Bitte nicht... Ich verspreche dir, so etwas wird nie wieder vorkommen. Bitte... "


    Es war ein letzter, verzweifelter Versuch, ihre Herrin umzustimmen, ein Flehen um Gnade. Die Furcht stand ihr nun offen im Gesicht.

    In Gedanken träumte sie sich noch in die Stallungen, lernte die Pferde kennen, durfte vielleicht sogar auf einem reiten...


    Kaum schloss sich die Tür hinter ihnen, erstarrte Chiomara unter dem Wutausbruch ihrer Herrin. Noch nie hatte sie Faustina´s Augen so voller Zorn funkeln sehen und jedes einzelne ihrer Worte war ein Schlag ins Gesicht. Immer mehr zog sie den Kopf ein und kam kaum dazu, etwas zu erwidern.


    "Aber ich... er hat... es tut mir leid.. " setzte sie noch zu einer kläglichen Entschuldigung an, was bei Faustina auf taube Ohren stieß. Im Moment schien es sinnlos, auch nur irgendetwas erklären zu wollen. Geduldig ließ sie daher den Wutausbruch über sich ergehen, bereitete sich insgeheim schon darauf vor, ein paar Schläge auf den Po abzubekommen.


    Was dann aber kam, ließ sie zittern. Fassungslos starrte sie auf das Messer in ihrer Hand. Mit einem Stock? Das war nicht ihr Ernst... Ein Blick in diese Augen und Chiomara wurde klar, dass es kein Scherz war. Ihr blieb keine Wahl. Resigniert ging sie nach draussen, trat in den Garten und holte tief Luft. Normalerweise hätte sie den Anblick genossen, nun aber mußte sie die Pflanzen nach anderen Gesichtspunkten betrachten. Busch für Busch nahm sie in augenschein, bis ihr einer geeignet erschien. Von diesem schnitt sie einen Zweig ab, wog ihn in Händen. Er sollte etwas aushalten können... Eigentlich sollte sie ihn testen. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr ganz anders. Er würde schon passen.


    Den Rückweg hätte sie zu gerne noch eine Weile hinausgezögert. Trotzdem beeilte sie sich, denn sie wußte, unnötig langes Warten würde Faustina´s Wut nur noch mehr anstacheln. Der Strafe konnte sie ohnehin nicht entkommen. Einzig vor der Tür verharrte sie einen kurzen Moment. Weglaufen? Ein dummer Gedanke. Sie würden sie überall finden, dazu war diese Familie zu mächtig. Ihr Herz schlug bis zum Hals, als sie schließlich eintrat und Faustina demütig den Stock und das Messer übergab.

    "Ja, vielleicht, danke für deine Hilfe... und die Trauben."


    Dann war er weg. Schade eigentlich. Zu gerne wäre sie ihm gefolgt, aber sie konnte nicht, konnte ihm nur solange nachschauen, bis er verschwand. Bislang dachte sie, sie wäre zufrieden, dachte, wie gut sie es doch hatte, nun kam der Neid. Auf ihn, er konnte gehen, wohin er wollte, mußte niemanden fragen.


    Vielleicht sehen wir uns irgendwann... Das konnte morgen schon sein, oder überhaupt nie, dabei würde sie so gerne die Pferde sehen. Und das nicht nur, weil er sie neugierig geredet hatte. Da war etwas, von dem sie nicht wußte, was es war. Das wollte sie herausfinden, und zwar bald.


    Und sollte Faustina nicht wollen, dann würde ihr vielleicht Dolabella helfen. Seufzend stand sie wieder in der Sonne und wartete. Wenn doch wenigstens etwas aufregendes passieren würde...

    Er wußte nicht, wieviele sie waren? Waren die Stallungen so groß? Oder interessierte er sich nicht für andere? Letzteres konnte aber eigentlich nicht sein, sonst hätte er sie liegenlassen und schon gar nicht die Trauben mit ihr geteilt. Eine verlegene Stille breitete sich zwischen ihnen aus und Chiomara suchte verzweifelt nach einem Gesprächsthema.


    Faustina zu unterhalten war einfacher. Ihr erzählte sie, was tagsüber geschehen war, und wenn es nichts zu berichten gab, erfand sie eben etwas. Aber bei ihm? Abgesehen davon, dass Pferde sein liebstes Thema war und er vielleicht noch ein bisschen neugierig auf die Villa war, wußte sie einfach zu wenig von ihm. Eine Beere nach der anderen verschwand in ihrem Mund.


    Vielleicht sollte sie auch langsam wieder zu ihrer Herrin zurück. Sie warf einen Blick in die Richtung, aber noch interessierte sich niemand für sie. Während sie sich so umsah und gerade die letzte Beere in den Mund schieben wollte, bemerkte sie ein Augenpaar, das sie anstarrte. Da war er wieder, der kleine Junge, der sie umgerannt hatte. Mit der Hand deutete sie in dessen Richtung.


    "Da... da ist er wieder. Der kleine Zwerg hat mich vorhin umgerannt. Am liebsten würde ich ihm die Ohren langziehn."


    So wirklich sauer war sie zwar nicht mehr, obwohl sie ihre Schulter noch immer ein wenig spürte. Eigentlich müsste sie ihm dankbar sein, immerhin stand sie nun nicht mehr dumm in der Gegend herum und hatte auch noch nette Unterhaltung. Und zuckersüße Trauben... die letzte verschwand in ihrem Mund und der Junge aus ihrem Blickfeld.

    Er machte sich über sie lustig, dafür sollte sie ihn tatsächlich beissen. Den Mund schon geöffnet, sah sie, wie er die Augen zusammenkniff. Er erwartete scheinbar genau das, also nahm sie ihm die Beere mit den Fingerspitzen ab und steckte sie selbst in ihren Mund. Sauer... sie bemühte sich, das Gesicht nicht zu verziehen und mit einem Grinsen auf den Lippen wartete sie, bis er die Augen wieder öffnete.


    Ein bisschen peinlich war ihr, dass sie gedacht hatte, er würde vielleicht direkt bei den Pferden schlafen. Alles hatte irgendwie darauf hingedeutet.


    "Ich dachte, weil du sagtest, du wärst dort nachts alleine. Da habe ich dich wohl falsch verstanden. In der Villa gibt es auch extra eine Unterkunft für die Sklaven. Dort muß ich aber glücklicherweise nicht schlafen, Tiberia Faustina hat mich gerne in ihrer Nähe. "


    Ihre Herrin.. die hatte sie tatsächlich für einen Moment vergessen. Ängstlich drehte sie sich um, doch die war immer noch mit dem fremden Mann in ein Gespräch verwickelt, also hoffentlich nichts, um das sie sich Sorgen machen müsste. Dann konnte sie sich auch noch ein wenig unterhalten. Nun hatte sie ihm doch ein wenig verraten, dann konnte sie ihn auch weiter ausfragen.


    "Wieviele seid ihr denn dort? "

    Erschrocken zuckte sie zurück, als er direkt zubiss. Glücklicherweise nur in die Beere. Und sie bekam keine von ihm? Sah sie wirklich so aus, als würde sie ihm in die Finger beissen? "Dabei mag ich sauer wirklich gerne." Nicht ganz ernsthaft zog sie eine Schnute und pflückte sich eine von ihren, schob sie genüsslich in den Mund.


    Nun wurden seine Fragen aber wirklich ziemlich privat. Argwöhnisch beäugte sie ihn, während sie kaute und überlegte, was davon sie beantworten wollte. Schließlich verzog sie schmunzelnd ihr Gesicht und lächelte ihn keck an.


    "Du bist ja mal gar nicht neugierig. Warst du noch nie in einer Villa? Hm.. also eigentlich habe ich immer irgendetwas für Faustina zu tun. Selbst, wenn sie nicht da ist. Wie ist es denn in den Stallungen? Ich dachte, du bist dort nachts alleine mit den Pferden? Oder schläfst du ... direkt bei den Pferden?"


    War es das, was er meinte mit, in einem Raum zusammen untergebracht? Irgendwie konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen, wie es war, in einem Stall zu schlafen, deshalb war sie auch so neugierig darauf. Und sie entging damit ziemlich geschickt seiner Frage.

    "Nein, ich kann doch nicht... "


    Sie sträubte sich, aber ihr Protest war sinnlos. Noch bevor sie zuende schimpfen konnte, zog er sie zu dem Stand. Hilfesuchend ging ihr Blick zu ihrer Herrin, doch die war in das Gespräch vertieft und bekam scheinbar nichts mit. Sich von Faustina zu entfernen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, das war ihr noch nie in den Sinn gekommen und schon gar nicht mit einem Fremden. Aber der Schatten tat gut. Wenn da nur nicht ihr schlechtes Gewissen wäre...


    Ihr Blick hing immer noch bei den beiden, als Aretas sie nach Faustinas Gesprächspartner ausfragte. Nur widerwillig drehte sie sich zu ihm um und zuckte mit den Schultern.


    "Ich weiß es auch nicht, irgendein Senator."


    Natürlich wußte sie es, zumindest seinen Namen, aber weshalb sollte sie ihm das auch verraten. Sie beobachtete ihn, während er kostete und den Preis aushandelte. Zögernd nahm sie dann die Traube aus seiner Hand, steckte sich ebenfalls eine Beere in den Mund. Ihre war süß und sie mußte lachen, als er das Gesicht verzog.


    "Solange es nur die eine ist? Meine ist süß... Danke."


    An Weintrauben konnte sie sich satt essen, gerade, wenn es so warm war. Während sie noch kaute, war er schon dabei, ihre letzte Frage zu beantworten.
    Damit schürte er weiter ihre Neugier, bis sie stutzte.


    "Die Arena?"


    Achja, die Wagenrennen. Irgendwo mußten die ja stattfinden. Es gab noch sovieles hier, das sie nicht kannte.


    "Die würdest du mir auch zeigen? Ich will natürlich alles sehen."


    .. und noch viel mehr darüber erfahren. Aber zuerst mußte sie einmal dorthinkommen können.


    "Hier, die ist sicher süß."


    Vorsichtig pflückte sie eine Beere aus ihrer Traube und hielt sie ihm mit einem kurzen Zwinkern vor die Nase. Faustina und deren Gesprächspartner hatte sie mittlerweile schon fast vergessen.

    Ein Jahr war noch nicht wirklich lange, davor schien er genügend erlebt zu haben und Chiomara würde das gerne herausfinden. Nur schade, dass er gehen wollte, aber das war vielleicht auch besser so. Und es gab sicher irgendwann eine Gelegenheit, in die Stallungen zu kommen. Zumindest hoffte sie das.


    Sie sah die Sorge in seinen Augen. Kurz ging ihr durch den Kopf, sich einfach fallen zu lassen, dann hätte sie noch ein bisschen Unterhaltung und müsste auch nicht länger stehen. Kopfschüttelnd vertrieb sie den kindischen Gedanken aber gleich wieder und lächelte ihn stattdessen mit festem Blick an. Dafür war sie dann doch zu stolz.


    "Ja, mir geht es gut. Es ist nur etwas warm hier in der Sonne."


    Das sollte ihn überzeugen, aber ihn in dem Glauben zu lassen, er würde sie langweilen, konnte sie dann doch nicht. Schließlich hatte er ihr eine kleine Weile der Ablenkung geschenkt. Sie senkte wieder die Stimme, um niemanden an dieser Unterhaltung teilhaben zu lassen.


    "Du hast mich nicht gelangweilt, im Gegenteil. Du hast mich ein wenig abgelenkt, hier zu stehen ist nicht unbedingt... interessant. Wenn ich die Stallungen besuchen darf, wirst du mir dann alles zeigen?"


    Sie wußte, er würde gleich gehen und irgendwie wollte sie das noch hinauszögern. Wenn er ging, war sie wieder alleine und würde die Sonne und ihre Beine umso mehr spüren, ganz zu schweigen von ihrer Schulter.

    Die Hände unter ihrem Umhang begannen zu schwitzen und sie wischte sie an ihrer Tunika ab, während sie ihm lächelnd zunickte bei seiner Bemerkung über Faustina.


    "Ja, das bin ich wohl, eine Vertraute. Ich kann mich nicht beklagen und wenn ich das Leid mancher Sklaven sehe, wird mir bewußt, wieviel Glück ich habe."


    Soweit man es als Glück empfinden konnte, als Sklave zu leben, ohne eigene Entscheidungen treffen zu dürfen und in dem Bewußtsein, dass Freiheit wohl ein lebenslanger Traum sein würde. Aber sie war schon so lange bei Faustina, dass sie sich kaum an ein anderes Leben erinnern konnte. Manchmal, in ihren Träumen, tauchten bruchstückhafte Erinnerungen auf, die sie meist am nächsten Morgen viel zu schnell wieder vergaß. Einzig der Tag, der alles veränderte, war unauslöschlich in ihre Seele eingebrannt.


    Er erzählte von den Stallungen, seiner Arbeit und sie genoß es, ihm zuzuhören. Es war Abwechslung für sie und ihm war es wohl ein Bedürfnis. Seine Augen schienen zu leuchten, während er von den Pferden und deren Qualitäten berichtete. Er schien richtig in seiner Arbeit aufzugehen und das schürte wiederum ihre Neugierde. Zu gerne hätte sie sich von ihm auf der Stelle die Stallungen zeigen lassen, doch sie mußte sich in Geduld üben. Sie würde den richtigen Zeitpunkt abwarten, und dann Faustina bitten, sie einmal mitzunehmen.


    Als er mit seinen Ausführungen endete und das Körbe tragen erwähnte, mußte sie herzhaft lachen, erschrak jedoch selbst so darüber, dass sie sich schnell auf die Lippe biss und es mit einem Kichern ausklang. Die Vorstellung eines Stallburschen, mit Korb auf dem Kopf, hatte sich in ihre Gedanken geschlichen.


    "Entschuldige, es ist nur... Ja, ich denke, es ist wirklich ein Vorteil für dich."


    Diese Vorstellung wieder aus ihrem Kopf zu vertreiben, war nicht so einfach und ihr Grinsen wollte auch nicht verschwinden. Sie bemühte sich wirklich zur Ernsthaftigkeit.


    "Wenn Domina Faustina es erlaubt, würde ich mir die Stallungen wirklich gerne einmal ansehen. Gehört habe ich schon viel davon, es wird sich sicher einmal eine Gelegenheit ergeben."


    So langsam wurde es ihr warm in der Sonne und die Beine taten weh vom langen Stehen. Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn und irgendwie fiel ihr keine Frage mehr ein, die sie ihm hätte stellen können. Natürlich gab es einiges, dass sie gerne erfahren hätte, seine Vergangenheit zum Beispiel, oder, ob es ihm nichts ausmachen würde, so ganz alleine im Stall zu schlafen. Sie selbst war in ihrem ganzen Leben noch nie alleine gewesen und konnte es sich daher überhaupt nicht vorstellen. Aber all das war viel zu persönlich und er ihr noch fremd. Nach einem kurzen Moment der Stille fiel ihr doch noch etwas ein, das sie ihn fragen konnte.


    "Wie lange bist du schon hier, bei Dolabella und den Pferden?"

    Wurde er da etwa verlegen? Weshalb nur, weil er noch nie in der Villa war? Oder eher, weil er im Stall schlief? Wahrscheinlich eher zweiteres. Sehr wahrscheinlich sogar. Den Geruch der Pferde bekam man kaum ab, wenn man mit den Tieren arbeitete, erst recht nicht, wenn man dort auch noch schlief. Er sah in die Menge und sie nutzte den Moment, unauffällig zu schnüffeln. Ja, nun wußte sie, wieso man ihn nicht in der Villa haben wollte. Trotzdem, hätte er es nicht erwähnt, es wäre ihr nicht aufgefallen.


    Bei der Frage nach der Villa bekam sie leuchtende Augen. Sie war wirklich groß, größer, als ihr Zuhause in Griechenland. Das, was sie bisher davon gesehen hatte, war beeindruckend gewesen und sie hatte noch lange nicht alles gesehen.


    "Du warst noch nie da? Ja, sie ist sehr groß, du solltest sie dir einmal ansehen."


    Zumindest von außen, dachte sie, dann konnte er es sich ein bisschen vorstellen. Vielleicht war es aber auch besser, er würde sie nicht sehen. Er könnte neidisch werden und Neid brachte nie etwas Gutes. Er könnte sie hassen, sie alle hassen und dann... Schnell vertrieb sie den unheilvollen Gedanken wieder.


    "Meine Aufgabe ist es, für meine Herrin zu sorgen. Ich bin nur für sie da."


    Die Erinnerung an die Nacht zauberte ein Lächeln auf ihre Züge und dieses Lächeln schenkte sie ihm, mit einem direkten Blick in seine Augen. Es gab für sie keinen Grund, sich nicht weiter mit ihm zu unterhalten, nicht einmal der leichte Pferdegeruch, der ihn umgab. Und neugierig war sie immer noch.


    "Wieviele Pferde gibt es dort? Dolabella hat sicher nur die Besten, oder?"

    Ihre Finger? Ohje.. Eine leichte Röte legte sich auf ihre Wangen, als sie bemerkte, dass sie es schon wieder tat. Diesmal nicht aus Langeweile, sondern, ja, weshalb eigentlich? Schnell strich sie den Stoff glatt und versteckte ihre Finger unter dem Stoff ihres Umhangs. Er sollte schließlich nicht denken, sie wäre nervös.


    Aretas... der Name sagte ihr nichs, woher auch, nur fragte sie sich, wieso Faustina ihn hätte erwähnen sollen. Chiomara nahm sich vor, sie am Abend nach ihm zu fragen. Scheinbar hielt er sich für etwas Besonderes, so überrascht, wie er aussah. Er gehörte also zu Dolabella, und ihr lagen tatsächlich ein paar Fragen auf der Zunge.



    "Du gehörst Dolabella? Wieso sind wir uns noch nicht begegnet?"


    Gut, die Villa war groß und sie erst angekommen, so ungewöhnlich war das gar nicht. Sie war bestimmt der Hälfte der Sklaven in diesem Haushalt noch nicht begegnet. Mittlerweile kam ihr ihre Frage dumm vor, doch Ausgesprochenes konnte man nicht zurücknehmen, also wartete sie einfach seine Antwort ab.

    Abschätzend musterte sie ihn noch einmal und es schien, als würde er es ernst meinen. Wieso dann aber das Grinsen? Egal, sie beschloss, seine Entschuldigung anzunehmen und das Ganze zu vergessen.


    "Ich bin Chiomara und erst vor Kurzem hier angekommen."


    Er hielt ihr eine Feige hin. Sollte sie? Es würde ihre Langeweile ein wenig vertreiben, die wohl so offensichtlich war, dass es sogar ihm auffiel. Also griff sie zu und versuchte, weniger gelangweilt auszusehen, was nicht allzu schwer war, schließlich hatte sie nun ein wenig Unterhaltung.


    "Danke, sehr gerne. Woher weißt du das? Sieht man mir das an?"


    Sie hatte die Stimme ebenfalls gesenkt, schließlich sollte Faustina und ihr Gesprächspartner das auf keinen Fall mitbekommen. Genüsslich schob sie sich die Feige in den Mund und während sie kaute, fiel ihr seine Tunika auf. Die Farbe, es war die gleiche, die die Fahne in der Villa hatte. Dann wurde ihr auch bewußt, dass er Faustina´s Namen kannte. Sie wurde neugierig.


    "Verrätst du mir auch, wer du bist?"

    Sie hatte den Jungen in ihrer Wut gar nicht bemerkt, erst, als er ihre Hand nahm und den Sand wegpustete. Erschrocken entzog sie ihm diese und musterte ihn erst einmal von oben bis unten. Alles ging so schnell, schon spürte sie seinen festen Griff an ihrem anderen Arm, der versuchte, sie hochzuziehen. Noch immer hatte sie ihre Fassung nicht wieder, sie mußte wohl einen extrem verwirrten Eindruck machen.


    "Ja, ich denke schon. "


    Mit zitternden Knien und seiner Hilfe stand sie langsam auf. Sie rührte sich auch nicht, als er versuchte, ihren Umhang vom Sand zu befreien. Währenddessen hob sie prüfend ihre Schulter, drehte sie im Gelenk. Es war nichts Schlimmes, das wurde ihr schnell klar, es tat nur höllisch weh, man konnte es an ihrem Gesicht ablesen.


    " Da ist Sand an deinem Umhang. Ist besser du machst das selber." Sie zog ihn so, dass sie die Bescherung besser sehen konnte und versuchte, ihn so gut wie möglich sauber zu bekommen. Der Sand ging ab, nur war der nicht sauber und damit ihr Umhang nun auch nicht mehr. Wieder gingen ihr so einige Flüche durch den Kopf, die sie diesmal jedoch nicht laut aussprach. Wenn ich den Kerl in die Finger bekomme...


    So langsam wurde sie wieder sie selbst, ihre Beine zitterten kaum mehr und sie hatte nun endlich Gelegenheit, sich für die Hilfe zu bedanken. Schnell klopfte sie noch den Sand von ihrer Tunika und richtete ihren Umhang wieder. Dabei bemerkte sie das Grinsen auf dem Gesicht des Jungen, der ihr eben noch so fürsorglich geholfen hatte. Das gefiel dem wohl auch noch, dass sie hier im Dreck gelegen hatte. Brav bedanken und ignorieren? So, wie es sich gehörte? Mit viel Überwindung formulierte sie ihre Worte, wenn auch nicht ganz so überzeugend, wie sie es gerne gehabt hätte.


    "Danke für deine Hilfe, es geht schon wieder."


    Fast häte sie es geschafft, doch da war noch immer diese Wut in ihr. So konnte sie sich einen zusätzlichen Kommentar nicht verkneifen, den Blick mittlerweile fest auf ihn gerichtet.


    "Es freut mich, dass ich dich hiermit scheinbar gut unterhalten habe."


    Zu gerne hätte sie sich jetzt einfach umgedreht und wäre gegangen, doch das konnte sie nicht. Sie mußte warten, bis auch Faustina bereit war zu gehen.

    Stillstehen, zuhören, beobachten... ihr wurde langsam langweilig. Faustina und dieser Aurelier unterhielten sich angeregt und sie durfte nicht. Ein bisschen beneidete sie ihre Herrin, er sah gut aus und auf den Mund gefallen war er auch nicht. Unbemerkt musterte sie ihn immer wieder mit einem kurzen Blick. Kleine, aufregende Augenblicke, während sie dastand und sich umsah.


    Sie ließ sich ihre Langeweile nicht anmerken. Ihre Finger, mit denen sie den Stoff ihrer Tunika immer wieder einrollte und wieder losließ, konnten sie vielleicht verraten, wenn man sie beobachtete. Ansonsten stand sie nur da, innerlich seufzend, dass hier so gar nichts geschah, was nur annähernd interessant war. Wobei Faustina heute abend wohl sowieso nur ein Thema haben würde, über das sie reden wollte. Bei dem Gedanken daran legte sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen.


    Der schöne Gedanke, dem sie nachhing, war jedoch im Nu verflogen, als sie unvermittelt einen Stoß gegen die Hüfte bekam. Bevor sie reagieren konnte, stürzte sie durch die Wucht auch schon seitlich zu Boden. Während sie fiel, konnte sie noch kurz einen Blick in erschrockene Kinderaugen erhaschen, die sie anstarrten, dann kam der Boden immer näher. Reflexartig versuchte sie, sich abzustützen, wobei ihr beim Aufprall ein Schmerz durch die Schulter jagte, der sie das Gesicht verziehen ließ. Schließlich landete sie unsanft auf ihrem Hinterteil. Wut stieg in ihr hoch und sie suchte nach dem Jungen, um ihm die Meinung zu geigen. Doch der war so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Leise murmelte sie Worte in ihrer Muttersprache vor sich hin, die hoffentlich niemand hier verstehen konnte.


    Immer noch saß sie da, überrascht und sauer, und hielt sich die Schulter. Die Hand, mit der sie sich abgestützt hatte, war voll Sand und von den kleinen Körnchen leicht aufgeschürft. Nicht schlimm, größere Sorgen machte sie sich um ihre Tunika und den weißen Umhang. Etwas, auf das sie stolz war und das sie, auch wenn der Stoff bei weitem nicht so kostbar war, wie der der Kleidung ihrer Herrin, doch zu etwas Besonderem machte.

    Chiomara atmete tief durch. Sie hatte sich wieder im Griff. Das war knapp und hätte böse enden können. Sie durfte gar nicht daran denken, was sie mit ihr gemacht hätten. Kurz drehte sie sich zu Faustina, um ihr zu zeigen, dass sie noch immer aufmerksam zuhörte, dann galt ihr Interesse scheinbar wieder den Menschenmassen. Doch als das Gespräch auf die Pferde kam, wurde sie hellhörig...

    Keines der Wörter ihrer Herrin entging ihr, ebensowenig wie die des jungen Mannes. Nicht nur, weil sie wußte, dass es von ihr erwartet wurde, es war äußerst interessant, denn manchmal erfuhr man Dinge, die einem sonst verborgen blieben. Ab und an drehte sie sich beiläufig um. Es sollte nicht so aussehen, als hätte sie ihre Aufgabe vergessen. Dann suchte sie wieder in der Menge nach kleinen Begebenheiten, mit denen sie heute abend ihre Herrin unterhalten konnte.

    Mit aller Kraft biss sie sich auf die Zunge, sonst hätte sie lauthals gelacht und das wäre dann doch sehr peinlich geworden. Und vor allem hätte sie dann keine Gnade erwarten dürfen, so gern ihre Herrin sie hatte. ... schließlich bin ich kein Pferd. Wie kam Faustina nur auf so eine Aussage. Es fiel ihr wirklich schwer, ernst zu bleiben und war froh, dass sie mit dem Rücken zu den beiden stand.


    Bitte, bitte, ich darf nicht lachen...


    Sie versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf das Geschehen um sich zu lenken, was gar nicht so einfach war.

    Chiomara kam nicht mehr dazu, zu antworten, geschweige denn, sie zurückzuhalten. Gerade in dem Moment lief ihre Herrin direkt in den Fremden und drückte dabei ihre Hand so fest, dass es schon fast schmerzhaft war. Ihr blieb nur, sie davor zu bewahren, hinzufallen. Als Faustina wieder sicher stand, wagte sie ebenfalls einen Blick auf den Senator.


    Hübsch.. war ihr erster Gedanke, wandte sich aber schnell wieder ab, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie würde ihn anstarren. Statt dessen musterte sie den Sklaven an seiner Seite. Ob er wohl mit seinem Herrn genausoviel Glück hatte wie sie? Scheinbar war er mehr als gehorsam, denn kein Blick ging in ihre Richtung. Schade eigentlich. Chiomara zuckte nur mit den Schultern und tat es ihm dann gleich. Es gab schließlich genug zu sehen an einem solchen Platz.

    Chiomara blinzelte ihrer Herrin verschwörerisch zu, wandte dann jedoch den Blick ab. Zu gerne hätte sie ihr noch etwas zugeflüstert, doch es stand ihr nicht zu, sich in dieses Gespräch einzumischen. Neugierig ließ sie wieder ihren Blick über die Menge gleiten. Zumindest sollte es so aussehen. Insgeheim lauschte sie aber weiter dem Gespräch.


    ...eine Gesandtin Venus` Innerlich verdrehte sie die Augen. Wieso mußten die Männer immer so übertreiben. Faustina war hübsch, keine Frage, ihre Haare duftend weich und ihre Haut... Chiomara drehte sich ihr kurz zu, um zu sehen, wie sie darauf reagierte. Dabei überlegte sie, was sie wohl antworten würde. Aber wer würde schon jemals so etwas zu ihr sagen? Trotzdem konnte es sicher nicht schaden, darauf vorbereitet zu sein.

    Wie konnte sie nicht, sie standen ja schon fast vor ihm. Gut, relativ nah, noch waren genügend Menschen zwischen ihnen, so konnte zumindest sie ihn mustern, ohne von ihm bemerkt zu werden. Manchmal war ihre "Größe" doch von nutzen.


    "Ja, jetzt sehe ich ihn. Der Große da.. Oh, ich glaube, er hat herübergesehen... "


    Er kam geradewegs auf sie zu und Chimoara hielt sich wieder ein kleines Stück hinter ihrer Herrin. Sie beobachtete ihn, und sie beobachtete Faustina. Unauffällig zog sie an ihrer Tunika und flüsterte ihr schnell etwas ins Ohr.
    "Er kommt in unsere Richtung... "


    Wieso war sie nur so aufgeregt? War es das neue, unbekannte, das den Namen Mann trug? Dabei war er gar nicht ihr Typ und es war Faustina, die ihn interessant fand. Zumindest dachte sie das. Wenige Augenblicke später war er an ihnen vorbei. Chiomara hatte seinen Blick bemerkt, den er ihrer Herrin zugeworfen hatte. Wortlos gingen sie weiter und Chio suchte in der Menge nach dem Jungen von vorhin, aber er war weg. Sie wollte schon fast wieder mit Faustina flüstern, als sie eine Stimme hörte. Neugierig drehte sie sich um und beobachtete die Szene. Innerlich mußte sie schmunzeln, jemanden so dreist anzusprechen war mutig.