Beiträge von Flavia Domitilla

    Domitillas Blick, der keinen Zweifel daran ließ, wie sie sich fühlen mochte, ging zu einem der angebotenen Stühle. Ohne Umschweife begab sie sich dorthin und setzte sich. Ihre Augen waren, wie ihre ganze Körperhaltung es bereits vermuten ließ, niedergeschlagen. Eigentlich hätte es keinerlei erklärender Worte mehr bedurft, denn der Brief ihres Vaters, den sie erhalten hatte, war eindeutig gewesen. Warum also hätte ihr Vater ihrem Vetter eine gänzlich andere Antwort zukommen lassen?


    Endlich hob sie ihren Blick und erkannte, welchen Kampf ihr Vetter mit sich selbst ausfocht, als er sich vor ihr die Blöße gab und seine Niederlage eingestehen musste. Er hatte nichts ausrichten können und war nun dazu verdammt, den Willen seines Onkels und ihres Vaters zu respektieren. Gracchus war ihre letzte Hoffnung gewesen. Doch diesmal halfen ihr weder die Götter noch ihr Verwandter, der für sie bis dahin eine nahezu gottgleiche Größe für sie gewesen war. Letztlich jedoch konnte er sich nicht über den väterlichen Willen hinwegsetzen.
    Stumm nickte sie. Sie war den Tränen nahe, doch sie konnte sich beherrschten, vor ihrem Vetter gehen zu lassen, als wäre sie ein gemeines Klageweib. Ihr war durchaus bewusst, was von ihr nun verlangt wurde und dessen wollte sie sich auch stellen.
    So konnte es letztlich nur ein schwacher Trost sein, dass sich auch Gracchus Androhungen, sie zu ächten, hinfällig waren.
    „Ich danke dir, Manius… für deine Bemühungen. Natürlich werde ich dem Willen meines Vaters Folge leisten, auch wenn es nicht der meinige ist. Ihr Blick schien ins Leere zu gehen. Bleierne Sekunden des Schweigens vergingen ehe ihr der Brief ihres Zukünftigen wieder in den Sinn kam, den sie zuvor so achtlos abgetan hatte. Nun hatte er plötzlich wieder eine gewisse Wichtigkeit erlangt. "Im Übrigen hat mich der Tiberius in einem Brief nochmals um ein Treffen mit dir gebeten. Ich hoffe, mein Vater hat dich nicht zu sehr vergrault, als dass du nicht gewillt wärest, mit meinem Bräutigam über mein zukünftiges Schicksal zu verhandeln… Was kann ich ihm antworten?“ Natürlich hatte Domitilla keine Ahnung davon, wie Abfällig sich ihr Vater in seinem Brief über ihren Vetter geäußert hatte. Doch letztendlich kannte sie Aetius nur zu gut und wusste, dass er kein Blatt vor den Mund nahm und immer alles zum Ausdruck brachte, was er dachte.

    Sichtlich ergriffen, von den aktuellen Entwicklungen, betrat Domitilla das Officium ihres Vetters. Ihre Tränen waren fortgewischt worden und auch die Zornesröte war weitestgehend aus ihrem Gesicht verschwunden. Lediglich eine tiefe Sorgenfalte kündete davon, wie sehr die Nachricht ihres Vaters und die daraus resultierenden Ereignisse, welche ihr nun bevorstanden, sie mitnahmen. Wie ungerecht doch diese Welt war!


    Ihr kurzes Aufblicken fing ein Bild von ihrem Vetter ein, der vor ihr an seinem Schreibtisch saß. Vor ihm lag der Brief, welcher ihm ebenfalls soeben erst zugegangen war. Es war ein ernüchterter Gracchus, den sie dort vorfand. Ein Gracchus, dessen donnernde Irritation sie von ihrem letzten Gespräch noch sehr gut in Erinnerung hatte. Doch davon war nichts mehr übrig geblieben. Keine Spur! Stattdessen fand sie nur Ratlosigkeit in seinen Gesichtszügen vor. Doch ihr schien, dass dies noch lange nicht alles war, was ihn beschäftigte. Etwas anderes, etwas für sie Unergründliches hatte sich in seinen Gedanken Platz verschafft.
    „Salve Manius, du wolltest mich sprechen,“ brachte sie mit belegter Stimme hervor, obgleich sie schon wusste, was nun folgen sollte.

    Blitzschnell schloss sich wieder die Tür. Domitillas Ermahnung hatte gefruchtet. Ein Glück für die junge Sklavin, die nun in Windeseile wieder zu ihrer Domina zurückeilte. Allerdings, so konnte sich die Flavia nicht gegen ihren Eindruck erwehren, dass die kleine Griechin nicht ganz bei der Sache war, denn die Tabula, welche sie in ihrer Hand hielt, wechselte nicht zu der eigentlichen Adressatin. Ebenso war ihr deren Erröten nicht verborgen geblieben. Doch noch schien die Erklärung dafür ganz klar auf der Hand zu liegen: es war ganz sicher Evridikis Scham, von ihrer Domina ermahnt worden zu sein. Nie im Leben hätte sie an etwas anderes in Betracht gezogen.
    Die schlechte Laune der Flavia wurde dadurch keinen Deut besser. Im Gegenteil! Ungehalten entriss sie der Sklavin das Wachstäfelchen. Schließlich handelte es sich dabei um die lang ersehnte Nachricht von ihrem Vater.
    Ungeduldig brach sie das Siegel auf und las die wenigen Zeilen, die ihr Vater ihr gesandt hatte.


    Salve Schätzchen!


    Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich über deinen Brief gefreut habe. Danke, mir geht es auch prächtig!
    Liebes, du solltest dir wirklich keine Sorgen machen. Dein Neffe hat mir versichert, der Tiberius sei ein aufrichtiger und ehrhafter Mann, der einer Flavia absolut würdig ist. Daher ist mein Entschluss unabänderlich. Du wirst diesen Mann heiraten! Ganz gleich welche Grillen dir dein Vetter Gracchus in den Kopf gesetzt hat.
    Mögen die Unsterblichen über dich wachen!


    Dein Vater


    „Pah!“, rief Domitilla, sichtlich verärgert, deren Gesicht in kürzester Zeit eine puterrote Farbe eingenommen hatte. „Das darf doch nicht wahr sein! Dieser elende Mistkerl… Scato!“ Die Flavia entledigte sich des Wachstäfelchens, indem sie es in die nächstbeste Ecke schmetterte. Unglücklicherweise gerieten die beiden Sklavinnen dabei in den Blickwinkel ihrer Domina, die sofort ihren Zorn zu spüren bekommen sollten.
    „Verschwindet! Elendes Sklavenpack! Geht mir aus den Augen!“ Tränen des Zorns füllten die Augen der Flavia. Nichts hatte sie mehr auf ihrer Kline halten können. Gereizt schritt sie, einer eingesperrten Pantherin gleich, durch ihr Cubicilum. Ihre Sklavinnen taten gut daran, sich schnellstens aus der Gefahrenzone zu entfernen, was Candace auch sofort tat. Sie riss die kleine Griechin mit sich zur Tür. Genau in diesem Moment brachte ein Türklopfen alles zum Stillstand. Zornentbrannt wandte sich die Flavia zur Tür, die von Candace geöffnet wurde. Wie zu erwarten war, erschien ein Sklave, der in Sekundenschnelle die äußerst brenzlige Situation erfasste.
    „Domina, dein Vetter möchte dich in seinem Officium sprechen,“ sprachs, verbeugte sich artig und sah zu, dass er sich so schnell wie möglich wieder entfernte.

    Domitilla hielt inne. Dies konnte nur eines bedeuten! Sie hatte die Worte ihres Vetters noch gut in Erinnerung. Er und seine Familie würden sich von ihr abwenden. Negatio – das kam einem gesellschaftlichem Tode gleich. Ganz Rom würde sich das Maul über sie zerreißen! Die Flavia, die den Tiberius geheiratet hat und es sich dabei mit ihrer Familia verscherzt hat! Aber ihr Vetter konnte sie doch jetzt unmöglich auf die Straße setzen, so wie er es angedroht hatte. Wo sollte sie denn eine Bleibe finden?
    Dennoch blieb ihr nichts anderes übrig, als diesen schweren Gang zu gehen.

    Einige Zeit zuvor hatte bereits ein anderer Sklave der jungen Flavia eine Tabula ausgehändigt, welche durch einen Boten die Villa Flavia zuvor erreicht hatte. Nun lag sie auf dem Tischchen neben ihr und wartete darauf, dass man sie öffnete. Das tiberische Siegel, welches penetrant auf der Vorderseite prangte, war kaum zu übersehen. Leicht angewidert hatte sie es noch ein wenig weiter von sich weggeschoben. Was sollte sie nur damit anstellen? Noch hatte niemand dem armen unwissenden Tiberius davon in Kenntnis gesetzt, dass es keine Verbindung zwischen ihnen geben würde. Jedenfalls nicht, wenn es nach ihrem Vetter ging. Und der hatte es mit Sicherheit auch bereits geschafft, ihren verehrten Vater vom Gegenteil zu überzeugen. Also war diese Nachricht vollkommen bedeutungslos.
    „Du solltest dir aber vielleicht doch Kenntnis darüber verschaffen, was der Tiberius dir geschrieben hat, Domina,“ versuchte Candace mahnend ihre Domina zu überzeugend. Domitilla aber wollte davon nichts hören, obgleich ihr bewusst sein musste, dass ihre Lebsklavin nicht unrecht hatte.
    „Na gut, dann lies vor!“ Um endlich ihre Ruhe zu haben, gab sie dem Drängen ihrer Sklavin endlich nach.
    Candace indes ließ sich dies nicht zweimal sagen. Sogleich war das Siegel gebrochen und die Tabula geöffnet. Die Sklavin begann zu lesen:



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    Flavia Domitilla
    Villa Flavia Felix, Roma


    Meine liebe Flavia,


    ich kann nicht leugnen, dass mich im in letzter Zeit ein gewisses Bedürfnis befallen hat, mich nach deinem Wohlergehen zu erkunden. Immerhin ist seit unserem letzten Treffen bereits eine gewisse Zeit verstrichen und gern würde ich doch erfahren, was meine zukünftige Frau derzeit bewegt. Natürlich hätte ich mich auch früher bei dir gemeldet, daran ist keinerlei Zweifel möglich, doch mich haben die Vorbereitungen auf die kommende Wahl für den Cursus Honorum sehr stark beschäftigt und als eine Frau aus gutem Hause wirst du derartige Sorgen sicherlich schon selbst hautnah an deinen politisch aktiven Verwandten erlebt haben. Du kannst dir sicherlich so immerhin einigermaßen vorstellen wie anstrengend es sein kann, unzähligen Senatoren die Hände zu schütteln.


    Bei diesem Stichwort fällt mir auch sogleich ein, dass du doch vorhattest, ein Treffen zwischen mir und Senator Flavius Gracchus auszumachen? Nach wie vor, würde ich mich natürlich freuen, mit ihm über unsere Verbindung zu sprechen, um ihn einmal mehr von meinen Qualitäten zu überzeugen. Sobald ein entsprechender Termin feststeht, lass ihn mir so bald wie möglich zukommen. Es soll nur zum Vorteil unserer weiteren Planungen sein.


    Somit verbleibe ich in hochachtungsvoller Anerkennung,


    Lucius Tiberius Lepidus
    Villa Tiberia
    Italia, Roma


    Domitilla hatte für die Ergüsse ihres Ex-Bräutigams lediglich ein müdes Gähnen übrig. „Jajaja. blablabla. Vielleicht sollte jemand den Ärmsten auf den neuesten Stand der Dinge bringen!“ Mit einer verächtlichen Handbewegung brachte sie schließlich ihre Sklavin zum Schweigen, noch ehe sie geendet hatte.

    Derweil hatte es an der Tür geklopft, so dass sich Evridiki zur Tür begab. Mit einem neugierigen Blick verfolgte sie ihre neue Sklavin, da dies kurzzeitig für ein wenig Abwechslung sorgte. Allerdings verharrte diese dort länger als notwendig. Sie hielt doch nicht etwa mit dem Sklaven einen Plausch! Das war ja ungeheuerlich! „Evridiki!“, rief sie ermahnend und erwartete, dass ihre Sklavin ihre kleine Plauderei sofort beendete und wieder ihren Pflichten nachging.

    In Begleitung ihres Gefolges, welches aus ihren beiden Sklavinnen Candace und Evridiki, den vier nubischen Sänftenträgern und zwei Custodes bestand, hatte sich die junge Flavia nach der überaus freundlichen Einladung ihrer Freundin Sergia Fausta auf den Weg zur Casa Iulia gemacht. Dies war eine willkommene Gelegenheit, um auf andere Gedanken zu kommen. Seit ihrer Unterredung mit ihrem Vetter, hatte Domitilla an nichts anderes denken können, als an diese vermaledeiten Hochzeitspläne, die ihr Neffe mit Tiberus Lepidus geschmiedet hatte. Doch natürlich stand der neugeborene Iulius im Vordergrund ihres Besuches. Speziell für den Kleinen hatte sie von ihren Sklavinnen ein Geschenk besorgen lassen.
    Die nubischen Sänftenträger hielten direkt vor der Casa an. Candace war sofort zur Stelle und half ihrer Domina beim aussteigen. Die Sklavin glättete die Tunika ihrer Herrin, während deren irritierter Blick auf Evridiki fiel. „Worauf wartest du noch? Klopf an!“


    Domitilla bereitete es ein wahres Prickeln, als die Lupa ihr ins Ohr flüsterte. Nun sollte sie auch noch in dieses kostbare Geheimnis eingeweiht werden, welches ihr neue Hoffnung für die Zukunft geben konnte. So ließ sie es ohne weiteres geschehen, als die Lupa sich entkleidete. Der Sklave, jenes Mittel zum Zweck, hatte sich bereits verflüchtigt. Nun gab es keinen Grund mehr, Scham zu empfinden, als sie gänzlich nackt vor ihr stand. Unter der Führung der Lupa gingen Domitillas Hände nun auf Entdeckung und erreichten so genau die Regionen, die sie bisher gemieden hatte. Dort also lag der Schlüssel zur Lust. Die Lupa ließ nicht von ihr ab, so dass sich alsbald wieder dieses berauschende Gefühl einstellte, welches ihren Atem wieder antrieb. Doch dies war bei weitem nicht alles, was die junge Flavia an diesem Abend noch mitnehmen sollte.


    Die Lupa hatte inzwischen die Position gewechselt, so dass sie sie recht bald kniend vor sich vorfand, nachdem sie ihre Augen wieder geöffnet hatte. Was nun folgte, übertraf alles, was ihr an diesem Abend bereits wiederfahren war. Die Flavia ließ nun auch noch die letzten Konventionen von sich abfallen, die man ihr im Laufe ihrer Erziehung beigebracht hatte. Diese neugewonnene Freiheit erlaubte es ihr, diese neuen ungewohnten Gefühle noch besser, noch intensiver auszukosten. Ihre Hände suchten nach etwas in das sie sich graben konnten, während über ihre Lippen ein stöhnender Seufzer nach dem anderen ging. Schließlich fanden ihre Hände das Haar der Lupa, in welches sich ihre Finger gruben. Der Atem ging schneller, ebenso das Seufzen, welches sie immer weiter zum Gipfel der Lust empor hob. Oh ja, dies war wahrhaftig eine ganz neue Erfahrung. Alleine für dieses Erlebnis hatte sich der Weg hierher gelohnt. Das wusste sie jetzt. Vielleicht konnte ja Candace… wenn sie sie darum bat… ach was, wenn sie es ihr befahl…


    Nun, da Domitilla diese erste Erfahrung gemacht hatte, ließ sie sich zufrieden auf eine Kline nieder. Auf ihrem Gesicht glänze ein dünner feuchter Film. Voller Dankbarkeit blickte sie hinüber zu der Lupa. Ob es vermessen war, sie nach noch mehr Geheimnissen zu bitten?

    Sim-Off:

    Sorry, hab's total verschwitzt. :(



    „Doch mal ganz unter uns..,“ begann sie dann ganz bedeutungsschwanger der Aurelia zuzuflüstern. „eigentlich habe ich meine Wahl bereits getroffen!“ Dann folgte ein zuversichtliches Lächeln. Oh ja, Domitilla war sich ihrer Sache ganz sicher. Schon als Kind hatte sie gewusst, was sie wollte. Und nicht nur das, im Laufe der Zeit hatte sie Mittel und Wege gefunden, wie sie auch bekam, was sie wollte. Drum machte sie sich gar keine Sorgen darum, ihr Vater könne gegen ihren Traummann entscheiden. Im Prinzip hatte sie mit dem Claudius alles richtig gemacht: Er kam aus einer altehrwürdigen Familie, er war vermögend und na ja, wenn man ihm etwas auf die Sprünge half, wurde aus ihm vielleicht auch noch ein Politiker.
    Den Tiberius konnte Domitilla also getrost an Prisca abtreten. Schließlich schwärmte sie ja so sehr von ihm. Er war ja auch recht ansehnlich. Mit „ihrem“ Claudius aber konnte er nicht mithalten! Aber nun hatte sie die Aurelia nur noch neugieriger gemacht mit ihren Andeutungen und den noch verheißungsvolleren Bemerkungen. Nun wollte sie sie auch nicht länger auf die Folter spannen. „Nein, leider nicht,“ antwortete sie unschuldig lächelnd auf Priscas Frage. Leider ist gut! Mein Ex-Schwager und ich? Igitt! Sie glaubt doch nicht, ich würde mich an Nigrinas abgelegtem Ex ranschmeißen!?
    „Nein, es ist ein Claudius!“, fuhr sie schließlich strahlend fort. Wenn die Aurelia nun genau hinsah, konnte sie den Glanz in Domitillas Augen erkennen. Ja, der Claudier war der wahre Verehrer der jungen Flavia. Alles andere war lediglich Fassade gewesen. Dennoch fühlte es sich für eine junge Frau, wie es Domitilla eben war, gut an, von den männlichen Vertretern ihres Standes wahrgenommen zu werden. Aber davon konnte die Aurelia bestimmt bereits ein Liedchen singen. Ob sie sich irgendwann wieder vermählen wollte? So alt war sie ja noch gar nicht. Nun, das sie ja so vertraut miteinander waren, hielt die Flavia nichts mehr, die Aurelia prompt danach zu fragen.
    „Aber sag mit Prisca, wie steht es mit dir? Gedenkst du dich eventuell auch wieder zu vermählen?“ Nun ja, diese Frage war ja fast schon eine Spur zu direkt gewesen. Andererseits hatte die Flavia auch ihrerseits einige private Geheimnisse anvertraut. Ihr Neffe Scato wäre doch ein passendes Gegenstück zu ihr. Dann könnte Prisca wieder hier wohnen, dachte Domitilla in einem Anfall infantiler Gefühlsduselei. Nun, da sie sich ja so gut verstanden...

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    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Kurze Zeit später, näherten sich eilige Schritte auf dem Kiesweg zum hinteren Teil des Gartens, dorthin, wo Flavius Aetius mit seinen drei Badenixen zugange war. Von Weitem war bereits vergnügtes Lachen und Kreischen zu hören, welches eindeutig den drei Sklavinnen zugeordnet werden konnte. Philon ahnte schon, was ihn dort erwartete. Dem beleibten Sklaven standen Schweißperlen auf Stirn und Nase, was nur sekundär den Anstrengungen geschuldet war. Vielmehr bereitete es dem Sklaven Sorgen, seinen Herrn bei seinen Vergnügungen erneut stören zu müssen. Der Flavius konnte durchaus ungehalten sein, wenn man ihn bereit zum zweiten Mal an diesem Tag bei einer seiner Lieblingsbeschäftigungen störte.
    Es war ja schon sehr seltsam. Dies war bereits die dritte Nachricht aus der flavischen Villa in Rom, die innerhalb von wenigen Tagen die Villa in Ravenna erreicht hatte. Diesmal war es eine Tabula, die mit einem flavischen Sigel versehen war mit der Philon sich dem Warmwasserbecken näherte. Der Absender hatte zweifellos Erstaunen bei dem Sklaven verursacht. Die Nachricht stammte von Domitilla, der jüngsten Tochter des Aetius, die seit ihrer wunderbaren Rückkehr aus dem Totenreich vor gut einem Jahr nun in Rom dei ihren Verwandten residierte. Seitdem hattenBriefe oder sonstige Nachrichten aus ihrer Hand einen gewissen Seltenheitswert.


    Diskret trat der Sklave an den Beckenrand und fand vorerst nur wenig Beachtung bei der Ménage à quatre, die miteinander und ineinander verwachsen schien. „Oh Cnaei, du bist einfach…“, stöhnte eine der Badenixen lustvoll während die anderen beiden den Flavier umschwärmten und liebkosten. „Was bin ich? Sprich dich nur aus, Liebes!“ knurrte Aetius. Bevor er jedoch eine Antwort erhielt, hüstelte Philon taktvoll, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Flavier fuhr verärgert herum und ließ von seinen Gespielinnen ab. „Was ist denn jetzt schon wieder?“ Konnte man denn nicht einmal seine Ruhe haben! Gab es etwa ein Problem mit dem Brief an seinen Neffen? Oder mit Scatos Schoßhündchen?


    „Bitte entschuldige vielmals die Störung, Herr. Aber es ist noch ein weiterer Brief aus Rom eingetroffen. Diesmal von deiner Tochter Domitilla.“ Philon wies auf die noch versiegelte Wachstafel und wartete nur darauf, bis er sie öffnen sollte. Diese Tabula rief Stirnrunzeln bei Aetius hervor. Damit war wohl der nette Nachmittag im Pool endgültig gegessen.
    „Domitilla? Was will die denn? Braucht sie mehr Geld? Nun mach schon auf und ließ vor!“ Das ließ sich Philon nicht zweimal sagen. Er brach das Siegel und öffnete die Tabula. Ein Blick genügte und der Sklave wusste, dass die Sorgenfalten seines Herrn durchaus berechtigt waren.
    „Vater!“, begann Philon und wurde gleich wieder von Aetuis unterbrochen. „Vater? Steht da einfach nur Vater? Kein Salve, Lieber oder Mein? Gar nichts?“ Der Sklave, der gleich noch mehr zu schwitzen begann, zuckte nur mit den Schultern. „Bedauere Herr, hier steht nur Vater.“
    „Das ist typisch Lepida! Sie hätte dem Gör besser mal ordentliche Manieren beibringen sollen! Aber gut, lies weiter!“ Der Sklave fuhr fort:
    „Ich muss dir mitteilen, dass mein Glück von einem äußerst unpässlichen Umstand getrübt wird.“
    „Bah! Von wegen Glück! Hier geht es nicht um Glück, sondern einzig ums Geschäft!“ Zornesröte beherrschte das Antlitz des Flaviers. Diese verwöhnte Göre brachte ihn noch immer auf die Palme.
    „Der Ehemann, den du für mich wähltest, weckt in mir allzu große Zweifel, ob diese deine Entscheidung die Richtige sein kann.“
    „Papperlapapp! Du heiratest wann ich will und wen ich will, basta!“ Selbst wenn man der Göre einen Mann buk, dann war sie noch immer nicht zufrieden mit ihm. Aetius war davon überzeugt, dies waren nur Lepidas Flausen, die seiner Tochter noch immer im Kopf herumschwirrten!
    „Diese starken Zweifel sind dadurch bedingt, dass die familiären Bindungen dieses Mannes zur Germanischen Stammesherkunft, und der damit einhergehenden Barbarei und Identität als Homines Novi, keine sind, die ich mir und unserer Gens guten Gewissens zumuten könnte.“
    „Ich frage mich, was alle gegen diesen Duccier haben!“ Das musste ja ein übler Bursche sein, wenn nun auch seine Tochter gegen ihn wetterte. Allerdings wetterte Domitilla gegen alles, was aus Germania kam und kein Sklave war. Das hatte sie nur von ihrer Mutter!
    „Eine solche Verbindung entspräche nicht meiner Vorstellung eines schicklichen Eherverhältnisses. Ich möchte also erneut betonen, dass ich dich dringendst ersuche, meine Sache anzuhören und deine Entscheidung bezüglich meines künftigen Ehepartners zu überdenken.“
    „Ja, ja, ja, einen feuchten Kehricht werde ich tun! Du tust, was man dir sagt!“ schrie Aetius.
    „Mögen die Götter dir auch in Zukunft gewogen sein, Domitilla“
    „Bah, geschenkt!“, winkte er ab. Nun war er richtig in Rage! Genau richtig, um dem lieben Töchterchen zu zeigen, wo der Hammer hing. „Schreib, Philon!“, befahl er. Der Sklave zückte einen Stilus.


    Salve Schätzchen!


    Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich über deinen Brief gefreut habe. Danke, mir geht es auch prächtig!
    Liebes, du solltest dir wirklich keine Sorgen machen. Dein Neffe hat mir versichert, der Tiberius sei ein aufrichtiger und ehrhafter Mann, der einer Flavia absolut würdig ist. Daher ist mein Entschluss unabänderlich. Du wirst diesen Mann heiraten! Ganz gleich welche Grillen dir dein Vetter Gracchus in den Kopf gesetzt hat.
    Mögen die Unsterblichen über dich wachen!


    Dein Vater


    Philon hatte alles notiert. Auch diese Wachstafel würde ihren Weg durch Scatos Schoßhündchen nach Rom finden.

    Die Sklavin ließ sich nicht lange bitten und gab ihr Werk zu Gehör. Nun ja, sie war etwas leise, als ob sie sich für etwas Skandalöses schämen müsse. Oder lag es einfach an ihrer Schüchternheit, oder gar an ihrer Angespanntheit, etwas falsch machen zu können? Gleich was es auch war, die Flavia empfand es als störend und machte ihrer Frustration Platz, indem sie „Lauter!“ dazwischenrief. Einem Befehl, dem die Sklavin sofort nachkam. Doch trotz all ihrer Bemühungen, schien Domitilla alles andere als begeistert zu sein. Immer wieder konnte man sie Kopfschüttelnd und wild gestikulierend beobachten.
    „Nein, Nein Nein!“, rief Domitilla, nachdem Evridiki geendet hatte. „Ich muss zwar zugeben, dein Brief ist hervorragend formuliert, und er trifft auch den Kern der Sache, aber…“ Domitilla hatte sich erhoben und trat an den Schreibtisch heran, an dem die Sklavin noch immer saß. Dann entriss sie der Sklavin die Tabula und nahm den Stilus zur Hand und versah den in Wachs geritzten Text mit ihrer Korrektur.



    Salve Vater!


    Ich hoffe, du bist wohlauf und erfreust dich bester Gesundheit und bestem Gemüt. Und doch muss ich dir mitteilen, dass mein eigenes Glück von einem äußerst unpässlichen Umstand getrübt wird: So sehr es mir widerstrebt, dich, Pater, und dein Ermessen anzuzweifeln, sehe ich mich in diesem Fall dazu gezwungen. Denn, so lass mich - in der Hoffnung, du mögest mein Anliegen verstehen - erklären, Der Ehemann, den du für mich wähltest, weckt in mir allzu große Zweifel, ob diese deine Entscheidung die Richtige sein kann. Diese starken Zweifel sind dadurch bedingt, dass die familiären Bindungen dieses Mannes zur Germanischen Stammesherkunft, und der damit einhergehenden Barbarei und Identität als Homines Novi, keine sind, die ich mir und unserer Gens guten Gewissens zumuten könnte. Eine solche Verbindung entspräche nicht meiner Vorstellung eines schicklichen Eherverhältnisses. Ich möchte also erneut betonen, dass ich dich dringendst ersuche, meine Sache anzuhören und deine Entscheidung bezüglich meines künftigen Ehepartners zu überdenken.
    Mögen die Götter dir auch in Zukunft gewogen sein,


    Domitilla


    „In diesem Fall kannst du dir das ganze geheuchelte Geplänkel sparen!“ Domitilla ließ den Stilus auf die Schreibtischplatte fallen und gab der Sklavin die Tabula wieder zurück. „Schreib den Brief neu! Candace wird dir die Adresse nennen. Und dann seht zu, dass der Brief seinen Weg nach Ravenna findet!“
    Das Dunkel im Antlitz der Flavia hatte sich inzwischen wieder verflüchtigt. Selbstgefällig ließ sie sich wieder auf ihrer Kline nieder, um sich wieder ihrer Schriftrolle zu widmen. Der Sklavin schenkte sie nun keinerlei Aufmerksamkeit mehr, während sie schrieb.


    In der Zwischenzeit war Candace zu der Neuen herangetreten. Wenigstens sie hatte nun ein kleines Lächeln für Evridiki übrig. „Das hast du gut gemacht!“, flüsterte sie ihr zu. Das Mädchen hatte doch gerade bewiesen, welche besonderen Fähigkeiten in ihr steckten. Für Candace war dies eine Bestätigung, auf dem Sklavenmarkt eine gute Wahl getroffen zu haben. „Die Adresse lautet: Cnaeus Flavius Aetius, Villa Flavia, Ravenna.“, fügte sie noch lächelnd bei. Dann trat sie wieder zurück auf ihren Platz im Hintergrund.

    „Große Worte von einer kleinen Sklavin. Nun wir werden sehen.“ Domitilla lächelte spöttisch, ob der überaus gesunden Selbsteinschätzung ihrer neuen Sklavin. Sie glaubte, sich auf sicherem Terrain zu bewegen. Doch wenn sie nicht auf der Hut war, stolperte sie und fiel hinab in den tiefen Abgrund, von dem es kein Entrinnen mehr gab. Dann war diese vielgepriesene Sklavin nur eine von vielen, die in der Masse unterging und ihr belangloses Dasein mit stupiden Dingen, wie putzen oder Staub wischen fristen musste.


    „Gut, setz dich hierher, an meinen Schreibtisch. Nimm dir eine Tabula und schreibe einen Brief.“ Vom Selbstbewusstsein der Sklavin angestachelt, hatte sich die Flavia dazu entschieden, die Fähigkeiten ihrer neuen Sklavin auf der Stelle zu erproben. Aber natürlich wollte sie es Evridiki nicht zu einfach machen. Diktate schreiben kann jeder. Die Kunst des Schreibens lag in der Fähigkeit, gekonnt zu formulieren. Für eine Sklavin, die gewohnt war, nur das zu schreiben, was man ihr soufflierte, musste dies ein enorm großes Stück Freiheit darstellen. Für diesen Test wollte sie Evridiki diese Freiheit wenigstens einmal gewähren. Ob sie ihm gewachsen war, musste sich erst noch erweisen.
    „Einen Brief an meinen Vater!“ Allein der Gedanke an ihn verfinsterte ihren Blick. „Schreib ihm, wie sehr ich überrascht war, als ich von seiner Wahl, betreffend meines zukünftigen Ehemanns, hörte.“ Noch hatte sich die Flavia im Griff. Sie schäumte zwar innerlich vor Wut, zeigte es aber noch nicht so offensichtlich. Wahrscheinlich hätte nur eine vertraute Sklavin, wie Candace es war, die Gefahr gerochen. „Schreib ihm, wie untröstlich ich bin, ihm mitzuteilen, dass ich diesen Mann nicht heiraten kann, da ich dadurch Gefahr laufe, die Schwägerin eines wilden barbarischen dahergelaufenen germanischen Homo Novus zu werden.“ Ihr Äußeres konnte jedoch nicht mehr lange ihre geladene Gefühlslage verbergen. Je mehr sich ein gewisser Duccius Vala vor ihr inneres Auge drängte, umso mehr errötete sie vor Zorn, obwohl es bislang noch keine Gelegenheit gegeben hatte, dem Duccius von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Jedoch konnte die Flavia auf diese Gelegenheit auch getrost verzichten.
    „Schreib ihm das!“ Ihre Stimme war von ein ums andere Mal immer lauter geworden. Fast schon schrie sie nun. Doch sie fing sich recht schnell wieder, denn dies sollte ja nur ein Test sein.
    Sie ließ der Sklavin noch ein paar Minuten Zeit, doch dann wollte sie das Resultat ihres Könnens sehen, beziehungsweise hören.
    „Also! Lies vor!“, befahl sie mit einer Spur Strenge in ihrer Stimme.

    Die Flavia musste nicht lange auf eine Erwiderung warten. Offenbar gab es eine gute Erklärung dafür, weshalb die Sklavin zur Versteigerung auf dem Sklavenmarkt gelandet war. Natürlich! Der Tod! Und die Erbin wusste nichts, mit ihr anzufangen!
    „Nun ja, das wäre eine plausible Erklärung…“, meinte Domitilla nachdenklich. Eigentlich konnte sie rundum zufrieden sein. Also warum zögerte sie noch lange? Ihrer Leibsklavin war in der Tat ein guter Fang gelungen. Und die Ausführungen ihrer neuen Sklavin über deren Fähigkeiten hörten sich auch sehr positiv an, um nicht zu sagen phänomenal!. Offenbar war sie das perfekte Pendant zu ihrer Candace, die in kosmetischen und modischen Fragen sehr hilfreich war und außerdem über die besondere Gabe des Zuhörens und der fehlerlosen Wiedergabe des Gehörten verfügte.


    „Nun gut!“, meinte endlich die Flavia. „Dann will ich es mit dir versuchen. Ab sofort wirst du nun meine „Assistentin“ sein. Du wirst meine Korrespondenz erledigen und mich, gemeinsam mit Candace, in der Öffentlichkeit begleiten. Du wirst meine Augen und Ohren sein und auch meine rechte Hand.“ Domitilla grinste raffiniert bei dieser Vorstellung. Die neue Sklavin war gut beraten, diese scheinbar freundliche Geste, nicht als solche aufzufassen. Indem die Flavia sie zu ihrer Sekretärin machte, wurde sie automatisch zur Mitwisserin ihrer intimsten Geheimnisse. Wehe ihr, sollte sie sich einmal verplappern!
    "Meinst du, du bekommst das hin?"

    Domitilla hatte die Schriftrolle inzwischen beiseite gelegt.Die Sklavin hatte nun ihre volle Aufmerksamkeit. Das schüchterne Ding trat sogleich auch etwas näher, hob kurz seinen Kopf an und lächelte die Flavia an, was an sich wohl nicht schlimm gewesen wäre. Die Flavia jedoch fand dies doch sehr befremdlich, so dass sich, ganz nach flavischer Manier, ihre rechte Augenbraue hob. Eine Sklavin hatte sie nicht anzulächeln! Nicht, wenn es dazu keinen passenden Anlass gab. Doch vorerst wollte sie diesen Fauxpas nicht ahnden. Noch genoss Evridike eine gewisse Art von "Welpenschutz". Aber vielleicht konnte sie ja auf andere Weise bei ihre neuen Domina punkten.


    In der Tat das konnte sie! Das Mädchen begann zu sprechen. Zwar sprach sie leise, fast zu leise, doch hing ihrer Sprache kein Akzent an, wie es gelegentlich bei Sklaven aus fremden Ländern der Fall war. Sie war Griechin, aus Athen. Sehr gut! Doch Domitillas Mine schien unbewegt, mit keinerlei Regung zeigte sie ihre Anerkennung. Nicht einmal Candace gegenüber, die tatsächlich ein gutes Händchen bei Kauf der Sklavin bewiesen hatte.
    „Als persönliche Assistentin? Aha…“ Mit dieser Formulierung hatte sie die Flavia nun doch überrascht. Offenbar hatte sie Sklavin ein Problem mit dem Offensichtlichen. Das konnte wohl daran liegen, dass man ihr in der Vergangenheit nicht mit der notwendigen Strenge begegnet war, die bei einem Sklaven durchaus angebracht war, damit er oder sie nicht vergas, wo ihr Platz war.


    Doch Domitilla lauschte den Ausführungen Evridikis weiter. An sich fand sie die Aufzählung ihrer Fähigkeiten sehr beeindruckend. Die Sklavin schien ein wahrer Juvel zu sein und was ihr besonders wichtig war, eine Bereicherung für ihren Haushalt. Außerdem besaß sie die Gabe, sich adäquat auszudrücken. Man konnte sie neben sekretärischen Aufgaben auch als Botin zum Überbringen verbaler Nachrichten einsetzen. Das Mädchen musste ein Vermögen gekostet haben!
    „Nun gut, Evridiki. Das hört sich ja alles sehr ansprechend an. Doch wenn ich all das höre, stellt sich mir eine Frage. Sage mir, weshalb hat dich dein 'gut situierter Dominus' veräußert?“ Gab es da einige Aspekte, denen sie vielleicht weniger Beachtung geschenkt hatte und sie daher schlichtweg 'vergessen' hatte?

    Candace öffnete die Tür, trat ein und gab auch Evridiki ein Zeichen, es ihr gleich zu tun. Dann näherte sie sich um einige Schritte der Flavia, die lesend in einem der Sessel saß und ihrer Sklavin erst gar keine weitere Beachtung schenkte.
    Die Sklavin verschaffte sich durch ein dezentes Räuspern Aufmerksamkeit, bevor sie die Flavia ansprach. Ihre Haltung aber wirkte eher unterwürfig. „Domina, ich konnte heute auf dem Sklavenmarkt eine neue Sklavin für deinen Haushalt finden.“ Gespannt harrte sie darauf, wie sich die Flavia zu „ihrem Kauf“ äußern würde. In dieser Hinsicht konnte Domitilla sehr unberechenbar sein. Doch wie es schien, war sie heute gutgestimmt, was durchaus an dem gestrigen Gespräch mit ihrem Cousin liegen konnte.


    Die Flavia sah von ihrer Schriftrolle auf, fokussierte dann zuerst ihre Leibsklavin und lenkte schließlich ihren Blick zu der neuen Sklavin, die sie von Kopf bis Fuß musterte. Ein junges Ding. Nicht zu hässlich. Das ist gut. Ob sie auch sprechen kann? Letzteres wollte Domitilla auf der Stelle herausfinden, ohne ihrer Candace weiter Beachtung zu schenken. Mit einer Handbewegung forderte sie die junge Frau auf, näher zu treten.
    „Wie ist dein Name?“, fragte sie dann. „Ihr Name ist Evridiki, Domina und sie kommt…“, platze es aus Candace vorlaut heraus, was der Flavia aber sehr missfiel. Sogleich strafte sie sie mit einem mürrischen Blick und funkte ihr ungehalten dazwischen. „Habe ich dich gefragt?!“
    Die Leibsklavin, die sich sofort ihres Fehlers bewusst geworden war, schien nun am liebsten im Boden zu versinken. „Bitte verzeih, Domina“, fügte sie kleinlaut hinzu und hielt sich von nun an eher im Hintergrund. Zu dumm dass sie ihren eigenen Ratschlag nicht befolgt hatte...


    „Na los, erzähle mir etwas über dich!“, forderte sie die neue Sklavin leicht gereizt auf. Die Neue tat gut daran, sich es nicht von Anfang an mit ihrer Domina zu verscherzen.

    Beschwingt betrat Domitilla ihr Reich. Nachdem ihre Sklavin die Tür hinter ihr schloss, brach sie in schallendes Gelächter aus und umarmte die völlig verdutzte Sklavin, die mir so viel Körperkontakt nicht im Mindesten gerechnet hatte. Doch natürlich freute sich auch Candace für ihre Herrin über diese wunderbare Wendung der Dinge.
    Dennoch beschäftigte die Sklavin etwas, was sie sie die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt und ihrer Herrin bislang vorenthalten hatte. Bis jetzt hatte sie gehofft, das Geheimnis um den wahren Verbleib ihres claudischen Verehrers für sich behalten zu können. Schließlich war sie ja der Überzeugung gewesen, die Flavia würde schon bald den Tiberius ehelichen. Eine Schreckensnachricht, wie die, die ihr Dracon mitgeteilt hatte, wäre da nur im Wege gewesen. Doch nun hatte sich das Blatt gewendet und fast alle Möglichkeiten standen der Flavia wieder offen. Candace war sich nun ganz sicher, dass Domitilla die Wahrheit erfahren musste. Auch wenn sie schmerzhaft war für sie beide. Für die Flavia, weil sie einen geliebten Menschen verloren hatte und für die Sklavin selbst, weil sie diese Nachricht so lange zurückgehalten hatte und damit ihre Domina erzürnen konnte.
    „Domina,“ begann sie nun zaghaft mit ihrer Beichte. Jedoch fand sie bei ihrer Domina wenig Beachtung, da diese noch damit beschäftigt war, ihren Triumph auszukosten. Zufrieden ließ sich Domitilla in den Stuhl vor ihre Kommode fallen. Sie erwartete nun, von ihrer Sklavin abgeschminkt zu werden. Dabei fiel ihr plötzlich ein ungeöffneter Brief ins Auge, der ein Sklave in der Zwischenzeit hier in ihrem Gemach deponiert haben musste. Ihre Heiterkeit war schnell verflogen. „Von wem ist dieser Brief?“, fragte sie ihre Sklavin.
    Candace, die auf ihre Domina einen leicht entrückten Eindruck machte, trat endlich näher, besah sich den Brief und stellte erleichtert fest, dass es kein flavisches Sigel war, welches auf ihm prangte.
    „Er ist nicht von deinem Vater, Domina. Vielmehr stammt er aus der Feder von Sergia Fausta. Du erinnerst dich sicher. Du warst zu Gast auf ihrer Hochzeit.“
    Natürlich erinnerte sich Domitilla, alleine schon des Hochzeitkleides wegen. Sie erinnerte sich auch an ihr erstes Zusammentreffen mit der Sergia in den Thermen… eine Frau, die man sich nicht zur Feindin machen sollte.
    „Sergia Fausta?“, fragte die Flavia erleichtert. „Lies vor, was schreibt sie?“
    Die Sklavin begann daraufhin den Brief vorzulesen:




    SERGIA FAUSTA



    Ad Flaviam Domitillam
    Villa Flavia Felix
    Rom - Italia



    Sergia Fausta Flaviae Domitillae s.d.


    Wie geht es dir, geschätzte Flavia? Ich hoffe, du befindest dich wohlauf, bist glücklich und rundherum zufrieden! Denn andernfalls dürfte ich dir auch sicherlich nicht schreiben, dass es mir gerade fantastisch geht! Flavia, ich möchte dich ganz herzlich einladen in die Casa Iulia, um an meinem kleinen und zugleich großen Glück namens Marcus Iulius Dives Minor, geboren an den vergangenen Meditrinalien, für einen Moment teilzuhaben!


    Bei meinem Großvater Marcus Sergius Stephanus (er war einst ein treuer Klient des Senators Flavius Felix!), ich würde mich wirklich freuen, wenn du kämest! Und es soll auch dein Schaden bestimmt nicht sein:
    Ich will nichts vorweg nehmen, aber hast du zum Beispiel von der Eheschließung zwischen dem Senator Duccius und dieser Tiberia Lucia gehört? Ich war hautnah dabei gewesen bei diesem Skandal! Denn hast du zum Beispiel gewusst, dass ihr Bruder Tiberius nicht lange vorher ausgerechnet vom duccischen Senator (und gegen die Stimmen der Vertreter von Gerechtigkeit, von Objektivität und Transparenz!) eine Auszeichnung für seine Amtszeit als Vigintivir zugeschanzt bekam?!? Ohne zu behaupten, dass dieses "Diploma" nun ganz ungerchtfertigt war (obwohl mein Mann so eins, finde ich, mindestens genauso verdient hätte!), riecht das doch förmlich danach, dass der Kerl seine eigene Schwester nur für so ein.. Ding aus dem gehobenen Luchsbau direkt in eine raue Wolfshöhle warf!


    Ist das nicht schockierend?


    Ich verbleibe in positiver Erwartung deiner Antwort und wünsche dir von allem, wie es einer Flavia gebührt, nur das beste!
    Vale bene!


    /images/signet/Siegel_Sergia.png


    Sergia Fausta
    ANTE DIEM XI KAL NOV DCCCLXIV A.U.C.
    Casa Iulia | Rom | Italia


    “Eine Einladung!”, kommentierte Domitilla das Gehörte grinsend. „Wie schön! Das kommt mir sehr gelegen. Was könnte denn schöner sein, als ein entspannter Nachmittag mit einer guten Freundin, um ihren kleinen Sohn willkommen zu heißen?“… und dabei den allerneusten Tratsch über ihren Ex-Verlobten zu erfahren. Nein, es konnte wahrhaftig nichts schöneres geben!