Entschuldige bitte die lange Wartezeit. War keine Absicht.
"…die Bibliothek, natürlich," echote ich nachdenklich. Amalthea hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit meine Absenz bereits bemerkt und schon nach mir suchen lassen oder sich sogar selbst bemüht. Sie würde gewisslich nicht gut auf mich zu sprechen sein, wenn sie mich fand. Doch dieses Risiko ging ich ein. Hier draußen war es allemal besser, als eingesperrt in der Bibliothek über Homer zu sitzen.
"Ah, aus Paestum! Oh Campania, wie schön!", rief ich, als ob ich die Stadt selbst schon bereits hätte. "Der Tempel der Hera!" Mein Wissen hatte ich aus Büchern und den Erzählungen meiner Kinderfrau, die immer ein wenig stolz war, wenn sie über die Errungenschaften ihres Volkes sprach. Unglücklicherweise hatte ich vor meiner Reise nach Rom niemals Aquilaia verlassen. Meine Reisen zu den wundervollsten Orten der Welt hatten sich nur in meinem Kopf abgespielt. Im Gegensatz zu Flaccus, der wie viele junge Römer von Stand in jungen Jahren Achaia bereist hatte, um dort zu lernen.
"Nun, dann bist du ja auch noch nicht so lange hier.", stellte ich fest. Doch Flaccus, da war ich mir sicher, hatte wie jeder junge Mann aus guter Familie, diese Zeit genutzt, um seine Laufbahn voranzutreiben. Ein bisschen konnte man ihn schon beneiden.
"Und, welche Pläne verfolgst du?" fragte ich schließlich.
Wenn ich über meine eigene Pläne nachdachte, kam ich relativ schnell ins trudeln. Denn zum einen war es nicht meine Sache, darüber zu befinden. Das taten andere. Zum Beispiel mein Vater oder mein Bruder, der sozusagen die rechte -hand meines Vaters in Rom war.
Zum anderen war ich mir gar nicht so ganz sicher, was ich denn wirklich wollte. Wenn ich aber ganz realistisch blieb, dann lief es doch irgendwann darauf hinaus, verheiratet zu werden, Kinder zu bekommen und eine ehrbare Matrone zu werden. Hoffentlich wurde ich nicht mit einem alten Knacker verkuppelt! Ach herrje, mir wurde ganz schwindlig.
"Was liest du denn da?", fragte ich Flaccus und deutete auf die Schriftrolle, die er hatte sinken lassen als er mich gefunden hatte und die noch immer in er Hand hielt.