Beiträge von Flavia Domitilla

    Immer wieder musste ich mich von Neuem im Spiegel bewundern. Dieses edle Geschenk machte sich ausgesprochen gut an meinem Hals und betonte noch mehr meine langsam erblühende Schönheit. Nun konnte man mich in der Tat nicht mehr ein Kind nennen. Das Schmuckstück machte mich endgültig zur jungen Frau.
    In meinem Übermut erschien mir der eindringliche Tonfall meines Vaters weitaus weniger einschüchternd, eher liebevoll und besorgt darum, auf dass mir nur das Beste widerfahren solle. So wuchs ich innerlich, als er von meinen neuen Rechten und Vorteilen sprach und war stolz auf die Pflichten, die diese Stellung mit sich brachten. Ja, ich war eine Flavia! Eine junge Flavia, die das Kindesalter bereits überschritten hatte, bereit dafür, was ihr das Leben als Patrizierin zu bieten hatte.
    Lediglich sein letzter Setz versetzte mir einen kleinen Dämpfer. Ravenna? Mich mit nach Ravenna nehmen, jetzt wo ich doch endlich in Rom war? Natürlich widersprach ich ihm nicht, wie ein ungezogenes, trotziges Gör. Meine Erziehung gebot mir, auf andere Weise vorzugehen.
    "Oh, liebster Vater, ich vertraue ganz auf deine Entscheidung. Aber wäre es denn nicht von Vorteil, wenn ich vorerst einmal in Rom verbleibe. Hier sind die Möglichkeiten, zu lernen weitaus größer." Erwartungsvoll, mit großen strahlenden Augen, die das Atrium noch etwas leuchtender erscheinen ließen, lächelte ich meinem Vater zu. Ganz von selbst versuchte mein weiblicher Charme ihn zu umgarnen. Dabei entging es mir völlig, wer oder was da aus dem Hintergrund herannahte. Erst als ich sah, wie sich die Augen meines Vaters von mir abwandten und ich die fremde Stimme vernahm, sah auch ich mich überrascht um.
    Die begrüßenden Worte des jungen Mannes, eine gewisse Ähnlichkeit, die zu erkennen war und dann die Frage, ob ich wüsste, wer er sei. Dann seine erklärenden Worte. Ich bin dein Bruder. Aulus. Aulus Flavius Piso. In meinem Kopf begann es zu arbeiten. Hatte ich diesen Namen schon einmal gehört? Lange, sehr lange war es her. Dunkel war die Erinnerung, an den Besuch vor etlichen Jahren. Ich war damals noch viel zu jung gewesen, als das ich nun noch ein klares Bild der Erinnerung in meinem Kopf hatte.
    Zu meinem Entsetzen bemerkte ich erst jetzt, dass ich die ganze Zeit über den Mund offen hatte und wohl etwas dümmlich wirken musste. Das Dummchen vom Lande. Schnell schlossen sich meine Lippen und ich suchte nach Worten.
    "Dann bist du … mein Bruder?", entwich es mir endlich. Natürlich war er das, er hatte es ja selbst gesagt!
    "Salve, Aulus Piso!", meine ich schließlich mehr als steif.
    Nur wenig wusste ich übermeinen Bruder zu sagen. Noch weniger ahnte ich, was in ihm vorging, als er meinem … unserem Vater gegenüberstand.
    "Es freut mich, endlich meinen Bruder kennenzulernen," fügte ich nach einer Weile noch hinzu, als der erste Schauer der Überraschung von mir gewichen war. Jetzt lächelte ich endlich auch ihm zu und sah schließlich nun noch erwartungsvoller zu meinem Vater. Nun bestand mit Sicherheit kein Hinderungsgrund mehr, weshalb er mich nicht hier in Rom belassen konnte.

    Fernab von Homer, saß ich nun saß auf der steinernen Bank, mit geschlossenen Augen. Mein Antlitz zur Sonne gerichtet, um jeden wärmenden Strahl einzufangen. Konnte es etwas schöneres geben? Die Schönheit des Augenblicks, der so unermesslich wertvoll war, obgleich er nichts kostete. Doch wie so oft im Leben, waren die einfachen Dinge die besten im Leben.
    Der überraschte Ausruf eines jungen Mannes öffnete mir meine Augen wieder. In gewisser Weise machte ich wohl einen eher ertappten Eindruck. War er von Amalthea geschickt worden, um mich wieder zurück zur Bibliothek zu führen, damit ich dort mit meinen Lectionen fortfuhr? Wohl eher nicht! Der junge Mann machte nicht den Eindruck eines einfachen Boten. Außerdem verriet alleine schon seine Kleidung, dass er ein Mann von Stand war.
    Ich erinnerte mich wieder, ihn bereits bei der cena gesehen zu haben, obgleich ich seinen Namen längst wieder vergessen hatte. Was wohl eher daran lag, dass wir noch kein Wort miteinander gewechselt hatten. Jedoch war sein Namensgedächtnis um einiges besser.
    "Salve, Flavius Flaccus!", entgegnete ich und lächelte dabei ein klein wenig verschämt. Inwieweit jener Flavius Flaccus mit mir verwandt war, hätte ich auf Anhieb auch nicht sagen können. Nach einem ersten Blick auf den flavischen Stammbaum, welcher in der Bibliothek aufbewahrt wurde, hatte ich erahnen können, wie weitverzweigt doch die Gens war. Ja, es war wohl besser, man zerbrach sich nicht den Kopf darum.
    "Oh, ein wenig. Nach und nach entdecke ich meine neue Umgebung und lerne alle kennen, die hier wohnen. Die Bibliothek kenn ich schon sehr gut. Dafür den Garten umso weniger."
    Auf den zweiten Blick fiel mir dann schließlich auch die aufgerollte Schriftrolle in seiner Hand auf. Griechische Buchstaben! Ich erkannte sofort die dicht aneinander gereihten griechischen Buchstaben auf dem Papyrus. Letzendlich hatte ich mich doch vor ihnen in den Garten geflüchtet.


    Wieder war ein Jahr vorüber. Ein überaus ereignisreiches, in dem die Familie herbe Verluste hatte hinnehmen müssen. Doch auch von einigen erfreulichen Ereignissen war dieses Jahr geprägt gewesen. Die Villa hatte schon unzählige Saturnalia gesehen und auch in diesem Jahr konnten sich die Bewohner trotzallem dieser Tradition nicht erwehren.


    Es sollte in diesem Jahr keines jener glanzvollen, rauschenden Feste werden, die die Villa schon sehr oft gesehen hatte. Alles sollte etwas betulicher von statten gehen. Dennoch hatte man weder Mühen noch Kosten gescheut. Auch hatte man in diesem Jahr frühzeitig an die Einstellung der freien Bediensteten gedacht, die sich für eine erhebliche Summe an Sesterzen um alles kümmerten, damit die folgenden Tage so unbeschwert und genussreich wie möglich begangen werden konnten.
    Noch am Abend zuvor hatten die Sklaven das Atrium geschmückt. Man hatte ihnen bereits die Vorfreude auf "ihr" Fest anmerken können, denn die Stimmung war fröhlich und ausgelassen. Das Resultat konnte sich sehen lassen. Das triclinium erstrahlte. Ein Fest fürs Auge, einladend doch nicht zu überladen.
    So hingen überall kleine Zweige, an denen wiederum süßes Gebäck und andere süße Leckereien angebracht worden waren. Kleine sigilaria waren als Schuck überall verteilt worden. Alles war bereit für das gemeinsame Festmahl, welches Herren und Sklaven an diesem Tag gemeinsam einnahmen. Der Tradition gemäß war an den Saturnalia die Welt, wie man sie kannte, auf den Kopf gestellt. Die Sklaven waren für einige Tage von ihren Pflichten befreit und wurden von ihren Herren bedient, jeder durfte das aussprechen, was ihm in den Sinn kam, ohne dafür Repressalien fürchten zu müssen. Man gedachte gemeinsam dem goldenen Zeitalter, jener fernen Zeit, da alle Menschen noch Brüder waren.


    Aus der Küche duftete es bereits verführerisch. Einige wenige Sklaven hatten sich bereits im triclinium eingefunden. Ein wenig unbeholfen wirkten sie noch anfangs. Doch als sie sich gegenseitig bewusst gemacht hatten, das sie sich nicht im Datum geirrt hatten, nahmen sie Platz auf den Klinen und Korbsesseln, die bereitstanden und ließen sich von den Bediensteten Becher mit dem besten Wein reichen, den der flavische Weinkeller zu bieten hatte.
    Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sich auch die Flavier selbst zu ihren Sklaven gesellten.


    Sim-Off:

    Es sind alle Familienmitglieder, Sklaven und Freunde der Familie herzlich eingeladen! :)

    "Einen Spiegel! Schnell, einen Spiegel!", rief ich, ohne dabei gezielt einen der bereitstehenden Sklaven, die sich solange im Hintergrund aufhielten, bis sie gebraucht wurden, damit anzusprechen. Im Haus meiner Mutter waren die Sklaven zur Aufmerksam angehalten worden. Offensichtlich traf dies auch für mein neues Heim zu, denn in Windeseile hatte einer der Sklaven einen Handspiegel besorgt.
    Staunend betrachtete ich mein Spiegelbild. Die Kette mit dem Anhänger sah wunderschön aus an meinem Dekolleté. Ich war so stolz! Eine Flavia. Ich war tatsächlich eine Flavia! Auch wenn meine Mutter nie etwas Gutes über dieses Familie zu sagen gewusst hatte. Ihr Herz war voller Groll, gegenüber meinen Vater und alles, was mit ihm zu tun hatte.
    "Ich werde mich bemühen, Vater, dich nicht zu enttäuschen." Was im Grunde hieß, alles bisher verinnerlichte, was ich über die Flavier erfahren hatte, wieder zu vergessen. Doch was war schon ein dummer Familienzwist gegen die Tatsache im Zentrum der Welt zu sein? In Rom gab es so viele Möglichkeiten. Solche, die ich im Kleinstadtmief von Aquileia nie hätte erwarten können.
    Fragte sich nur, was mein Vater mit mir vor hatte. Letztendlich hatte es ja einen Grund gegeben, weshalb er mich von meiner Mutter geholt hatte. Nur um ihr eins auszuwischen, war doch sehr unwahrscheinlich.
    Umso besser, dass er mir Gelegenheit gab, um meine Fragen die ich hatte, zu beantworten. Natürlich wollte ich mir auch noch das ganze Anwesen anschauen. Wobei ich daran zweifelte, dies alles an einem Tag zu schaffen.
    "Oh, ein Zimmer! Ich bin schon gespannt auf die Villa. Sie ist viel größer als die in Aquileia. Aber ich würde gerne deine Pläne erfahren, die du mit mir hast, Vater."

    Einige Tage waren bereits vergangen, seitdem ich hier war. Bisher hatte ich noch nicht viel gesehen, von meiner neuen Wohnstatt. Mein cubiculum hatte ich noch am ersten Tag bezogen. Die Bibliothek hatte ich an meinem zweiten Tag kennenlernen dürfen. Amalthea hatte Anweisung von meiner Mutter erhalten, auch hier, fern von ihr, nicht meine Ausbildung schleifen zu lassen. Darin vertraute sie meinem Vater nicht im Geringsten. So war ich dazu angehalten, täglich mehrere Stunden mit Lesen zu verbringen.
    Heute jedoch war es mir gelungen, Amalthea und diversen griechischen Dichtern einfach zu entfleuchen, als sie kurz die Bibliothek verlassen hatte, um mir etwas zu trinen zu holen.
    Auf leisen Sohlen schlich ich mich davon. Nur der alte, griesgrämige Bibliothekar bemerkte mich. Doch verraten würde er mich sicher nicht. Denn nun würde wieder Ruhe und Frieden in sein Reich einkehren. Anfangs irrte ich ziellos durch die Villa, bis ich den Zugang zum Garten fand. Der Garten! Ich war entzückt. Staunend über die immense Größe und die Auswahl an interessanten Pflanzen, setzte ich meinen Weg fort. Wie schön musste es hier erst im Sommer sein, wenn alles blühte und duftete?
    Die Sklaven hatten bereits ganze Arbeit geleistet, um den Garten winterfest gemacht. Die Gehölze waren zurückgeschnitten. Das Laub, welches von den Bäumen gefallen war, war sorgfältig auf einen Haufen gerecht und anschließend entfernt worden. Nur die nackten Baumgerippe mahnten uns noch, dass alles vergänglich war. Aber sie erinnerten uns auch daran, dass alles Leben wieder zurückkehren würde, so es dem Willen der Götter entsprach.


    Auf einer Steinbank ließ ich mich nieder und erfreute mich an der wärmenden Wintersonne, die den ansonsten kühlen Wintertag etwas erträglicher machte. Ich atmete tief durch, denn im Augenblick war ich einfach nur glücklich und zufrieden. Ich war in Rom und wenn es nach meinem Vater ging, dann war ich auch noch im kommenden Sommer hier und konnte die Vorzüge dieses wunderschönen Gartens genießen. Darauf freute ich mich. Mehr hätte es im Augenblick nicht bedurft, um glücklich zu sein.


    Sim-Off:

    Reserviert! :)




    CUBICULUM DER FLAVIA DOMITILLA



    Das kunstvoll gelegte Mosaik, welches den Fußboden schmückt, fällt zuerst ins Auge des Betrachters. Dann erschließt sich dem Auge das Bett, welches aus den edelsten Hölzern Afrikas gezimmert wurde. Desweiteren befindet sich noch eine Kommode in dem cubiculum, welche etwas abseits steht.
    Noch liegt alles jungfräulich bereit. Noch ist das Mobiliar unbenutzt. Es wartet noch auf seine Bestimmung.

    Ich lasse mich gerne als Nachwuchsfurie heranziehen, schließlich will man ja nicht ewig 13 bleiben oder als zahmes Häschen enden. :D


    ... und einen "netten" Kerl zum heiraten suche ich auch noch *zwinker* :D

    Die Zeit verging und nichts passierte. Nur mein Becher leerte sich langsam. Mein Vater ließ auf sich warten. Ein Blick zu meiner Kinderfrau zeigte mir nur ihre Ratlosigkeit. Ich musste einfach Geduld haben, obwohl dies eine der schwersten Übungen für mich war. Allerdings von meinem Vater war ich nichts anders gewohnt, als auf ihn zu warten. Doch dann hörte ich Schritte, die näher kamen.
    Ein Mann mit schütterem Haar und einem breiten Lächeln trat heran. Dies musste mein Vater sein. Es waren schon Jahre vergangen, seit ich ihn zum letzten Mal zu Gesicht bekommen hatte. Damals war er für wenige Stunden in die Villa nach Aquileia erschienen, um mit Mutter etwas zu besprechen. Mir hatte er eine Puppe geschenkt und einen Kuss auf die Wange gedrückt, dann war er wieder so schnell verschwunden, wie er gekommen war.
    Dieses Mal hatte er, wie es schien, keine Puppe dabei. Das war auch gut so, denn aus dem Puppenalter war ich nun endgültig hinaus.
    Ich kam mir etwas überrumpelt vor, als er mich in die Arme schloß. Diese Art von Körperkontakt war ich höchstens von Amalthea gewohnt. Selbst meine Mutter hatte sich nur höchstselten dazu herabgelassen. Trotzdem versuchte ich sein Lächeln zu erwidern, wenn auch nicht zu breit. Auch wenn dieser Mann mein Erzeuger war, so war er doch mehr ein Fremder für mich.
    "Vater!", rief ich mit versuchter Herzlichkeit, die jedoch nicht wirklich überzeugend klang. "Ich freue mich auch, dich zu sehen." Wie sehr ich mich tatsächlich freute, endlich meinen Vater etwas besser kennenzulernen und ihn vielleicht ganz für mich haben zu können, vermochte ich nicht ausdrücken zu können.
    Ganz plötzlich fiel mir jenes kleines Päckchen ins Auge, welches er in seiner Hand hielt und wohl für mich bestimmt war. Er schob es mir entgegen. Schon gratulierte er mir zu meinem Geburtstag, der nun schon einige Tage zurücklag. Nein, diesmal war es nun wahrlich keine Puppe. Behutsam öffnete ich es, indem ich das Tuch, indem das Geschenk geschlagen war, entfernte. Zum Vorschein kam eine goldene Kette mit einem Anhänger in Form genau jenen Caduceus, welchen ich bereits im Wappen der flavischen Sänfte gesehen hatte.
    "Oh!", entfuhr es mir. Staunend betrachtete ich das Schmuckstück, welches nun in meiner Hand lag. "Vielen Dank, Vater! Es ist wunderschön." Mein Herz begann schneller zu schlagen. Mein Vater hatte mir Schmuck geschenkt! Das war wie eine Bestätigung dafür, dass ich kein Kind mehr war. Endlich war auch ich in der Welt der Erwachsenen angekommen. Sogleich wollte ich es anlegen. Doch mein erster Versuch scheiterte, was Amalthea dazu veranlasste, mir zur Hilfe zu kommen.
    Nun erstrahlte die Kette, samt Anhänger auf meinem Dekolleté. Ich fühlte mich unglaublich erwachsen und stolz. Unvermittelt erhob ich mich und fiel meinem Vater um den Hals. Diesmal fand ich es nicht befremdlich. Vielleicht weil ich intuitiv wusste, dass er nun noch der einzige war, den ich hatte, der mir so nahe stand.

    Zitat

    Wähle einen Avatar, die vom Stil her zum Forum passt und auch vom Bildinhalt her mit deiner ID zu tun hat. Männliche IDs mit weiblichen Avataren und umgekehrt sind genauso unpassend wie ein römischer Schreiber mit griechischem Hoplitenhelm oder knallbunte Comicavatare.


    So steht es in den Spielregeln. Ich nehme mal stark an, dass sich jeder etwas dabei denkt, wenn er sich seinen Avatar aussucht. ;)


    Aber ich verstehe, was du meinst. Nur sind die Avatare aus den einschlägigen Sandalenfilmen recht begrenzt, wie ich finde und am Ende wollen alle immer nur den einen und selben haben. :D
    Zum Schluss rennen dutzende "Pullos" und noch mehr "Vorenusse" herum.
    Dann lieber einen anderen Avatar, der z.B. charakterlich gut passt, auch wenn er nicht dem Römergenre entspricht.


    Alternativ blieben noch die Portraits diverser Historienmaler oder der Büsten. Aber damit kann vielleicht nicht jeder etwas anfangen. Ich persönlich hatte zwischenzeitlich auch einmal ein Bild von Lawrence Alma-Tadema als Avatar benutzt.

    Unbeschreiblich, was in mir vorging, als ich durch das Vestibulum schritt, um nach wenigen Schritten zum Atrium zu gelangen. Eindrucksvoll, sehr eindrucksvoll! Nicht nur die überwältigende Pracht, die ich dort vorfand, eine Komposition aus kunstvollem Überfluss und formvollendeter Funktionalität. Auch die wachsame Dienstwilligkeit des Personals, ließen keinerlei Wünsche offen.


    Verstohlen warf ich dem jungen, schweigsamen Sklaven noch einen Blick zu, nachdem er sich so unglaublich tief vor mir verbeugt hatte und sich nun wieder absentierte. Er war in etwa in meinem Alter. Was nicht heißen sollte, dass ich ihm deswegen besondere Beachtung schenken sollte. Man hatte mir beigebracht, mich mit dem niederen Personal nicht zu fraternisieren. Nur zu autorisierten Sklaven, wie Amalthea zum Beispiel, pflegte ich eine nähere Beziehung. Eine gleichaltrige Sklavin, die mir als Gesellschafterin hätte dienen können, hatte es nie gegeben. So war ich in die Welt der Erwachsenen hineingeboren worden und war auch in ihr herangereift.


    Ich hatte mich bereits auf eine der Klinen niedergelassen, als ein weiterer dienstbarer Geist erschien, um mir Apfelsaft zu kredenzen. Mhhhh, Apfelsaft! Ich zügelte meine Lust, so wie es sich gehörte. Die Reise hatte mich durstig gemacht. Doch dies war längst noch kein Anlass, um sich auf den Fruchtsaft zu stürzen, um ihn wie eine Ausgeburt des Pöbels hinunterzuschlingen.
    Diskret und meinem Tun wenig Beachtung schenkend, kostete ich einen kleinen Schluck, nachdem der Sklave mir den Becher reichte. Mhhh, meine Annahme um des besonderen Wohlgeschmackes, bestätigte sich. Schier hätte ich mich dazu hinreißen lassen, erneut einen größeren Schluck zu nehmen. Doch ein kaumhörbares Geräusch, welches von meiner Kinderfrau ausging, wusste dies zu verhindern. Amalthea hatte sich hinter meiner Kline postiert und wartete nun ebenso gespannt wie ich, was nun geschehen würde.

    Artig war ich in der Sänfte verblieben, bis Amalthea erschien und mir aus der Sänfte half. Ohne den Sklaven, die mich hergebracht hatten noch eines Blickes zu würdigen, schritt ich zur Porta. Mir folgend tat Amalthea das gleiche. Dem jungen Sklaven, der uns in Empfang nahm, folgte ich. Niemand konnte sich vorstellen, wie aufgeregt ich war! Ich würde meinen Vater treffen! ICH! Nach so vielen Jahren hatte er sich meiner erinnert und mich zu sich nach Rom beordert.

    Im Gegensatz zu dem flavischen Türsteher, verfügte Rufus, einer der drei custodes des Flavius Aetius, die die junge Flavia begleitet hatten, lediglich über eine begrenzte Sicht der Dinge. Sein Kosmos beschränkte sich auf Wein, Weib und die Frage, wie man am besten einen unliebsamen Zeitgenossen mit einem Schlag wegputzen konnte. Mit philosophischen Fragen konnte er überhaupt nichts anfangen. Ihn interessierte höchstens die Frage, wann gibt´s wieder was zu essen.
    So prallten in diesem Moment, da sich die Tür öffnete, zwei Welten aufeinander, was für Außenstehende allerdings schwer ersichtlich war. Selbst Rufus hatte nicht die leiseste Ahnung davon, was in Acanthus Kopf vorging. Und hätte er es gewusst, wäre es ihm auch herzlich egal gewesen. Für ihn war der Ianitor ein schlechtgelaunter Stänker, der sich nur wichtig tun wollte.
    "Die Kleine vom Alten," gab er salopp zur Antwort und deutete zur Sänfte, ohne dabei sein Hirn einzuschalten. Als ihm bewusst wurde, die junge Dame hätte mithören können, korrigierte er schnell seine Aussage.
    "Äh, die Tochter von dominus Aetius, Flavia Domitilla ist eingetroffen. Der dominus erwartet sie bereits!" Rufus gab sich wirklich Mühe, auch wenn er nun etwas gekünstelt wirkte. Schließlich wollte er hinterher nicht schon wieder einen Anschiß vom Alten, äh von dominus Aetius kriegen.

    Zu Beginn meiner Reise, fand ich alles noch schrecklich aufregend. Zum ersten Mal in meinem Leben verreiste ich. Und dann auch noch ohne meine Mutter! Während ich am ersten Tag unserer Reise nur davon plapperte, was ich alles in Rom tun wollte, schwieg Amalthea nur. An den folgenden Tagen hatte mein Drang merklich nachgelassen. Die Reise nach Rom schien endlos zu sein. Und die Nächte, die wir in Herbergen verbrachten, die auf unserem Weg lagen, waren nicht die bequemsten. Ich war einen gewissen Standard gewohnt, den ich dort nicht vorfand. Sobald ich zu protestieren begann, versuchte mich meine Kinderfrau zu beschwichtigen, in dem sie mir in Aussicht stellte, bald in Rom zu sein.
    Doch bis wir tatsächlich die urbs aeterna erreichten, war nahezu eine ganze Woche vergangen. Bevor wir jedoch die Stadt betreten konnten, mussten ich den Reisewagen mit einer Sänfte tauschen. Wie es schien, hatte mein Vater auch daran gedacht. Die Sänfte, an deren Äußeren ein Wappen angebracht war, das einen Caduceus zierte, samt Trägern erwartete mich schon.
    Ich Gegenteil zu den letzten Tagen, war nun meine Ungeduld wieder groß, Erst recht, als die Sänfte vor einen großen herrschaftlichen Villa zum stehen kam. Einer unserer Begleiter klopfte an der Porta, während ich noch in der Sänfte verblieb und wartete.

    Es schallte ein lautes, bedrohliches Donnerhallen durch die Gänge der Villa, dessen Ursprung unverkennbar das atrium der Villa war, zu dem ich mich in Begleitung Amaltheas begeben wollte. Nichts ahnend, was der Grund für den Zorn meiner Mutter war, setzte ich meinen Weg fort. Wutentbrannt schimpfend setzte sie ihre Tirade fort und ließ ihren Unmut an jedem Sklaven aus, der sich nicht rechtzeitig vor ihr in Sicherheit bringen konnte. Je mehr ich mich den atrium näherte, umso mehr drangen die einzelnen Wortfetzen an meine Ohren, deren Sinn mir jedoch vorerst verborgen blieb. Mir deuchte nur, dass es mein Vater war, der ihren Zorn entfacht hatte. Er war doch nicht etwa hier?
    Einer jener flüchtigen Sklaven aus dem atrium begegnete uns unterwegs, der dann auch prompt vom meiner Kinderfrau zur Rede gestellt wurde. Es war nicht einfach, aus den wild geschnauften und angstvoll hervorgebrachten Worten etwas sinnvolles herauszufiltern.
    Fremde seien gekommen, mit einer Nachricht für meine Mutter. Angeblich von meinem Vater. Doch damit noch nicht genug! Die fremden Reiter hatten den Auftrag, mich mitzunehmen. Nach Rom!
    Das musste sich erst ein Mal setzen…. Rom! Die urbs aeterna! Ich! Rom!
    Den immer noch zitternden Sklaven ließ ich stehen und eilte freudestrahlend davon, zu meiner Mutter ins atrium. Amalthea hatte Mühe, mir zu folgen, doch sie erreichte mich noch rechtzeitig, bevor ich es wagte, meine Mutter anzusprechen.
    "Ist es wahr, Mama? Ist es wirklich wahr? Ich darf nach Rom?" Noch bevor die letzte Silbe der kindlichen Frage verhallt war, verstummte meine Mutter. Nein, sie erstarrte zu Eis! Lediglich ihre Augen verengten sich. Wie hatte ich ihr nur so in den Rücken fallen können! Doch nicht ich war es, an dem sie ihre Wut ausließ. Amalthea, die bis dahin unantastbar gewesen war, wurde zum ersten Mal, seitdem ich denken konnte, Ziel ihres unbändigen Zornes. Schneller als die alte Griechin schauen konnte, hatte sie einige saftige Ohrfeigen von meiner Mutter geerntet. Nur mein Schreien und Jammern hielt sie davon ab, noch schlimmeres mit Amalthea anzustellen.
    "Pack ihre Sachen! Ihr fahrt heute noch ab!", zischte sie kalt, nachdem sie sich wieder in der Gewalt hatte. Dann ließ sie mich mit der alten Griechin stehen und verschwand in einem der Zimmer.
    Binnen weniger Stunden waren meine Sachen gepackt. Meine Kleider, mein Schmuck, meine Bücher, meine Puppen und alles, was sonst noch wichtig war.
    Wie betäubt stand meine Mutter im Hof da, als ich sie zum Abschied umarmen und ihr einen Kuss auf die Wange drücken wollte. Einige Tränen vergoss ich doch, obwohl ich im Inneren jubelte. Endlich weg von hier! Noch glaubte ich, der Abschied sei nicht für immer.
    Dann bestieg ich den Reisewagen, der in der Zwischenzeit bereitgestellt worden war, und nach mir auch Amalthea, meine gute alte Kinderfrau. Ein letzter Blick zurück, der auf meine Mutter fiel, als der Wagen zum Hof hinausfuhr, eskortiert von den Reitern, die mein Vater geschickt hatte. Dann entfernten wir uns immer mehr von der Villa, die so viele lange Jahre mein Zuhause gewesen war, bis sie nur noch ein winziger Punkt in der Ferne war.

    Die Dreizehn ist eine natürliche Zahl zwischen Zwölf und Vierzehn. Zudem zählt man sie zu den Primzahlen, was nichts anderes bedeutet, als das die Dreizehn lediglich durch sich selbst teilbar ist. Wie es allerdings war, wenn man endlich dreizehn Jahre alt wurde, hatte ich in keinem Buch nachlesen können. Das musste ich schon selbst herausfinden.
    Am Abend vor meinem Geburtstag, ging ich mit einer Gelassenheit zu Bett, die Amalthea nur erstaunen konnte. "Ist etwas mit dir, Kind? Freust du dich denn nicht?", hatte sie mich gefragt, da sie bereits befürchten musste, mich plage ein Leid. Aber ich antwortete nur gelangweilt "Nein." Im Grunde war es doch jedes Jahr dasselbe. Man hatte Geburtstag; man wurde ein Jahr älter; alle beglückwünschten einem ; man bekam haufenweise Geschenke, was in meinem Fall bisher immer Puppen gewesen waren. Ganz so, als ob es nichts anderes gab, womit man mir eine Freude machen konnte. Im Gegensatz zu normalen Tagen, gab sich meine Mutter etwas mehr mit mir ab und wenn es ganz dumm lief, kamen auch noch eine Schar Verwandte, mütterlicherseits verstand sich. Von meinem Vater würde auch in diesem Jahr jede Spur fehlen. Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte. Doch ausgerechnet an meinem Geburtstag wurde mir immer schmerzlich bewusst, dass er irgendwo war, nur nicht bei mir.
    Also gab es keinen Grund, am Vorabend zu meinem dreizehnten Geburtstag in Hysterie zu verfallen.
    Anders war es dann am nächsten Morgen. Nun freute ich mich doch auf die Geschenke, das leckere Essen und die kleine Feier, die meine Mutter für mich ausrichten ließ. Ich konnte es kaum erwarten, bis endlich Amalthea in mein Zimmer kam, um mich zu wecken. Wobei das gar nicht mehr nötig gewesen wäre, denn wach war ich schon seit einer ganzen Weile. Aber eine junge Dame meines Standes konnte sich unmöglich alleine waschen und anziehen, sich die Haare machen und was sonst noch alles dazu gehörte.
    Endlich kam sie dann auch, um das allmorgendliche Ritual zu vollziehen. Nur diesmal hatte sie ein kleines Päckchen für mich, um welches eine rote Schleife gebunden war. Selbstredend konnte ich mich nicht lange zurückhalten. Schnell war die Schleife entfernt und das Päckchen geöffnet. Zum Vorschein kamen einige in einem Tuch eingewickelte Pflanzensamen zum Vorschein, welche Amalthea so kommentierte, ich könne die Samen im kommenden Frühling aussäen, um herauszufinden, wie Pflanzen wuchsen. Dies sei nicht weitaus so unappetitlich, als das Sezieren von toten Tieren. Natürlich freute ich mich, über ihr Geschenk, wenigstens eine, die meine Interessen würdigte.
    Anschließend sorgte meine Kinderfrau dafür, dass ich ordentlich gewaschen und gekleidet wurde und ich letztendlich bereit war, für meinen dreizehnten Geburtstag und alles, was damit einherging.

    Trotz meines fortschreitenden Alters behielt ich jedoch meinen Forscherdrang.
    Schon von klein auf, eigentlich seitdem ich mich selbst fortbewegen konnte, war nichts mehr vor mir sicher gewesen. Anfangs waren es ganz banale Dinge gewesen, die meine Aufmerksamkeit erregten und die ich dann mit allen Sinnen zu erfassen begann. Später waren es jene Dinge gewesen, die nicht in meiner gewohnten Umgebung anzutreffen waren. Dazu zählten Pflanzen und Tiere, die ich im Garten fand. Schon bald aber verlor die Flora ihre Faszination, da es Geduld und Beharrlichkeit vorausgesetzt hätte, ihre Veränderungen zu beobachten. Zum Leidwesen meiner Kinderfrau schleppte ich dafür bald die unappetitlichsten Kreaturen mit in mein Cubiculum und in das Spielzimmer, um ihnen dort für die Zeit meiner Forschungen Unterschlupf zu gewähren. Die Metaphysik eines Regenwurms zum Beispiel , beschäftigte mich viele Wochen. Etliche Exemplare waren meinen Untersuchungen zum Opfer gefallen.
    Dem Regenwurm war der Frosch gefolgt und diesem eine tote Amsel , die ich im Garten gefunden hatte. Logischerweise musste nun die Fragestellung lauten, was geschieht mit dem Vogelkadaver, wenn er nicht der Erde oder den Flammen übergeben wurde. Um meine Untersuchungen nicht zu gefährden, hielt ich das Versuchsobjekt vor Amalthea gut versteckt. Dennoch konnte ich nicht den Verwesungsgeruch vermeiden, der sich nach einigen Tagen ausgebreitet hatte. Was letztlich dazu führte, dass ein dummer Sklave, dessen Aufgabe es war, mein Cubiculum zu reinigen, auf die sterblichen Überreste der Amsel stieß und diese voller Ekel entsorgte. Damit hatte der Sklave natürlich meinen Zorn auf sich gezogen. Denn nun würde es auf sich warten lassen, bis dass ich hinter das Geheimnis der Zersetzung des Tierkörpers kam. Den Sklaven setzte ihn auf meine imaginäre schwarze Liste. Um sich vor etwaigen Repressalien zu schützen hatte er mir versrechen müssen, über den grausigen Fund gegenüber Amalthea oder gar meiner Mutter Stillschweigen zu bewahren. Aber auch ich hatte dadurch erkennen müssen, dass sich das eigene Cubiculum nicht als Laboratorium eignete.
    Ab einem gewissen Zeitpunkt, der mit meiner eigenen Metamorphose konform ging, trieb meine Mutter meine Erziehung in eine bestimmte Richtung voran. Sie hatte schon immer nur wenig für meinen Wissensdurst übrig. Die Interessen eines Mädchens seien anders gelagert, meinte sie. Handarbeiten zum Beispiel, wären eine Beschäftigung, die nützlich sei und meinem Stande mehr entspräche. Eine Frau, die nicht weben könne, würde es im Leben zu nichts bringen! Dabei hatte ich meine Mutter niemals auch nur in der Nähe eines Webstuhls gesehen. Doch ihr Wort war Gesetz!
    Ausgerechnet Amalthea war es, die mir das weben beibringen sollte. Meine liebe gute Amalthea! Wenn ich jemals meiner Mutter etwas übel genommen hatte, dann dies. Denn sie wusste genau, gegen Amalthea würde ich mich nicht widersetzen. So lernte ich also die Kunst des Webens, doch meine Forschungen ließ ich deshalb nicht außer Acht.
    Zu Beginn des letztjährigen Sommer aber hatte eine ganz andere Spezies meine Aufmerksamkeit erregt. Die Zeit, die ich im Garten der Villa verbrachte, wurde wie immer auf ein Maximum ausgeweitet. Fraglos war es sehr angenehm, inmitten des duftenden Blumenmeeres zu spielen. Sich hinter alten dicken Zypressen zu verstecken und den in der Luft tanzenden Insekten zuzusehen. Stets wehte eine frische salzige Briese vom Meer herkommend, was die Hitze der Nachmittagsstunden erträglich machte. Die lauen Abende waren lange hell. Zu hell, um früh schlafen zu gehen. So konnte ich meine Mutter davon überzeugen, nach der Cena noch etwas aufbleiben zu dürfen. Wo konnte man einen lauen Sommerabend besser verbringen als draußen im Garten? Genau die gleiche Idee hatten auch einige Sklaven, die sich nach getaner Arbeit noch etwas hinausstahlen. Lautlosen Schrittes war ich ihnen gefolgt und beobachtete den jungen Mann und die junge Frau hinter einer dichten Hecke, die allerdings nicht dicht genug war und mir so einige Einblicke in das sklavische Zusammensein boten. Dass ich mich des Voyeurismus schuldig machte, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Denn erstens waren es nur Sklaven und zweitens diente es lediglich der Befriedigung meiner eigenen Neugier. Solche Handlungen waren mir bis dato unbekannt gewesen.
    Die beiden unterhielten sich in einer für mich fremden Sprache, was die Sache dadurch nur noch undurchsichtiger machte. Dann küssten sie sich, doch nicht so, wie Amalthea mich küsste oder ich meine Mutter. Im großen und ganzen wirkte das, was darauf folgte sehr unappetitlich und barbarisch, was in mir die Frage auslöste, ob Sklaven doch eher Tiere als Menschen waren. Dennoch konnte ich eine gewisse Faszination nicht verleugnen.
    Als die Sklavin zu Beginn des Winters ein kleines Bäuchlein vor sich herschob, fragte ich mich, ob das eine mit dem anderen etwas zu tun hatte. Und als im darauffolgenden Frühling ein kleines Sklavenkind zur Welt kam, war ich mir ganz sicher. Schon lange glaubte ich nicht mehr an die Ammenmärchen Amaltheas, die mir als Kind weismachen wollte, ein gewisser Klapperstorch brächte die kleinen Kinder. Bereits im zarten Alter von sechs Jahren hatte ich vermutet, dass viel mehr dahinterstecken musste, als nur ein alberner Weißstorch der mit einem windelbepackten Etwas durch die Lüfte glitt.
    Meine Kinderfrau reagierte sichtlich nervös, als ich sie mit meinen Fragen konfrontierte. Mit hochrotem Kopf rang sie nach Worten, die aber einfach nicht über ihre Lippen kommen wollten. Und sie kamen auch nicht an diesem Tag. Den Tag darauf auch nicht und die Woche danach ebenfalls nicht. Amalthea verstand es, meine Gedanken in eine andere Richtung zu führen.
    Dann kam der Sommer und mein Drang nach draußen war stärker als die Frage nach der Fortpflanzung von Sklaven. Erst in den letzten Tagen, als der Herbst seine kühle Schulter zeigte und ich im Hause bleiben musste, erinnerte ich mich an den Vorfall mit den beiden Sklaven wieder. Aber auch diesmal bediente sich Amalthea einer geschickten Taktik, mich auf andere Gedanken zu bringen. Die Aussicht auf meinen nahenden Geburtstag war es, die mich nun packte. Irgendwie spürte ich, dass dieser Geburtstag anders werden würde. als die zwölf vorangegangen. Und ich sollte recht behalten!

    Die Götter haben gejauchzt, als ich zur Welt gekommen bin! Das hört sich nun sehr vermessen an, um nicht zu sagen sehr überheblich. Doch genau dieser Satz hatte mich durch meine ganze Kindheit über begleitet. Ausgesprochen von meiner Kinderfrau Amalthea, einer korpulenten, gutmütig dreinschauenden Griechin, die ich mein ganzes Leben schon kenne. Diesem Satz war stets auch ein sanftes Streichen über mein lockiges Haar und ein feuchter Schmatzer auf die rechte Backe gefolgt.
    Und auch nun, da ich kein Kind mehr war, sondern im Begriff war, eine junge hübsche Frau zu werden, sagte sie es noch immer. Freilich, nicht mehr so oft, wie früher. Und man konnte es auch als glückliche Fügung bezeichnen, dass Amalthea das feuchte Küssen aufgegeben hatte. Aber dennoch meinte sie es noch immer so, wie früher. Der Griechin fiel es zudem auch immer schwerer, sich von meinem Kind sein zu verabschieden. Gleichsam bedeutete dies, dass auch sie älter wurde. Oft stellte sie sich die rhetorische Frage, wo denn die Zeit geblieben war. Schließlich hatte sie mich an ihrer Brust genährt, hatte mit mir gelitten, als ich meine ersten Zähne bekam oder wenn ich einmal krank gewesen war und freute sich über jeden Fortschritt meiner Entwicklung. Es kam ihr so vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich meinen ersten Schritt machte oder meine ersten Worte plapperte. Ich hingegen fieberte der Zeit entgegen, da ich endlich erwachsen sein würde. Dann könnte ich endlich von hier entfliehen. Aquileia war nun wirklich kein Ort, an dem das Leben pulsierte.
    Die Metamorphose meines Körpers vom Kind zur Frau kam nicht sprunghaft, sondern allmählich. Es hatte schon vor vielen, vielen Monaten begonnen, da ich plötzlich wuchs und wuchs. An manchen Stellen meines Körpers begannen sich sanfte Kurven zu bilden. Doch nicht nur meine Physis begann sich zu wandeln auch meine Psyche wuchs. Dabei sei anzumerken, dass ich nie das archetypische Mädchen war, welches voller Wonne mit seinen Puppen zu spielen pflegte. Dennoch war ich stolze Besitzerin einer Unmenge von Puppen. Einige davon waren Verlegenheitsgeschenke meines Vaters, der mich sehr selten, eigentlich so gut wie nie besuchte. Jedes Jahr zu meinem Geburtstag ließ er eine von einem Boten vorbeibringen. Mit etwas Glück befanden sich dann auch einige persönliche Zeilen anbei.
    Die meisten meiner Puppen waren aber Geschenke von meiner Mutter oder deren Familie, die uns zu sich jeder bietenden Gelegenheit besuchte. Keine Woche verging, an der nicht eine Tante oder ein Onkel vorbeischaute.
    Mein kleines Universum hatte bislang aus meinem cubiculum und dem daran angeschlossenen und mit Puppen überbevölkertem Spielzimmer bestanden. Bei schönem wurde es bis auf den Garten unserer kleinen Villa ausgedehnt. Die Villa in Aquilea war schon gut zwei Jahre nach meiner Geburt zur Heimstatt meiner Mutter und mir geworden. Da Mutters Familie sehr viel Einfluss in Ravenna besaß, hatte sich mein Vater von meiner Mutter scheiden lassen müssen. Einen Flavius zum Vater zu haben, kurz nach der Damnatio memoriae meines Namensvetters, dem flavischen Kaiser Domitian, war meinem Großvater mütterlicherseits einfach zu viel. So lautete jedenfalls die Version meiner Mutter. Was mein Vater dazu gesagt hätte, entzog sich leider meiner Kenntnis. Überhaupt reagierte meine Mutter äußerst eisig, sobald mein Vater zur Sprache kam, was wohl auch eine mögliche Erklärung für seine permanente Absenz war.
    Nun, da der Sommer vorbei war und der Wind die Blätter von den Bäumen fegte, waren es nur noch die Sklaven, die sich im Garten tummelten und froren, wenn sie nicht tüchtig arbeiteten. Auf Geheiß meiner Mutter hatte man ihnen einen warmen Mantel verwehrt, damit sie nicht auf den Gedanken kamen und Maulaffen feilzuhalten. Ich hingegen beobachtete sie, warm angezogen, mit einem stillen Wehklagen. Nicht dass mich die harten Maßnahmen meiner Mutter den Sklaven gegenüber berührt hätte. Ich trauerte dem Sommer nach, der nun endlich gegangen war und sein goldenes Licht mitgenommen hatte. Zurück war ein grau in grau geblieben und die Monotonie des Spielzimmers. Hätte ich noch letzten Winter mein Spielzeug gegenüber jedem fremden Eindringling verteidigt, so war es mir diesen Herbst völlig einerlei. Selbst Amalthea erntete nur noch mäßige Aufmerksamkeit, wenn sie mir aus meinen Kinderbüchern vorlas. War das der endgültige Übergang, hinüber in die Welt der Erwachsenen? Ich war zwölf. In wenigen Tagen würde ich dreizehn sein.