Beiträge von Iullus Octavius Ofella

    Klar noch mehr Training, wir trainieren ja auch noch nicht genug, schimpfte Ofella innerlich vor sich her. Endlich war es so weit, sie durften ihre Abschlussrunden laufen und danach endlich abtreten. Keiner kürzte mehr ab keiner machte mehr einen Spaziergang aus den Runden, das hatte der Centurio ihnen schnell abgewöhnt. Je härter das Training umso enger hatten sich aber auch alle zusammengeschlossen. So kam es, dass ihre Aufgabe den Text zu einem Lied zu dichten ihnen auch leicht fiel. Viele Witze wurden, auf Kosten des Centurios, während ihren Überlegungen gerissen. Heute brauchten sie nur noch die Abschlussstrophe, zu dichten.
    „Ich habe mir schon etwas überlegt“, meinte Cato, kaum, dass alle in der Unterkunft waren. „Was haltete ihr hiervon?“


    Wer vernahm noch nicht die Kunde?
    Dass er ist in unser aller Munde.
    Drum Tirones hört aller her,
    vernehmt wie er uns das Leben erschwert


    Alle starrten Cato verwundert an. Er hatte bisher fast gar nichts zu ihrem Werk beigetragen und nun präsentierte er ihnen eine fertige Strophe. „Was denn? Nicht gut?“ Cato war nun doch verunsichert als er die Blicke seiner Kameraden sah. „Nein eher im Gegenteil“, lachte Ofella und schlug Cato auf die Schulter. „Ich würde sagen wir nehmen es so wie es ist. Lasst uns nun alles singen.“
    Schon erklang ihr Gesang, zuerst noch zögerlich, dann aber immer lauter und kräftiger.


    Früh am Morgen tönt es venite!
    Der Centurio ist ja keine Niete.
    Ad sinistram! Cursim!
    Schon ist unsere Laune hin.


    Er denkt, grübelt und bemüht sich sehr,
    überlegt sich wie er uns das Leben erschwert.
    Jeden Tag kann er es kaum erwarten,
    zu sehen wie er uns zum Schwitzen brachte.


    Strafen verteilt er ach so gerne
    Da gerät er regelrecht ins schwärmen.
    Zu Männern will er uns machen
    Darum erfindet er tausend Sachen.


    Eine Runde um das Intervallum.
    Das findet er gar nicht so dumm.
    Sein liebstes Spielzeug ist der Rebstock,
    damit hat er uns schon oft geschockt.


    Wer vernahm noch nicht die Kunde?
    Dass er ist in unser aller Munde.
    Drum Tirones hört aller her,
    vernehmt wie er uns das Leben erschwert.


    Immer wieder sangen sie es, bis auch jeder aus Leibeskräften mitsingen konnte.

    Es folgten die üblichen Nettigkeiten des Centurios, mit denen er wie schon öfter versuchte eine Formation zum Einsturz zu bringen. Leise hörte man bald von den ein oder anderen ein leises Stöhnen, denn ihr Kräfte ließen langsam nach. Hoffentlich hat das bald ein Ende für heute, dachte auch Ofella. außerdem freute sich schon auf die Unterkunft, sie wollten doch heute das Lied fertig bekommen.

    Schon begann das übliche gewusele um eine neue Formation zu üben.
    Ofella hatte wie er fand Glück das er dieses Mal in der zweiten Reihe stand.
    Obwohl Glück merkte er bald, war es auch nicht, jetzt musste er das Scutum hochheben, auch wenn er es auf dem des Vordermannes absetzen konnte, so ging es auch in die Arme, denn es musste schließlich festgehalten werden. Dann hatten sie es geschafft und sie standen.

    Die Zähne zusammen beißend befolgte er den Befehl. Etwas mulmig war ihm schon dabei. Kommt nun die Rache, wegen eben, als ich die anderen anfeuerte Valerian nieder zu rennen? Diese Überlegung ging ihm nun durch den Kopf, als er sich mit seinem Scutum hinstellte und einen möglichst festen Halt mit seinen Füßen einnahm.

    Ich hatte es doch bei dem Blick des Centurios geahnt, dachte sich Ofella. Gerade hatte er noch seine Schadenfreude genossen und nun bekam er die Quittung dafür.
    „Nun ja … äh ähnlich wie bei der Testudo“ begann er zögerlich, sich es auch noch gedanklich vorstellend. „Ich kann mir vorstellen, die erste Reihe bildet eine Mauer mit fest überlappenden Schildern, die zweite Reihe stellt ihre Scuta auf die erste Reihe und alles schön dicht. Die Hasta schaut aus den Zwischenräumen durch und die erste Reihe stützt die Scuta mit ihrem Körper. Ja so müsste es gehen oder wird der Schaft der Hasta in den Boden gerammt, um so die Pferde zu stoppen und beim Angriff zu verletzen? Vielleicht sollte man auch Lärm dabei machen und de Tiere verschrecken.“ Das es keine glanzvolle Erklärung war, wusste Ofella selber, aber er hatte schließlich noch nie einen Schildwall gesehen. Zur Sicherheit schaute er nun lieber gerade aus und nicht den Centurio an.

    Sellten hatte Ofella so gerne eine Übung durchgeführt. Es war für ihn eine Freude den Schub der Kameraden zu spüren. Wie ein Mann rannten sie vorwärts, während der Centurio einen sicheren Stand eingenommen hatte.
    Ofella blickte in die Augen des Centurio, die ihn herausfordernd anschauten.
    Ihm war in diesem Augenblick klar, leicht würde es nicht, deshalb rief er, eher um sich selber zu bestätigen laut: "Weiter" Die Gegenwehr ihres Centurios war heftig, so hätte er es nicht erwartet. Er spürte den Stoß seines eigenen Scutums, nur dem Schub der anderen von hinten verdankten sie es, dass es ihnen nach einiger Anstrengung doch gelang, Valerian nieder zu werfen.

    Bestimmt ging es einigen wie Ofella, nach der Aufforderung ihres Centurios, wir sollten ihn einfach mit der Hasta aufspießen, dachte er.
    Leise Gemurmel war aus ihrer Formation zu hören. Hinter seinem Schild verborgen sagte Ofella: „Los Männer wir rennen ihn einfach um.“
    Wie nur auf dieses Zeichen wartend, stürmten sie in Richtung ihres Centurios los.

    Ofella lag noch nicht ganz auf seinem Bett, als auch schon ein feuchter Lappen auf seinem Rücken landete. Hätte man ihn nicht festgehalten, wäre er bestimmt sofort hochgesprungen, da es zunächst wie Feuer auf seinem Rücken brannte. Der Geruch von Essig verriet welches Wasser die Kameraden benutzten. Kaum ließ das brennen nach, da setzte eine wohltuende Kühle ein.
    Ja die Jungs wussten aus Erfahrung wie solche Rücken behandelt werden mussten.
    Nach zahlreichen Lästereien auf seine Kosten, war Ofellas Rücken angetrocknet und nun trug man eine Heilsalbe auf.
    Anschießend verzogen sich alle um ihren Pflichten nach zu gehen und man ließ ihn zunächst alleine. Wie lange er so gelegen hatte wusste er nicht.

    Ganz in seiner Nähe stöhnte Cato von Zeit zu Zeit leise auf. Sie wussten beide, dass der andere nicht schlief, trotzdem wechselten sie kein Wort miteinander. Irgendwann würde diese Geschichte zu ihren Anekdoten gehören, nur jetzt stand für eine ganze Weile die Scham im Vordergrund. Scham darüber, dass anderen wegen ihres Fehlverhaltens bestraft wurden.
    Wie lange sie so da lagen wusste Ofella nicht, bis eine Stimme vom Eingang her tönte: „Ihr beiden fertig machen und zur Sonderwache am Tor antreten“ und sie so in die Wirklichkeit zurückholte.
    Ihr Stöhnen konnten sie beim anziehen nicht unterdrücken.
    Gemeinsam gingen sie danach zum Tor.

    Es war gar nicht so leicht auf Anhieb ein Dreieck zu bilden. Wesentlich besser klappte dieses mal das überlappen der Schilde. Den Lärm und das Gemurmel der einzelnen, um sich gegenseitig Hilfestellung zu geben, war jetzt schneller verstummt. Die Keilform war errichtet, nun warteten alle auf den Kommentar des Centurio.

    Nein leicht war es wirklich nicht gewesen, dachte Ofella. Er hatte jetzt erwartet, dass sie das Ganze wiederholen sollten und hörte verwundert, es genüge.
    Schon kam die nächste Frage. Die Keilformation, überlegte er, sie hat die Form eines Dreiecks und ist an den V-förmigen Seiten mit den Schildern abgedeckt, so dass die Spitze des Dreiecks in die feindlichen Reihen vorstoßen kann. Ich hörte sie soll besonders gerne bei der Reiterei angewandt werden. So mit seinen Überlegungen beschäftigt vergaß er ganz zu antworten.

    „Ein bisschen wollte ich für die anderen übriglassen, damit die endlich auch ihren Mund aufmachen“, murmelte Ofella vor sich hin, nachdem der Centurio redend sich einige Schritte entfernt hatte.
    Schon lautete der Befehl: „testudo!"
    Jeder von ihnen versuchte sein Bestes. Ofella fand, dass es gar nicht so einfach war sein Scutum über den Kopf zu heben ohne einen Kameraden dabei zu verletzen.
    Es ging sehr laut zu ehe alle Scuta über ihren Köpfen waren, dabei fluchte manch einer leise vor sich hin. Endlich war es geschafft nun blieb nur noch das Urteil des Centurios ab zu warten.

    Na bitte geht doch, dachte Ofella zufrieden, irgendwann nimmt jeder Vernunft an. Theatralisch seufzte Ofella bei dem flehenden Blick des Händlers. „Wenn es sein muss, obwohl ich dir eigentlich schon mehr geholfen habe als du überhaupt verdient hast. Ich habe dir schon alles abgeladen, weil wir hier keine Wurzeln schlagen wollen.“
    Er hatte wirklich keine Lust ewig auf den Händler zu warten und außerdem hätte der Händler es wirklich nicht alleine geschafft, die Ladung sicher zu verschnüren. So tat er sein Bestes und legte helfend Hand an, damit der Händler endlich mit seinem Maultier verschwand. Zwischendurch schaute er grinsend zu Seneca und Tiburtius.

    „Die Schildkrötenformation?“ Nach einem Augenblick des Überlegens antwortete Ofella weiter.
    „Die Soldaten der ersten Reihe halten ihre Schilde nach vorne. Die folgenden Reihen halten ihre Schilde hoch über ihre Köpfe, so dass sie die Vorangehenden mit bedecken und sich überlappte“ Das müsste eigentlich so richtig sein dachte er und schaute seinen Centurio Erwartungsvoll an.

    Ofella war über den Verlauf des Morgens doch etwas verwundert. Er hatte noch nie einen Tag erlebt, ohne dass es Geschrei, Gemeckere oder Hiebe des Centurios gab. Lag dies nun an ihnen oder hatte der Centurio heute so gute Laune. Dann bekam er auch noch ein Lob, er konnte es fast nicht fassen. Doch der Tag war noch nicht zu Ende, irgendein Haar in der Suppe würde Valerian schon finden.
    Man merkte, dass alle in ihrer Ausbildungsgruppe froh über das Ende der Übungen waren.
    Kaum waren sie in Linie angetreten gab es schon die erste Frage. Ofella seufzte und antwortete: „Formationen werden bei Formationskämpfen, im Kampf oder gegen Reiterei eingesetzt. Deshalb meine Frage Centurio führen wir auch welche durch?“ Nicht dass er es nicht wollte, nur hatte er im Augenblick keine Idee wo und wann sie diese durchführen sollten. Außerhalb der Stadt ja aber hier in Rom? Hier würde sich doch kein Feind reintrauen.

    Die Schmerzen fast waren unerträglich für Ofella, der bisher in seinem Leben noch nie wirklich richtige Schmerzen erdulden musste. Nur das Bild von dem Rücken seines Kameraden ließen ihn durchhalten ohne zu schreien. Er spürte wie er unter jedem Schlag
    zusammenzuckte, wie sich sein Rücken zusammenzog und wieder nach hinten drückt. Mit jedem Schlag spürte er auch den Zug der Fesseln.
    Die Schläge hörten auf die Schmerzen aber nicht. Nachdem der Centurio die Fesseln gelöst hatte wäre er fast an dem Pfahl entlang nach unten gerutscht, schnell klammerte er sich fest da seine Beine zitterten. Nur nicht hinfallen jagte es durch seine Gedanken. Langsam beruhigten sich seine Beine und sein Stand wurde etwas fester, so löste er sich vorsichtig von dem Pfahl.
    Erleichtert stellte Ofella fest, er stand, zwar nicht sicher aber er stand. Nur ob ergehen konnte wusste er nicht. So mit sich beschäftigt hatte er seine Kameraden, die sich näherten noch nicht bemerkt, erst als sie ihm unter die Arme griffen wurde er sich ihrer Gegenwart bewusst.
    Wäre ein See in der Nähe gewesen hätte er sie gebeten dorthin zu bringen um das Feuer auf seinem Rücken zu löschen. So ging er, wenn auch sehr langsam mit ihrer Hilfe zu der Unterkunft, denn geschleppt oder getragen werden wollte er auf keinen Fall.

    Ofella war dankbar, dass er nicht noch einmal die Prozedur wiederholen musste. Zusehen konnte er nicht, er schloss seine Augen und sah bei jedem Schlag den er hörte, sich selber auf den nackten Rücken einschlagen. Lieber jetzt selber alles ertragen, als selber schlagen müssen.
    Fast schon gerne ging er an den Pfahl um seine Schläge hinzunehmen.
    Zähneknirschend ertrug er es ohne das er einen Laut von sich zu geben.
    Und wieder sah er mit jedem Schlag den Rücken seines Kameraden vor sich.

    Das Training der letzten Tage hatte sich bezahlt gemacht. Ofella spürte das seine Kräfte gewachsen waren. Immer genauer wurde die Stöße und die Haltung des Scutums hatte sich verbessert. Die Ausdauer war gewachsen, so dauerte es heute schon länger ehe die Kräfte nachließen.
    Ofella nickte und probierte es gleich noch einmal.

    Tief im inneren wusste Ofella alles was der Centurio zu ihm sagte schon vorher.
    Nun nickte er, mehr um sich selber Mut zu machen und schaute auf den Rücken seines Kameraden. Er atmete tief ein, hob den Stock, der Versuchung die Augen zu schließen widerstand er und schlug zu. Der erste Schlag war getan. Ofella spürte und hörte das Auftreffen, nur sehen konnte er es in dem Augenblick nicht, da Tränen seinen Blick verschleierten. Er wischte sich die Tränen ab und schlug weiter zu, bemüht nie zweimal die gleiche Stelle zu treffen, was mit jedem Schlag schwieriger wurde. Endlich war es geschafft.
    Am ganzen Körper zitternd lies er den Rebstock fallen.
    Alles um sich herum hatte er abgeschaltet.