Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Dem Statthalter. Na super. Zu dem würde er kaum einfach so hinlaufen und ihn bitten können, ob er ihm ein paar Fragen stellen durfte... Wobei Hadamar es auch ein wenig seltsam fand, dass der Aurelier ihm das nicht beantworten konnte. Immerhin war der doch der Tribun der Leibwache des Statthalters – sollten solche Sachen dann nicht gerade in seinem Aufgabenbereich liegen, eigentlich? Hadamar warf dem Mann einen leicht irritierten Blick zu, sagte aber nichts dazu. Entweder war das eine Sache, die er ihm nicht sagen wollte... und von der er ihm noch nicht mal sagen wollte, dass er sie ihm nicht sagen wollte – musste das so kompliziert sein? –, oder er wusste tatsächlich nicht Bescheid, was dann doch irgendwie hieß, dass der Statthalter seinen eigenen Tribun in der Sache außen vor ließ, aus welchen Gründen auch immer. Und beide Varianten waren nichts, wo ein einfacher Optio einen Tribun mit Nachfragen nerven sollte, wenn er nicht gerade die nächsten Wochen irgendeinen Strafdienst leisten wollte... und Hadamar wollte das ganz sicher nicht. Also schwieg er nur dazu und grübelte stattdessen, ob er sonst irgendwie rausfinden könnte, ob der Prätorianer unter Beobachtung stand... Gedanken, die dann allerdings gleich schon wieder weggewischt wurden durch das, was der Tribun als nächstes ausführte. Wenn die Ala II da mit drin steckte... das konnte übel enden. Sehr übel. Und Hadamar fand den Gedanken nicht so abwegig, jedenfalls nicht was die beiden Atier dann betraf – sie waren Familie, und Familienbande waren... stark. Er war sich ja selbst nicht sicher, was er tun würde, wenn seine Verwandten auf der anderen Seite in diesem Krieg stünden. Und es machte einfach Sinn... wenn der Prätorianer den Kommandant der Ala II auf seiner Seite hatte, dann wäre es ein leichtes für die beiden gewesen, irgendwo ein paar Prätorianer über den Bereich der Ala ins Lager zu schmuggeln.


    „Egal wer's war, Hilfe hatten sie auf jeden Fall. Ich frag mich nur warum sie net gleich noch nen bisschen Schaden angerichtet haben, wenn sie schon dabei waren“, brummte Hadamar und konnte gerade noch so den Fluch unterdrücken, der ihm auf den Lippen lag. Irgendwie sah es gerade nicht so aus, als ob es noch etwas gab, was er tun könnte. Am liebsten hätte er den Prätorianer irgendwie, irgendwo beim Trinken und Spielen erwischt, sich dazu gesellt, und mit ihm geplaudert, ganz zwanglos, bei Bier und mit Würfeln... aber das hier war ein Marschlager. Es gab keinen Platz, wo sich Soldaten unterschiedlicher Einheiten einfach so trafen. Die blieben alle unter sich, und wenn sie am Abend noch ein bisschen Spaß hatten, hatten sie es im kleinen Kreis am eigenen Lagerfeuer. Es würde auffallen, wenn er einfach so bei der Ala aufkreuzte oder im Gefolge des Statthalters und sich dort nach dem Prätorianer umsah. Der einzige andere Weg, der ihm noch einfiel, war der offizielle... der über seinen Legat. Aber nachdem der am Morgen kaum mehr gesagt hatte zu dem Verdacht, als dass er den Prätorianer nicht bei der Secunda haben wollte, glaubte Hadamar kaum, dass er einwilligen würde offiziell beim Statthalter anzufragen deswegen...
    Jetzt entwischte ihm doch ein leiser Fluch. „Wenn der Statthalter ihn hier haben möcht, geh ich mal davon aus, dass es keine Möglichkeit gibt, den Prätorianer zu befragen. Oder?“ machte er noch einen letzten Versuch. Mehr als nein konnte der Tribun kaum sagen... naja, vielleicht ihn rügen, weil ihm das dann doch zu dreist wurde.

    Salvete? Hadamar konnte sich nicht erinnern, wann er je von einem Vorgesetzten so begrüßt worden war. Ein gebrülltes angetreten, ein freundlicheres steht bequem, Männer, oder auch einfach gar keine Begrüßung, sondern das direkte Übergehen zur Tagesordnung, nachdem jemand Meldung gemacht hatte, das waren so die Sachen, die er gewohnt war. Lief das anders, wenn die Centurionen mit den höheren Rängen zusammen waren?
    Was ihm allerdings gefiel, war die klare Ansage, die danach kam. Vor allem der Teil, wo der aurelische Tribun ausführte, dass er nicht hinter der Legio Prima zurückstehen wollte. Hadamar grinste flüchtig, und er hätte zustimmend gebrüllt, wenn das hier eine Ansprache vor der ganzen Legion gewesen wäre.


    Als der Tribun geendet hatte, herrschte zunächst allerdings einen Moment Schweigen – bevor Hadamar den Blick des Centurios der zweiten Centurie auffing, der ihm unmissverständlich zu verstehen gab, dass er gefälligst anfangen sollte. Ob er das jetzt tun sollte, weil einfach der richtigen Reihe nach die Berichte erstattet werden sollten... oder ob die anderen nicht erst mal an ihm sehen wollten, wie der Tribun so drauf war, wusste Hadamar nicht, aber er vermutete, dass Letzteres zumindest durchaus willkommen war. War doch immer schön, wenn man das schwächste Glied in der Kette vorschicken konnte, und das sogar noch, ohne dass es auffiel.
    Er trat also vor, stand stramm und begann: „Optio Lucius Duccius Ferox, in Vertretung für Pilus Primus Marcus Artorius Massa. Cohors I, Centurie I hat aktuell 155 Mann in Kampfstärke; 3 sind verletzt, 1 ist krank, 1 im Gebirge verunglückt, keiner desertiert. Die Stimmung steigt aktuell wieder, seit wir die Berge hinter uns gelassen haben. Die Zettel hatten wenig Wirkung – fürs Abliefern wurde gut gezahlt, so sind die schnell verschwunden, und für Tratsch waren die meisten in den Tagen danach abends zu müde. Und die zerstörte Brücke hat genauso wie das Auftauchen der Zettel eher für Ärger als für Demoralisierung gesorgt.“ Unter anderem deshalb, weil Hadamar und ein paar andere aktiv dafür gesorgt hatten, dass der Ärger angestachelt wurde. Ärger über die eigenen Kameraden, die gepennt hatten bei den Zetteln, Ärger über den Feind, und das Bedürfnis zu zeigen, dass sie sich von so was nicht fertig machen ließen. Das Bedürfnis, es dem Feind heimzuzahlen. „Um die Vorratsbestände hat sich dein Vorgänger gekümmert, Tribun... die Versorgung in den Bergen war aber ziemlich knapp bemessen. Das war eher ein Problem für die Moral als die Zettel oder die Brücke.“ Was hatte er noch gefragt? Ah ja. Kampfstärke. Gerade in der ersten Cohorte war das fehlende Training allerdings weniger ein Problem, weil hier die Soldaten zu großen Teilen aus gedienten Veteranen bestanden, die jahrelange Übung hatten. Im Gegensatz zu den jungen Soldaten kamen die nicht ganz so schnell raus, und bei den paar Trainingseinheiten – die nur leider aufgrund des Geländes eingeschränkt gewesen waren –, die sie zwischendurch einschieben konnten, hatte sich das auch immer wieder gezeigt. Hadamar hatte da zu seinem eigenen Leidwesen festgestellt, dass er selbst noch die größten Schwierigkeiten hatte, seinen Standard zu halten. „Was größere Manöver angeht, könnten die Männer Auffrischung vertragen. Davon abgesehen hat die Kampfstärke wenig gelitten. Ein paar intensive Trainingseinheiten mit ausreichend Platz, und die Männer sind auf Standard.“ Hadamar verstummte, blieb aber noch vorne stehen, immer noch stramm, den Blick stur geradeaus gerichtet – während er sich zugleich fragte, ob er dem Tribun erzählen sollte, dass er genau solche Sachen seit Beginn des Marsches jeden Tag für den Pilus Primus einsammelte und ihm berichtete. Der Tribun sollte im Stab diese Informationen dann ebenfalls bekommen... eigentlich. Oder gab es da doch mehr Ärger? Das Gespräch mit Alrik kam ihm wieder in den Sinn, aber Hadamar schob das für den Moment beiseite. Vielleicht nutzte der Tribun die Gelegenheit jetzt ja nur, um seine untergebenen Centurionen kennen zu lernen, was ganz sicher nicht das Schlechteste vor einem Krieg war.

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    Original von Titus Duccius Vala & Marcus Marius Madarus


    Für einen Moment war Hadamar irritiert. Nicht so sehr weil Sönke nicht nur unterwürfiger als er eintrat, sondern tatsächlich salutierte, sondern eher wegen der Reaktion Alriks. Als er ihn vor der Alpenüberquerung aufgesucht hatte, hatte er sich auch noch förmlicher gemeldet, und da war sein Vetter so völlig darüber hinweg gegangen, dass er gedacht hatte... naja... Familie halt, trotz Rangunterschied. Auch wenn es dieselbe Unterschiede freilich auch innerhalb der Familie gab, aber mit Witjon beispielsweise ging Hadmaar ja auch deutlich ungezwungener um als mit seinen Vorgesetzten beim Militär. Allerdings: das war nicht das erste Fettnäpfchen, in das er getreten war... und es würde auch lange nicht das letzte sein, das war ihm auch selbst klar. Trotzdem blieb er für einen Augenblick stehen und zögerte, unschlüssig, was er tun sollte – bis aus Alriks Verhalten schließlich klar wurde, dass er das auch nicht ernst nahm. „Schee wars, wann i so a Zeid hätt“, grinste er dann schief zurück und warf Sönke einen kurzen Blick zu. Irgendwie hielt er es durchaus für möglich, dass der sich trotz Alriks Aufforderung keinen Fingerbreit bewegen würde... also fackelte Hadamar nicht lange und wartete gar nicht erst ab, wie der Freund reagieren würde. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter, schob ihn mit sich nach vorn, zu dem Tisch hin, an dem Alrik saß, und drückte ihn da auf einen der Hocker, bevor er sich mit dem Fuß einen weiteren heranzog und ebenfalls hinsetzte. Und wieder zu grinsen anfing, als er das Essen sah, das Alrik ihnen gerade so bereitwillig überließ. „Da hosd was guad... i ko an Fraß bold nimmer seng, den mia kriang.“ Er zog eine der Schalen zu sich heran und nahm sich ein Stück von dem Schweinefleisch – hielt dann aber doch inne, als Alrik weitersprach. „Ja...“, antwortete er langsam. „Hods Erga gem?“

    „Hum?“
    „Der neue Tribun will die Centurionen der ersten beiden Cohorten sprechen. Der Pilus Primus ist aber schon in einer anderen Besprechung. Deswegen musst du da hin, Optio“, wiederholte der Soldat ungerührt. Hadamar unterdrückte den Impuls, das Gesicht zu verziehen. Er hatte sowieso schon genug zu tun, weil der Artorius so häufig unterwegs war, in Stabsbesprechungen eingebunden mit der Legionsspitze. Jetzt noch an einer Besprechung mit dem neuen Tribun teilnehmen... und dann auch noch als einziger Optio, denn er ging stark davon aus, dass es kein anderer Centurio wagen würde, den neuen Tribun zu versetzen. Hatte ja wohl auch keiner so eine gute Begründung dafür.
    Hadamar wedelte schließlich nur mit der Hand zum Zeichen, dass der Kerl verschwinden konnte, und prüfte dann den Sitz seiner Rüstung, während er darauf wartete, dass die anderen vier Centurionen auftauchten. Gemeinsam machten sie sich dann auf zum Zelt des Tribun, wo sie kurz nach den Centurionen der zweiten Cohorte eintrafen. Während Hadamar als letzter eintrat und sich entsprechend seines Rangs positionierte, war es der Centurio der zweiten Centurie, der sie als angetreten meldete.

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    Original von Titus Duccius Vala
    ..und das Pulverfass, welches dazu gehörte war die zweite Legion. Genau deshalb hatte Vala bereits kurz vor der Beförderung des aurelischen Tribuns zum aurelischen Tribun gewisse Männer der zweiten Legion zu sich beordern lassen. Nicht gleich die ganz hohen Tiere, weil das sofort nach Vereinnahmung gerochen hätte.. sondern Männer, zu denen er ohnehin Bindungen pflegte. Unter den Männern der Legio Due waren das sein Vetter Lucius Duccius Ferox, praktischerweise Optio des nicht einflusslosen Primus Pilus und damit selbst an nicht unerheblicher Position.. und der einfache Soldat Marcus Marius Madarus, der ein unscheinbares Licht in der zweiten Cohors war.. aber auch aus nichts konnte man mit viel Geschick etwas formen.


    Während Vala auf die Männer wartete, gönnte er sich selbst eine kleine Mahlzeit aus dem üblichen Soldatenfraß plus Annehmlichkeiten wie gebratenes Schweinefleisch oder richtigem Bier.


    Hadamar hatte gerade eine Schüssel undefinierbare Pampe in sich reingeschaufelt, während er sich die Bilanz des Tages der Cohors I hatte erzählen lassen – es war ganz eindeutig einfacher, die Leute zu sich kommen zu lassen, anstatt ständig wen loszuschicken, und noch viel mehr als so viele wie möglich selbst abzuklappern, hatte er festgestellt, und nach ein bisschen Knirschen im Getriebe hatte er auch durchgesetzt, dass die Berichte zu ihm gebracht wurden, was nichts anderes hieß als: er wurde tatsächlich besser in diesem Vorgesetzten-sein-Ding –, dabei war er also gerade gewesen, als ein Bursche von der VIII auftauchte und ihm mitteilte, Tribun Duccius wünsche ihn zu sehen. Was Hadamar erst mal ein paar komische Blicke eingetragen hatte, auch wenn die Soldaten sich in diesem Moment wenigstens bemühten, sich das nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Dass sein Vetter faktisch die Legio VIII anführte, stieß nach wie vor nicht überall Neutralität, geschweige denn Begeisterung, und seitdem sie mit der VIII gemeinsam marschierten und es die Runde gemacht hatte, wer sie anführte, hatten sich auch wieder die Stimmen gemehrt, die behaupteten er hätte seinen Posten durch den Einfluss seiner Familie und Schmiergelder bekommen. Allerdings hatte Hadamar so langsam angefangen, sich auch damit abzufinden... er wusste nicht, ob sein Name eine Rolle gespielt hatte bei seiner Beförderung. Vermutlich hatte er das. Aber daran konnte er nichts ändern, das war auch so eine Sache, mit der er angefangen hatte sich abzufinden... er war einfach älter geworden. Ein bisschen reifer. Er rebellierte nicht mehr so sehr gegen das, was es hieß ein Wolfrikssohn zu sein, oder besser: er hatte seine Rebellion ja gehabt, er war zur Legio gegangen, gegen den Wunsch seiner Familie, und er hatte das durchgezogen, die Grundausbildung, die Zeit als Legionär, dabei hatte ihm keiner helfen können, und das war eine Tatsache, die ihm keiner nehmen konnte, und das war es, was ihm immer so wichtig gewesen war... dass er zeigte, dass er auf seine Familie nicht angewiesen war. Dass er Dinge ohne sie schaffen konnte. Hatte er. Also warum sich weiter gegen die Vorteile wehren, die sein Name mit sich brachte, und die ihm irgendwie sowieso immer über den Weg liefen, ob er wollte oder nicht? War irgendwie unsinnig, fand er. Also grinste er den Soldaten, die ihm Blicke zuwarfen, nur ein wenig schräg zu und nickte kurz. „In Ordnung, Miles, gehen wir.“
    „Uhm. Entschuldige, Optio, ich kann noch nicht mit. Ich soll noch wen holen.“
    Hadamar, der schon einen Schritt gemacht hatte, drehte sich noch mal halb um und sah den Kerl an. „Für den Tribun? Wen?“
    „Miles Marius Madarus“, kam es wie von der Sehne geschnellt. Hadamar grinste flüchtig.
    „Kannst verschwinden. Ich bring ihn mit.“


    Kurze Zeit später tauchte Hadamar, Sönke im Schlepptau, vor dem Zelt seines Vetters auf, und nachdem er durchgewunken worden war von den Wachen – immerhin wurden sie ja erwartet –, schlug er ohne viel Federlesens und ohne große Ankündigung oder gar auf eine Antwort zu warten die Zeltplane zurück – immerhin wurden sie ja erwartet. „Heilsa, Alrik. Was gibt’s?“

    Hadamar grübelte über das, was der Tribun sagte. Einfaches Gemüt. Könnte aber vorgespielt sein. Er fragte sich nur, warum dieser Prätorianer sie nicht nur begleitete, sondern auch noch völlig frei im Lager herumlaufen durfte, wenn seine Kameraden doch offenbar den Kaiser umgebracht hatten. Den alten. Selbst wenn er tatsächlich helfen wollte, Hadamar hätte ihn wenigstens unter Beobachtung gestellt und ihn nicht allein rumlaufen lassen. Aber er hütete sich, den Tribun zu fragen warum das so war. Die unteren Ränge stellten nicht in Frage, was die Obrigkeit tat, so einfach war das. Schon gar nicht, wenn da ein Unterschied von mehreren Rängen dazwischen lag. Er konnte bei seinem eigenen Centurio in ruhigen Momenten nachfragen, manchmal sogar Zweifel äußern – ein bisschen war er ja als Optio dafür da, und ein bisschen nahm er sich das einfach heraus, auch wenn er dafür hin und wieder eins auf den Deckel bekam. Aber bei allen anderen Ranghöheren konnte er das ganz sicher nicht.


    Der Tribun allerdings schien nach wie vor nicht ungewillt zu sein, mit ihm zu reden... auch wenn Hadamar seine Ausdrucksweise ziemlich gestochen fand, und er zum ersten Mal seit langem feststellte, dass Latein, so fließend er es mittlerweile sprach, eben doch nicht seine Muttersprache war. Und er sich, vor allem nach dem langen Tag heute, gerade doch ziemlich konzentrieren musste, den Worten zu folgen. Aber: der Tribun redete, also beschloss Hadamar, die Gelegenheit zu nutzen und sich weiter voran zu tasten. Die erhaltenen Informationen konnte er immer noch später gedanklich vernünftig sortieren. „Er scheint sich frei im Lager bewegen zu können. Weißt du, ob er unter Beobachtung steht?“

    Hadamar war doch ein wenig erleichtert, dass der Tribun ihn nicht kurzerhand wieder fortschickte, sondern zumindest gewillt war sich weiter mit ihm zu unterhalten. Er löste seine Haltung und folgte dem Aurelier, hielt mit seinem forschen Tempo problemlos mit, blieb dabei aber stets einen halben Schritt zurück, wie immer, wenn er mit Vorgesetzten unterwegs war. Er hätte gar nicht mehr sagen können, wann genau ihm das in Fleisch und Blut übergegangen war... aber es war irgendwann nach seiner Beförderung zum Optio gewesen. Davor hatte er nicht so viel Wert auf solche Dinge gelegt... hatte nur getan, was gerade so nötig war, und hatte es trotzdem immer mal wieder geschafft, sich Schwierigkeiten einzuhandeln deswegen. Nachdem er Optio geworden war allerdings hatte er ziemlich schnell gelernt, dass es Dinge gab, um die er da einfach nicht mehr herumkam. Und obwohl er auch vorher schon gewusst hatte, dass Dinge wie Disziplin ihren Sinn hatten, war es doch eine Sache, das zu wissen, und eine andere, es tatsächlich zu erfahren.


    Er folgte dem Tribun also die Wälle hinauf und wartete, bis dieser wieder zu sprechen begann. „Er ist mir heut morgen über den Weg gelaufen“, antwortete er dann, während sie den Wall oben abschritten, und überlegte kurz, was genau er erzählen sollte. Und wie viel. Er wollte den Tribun ja überzeugen, ihm seine Einschätzung zu geben, ihm vielleicht sogar zu erzählen, was er mit dem Prätorianer besprochen hatte – sagte er zu wenig, oder zu viel, oder schlicht das Falsche, würde der Aurelier vielleicht kein Interesse daran haben ihm irgendwas zu sagen. Bei seinem Legat zumindest hatte er wohl zu viel geschwafelt, befürchtete er. „Er meinte, das mit den Zetteln letzte Nacht wären seine Kameraden gewesen – keine Ahnung, warum er das so rausposaunt hat, aber er ist verschwunden, bevor ich ihn was fragen konnte.“ Hadamar fand es immer noch seltsam, dass der Decurio einfach nur diesen Kommentar hatte fallen lassen, nur um danach gleich wieder zu gehen. „Hältst du es für möglich, dass er den Eindringlingen geholfen hat?“

    Götter... Götter! Hadamar hatte sich ja vorstellen können, natürlich, dass es anstrengend werden würde, er hatte ja sogar bis vor kurzem sehr standhaft seine Zweifel gehegt, ob man über diesen Koloss überhaupt drüber kommen konnte. Aber so anstrengend? Hätte er trotz allem nicht gedacht. Dass der Anblick da oben fantastisch gewesen und immer fantastischer geworden war, je höher sie kamen, hatte ihn da nur wenig getröstet, vor allem, weil er dafür eigentlich eher weniger Augen im Kopf hatte. War halt Natur... bei den Viechern hatte er sich nur gewünscht, jagen gehen zu können, um endlich mal wieder was Vernünftiges in den Magen zu bekommen zur Abwechslung. Und was die Berge anging: die waren doch einfach nur im Weg. Klar, gäbe es einen leichten Weg da irgendwie rauf zu kommen, Hadamar hätte die Aussicht wohl doch ein bisschen mehr genossen, aber so wie der Stand der Dinge war, hatten die ganzen Steine und Felsen für ihn nur eines bedeutet: Anstrengung. Mehr als sowieso schon. Hadamar hätte die atemberaubende Aussicht jederzeit gegen ein flaches, problemloses Gelände eingetauscht. Und auch wenn ein Rüberkommen ganz offensichtlich möglich war – spätestens als sie die Baumgrenze hinter sich gelassen hatten, hatte Hadamar beschlossen, dass das wohl doch stimmen könnte –, war es trotzdem gefährlich gewesen, und es hatte einige gegeben, die es nicht geschafft hatten... aus verschiedensten Gründen. Was Hadamar mitbekommen hatte, jedes Mal, weil er unter anderem solche Informationen für den Primus Pilus sammelte, der sie dann weitergab an den Legaten und seinen Stab.


    Die beiden Legionen und die Hilfstruppen hatten sich also irgendwie durch die Berge geschlängelt, stets auf den Wegen, die am einfachsten waren – eine Formulierung, die in Anbetracht der Herausforderungen, die ihnen da begegneten, wie Hohn klang, und nicht nur in Hadamars Ohren. Aber irgendwann hatten sie auch das geschafft. Hinüber. Über diesen riesigen, grauen Koloss. Irgendwann tauchten sie wieder in eine Welt ein, die nicht nur aus Steinen und Schnee bestand, sondern Pflanzen hatte, die immer größer wurden und immer weniger windschief waren, bis sie tatsächlich endlich wieder etwas begegneten, was man guten Gewissens Baum nennen konnte, die Tiere waren auch nicht mehr so irre und sprangen über die absurdesten Routen quer über die Felsen, wie manche der Bergviecherl es getan hatten, und die Luft erst... die Luft wurde mit jedem Stück, das sie abwärts kamen, wieder energiegeladener, kam es ihm vor. Oben in den Bergen war sie zwar schneidend klar gewesen... aber irgendwie auch dünn. Kraftlos. Aber jetzt war das vorbei, mehr noch: sie waren in einer Region angekommen, in der sie die Berge als hinter sich gelassen bezeichnen konnten. Endlich.

    Lange warten musste er nicht, was er schon mal als Plus wertete – kaum dass die Wache sich umdrehte, um ins Zelt zu schauen, trat der Tribun auch schon hinaus. Hadamar konnte sich noch an das Fest erinnern, bei dem er den Mann kennen gelernt hatte, als... Bekannten, Verbündeten, Freund? von Alrik, aber er bezweifelte, dass der sich umgekehrt an ihn erinnerte. Es hatte eine Menge neue Gesichter gegeben für den Aurelius an diesem Abend, und viele davon waren wichtiger gewesen als er. Davon abgesehen hatte er an dem Abend kaum Zeit mit seiner Familie verbracht, sondern hatte sich recht bald verzogen, um die Petronia zu finden und danach mit seinen Kumpanen von früher zu feiern. Aber für den Grund, warum er hier, spielte das keine Rolle. Er salutierte vor dem Tribun erneut, sparte es sich allerdings, die komplette Meldung zu wiederholen. „Entschuldige die Störung, Tribun“, fing er an und warf aus dem Augenwinkel heraus einen kurzen Blick auf die Wachen, die in unmittelbarer Hörweite standen. Aber das lag nicht an ihm zu entscheiden, wo sie sich unterhalten würden, vorausgesetzt der Tribun hatte überhaupt Zeit dafür. Oder Lust darauf. Sein eigener Legat hatte ja nicht viel mehr zu dem Thema gesagt als dass er den Prätorianer nicht in der Nähe der Secunda haben wollte. „In unserem Heer ist ein Prätorianer... Decurio Atius.“ Es wäre einfacher gewesen, wenn er einen offiziellen Auftrag gehabt hätte, den er einfach runter rattern konnte... aber half ja nix, also rückte Hadamar einfach unverblümt raus mit der Sprache. „Ich hab gehört, du hast in Mogontiacum mit ihm gesprochen, und würd gern wissen was du von ihm hältst.“

    Nachdem das Gespräch mit seinem Legaten beendet war und dieser ihn entlassen hatte, machte Hadamar sich zuerst mal daran, die Befehle umzusetzen, die er gekriegt hatte. Er ließ die Info verbreiten, dass auch in der Legio II für jeden Wisch etwas gezahlt wurde, gemeinsam mit der Order, dass höchstens ein Mann pro Contubernium sich darum kümmern durfte, während der Rest das Lager abzubauen und Marschbereitschaft herzustellen hatte. Danach rief er ein paar seiner Leute zu sich, denen er vertraute – er hatte immer noch einen schweren Stand, er kämpfte immer noch um Respekt und Anerkennung, auch wenn die Ablehnung nicht mehr so schlimm war, nicht mehr so offen, und vor allem nicht mehr bei so vielen... und ja, ein paar gab es mittlerweile, denen er eben tatsächlich auch vertrauen konnte, was allerdings nicht bei allen unbedingt gleichbedeutend war damit, dass diese ihn nicht ablehnten, sondern dass es aufrechte Kerle waren –, denen er den Auftrag gab, sich unauffällig umzuhören. Die Stimmung zu erforschen. Geschwätz aufzugreifen. So gut das möglich sein würde im Verlauf des morgendlichen Aufbruchs, und dann später am Abend, wenn sie wieder rasten würden. Ein weiterer wurde dazu abgestellt, sich offiziell am Abend die Berichte der anderen Cohorten zu holen, wie die Stimmung aussah, und Hadamar selbst nahm sich freilich ebenfalls vor, sich umzuhören. Er hatte lange nicht mehr so viel Zeit wie früher, einfach im Lager herumzustreifen abends und sich mal hier, mal da mit irgendwelchen Kameraden zusammenzusetzen, zu spielen, zu trinken, zu feiern, aber wenn er Zeit dazu hatte, machte er das immer noch... schon allein weil es ihm einfach Spaß machte, und weil er das in seiner eigenen Centurie einfach nicht mehr konnte. War einfacher in den anderen, wo sie ihn nicht notwendigerweise als Optio der Prima kannten. Und die von früher kannte er ja freilich immer noch. Einen Versuch war es also definitiv wert, sich auch selbst umzuhören.


    Am Abend machte Hadamar dann allerdings trotzdem zuerst was anderes, als das Lager stand und so weit alles geregelt war. Ihm ging der Prätorianer-Decurio nicht aus dem Kopf... und nach dem, was er erfahren hatte, war der Kerl nicht einfach nur so dabei – was ihn auch gewundert hätte –, sondern war in Mogontiacum festgesetzt gewesen und befragt worden. Jetzt hätte Hadamar freilich einfach darauf vertrauen können, dass das alles schon seine Richtigkeit gehabt hatte, aber... naja. Hadamar vertraute ungern blind auf das, was andere getan hatten, die er noch nicht mal kannte. Und er wollte gern ein bisschen mehr wissen, und das nicht über x Ecken, sondern so direkt wie möglich. Also machte er sich auf den Weg ins Zentrum ihres Heeres, dort, wo stets der LAPP war – was zum Glück nicht allzu weit weg war von seinem eigenen Lager, da das Heer zum einen durch das gemeinsame Riesenlager vergangene Nacht auch jetzt noch relativ dicht beieinander war, und zum anderen die jeweiligen Kommandanten in Reichweite zu bleiben versuchten, um sich rasch abstimmen zu können... und die Prima der II blieb freilich in der Nähe ihres Legaten. Es dauerte also nicht allzu lang, bis Hadamar das Lager des LAPP und seiner Leibwache erreicht hatte und sich dort bei der Wache meldete. „Optio Duccius Ferox von der Secunda, Cohors I, Centuria I“, salutierte er. „Ist Tribun Aurelius zu sprechen?“

    Hadamar lief mit dem Legat mit, stets einen halben Schritt zurück, und ließ seinen Blick ebenfalls über die Wälle schweifen, während er der Reaktion auf seine Worte zuhörte. „Nach meiner Information ist der Decurio im Umkreis des LAPP untergebracht“, antwortete Hadamar, und nickte zur darauf folgenden Anweisung. „Zu Befehl, Legat“, kam knapp über seine Lippen, während er schon überlegte, wie er das umsetzte... einer pro Contubernium war gut, die Zeltgemeinschaften konnten sich die Kohle dann teilen, und vielleicht schlossen sich auch mehrere zusammen. „Ich werd die Ohren offen halten, was die Männer sich so erzählen.“ Den Tag über, während des Marschs, vermutlich nicht allzu viel, aber spätestens heute Abend dann würde es wohl Tratsch geben. „Wenn ich einen Vorschlag machen darf, Legat?“ Diesmal wartete Hadamar, bis der Legat ihm die Erlaubnis erteilte weiter zu sprechen. Er hatte ihn zwar nicht gerügt... aber es war auffallend genug, dass er auf das meiste gar nicht eingegangen war von dem, was Hadamar gesagt hatte. Und es war nicht allzu schwer sich denken zu können, was das hieß – vor allem dass er wohl Glück gehabt hatte, keinen Rüffel zu kriegen. In jedem Fall aber, dass es besser war für sich zu behalten, was nicht über die Anforderungen des Legaten hinausging. Wäre vielleicht sogar besser gewesen, ganz die Klappe zu halten, nicht einmal mehr zu fragen ob er einen Vorschlag machen durfte... aber das brachte Hadamar dann doch nicht fertig, dass er stumm blieb, wenn ihm eigentlich was auf der Zunge lag.

    Als es plötzlich nicht mehr weiter ging, war nicht nur Hadamar erst mal verwirrt... allerdings erfuhr er eher als die meisten anderen, was los war. Schon wieder Aktion ihrer Gegner, die ihnen Steine in den Weg legten, diesmal ein Hinterhalt, und zwar einer, der sie um einiges zurückwerfen würde. Mit der Info darüber hatte er darüber hinaus eine Anordnung bekommen: Materialbeschaffung. Für den Brückenbau. Sobald der Hinterhalt Geschichte war. Hadamar hatte den Boten nur angestarrt, der ihm den Befehl überbracht hatte – die Frage, die ihm auf der Zunge lag, hatte er wohlweislich für sich behalten: wo um alles in der Welt sollten sie hier Material für eine Brücke herkriegen?
    Das allerdings hatte nicht lang gedauert, bis sie das gelöst hatten... gab ja nicht viel Auswahl. Hadamar hatte sich mit den anderen Offizieren der ersten Cohorte beraten, und sie waren schnell zu dem Schluss gekommen, dass sie auf eines ohnehin würden verzichten müssen: die Karren, die sie mit sich führten. Nach allem, was sie von den Bergführern wussten, gab es in vernünftiger Reichweite keinen anderen Weg über die Schlucht... und sie konnten vielleicht irgendwas zusammenbasteln, was die Legionäre trug, vielleicht auch die Mulis und Pferde, wenn man sie vorsichtig hinüber führte, aber ganz sicher nichts, was die Karren aushielt. Also konnte man das Holz genauso gut anderweitig nutzen. Hadamar gab also Anordnung, dass das Zeug, das sie mit sich führten, umgeladen und die Karren zerlegt werden sollten, so, dass sie sie leicht würden verwenden können.
    Es dauerte bis die Nacht hereinbrach, bis endlich die Nachricht kam, dass zumindest die Situation vor Ort geklärt war. Der Stützpunkt ihrer Gegner, von dem aus die Aufklärer zuerst unter Beschuss genommen worden waren, war plötzlich verwaist gewesen. Kein Beschuss mehr, nichts, nur ein paar Feuer, die dort flackerten und offenbar den Anschein erwecken sollten, dass dort noch jemand war... und irgendwann war eben aufgefallen, dass sich tatsächlich keiner mehr dort befand. Spätestens dann, als auf der anderen Seite erneut ein paar Leute aufgetaucht waren, die sich als Equites der Ala I herausstellten, samt sie anführendem Leibwachentribun. Jetzt am Abend war allerdings nicht mehr viel zu machen als das Material heran zu schaffen, für den eigentlichen Bau war es bei Nacht zu gefährlich, aber sie hatten sich ohnehin bereits darauf eingestellt, eine längere Zeit hier zu verbringen. Es waren teilweise denkbar ungünstige Lagerplätze, die sie hier gezwungen waren zu beziehen... aber es half nichts, sie hatten keine Wahl. Einfach umdrehen war bei annähernd 10.000 Mann schwer möglich.


    Hadamar hatte die Tage nicht gezählt, bis sie endlich fertig waren. Nach knapp zwei Tagen waren vier Leute von gegenüber aufgetaucht, und während die Equites sich zum Zentrum des Heerzugs durchschlängelten, wo der Legat der II, der Tribun der VIII und der LAPP zu finden waren, um Bericht zu erstatten, wurde ein Trupp aus Legionären zusammengestellt, die sich auf dem bisherigen Weg als geschickt und trittsicher erwiesen hatten... Männer mit Gebirgserfahrung oder solche, die einfach ein Naturtalent waren. Diesen Trupp brachte der Bergführer rüber, und nach und nach etablierten sie auch so ein konstantes Tröpfeln an Milites, gesichert durch Seile, die auf diesem Weg die andere Seite erreichten, während der Rest weiter daran arbeitete, im Wechsel und mittlerweile sogar auf beiden Seiten, wieder ein provisorisches Etwas herzustellen, das man eigentlich nicht Brücke schimpfen konnte, das aber wohl genügen würde, um Männer und Viecher rüber zu schaffen.
    Und irgendwann war es so weit: sie konnten beginnen mit dem übersetzen. Nach und nach schlängelte sich das Heer erneut vorwärts, überwand das Nadelöhr Schlucht und zog sich weiter nach Süden, immer weiter. Für die vordersten war der Vorfall an der Via Mala Schlucht nur noch Erinnerung, als die letzten es endlich schafften überzusetzen, und mehr als ein Mann und mehr als ein Gaul hatten dran glauben müssen, weil sie einen Fehltritt gemacht hatten und kreischend in die Tiefe gestürzt waren. Die Schreie der Pferde waren dabei fast noch entnervender als die der Männer, wie Hadamar feststellen musste, als kurz bevor er mit der ersten Centurie an die Reihe kam eines der Viecher Panik bekam, ins Straucheln geriet und in der Tiefe verschwand... nicht ohne vorher seinen Führer ins Verderben gestürzt zu haben, indem es ihm einen Huftritt verpasst hatte, dem der Mann nicht mehr rechtzeitig hatte ausweichen können.
    Entsprechend nervös war Hadamar, als er dran war. Menschen waren nicht dazu gemacht, in dieser unwirtlichen Gegend unterwegs zu sein. Absolut nicht. Und schon ganz und gar nicht dafür, auf einem wackligen Ding über eine derartige Schlucht zu kraxeln. Leichter wurde das Ganze nur, weil sie gar keine Wahl hatten, so wie sie auch bei den bisherigen gefährlichen Stellen keine Wahl gehabt hatten... Hadamar hatte also nur die Zähne aufeinander gebissen, so fest, dass sie ihm eine halbe Stunde später immer noch weh taten. Aber: er hatte es geschafft. Und mit ihm, irgendwann, nach Tagen und Tagen, auch der gesamte Rest ihres Heeres.

    Hadamar nickte und folgte dem Legaten stumm ins Freie, immer einen halben Schritt hinter ihm – nahe genug auf seiner Höhe, dass er seinen Bericht ohne Probleme würde hören können, weit genug zurück, um nicht etwa anmaßend zu wirken, weil er neben ihm ging. „Wenig, Legat“, fasste Hadamar erst mal kurz und bündig zusammen. Was brachte es auch schon, um den heißen Brei herumzureden? Da hätte er auch gleich in die Verwaltung gehen können, wie von seiner Mutter gewünscht. „ Die Milites sind grad eher verwirrt, die meisten können nicht lesen, der Inhalt hat sich noch nicht so herumgesprochen. Die Order ist, dass die Blätter eingesammelt und verbrannt oder abgegeben werden sollen. In der Legio VIII werden sechs Sesterzen pro Wisch gezahlt, der zum Stab gebracht wird, ich denk damit werden die die meisten erwischen. In der Cohors II wurde heute Morgen sicherheitshalber Alarm ausgegeben und die Wälle zusätzlich bemannt, der Rest der Legio ist sich in Alarmbereitschaft. Ich hab einige Milites meiner Centurie losgeschickt, um Informationen zu sammeln, in den Cohorten, bei der Legio VIII, rund um die Wälle. Eine Spur der Eindringlinge haben sie aber noch nicht zu gefunden.“ Würden sie wohl auch nicht mehr. Was auch kein Wunder war... dass die Kerle gut waren, hatten sie ja schon bewiesen, indem sie es geschafft hatten ins Lager zu kommen.
    „Mir sind verschiedene Möglichkeiten eingefallen, wie sie das geschafft haben könnten...“ Hadamar wartete nicht groß ab, bis der Legat ihm erlaubte weiter zu sprechen. Er war ja ohnehin schon immer etwas laxer gewesen... Und dadurch, dass der Artorius so viele andere Aufgaben als Primus Pilus noch hatte, war Hadamar auch nicht übermäßig gedrillt darauf, sich in Gegenwart von Vorgesetzten hundertprozentig korrekt zu verhalten. Der einzige Höherrangige, mit dem er wirklich öfter Kontakt hatte, war Corvinus. Mit dem er befreundet war und sowieso anders umging. Ohne darüber nachzudenken fuhr er also fort: „Erstens: irgendein Wachdienst hat doch gepennt und traut sich nicht, das zuzugeben. Mein Vorschlag wär, alle eingehender zu befragen, um herauszufinden, ob nicht doch jemand nachlässig war.“ Und mit eingehend meinte Hadamar sicher nicht, sie einfach nur in einer Einzelsitzung lieb zu fragen... das hätte böse ausgehen können. Richtig böse. Wer auch immer sich reingeschlichen hatte, hätte genauso gut auch Kehlen aufschlitzen können. Unter anderem seine Kehle... So was nahm Hadamar übel. „Zweitens: es sind immer wieder Abordnungen der Aufklärer unterwegs, auch nachts kommen welche zurück. Vielleicht haben sie sich als die ausgegeben und sind damit durchgekommen.“ Bei entsprechend selbstsicherem Auftreten war das möglich... Hadamar wusste aus eigener Erfahrung, mit wie viel man durchkommen konnte, wenn man alle anderen nur mit einer Mauer aus Selbstsicherheit umhaute. Dazu kam, dass ihr Heer aus zwei Legionen und zwei Alae bestand, keiner konnte da alle kennen... das machte es nur umso einfacher. Variante Nummer zwei gefiel ihm persönlich am besten, er jedenfalls hätte es so versucht. „Auch in dem Fall müssen aber die Wachen noch genauer befragt werden, bisher hat keiner etwas gemeldet, dass jemand in der Nacht zurückgekommen ist. Und drittens: Sie hatten Hilfe von drinnen. Unzufriedene gibt es immer... und außerdem haben wir Gesellschaft von einem Prätorianer. Ein Decurio namens Atius Romanus.“

    Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates et alii


    Der Veteran salutierte und verschwand aus dem Zelt, suchte dann seinen Optio und machte Meldung, bevor er schließlich seinen Posten bei der Leibwache einnahm.


    Hadamar derweil versuchte aus all den Meldungen, die die Milites seiner Centurie zurück brachten, ein einigermaßen vollständiges Bild zu erstellen – aber es stellte sich als schwierig heraus. Schwachstellen gab es durchaus die ein oder andere... zumindest solche, die ein gewitzter Kopf mit entsprechenden Mitteln und vielleicht ein bisschen Unterstützung durchaus nutzen konnte. Als der Veteran zu ihm kam mit den Befehlen des Legaten, schickte er noch mal den ein oder anderen los, um ein paar weitere Informationen zu bekommen... er selbst machte sich mal wieder auf zur Cohors II, nur dass ihn diesmal sein Weg zum Centurio der ersten Centurie führte, dem er den Befehl des Legaten mitteilte, bevor er danach auch bei Corvinus erneut kurz vorbei schaute, damit der Bescheid wusste, egal ob seine Centurie eingebunden werden würde oder nicht.


    Als er dann schließlich mehr oder weniger alle Informationen zusammen hatte – oder jedenfalls so viele, wie er in der Kürze der Zeit und der schwierigen Ausgangslage hatte kriegen können –, berichtete er zuerst dem Primus Pilus, bevor er zum Zelt des Legaten lief, um auch dort Bericht zu erstatten. Er nickte den Wachen kurz zu und betrat das Zelt... wo er zuallererst das hübsche Mädel bemerkte. Seit einiger Zeit sah man die an der Seite des Legaten. Hadamar war zwar nicht der Meinung, dass eine Frau, Sklavin hin oder her, auf einem Feldzug etwas zu suchen hatte – sah man mal von ein paar Huren ab, die gelegentlich um ihre Lagerstätten herumschwirrten, und denen auch er ab und zu mal einen Besuch abstattete –, aber er wusste, dass Römer das anders sahen. Jedenfalls was Sklavinnen betraf. Er zwinkerte ihr flüchtig im Vorbeigehen zu, wahrte aber eine weitgehend ausdruckslose Miene – auch dann noch, als er zu seinem Leidwesen als nächstes den Legatenenkel sah. Na super, der hatte ihm gerade noch gefehlt. Der Legatenneffe war ebenfalls da, und der Tesserarius der Cohors V, Centurie III, die in der vergangenen Nacht Wachdienst gehabt hatten... seit der Legatensklave es geschafft hatte, ihn mitten in der Nacht quer durchs Castellum zu hetzen und jeden einzelnen Tesserarius wegen einer Änderung der Wachpläne aufzusuchen, kannte er deren Gesichter besser als ihm lieb war. Irgendwie... hatte er es mit den Legatenleuten.
    Ah ja, der Legat. Der war freilich auch noch da.


    Das Wahrnehmen der verschiedenen im Zelt anwesenden Personen dauerte nur den Augenblick, den Hadamar brauchte, bis er vollends ins Zelt hinein getreten war. Anschließend salutierte er und meldete sich: „Optio Duccius Ferox meldet sich wie befohlen mit einem Bericht über die Lage.“


    „Na wer hat mir erzählt, dass ich Kerle zu Brei schlagen soll, nur um mir Respekt zu verschaffen?“ Hadamar grinste flüchtig. „Mach das einfach mit jedem, den du beim tratschen erwischst.“ Konnte vielleicht beim Eindämmen etwas helfen. „Wobei wir auch gegenläufige Gerüchte in die Welt setzen könnten. Ermunterungsparolen vom LAPP... oder Bilder von nackten Weibern und Geschichten von fantastischem Sex, der uns erwartet wenn wir gewonnen haben.“ Jetzt grinste Hadamar noch breiter. Bei dieser Vorstellung verkroch sich die Müdigkeit langsam, und er begann zu seiner Tagesform zu finden. Oder anders gesagt: er bekam gute Laune. „Musst nur die richtigen von deinen Leuten drauf ansetzen, das zu streuen, dann funktioniert das, und am Ende weiß gar keiner mehr was drauf gestanden haben soll.“ Corvinus allerdings war und blieb unglaublich mürrisch... was Hadamar wie üblich allerdings wenig davon abhielt, seine gute Laune weiter zu pflegen. „Na siehst, da hätte Britannien doch auch was...“ Noch ein Grinsen, dann wurde er wieder etwas ernster. Obwohl er wieder Scherze machte und sich lockerer gab als der Kamerad, sah er das trotzdem nicht ganz so einfach wie Corvinus, dass das den oberen Rängen überlassen war, wie sie das lösen sollten. Als Optio konnte er kaum was machen, und es war auch nicht wirklich in seiner Verantwortung, trotzdem machte er sich seine Gedanken... und hatte vor allem das Bedürfnis, etwas zu tun. Mehr zu tun. Aber sich stur auf die Befehle zu konzentrieren, die er bekam, und nur die ausführen, das war noch nie seine Stärke gewesen.


    Er klopfte Corvinus kurz freundschaftlich auf die Schulter. „Ja, geh zu deinen Leuten, ich seh zu wie ich das mit dem Alarm verkaufen kann. Falls dir noch was zu Ohren kommt, sag mir Bescheid... ansonsten werd ich auch mal weiter machen.“

    Der Feind zeigte sich zuerst in Gestalt der Vorhut, bestehend aus der Soldaten der Legio II, die vor ein paar Tagen von der VIII den ersten Platz im Heerzug übernommen hatte. In Kleingruppen sondierten sie das schwierige Gelände für die Nachfolgenden und näherten sich dabei langsam der Schlucht... bis sie nah genug heran waren um zu erkennen, dass dort nur Leere war, wo eigentlich eine Brücke hätte sein sollen.
    „Verdammt“, fluchte Rescio. „Schaut euch den Dreck da vorne an!“
    „Na fantastisch...“, murrte Culleo. „Jetzt dürfen wir auch noch Brückenbauer spielen... und ich weiß schon wer den Frust der Oberen abkriegt, weil uns das aufhält... Ich-“
    „Schnauze“, fuhr Mancinus dazwischen, Immunes und Anführer des kleinen Trupps, und scheuchte seine Leute mit einer Handbewegung zurück. „Das dürfte unser geringstes Problem sein... Ich glaub kaum, dass so ne Brücke einfach so von selbst einstürzt.“ War da nicht irgendwas mit irgendwelchen Flugblättern gewesen, mitten im Lager, noch bevor sie sich überhaupt tatsächlich an die Überquerung der Alpen gemacht hatten? Wie es aussah, waren sie nicht einfach nur auf dem Weg zu einem Krieg, sie befanden sich schon halb drin. Und der Feind waren ihnen einen Schritt voraus. Mancinus knurrte wütend. „Ihr zwei“, wandte er sich an die Schwätzer von gerade eben, „versucht rauszufinden, was da mit der Brücke passiert ist. Aber seid vorsichtig, behaltet die andere Seite im Auge... Corbulo, lauf zurück zum Haupttross und mach schon mal Meldung, dass das hier dauern wird... und bring Verstärkung mit.“ Die würden sie so oder so brauchen, und wenn es nur zum Brückenbauen war... so weit er wusste, gab es keinen anderen Weg, den sie hätten gehen können.


    Wie befohlen lief Corbulo also zurück, während Rescio und Culleo sich auf den Weg zum Rand der Schlucht machten, dabei jede Deckung auszunutzen versuchten... und doch nicht verhindern konnten, dass sie zumindest gesehen wurden, weil mögliche Deckung immer spärlicher wurde, je mehr sie sich der Schlucht näherten.



    Sim-Off:

    Kann man das "Nest" auf der anderen Seite der Schlucht sehen oder nicht?




    Zitat

    Original von Lucius Helvetius Corvinus & Decimus Atius Romanus


    Corvinus schien ja noch schlechter gelaunt zu sein als er... in jedem Fall legte er offenbar keinen Wert auf die Hierarchie, auch wenn einige andere Soldaten um sie herum standen. Aber gut, er war der Centurio, Hadamar würde sich da sicher nicht dagegen wehren dann. „Habs schon gesehen“, brummte er zurück, warf aber trotzdem einen kurzen Blick drauf – sah allerdings sofort wieder hoch, als sich plötzlich jemand ungefragt einmischte. „Deine...“ machte Hadamar nahezu zeitgleich mit Corvinus, und runzelte die Stirn. Wer war der Kerl eigentlich? Hadamar kannte noch nicht mal die Uniform, die er trug, geschweige denn sein Gesicht. Allein die Tatsache allerdings, dass er davon sprach, seine Kameraden wären dafür verantwortlich gewesen, machten ihn misstrauisch. Warum lief der Kerl frei rum, wenn er zu dem Haufen gehörte, der den Schmarrn zu verantworten hatte? Einen Augenblick sah er ihm noch hinterher, wie er davonlief, aber da Corvinus nichts tat um ihn aufzuhalten, blieb auch er ruhig... nahm sich allerdings vor, auch davon Bericht zu erstatten. Sicher, der Kerl wäre ein wenig blöd, auch noch auf sich aufmerksam zu machen, wenn er mit drin hing... trotzdem: irgendwie mussten die, die die Zettel verteilt hatten, ja ins Lager gekommen sein. Ein Verbündeter im Inneren war bei so einer Aktion Gold wert, Hadamar wusste das aus Erfahrung. Und vielleicht wollte der Kerl ja gerade den Verdacht von sich lenken, indem er versuchte mitzuhelfen... In jedem Fall hatte er sich soeben an die Position des Verdächtigen Nummer eins katapultiert.


    „Find raus wer das war“, brummte er einem der beiden Milites zu, die er mitgenommen hatte und der daraufhin mit einem Nicken verschwand, bevor er sich wieder Corvinus zuwandte. „Ich hab die Prima in Alarmbereitschaft versetzen lassen und ein paar Leute rumgeschickt im Lager, um rauszufinden was los ist.“ Er kratzte sich am Kopf. „Und die Teile einsammeln... wobei ich auch glaub, dass das kaum wer wird lesen können. Wir müssen nur dafür sorgen dass die, die es können, net tratschen... sonst weißt du nix?“

    Zitat

    Original von Lucius Duccius Ferox


    „Contubernium V soll sich darum kümmern, Informationen einzuholen. Vergesst die VIII nicht, die hatten heute Wachdienst. Und zwei kommen nachher mit mir. Contubernium II, ihr seid eh bald dran mit der Wachablösung beim Legaten. Geht da jetzt schon hin und informiert ihn“, ranzte er – seiner Laune entsprechend – die Milites um ihn herum an. „Für den Rest gilt Alarmbereitschaft. Und sammelt in der Götter Namen diesen Blödsinn ein!“


    Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates


    Dort trat in diesem Moment Taira ein, gefolgt von einem der Wachmänner.


    Der Veteran des Contuberniums II salutierte, kaum dass er nach der Sklavin eingetreten war, musste dann allerdings warten, weil der Tribunus laticlavius ebenfalls hereingestürmt kam... und gemäß der natürlichen Hackordnung hatte der freilich Vorrang. Er erstarrte also zur Statue und wartete, bis der Legat fertig war mit dem Gespräch mit seinem Verwandten, und erst als der verschwunden war, begann er mit dem geforderten Bericht – wobei er sich auf die Punkte konzentrierte, die nicht schon bereits angesprochen worden waren. Wie zum Beispiel den Fakt, dass es irgendwer geschafft hatte, in der Nacht unbemerkt ins Lager zu kommen. „Optio Duccius Ferox hat Milites ausgesandt zu allen Cohortes sowie zur VIII, um Informationen zu sammeln. Cohors I ist in Alarmbereitschaft, in der Cohors II wurde sicherheitshalber von einem akuten Angriff ausgegangen und die Wälle zusätzlich bemannt, Legat.“



    Sim-Off:

    Es wäre schön, wenn sich alle an die Postfrequenz halten würden, auf die wir uns intern schon vor Monaten geeinigt hatten, damit gerade bei solchen Geschichten alle Involvierten die Gelegenheit haben, noch rechtzeitig zu reagieren.




    Hadamar war hundemüde, als er sich aus seinem Schlafzeug quälte. Wie ungefähr jeden einzelnen verdammten Morgen in den vergangenen Wochen. Es war eine Sache, jeden zweiten Tag irgendwelche Märsche durchs Gelände zu machen, aber in der Regel abends oder spätestens nach ein paar Tagen wieder ins Castellum zurückzukehren. Aber es war etwas völlig anderes, TagfürTagfürTag ohne absehbares Ende zu marschieren, Lager aufbauen, Lager abbauen, irgendwo noch Training reinquetschen wenn möglich. Und dazu noch für seine Männer die Wache für den Legaten, und für ihn der Haufen üblicher Arbeit... und das, was noch so anfiel bei einem Feldzug. Irgendwas war nämlich immer, hatte er jedenfalls das Gefühl. Oh, und dann war da ja noch der simple Fakt, dass sie nicht mal durch ebenerdiges Gelände marschierten, sondern die Alpen überquerten. Die Alpen. Waren für Hadamar bisher immer nur irgendein Begriff gewesen. Was hätte er sich auch unter Bergen vorstellen sollen? Selbst in seinen wildesten Träumen hatte er nicht gedacht, dass es... so hier aussah. Dass es irgendwo so aussehen könnte. Als er die Alpen das erste Mal so richtig gesehen hatte, war ihm der Atem weggeblieben, und daran hatte sich wenig geändert, als sie stetig näher gekommen waren – der Anblick war und blieb beeindruckend. Und faszinierend. Und auch ein wenig furchteinflößend... denn, immerhin: da sollten sie rüber? Nicht im Ernst.
    Hadamar behielt seine Zweifel wohlweislich für sich, aber er hörte sehr genau zu, wenn andere Milites, die wie er das erste Mal unterwegs waren, die ihren kundtaten, und wie die Kameraden darauf reagierten. Und versuchte im Übrigen Selbstsicherheit auszustrahlen, so wie es sich für einen Optio gehörte. Selbstsicherheit, die nicht so wirklich zurückkehren wollte, während sie sich Stück für Stück diesem unglaublichen Koloss aus Fels näherten, ein Anblick, bei dem Hadamar auch beim Näherkommen Stein und Bein geschworen hätte, dass es da kein Hinüberkommen gab. Wenn er sich nicht vorgenommen hätte Selbstsicherheit zu heucheln.


    Entsprechend schwer kam er in der Früh vom Boden hoch. Er war generell nicht so der Frühaufsteher, auch wenn er, seit er Optio geworden war, sich selbst im übertragenen Sinn dahin prügelte, dass er nicht mehr verschlief. Es war auch bis zu einem gewissen Grad eine Gewöhnungssache, man musste halt einfach aufstehen, wenn man wach wurde, egal wie schwer es einem fiel, anstatt noch liegen zu bleiben... liegen zu bleiben... liegen zu bleiben... bis einem irgendwann auffiel, dass man keine Zeit mehr hatte und der Schreck darüber den Schlaf vertrieb. Die Zeiten waren vorbei, so was konnte er sich als Optio einfach nicht leisten, und auch wenn er sich manchmal danach zurücksehnte, daran hatte er sich gewohnt. Aber der Marsch forderte noch einiges mehr ab, von allen, und das Aufstehen in der Früh war ganz konkret für ihn zur Qual geworden. Er zwang sich jeden Tag, seiner Optio-Gewohnheit zu folgen und gleich aufzustehen, aber das hieß noch nicht, dass er deswegen wirklich sofort fit war... und erst recht nicht, dass er gut drauf war. Einziger Vorteil daran: so mies gelaunt, wie er in der Früh derzeit war, traute sich kaum einer von seinen Leuten, ihn irgendwie auch nur schief anzugucken. Und das, obwohl Hadamar sonst immer noch das Gefühl hatte, nicht so ganz als Optio angekommen zu sein, auch wenn es schon besser geworden war.


    Genauso mies gelaunt war er auch, als er an diesem Morgen wach wurde und sich erst mal an den Rest der Organisationsarbeit machte, die gestern liegen geblieben war, während die anderen in seinem Zelt noch vor sich hin schnarchten. Da sie bei Curia eine Pause einlegen würden, hatte er sich das leisten können... es dauerte allerdings nicht lange, und er brach ab. Draußen waren immer mehr Soldaten wach geworden – und plötzlich entstand ein ziemlicher Aufruhr. Seine Laune verschlechterte sich noch... und dann noch einmal, rasant, als er nach draußen gegangen war und den Grund für den Aufruhr erfuhr... Einigermaßen fassungslos starrte er auf den Wisch hinunter, als er entziffert hatte, was da stand – während von einem anderen Bereich des Lagers schon Warnsignale erklangen. Hadamar knirschte mit den Zähnen und hielt nach dem Artorius Ausschau, aber er konnte ihn auf die Schnelle nicht entdecken – möglich, dass er schon wieder beim Legat war zu irgendeiner Besprechung von dessen Stab, bei der der Primus Pilus häufig dabei war. „Contubernium V soll sich darum kümmern, Informationen einzuholen. Und vergesst die VIII nicht. Und zwei kommen nachher mit mir. Contubernium II, ihr seid eh bald dran mit der Wachablösung beim Legaten. Geht da jetzt schon hin und informiert ihn“, ranzte er – seiner Laune entsprechend – die Milites um ihn herum an. „Für den Rest gilt Alarmbereitschaft. Und sammelt in der Götter Namen diesen Blödsinn ein!“ Und dann lief er selbst los, gefolgt von zwei Milites, in die Richtung, von wo das Signal erklungen war, dass sie angegriffen wurden, bis er schließlich Corvinus erreichte und knapp salutierte... man war ja nicht unter sich, und das immerhin hatte Hadamar irgendwie dann doch verinnerlicht – diese Trennung hinzukriegen, wann Corvinus und er offiziell miteinander umgingen, und wann privat. „Bericht für den Primus Pilus, Centurio. Was ist vorgefallen?“

    Zitat

    Original von Titus Duccius Vala
    "Uff'm Weech to'n Sudn." , antwortete Vala knapp, weil es bei dieserlei Informationen kaum mehr zu erzählen gab. Der Flaminier hatte in seiner Art recht deutlich gemacht, dass er die Verzögerungen suboptimal fand und deutlich mit dem Gedanken gespielt einfach ohne das obergermanische Heer gen Süden weiter zu ziehen, was für deutliche Probleme gesorgt hätte, wenn der Gegner sich doch dafür entschied nach Raetia zu ziehen.
    "Ik denk, datt isses. De Weech jen Sudn is de eenzije Wol för us, wenn wi de Find net inne Berge möten wolln." , gähnte Vala in seinen Bart und streckte sich einmal um aus dem stetem Hocken am Feuer die Glieder zu bewegen, "Morn jeit et loos, wenn' net no irjeeend eener met jenooch Eenfluss mit sini depperte Grappen us no all inne Doot scheckt. Het Heer is niet so oenich wi do denke maags, Jung.. un' ik öwaat no viu Striet... net blot oppe Feld, net blot oppe Feld..." Der Blick, den Vala seinem jungen Vetter dabei zuwarf machte recht deutlich, aus welcher Ecke er all das erwartete... und ebenso wie sehr es ihm zusagte sich mit dieser Art herumschlagen zu müssen.


    Hadamar grübelte, während Alrik noch sprach. Er wusste ja noch nicht mal so genau, wo der Feind überhaupt überall war. Und ein flüchtiger Blick, der all die Unterlagen in Alriks Zelt streifte, machte ihm klar, dass er auch nicht so schnell durchblicken würde, wo da wer war und wie mit wem in Verbindung stand und... Er presste kurz die Kiefer aufeinander, als ihm klar wurde, dass er einfach zu wenig... wusste, zu wenig von all dem verstand, um wirklich mitreden zu können. Und Alrik würde wohl weder Lust noch Zeit noch Nerven haben, ihm mal eben in ein paar Stunden alles mögliche in Bezug auf Kriegsführung einzubläuen – mal ganz abgesehen davon, dass Hadamar nicht so wirklich wusste, wie er das überhaupt fragen sollte. Das Ding war nur: er wüsste halt gern mehr Bescheid.


    Er trank einen weiteren Schluck und hörte seinem Vetter weiter zu – und was dann kam, führte mit einem Mal dazu, dass er sich... nun ja... ein wenig unwohl fühlte. Streit. Innerhalb der Verbündeten, derjenigen, die gerade hier waren ganz offensichtlich. Und dazu dann dieser Blick, mit dem Alrik ihn bedachte. Hadamar begriff, dass sein Vetter die Legio II meinte. Seine Legio. Seinen Legaten. Flüchtig dachte er daran, was Sönke ihn mal gefragt hatte... Wenn der Legat das eine befiehlt und Witjon was anderes, wem folgen wir dann? Hadamar hatte das einfach abgetan, hatte sich eine solche Situation gar nicht wirklich vorstellen, aber jetzt, in diesem Moment, konnte er es plötzlich. Und fühlte sich absolut nicht glücklich damit. Und dieser Zwiespalt war nichts, worüber er reden konnte. Alrik rangierte in ihrer Sippe irgendwo weit über ihm, und er hätte jedes Recht, Loyalität von ihm zu erwarten. Er konnte nicht mit ihm über so was reden, das... ging doch nicht. Und mit den Leuten in der Legio II konnte er darüber auch nicht reden, die erwarteten ja ebenso zu Recht, dass er seiner Legion, seinen Kameraden, seinem Legat loyal war. Hadamar konnte sich lebhaft vorstellen, was der Artorius ihm pfeifen würde, wenn er mit so was ankam... oder Corvinus. Oder ein paar andere. Der einzige, der in Frage käme für ein Gespräch, wäre Sönke, aber Hadamar war sich nicht so sicher, ob er so etwas mit ihm thematisieren sollte. Sonst hing Sönke am Ende noch in derselben Zwickmühle wie er drin – tat er zwar sowieso, aber so lange es nicht akut wurde, musste man ja keine Pferde scheu machen. In anderen Worten: es reichte, wenn er sich darüber den Kopf zerbrach.


    „Mia ham den Bfehl kriagt fia moing“, antwortete er zögernd, obwohl er genau wusste, dass das nicht das war, was Alrik gemeint hatte, und kratzte sich am Kopf, wie häufig, wenn er verlegen war oder nicht so recht wusste, was er sagen sollte – etwas, was er sich nach wie vor nicht hatte abgewöhnen können. „I... woaß net. Es klingt net guad.“ Noch so ein Kommentar, der eigentlich völlig unnötig war. Aber er wusste einfach nicht, wie er darauf reagieren sollte. Alles war irgendwie bescheuert. Er war zwar neugierig, das auf jeden Fall – aber je mehr er wusste, je mehr er eingebunden war, desto größer wurde seine Zwickmühle. Seiner Familie die Treue halten? Oder seinen Kameraden, seinem Legat? Musste er nicht jetzt schon ein schlechtes Gewissen haben, weil er das bislang Gehörte zumindest seinem Centurio eigentlich mitteilen müsste? Götter, ihm schwirrte der Kopf. Er hatte ja nicht einmal eine Ahnung davon, wo da seine eigenen Grenzen lagen – wo er ruhigen Gewissens bleiben konnte und wann nicht mehr. Er trank einen tiefen Schluck. „I sollt gengan, denk i. No a bissl Schlaf kriang.“ Gespräch beenden. Beste Taktik erst mal, fand er. Trotzdem zögerte Hadamar kurz und fügte dann noch an: „Wanns Ärga giabt oda so... I woaß net wos i dean ko, aba... sogst mia da wos? I wissad gern Bscheid.“ Schon allein um vorgewarnt zu sein. Bisher war der Legat noch nicht auf ihn zugekommen, um irgendwas über seinen Vetter zu erfahren, und vielleicht war weder ihm noch dem Primus Pilus wirklich bewusst, dass Alrik und er verwandt waren – aber was nicht war, konnte ja noch werden, vor allem wenn Alrik Recht hatte es und tatsächlich zu Streit kam. Und dann wäre Hadamar tatsächlich gerne vorgewarnt.„Und... wannsd amoi Zeit hosd, früher an am Abend, ohne Bsprechung un so... kannt ma uns jo wieda treffan.“