Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    „Sicher kannst du das. So wie an jeden anderen hier“, bestätigte Varus. Naja, mal mehr, mal weniger – gab freilich auch die Stinkstiefel die nicht mit Fragen genervt werden wollten, aber da würde der Quintilius schon merken, an wen er sich problemlos wenden konnte und an wen besser nicht. Bei den nächsten Worten dann grinste Varus breit. Eigentlich hatte er ja gemeint, dass er den Neuen beschäftigen konnte indem er ihm seine Fragen beantwortete... aber gut, wenn der sich so nach Arbeit sehnte, nahm Varus das freilich gern an. Er deutete auf einen Stapel Wachstafeln. „Da, schab die wieder glatt, damit ich die wieder verwenden kann.“ Das konnten auch die, die nicht lesen und schreiben konnten – was dann doch die Mehrzahl der Rekruten war.

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    Original von Nicea Magonidas und Petronia Octavena


    Oh Götter. Musste die Freundin auch so unglaublich... süß reagieren? Wurde die tatsächlich rot oder war das nur der Widerschein des Feuers? Aber dass sie wegsah und danach auf diese bestimmte Art lächelte, die nur allzu häufig zeigte, dass man das Mädel schon halb in der Tasche hatte, das war mal sicher. Aber SO was von sicher. Verdammt. „Nicea Magonidas. Freut mich dich kennen zu lernen“, lächelte Hadamar mit einer angedeuteten Verbeugung. Klang irgendwie nicht römisch, der Name, auch wenn Hadamar da nicht ganz so versiert war. Germanisch war's auf jeden Fall nicht. Hieß das jetzt dass ihr Rufname der erste oder der zweite war? Bei Germanen war's ja auch andersrum, nur war es da ziemlich eindeutig, wenn es hieß Hadamar Sigmarsohn... egal. Da fragte er nun nicht nach – was er aber auch gar nicht musste, weil die Petronia es schon deutlich machte – Nicea also. War aber auch nicht so wichtig, auf der Basis, dass er sie nur bei ihrem Rufnamen nennen würde, war er ja noch nicht mal mit Octavena. Was sich heute Abend hoffentlich ändern würde...


    „Wurde sie das, ja?“ grinste er dann Octavena an. „Ich hab da was anderes gehört... Aber wer wäre ich, das Wort einer hübschen Frau anzuzweifeln?“ Er zog seine Hand zurück und deutete dann ein flüchtiges Schulterheben an. „Oh, seit einiger Zeit ist das Leben noch anstrengender als sowieso schon... aber heut geht’s ausgezeichnet. Zum einen hab ich frei, wie viele von uns.“ Er machte eine vage Handbewegung, die den Platz umfasste, auf dem immer wieder Soldaten zu sehen waren – die in der Menge waren wie er in zivil, sah man mal von ihrem Militärgürtel ab, den sie nie ablegten, die am Rand waren in voller Montur da, um dafür zu sorgen dass nichts aus dem Ruder lief. „Das heißt: ich kann den ganzen Abend genießen. Und zum anderen“, jetzt taxierte er sie wieder mit jenem Blick, den er schon auf dem Markt gezeigt hatte, „hab ich gerade festgestellt, dass ein gewisser Jemand sich an eine Abmachung gehalten hat, die wir getroffen haben... was den Abend umso genießenswerter macht.“ Er grinste sie frei heraus an. Ihre Freundin konnte sich höchstwahrscheinlich denken, was er meinte, und er glaubte auch nicht, dass ihr Treffen auf dem Markt ein Geheimnis sein sollte oder so. Aber es machte einfach Spaß, nur in Andeutungen zu sprechen, und er war gespannt auf ihre Reaktion, ob ihr das genauso Spaß machte wie ihm. „Was ist mit euch beiden?“ gab er die Frage dann zurück und bezog diesmal Nicea wieder mit ein, sowohl in der Frage, die an beide gerichtet war, als auch erneut mit einem kurzen Lächeln in ihre Richtung.

    Was am nächsten Morgen dann beim Appell vor ihm versammelte, machte ganz den Eindruck, als hätte es den vorigen Abend genossen. Zu sehr. Hadamar sah so einige Gesichter, die übernächtigt und verkatert wirkten, und obwohl er sich nichts anmerken ließ, ließ das für einen Moment eine ziemliche Schadenfreude in ihm aufstiegen. Und ein bisschen so was wie positive Aufregung. Dass dieser Teil seiner Idee aufgegangen war, war schon mal sehr gut – so waren wenigstens die Voraussetzungen dafür ziemlich gut, dass auch der Rest so gelingen würde, wie er sich das vorstellte.
    „MILITES“, brüllte er die Truppe an, die vor ihm stand, und verkniff sich ganz professionell ein Grinsen, als ein paar zusammenzuckten. Er hatte nicht umsonst darauf bestanden, dass es wirklich billiger Fusel war, der unter die Leute hatte gebracht werden sollen. „Nachdem gestern ein paar von euch Schlappschwänzen recht früh geschwächelt haben im Training“ – ja, sollten die ruhig wissen, dass das hier wegen gestern war. Hätten sie sich zwar so oder so denken können, allein schon bei der Zusammensetzung der Gruppe, aber Hadamar fand es konnte nicht schaden, das auszusprechen; zumal auch jeder wissen sollte, wer Schuld war –, „wird es offenbar mal wieder Zeit, ein bisschen an eurer Kondition und Abhärtung zu feilen! Wir werden heute zur Abwechslung mal wieder einen kleinen Marsch außerhalb der Castra machen.“ Und sie begannen schon jetzt, während der Rest noch schlafen durfte. Hadamar ließ ihnen noch nicht mal die Zeit, seine Worte wirklich zu verdauen. „Also, Jungs, ihr kennt das Spiel! Aequatis passibus! CURSIM!“ Und schob gleich ein paar gebrülllte: „CURSIM, CURSIM, CURSIM!“ nach, als die Soldaten nicht ganz so schnell spurten.


    Im Laufschritt also ging es aus dem Castellum hinaus, hinaus aus jenem Tor, das sie direkt ins Umland führte, und Hadamar lief mit. Er hatte noch überlegt, ob er sich ein Pferd organisieren sollte... war dann aber zu dem Schluss gekommen, dass er sich damit wohl kaum Respekt erarbeiten würde. Nein. Er konnte durchaus zu Tricks greifen, aber das mussten welche sein, die die anderen nicht bemerkten. So was wie: sich den Bauch vollgeschlagen mit energiereichem Fraß. Und viel geschlafen. Während er allen anderen billigen Fusel hatte zukommen lassen, damit sie heute unausgeschlafen und verkatert waren... Oder auch: seine Ausrüstung dahingehend überarbeitet, dass sie so leicht wie möglich war und dabei doch zumindest den Anschein erweckte, so vollständig zu sein wie die der anderen. Hadamar war flink, und er war zäh, das war einer seiner größten Vorteile, wo ihm doch eine große, massige Statur und riesige Muskelpakete fehlten. Trotzdem bildete er sich nicht ein, so viel zäher zu sein als Milites, die seit Jahren schon dabei waren, und vor allem die Jungs der I., dass er einen Gewaltmarsch besser überstand als die. Und er wollte das unbedingt, also musste er da wohl oder übel tricksen. Ein bisschen. Eigentlich war es nicht getrickst – abgesehen von der Ausrüstung vielleicht –, sondern nur eine gute Vorbereitung. Wären die vorbildliche Soldaten, hätten sie gestern ja nicht gesoffen...


    Hadamar spürte, wie seine Ohren zu brennen begannen, und er senkte betroffen den Kopf, als der Centurio mit seiner Standpauke begann. Er wusste das ja. Er wusste, dass ein passt schon nicht wirklich angemessen war, nicht einmal in Friedenszeiten, jedenfalls bei der I. Centurie der ganzen Legion. Irgendwo bei den hinteren Cohorten vielleicht, aber nicht hier. Genau das war ja einer der Gründe, warum manche der Milites ihn hier schassten. Weil sie fanden, dass er nichts bei der I zu suchen hatte, schon gar nicht als Optio. „Nein“, antwortete Hadamar auf die Frage, auch wenn er ahnte, dass der Primus Pilus darauf gar keine Antwort erwartete. Und sah dann wieder hoch, seinem Centurio in die Augen. „Und ich weiß, dass das nicht ausreicht. Ich bin dran. Ich geb da alles für, Centurio.“ Tat er. Aber er würde sich noch mehr anstrengen müssen, noch mehr geben müssen. Vielleicht hatte er die ersten Tage zu viel Zeit damit verbracht, sich erst mal in die ganzen Aufgaben, die ganze Verwaltung einzufinden. Vielleicht hätte er sich sofort auf das Training stürzen sollen, um den Milites klar zu machen, dass mit ihm zu rechnen war. Er wusste es nicht. Aber was auch immer er falsch machte, er war fest entschlossen, das zu korrgieren. Er war fest entschlossen, sich hier einzufinden, richtig einzufinden.
    Bei der letzten Frage war Hadamar beinahe überrascht. Überrascht über die Frage an sich, dass der Centurio sie überhaupt stellte, und auch überrascht vom Inhalt. „Eh“, machte er ein wenig unschlüssig. Was konnte er Artorius schon fragen? Um was ihn bitten? Wobei konnte der Mann ihm tatsächlich helfen? Hadamar wusste es nicht. Er wusste ja noch nicht mal, wie die Einarbeitung sonst generell lief, vielleicht hätte ihm das ja einen Aufschluss darauf gegeben, was der Centurio noch so an seinen Optio weiter gab, oder tat um ihn zu unterstützen. Aber Hadamar wusste das nicht, und das einzige, wobei er wirklich, wirklich Hilfe gebrauchen könnte, war zugleich auch das einzige, wo es ziemlich kontraproduktiv gewesen wäre, wenn der Centurio eingegriffen hätte. Jedenfalls war Hadamar davon überzeugt. Wie, bitteschön, wirkte denn ein Optio, der seinen Centurio vorschickte, um den Männern den Respekt abzuverlangen, der ihm zustand? Nee, das musste er schon selbst schaffen. Allerdings brachte ihn das auf einen Gedanken, und nachdem er den ein wenig hin und her gewendet hatte in seinem Kopf, sprach er ihn schließlich zögernd aus: „Also... wie... wie schaff ich es, Respekt zu... zu kriegen? Mir den zu erarbeiten?“

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    Original von Tiberius Quintilius Tacitus
    Aufgeregt war Tiberius den Weg zur Zenturie gegangen. Es war ein großartiges Gefühl gewesen den Eid zu schwören. Und er hatte jedes einzelne Wort mit ehrlicher Überzeugung ausgesprochen.
    Tiberius klopfte an und wartete, dass er herein gerufen wurde.
    Er sah nur den Scriba, den er mit einem kurzen "Salve" begrüßte.
    "Ich habe den Eid jetzt abgelegt. Können Sie bitte dem Optio Bescheid sagen? Danke"


    „Na herzlichen Glückwunsch, dann darfst du dich jetzt als Tiro der Legio II betrachten“, erwiderte Varus mit einem Schmunzeln. „Optio Duccius müsste bald wieder kommen. In der Zwischenzeit kann ich dich auch ein bisschen beschäftigen“, er linste kurz auf die Tafel, „Quintilius. Vorab vielleicht mal: hast du irgendwelche Fragen?“



    Sim-Off:

    Auf das „Sie“ kannst du verzichten. Da wir die Sprache ein bisschen ans Lateinische anlehnen und das kein deutsches „Sie“ (oder das mittelalterliche „Ihr“) kennt, reden sich im IR alle mit „Du“ an. Höflichkeitsunterschiede gibt’s dann nur in der direkten Anrede mit Titel und/oder Namen – und natürlich in Tonfall und Wortwahl.

    Hadamar grinste breit und dachte schon gar nicht mehr an Corvinus' kurzen Ausbruch, bemerkte allerdings wohl, dass der gleich schon wieder ein bisschen eingeschnappt zu sein schien... holla, da schien ja wohl wirklich was ernstes zu sein, wenn er so empfindlich reagierte, dass noch nicht mal nen flapsige Wortwahl möglich war. Andererseits: hatte er Corvinus je flapsig erlebt? .......... nicht wirklich. Hin und wieder ein bisschen lockerer, wenn sie unter sich waren, das ja. Aber flapsig war immer nur er. Und Sex betraf, war Corvinus noch nicht mal locker... der mied das Thema meistens und ging auf Anspielungen oder Scherze dieser Art kaum ein, warum auch immer.


    Und dann kam es. Das Geständnis. So leise, dass Hadamar zuerst glaubte, sich verhört zu haben, weil ihm das irgendwie so... absurd vorkam. „Eh. Moment“, machte er und hob eine Hand leicht an, in einer Geste, die eine gewisse Verständnislosigkeit transportieren sollte. „Du... Ihr... habt noch gar nicht?“ Die hatten sich doch schon allein getroffen, oder nicht? Corvinus verschob ja sogar Dienste nur um sie besuchen zu können, und dann hatte er sie noch nicht mal flach gelegt bisher? Hadamar ließ sich zurück gegen die Wand fallen, an der seine Bank stand, und starrte Corvinus ungläubig an. „Das ist net dein Ernst. Also ma ehrlich, du... worauf wartest du denn? Sie mag dich doch offenbar auch. Hast du's überhaupt schon mal versucht?“ Er schüttelte leicht den Kopf und hob dann die Achseln. „Natürlich kannst sie fragen. Grade wegen dem Feldzug. So lang sie net weiß was du willst, kannst net erwarten dass sie auf dich wartet. Aber wenn sie's weiß...“ Frauen waren da anders gestrickt als Männer. Jedenfalls wenn sie verliebt waren.
    Gleich darauf zog Hadamar die Brauen hoch, als Corvinus plötzlich laut wurde. „Jaja, scheiß Senatoren... Pass auf: red mit ihr. Frag sie einfach. Wenn sie nein sagt, weißt woran du bist, und wenn sie ja sagt – brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen.“ Beide Varianten hatten hoffentlich den Vorteil, dass Corvinus dann wieder etwas klarer würde denken können.

    Der gerufene Teil der I. Centurie der I. Cohorte war bereits anwesend und lauschte den Ausführungen des Legaten zu den Türmen, zum Bau, zum Aufschütten der Rampe. Und natürlich waren es die anwesenden Mannschaftsteile der I. Cohorte, die zu beginnen hatten... Hadamar bemühte sich um ein unbeteiligtes Gesicht, salutierte zum Befehl, und verständigte sich dann kurz per Handzeichen mit dem anderen Option, der von der I. Cohorte mit seinem Teil der V. Centurie da war, wer was übernehmen würde – er mit seinen Leuten die rechte, Hadamar die linke Seite der Rampe. Dann wandte er sich den Männern zu. „Contubernia I, IV und IX – ihr seht zu, dass das Aufschüttmaterial hergeschafft wird. III und X, ihr übernehmt das Aufschütten vorne, XI und XV, hinten. VIII, ihr steht bereit und springt überall ein, wo sich eine Lücke auftut. Los!“
    Gemeinsam mit den Männern der anderen Centurie begannen sie Stück für Stück, eine Rampe aufzuschichten, arbeiteten sich von der Mitte nach außen, und Hadamar ging herum, legte da Hand an, wo jemand gebraucht wurde, und versuchte zugleich alles im Blick zu behalten.

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    Original von Petronia Octavena
    Octavena grinste breit und wandte sich dann in die entsprechende Richtung.
    "Gut. Dann lass uns zu den Feuer gehen."
    Kurz kam ihr Gedanke, dass sie dort vielleicht auch Ferox treffen könnte, aber sie nahm sich nicht zu viel Zeit für diesen Gedanken, weil sie - gut gelaunt wie sie war - einfach Lust hatte, mit Nicea zu reden, während sie den Hügel hinunter gingen. Schmunzelnd blickte sie in den Himmel.
    "Scheint, als wollte das Wetter alle Klischees bestätigen wollen."


    Als Alrik sich ihr widmete, hielt Dagny plötzlich still auf Hadamars Schulter und starrte den Verwandten – den sie kaum ein paar Tage kannte – fasziniert an. Nur um dann zu kichern und wieder zu zappeln. „Ah ge, des is a Schmarrn! I bin do koane via mea!“ Aber lachen musste sie trotzdem weiter, und sie streckte sich, um Alrik zu erreichen – etwas, was Hadamar dann aber mit einem entschuldigenden Grinsen unterband, indem er ein paar Schritte zurückging und Dagny dann bei Eldrid runter zu lassen. Und ihr – der älteren Schwester – gleich darauf zu zu murmeln: „Pass amol auf de Kloane auf. I muss weg.“ Und ohne noch irgendwas zu erklären ließ er seine verblüfften Schwestern zurück und tauchte in der Menge unter. Um sich zur Petronia durchzuschlängeln, die er gerade eben entdeckt hatte. Gut, sie war in Begleitung, aber das... störte ihn nun weniger. Hadamar hatte da wenig Berührungsängste.


    Mit einem charmanten Lächeln tauchte er vor den beiden auf und neigte den Kopf zum Gruß. „Salve, Petronia Octavena... salve, schöne Unbekannte“, grüßte er die beiden, und warf der Fremden einen durchaus anerkennenden Blick zu – konzentrierte sich dann aber sofort wieder auf Octavena. Die Freundinoderwasauchimmer war definitiv nicht von schlechten Eltern, aber die meisten Frauen reagierten ziemlich angefressen, wenn Mann auch andere schön fand. Oder besser: wenn Mann es sich zu deutlich anmerken ließ. Was Hadamar zwar nicht ganz begriff, aber das musste er auch nicht, um einfach nach den Regeln zu spielen, die Frauen für solche Sachen offenbar aufstellten. Also hieß das Motto: freundlich zur Freundin, ganz sicher, immerhin wäre es auch kontraproduktiv, wenn die ihn für ein Arschloch hielt – aber es musste klar sein, wer im Mittelpunkt stand. Hadamar lächelte nun also ziemlich exklusiv Octavena an und wartete also ab, bis sie sie miteinander bekannt gemacht hatte, bevor er anfügte: „Schön dass wir uns wirklich hier treffen.“ Flüchtig berührte er die Spange, die er ihr gekauft hatte, und grinste dabei. „Steht dir.“

    Er konnte das nicht einfach so stehen lassen. Er konnte das nicht auf sich sitzen lassen.


    Anders gesagt: er musste sich was überlegen. Hadamar war in seiner Unterkunft, allein, lag auf seiner Pritsche, obwohl es noch viel zu früh war um ins Bett zu gehen – weswegen er auch allein hier war – und starrte vor sich hin. Den harten Hund raushängen lassen. Nahm ihm keiner ab. Die hatten ihn heute ja spüren lassen, was sie von ihm hielten. Also: Respekt erarbeiten. Irgendwie. Nur wie? WIE? Er zermarterte sich das Hirn, was er tun könnte... klar, die Vitis, das würde dann wohl schon ziehen, kombiniert mit dem Grundrespekt, den dann auch die Rädelsführer vor einem Vorgesetzten hat – den Dienst rundweg verweigerten sie ja nicht, so blöd waren sie nicht. Aber Hadamar bezweifelte irgendwie, dass es wirklich ein probates Mittel war, einfach mit der Rute drauflos zu schlagen. Die war schon nützlich, hatte er ja am eigenen Leib erfahren, aber halt dann, wenn der, der sie führte, auch so eine Respektsperson war. Bei ihm würde das wohl nur lächerlich wirken – wie von jemandem, der sich nicht anders zu helfen wusste.
    Was ja auch gestimmt hätte. Nein, er musste sich den Respekt auf andere Weise verdienen. Oder was hieß verdienen – holen! Er musste ihn sich holen, weil er ihm verdammt noch mal einfach zustand! Nur... schon wieder die Frage: wie? Hadamar grübelte weiter, spielte in Gedanken verschiedenste Szenarien durch, aber es endete irgendwie immer damit, dass die Leute ihn nicht ernst nahmen. Nicht wirklich. Wie sollte er sich dann bitte Respekt verschaffen?
    Frustriert sprang er von der Pritsche auf und donnerte seine Faust gegen die Wand, so fest, dass er sich ein paar Splitter einzog, die er unter schillerndem Fluchen wieder aus seiner Haut rauszufiseln versuchte. Womit er dann allerdings plötzlich innehielt. Respekt. Holen. Verdienen. Er musste ihn sich nicht verdienen, das stimmte schon, er hatte sich den ja schon verdient. Er war Tiro gewesen, Legionär, jetzt Optio. Er hatte sich das verdient, irgendwie. Den Respekt der Männer der von der I. musste er sich nur noch holen... und vielleicht war eine Möglichkeit, wenn er ihnen zeigte, dass er ihn sich ganz einfach verdient hatte. Dass er gerechtfertigt hier war. So wirklich gesehen was er drauf hatte hatte ja noch keiner. Wie auch.
    Nachdenklich zupfte er an den Splittern weiter. Das würde vielleicht hoffentlich zumindest bei denen helfen, die einfach nur unzufrieden waren, aber nicht offen gegen ihn. Aber die musste er sich auch krallen, und mehr noch: das was heute passiert war, darauf musste es eine Reaktion geben, das ging einfach nicht anders, er konnte das nicht so lassen. Sonst würden sie ihm von nun an endgültig auf der Nase rumtanzen. Frust und Demütigung brannten heiß in ihm, während er weiter überlegte, überlegte... aber es half nichts. Die einzige Idee, die ihm schließlich kam, war ziemlich unausgegoren, und wenn überhaupt nur ein erster Ansatz... aber was Besseres hatte er nicht. Und ein erster Ansatz war besser als gar nichts. Besser als einfach so weiter zu machen.


    Mit nicht wirklich neuem Elan stand er schließlich auf. Er musste ein paar Dinge erledigen... selbst was Unausgegorenes brauchte eine gewisse Vorbereitung, jedenfalls wenn sie zu einem ersten Ansatz werden sollte, und er damit nicht jämmerlich untergehen wollte. Als erstes ging er ins Schreibbüro der Centurie, wo er wie abends üblich Varus und Pontius – den Tesserarius – antraf. Er winkte ab, als die beiden ihn militärisch grüßten, und knallte ihnen eine Tabula hin, mit einer Liste von Namen. Den 40, die heute am Schluss in der Gruppe gewesen waren, die alles mitgekriegt hatten... ergänzt um noch ein paar weitere, die immer Stunk machten. „Pontius, sieh nach ob die morgen Wachdienst haben. Wenn ja, verschieb sie – frühestens auf die Mittelwache in der Nacht. Varus, sieh zu dass die morgen früh mit der ersten Morgenwache schon geweckt werden und mit kompettem Marschgepäck antreten. Aber sagt ihnen heut noch nix.“
    „Wie du möchtest“ und „Zu Befehl“, ertönte es mehr oder weniger gleichzeitig von den beiden, ohne eine weitere Frage. Als Hadamar bemerkte, wie die beiden erst ihn und dann sich ansahen, aber er reagierte nicht darauf, sondern ging nur wieder ohne noch was zu sagen.
    „Sieht so aus als ob's zur Abwechslung mal endlich Ärger gäb...“ murmelte der Tesserarius, als Hadamar schon wieder verschwunden war.
    „Hu. Ja... Der sieht grad so aus als ob er lieber draufgehen würd als nachgeben“, brummte Varus, und in seiner Stimme war ein winziger Hauch von Sorge heraus zu hören. Pontius zuckte nur die Achseln. „Der Junge is jetzt bei uns. Bei der I. Da weht nen anderer Wind, da muss er durch wenn er hier bestehen will.“


    Hadamar unterdessen widmete sich seinen anderen Vorbereitungen. Die im Grunde nur zwei waren: zum einen ging er zu ein paar der wenigen Legionäre, denen er vertraute, wirklich vertraute, von denen er wusste, dass sie auf seiner Seite waren und auch irgendwas in ihm sahen offenbar, was der Primus Pilus sah. Er drückte ihnen ein paar Münzen von seinem Sold in die Hand und schickte sie los, um Alkohol zu kaufen, Met, Bier, Wein – aber den billigen Fusel. Den sie unter die Leute bringen sollten, bevorzugt unter denen, die er auf seine Liste für morgen gesetzt hatte. VOR ALLEM unter denen. Hadamar sagte nichts dazu, was er vorhatte, aber er machte ziemlich deutlich, dass sie sie zum Saufen bringen sollte. Je schlechter deren Verfassung am nächsten Tag war, umso besser. Dass seine eigene so gut wie möglich sein würde, dafür sorgte er als nächstes – indem er in die Taberna des Castellums ging und sich den Bauch vollschlug, vornehmlich mit Fleisch, sich die Reste davon einpacken ließ und dann früh schlafen ging. Reichhaltiges Futter und Schlaf. Oder mit anderen Worten: auffüllen der Energievorräte, bis sie randvoll waren. Während die anderen hoffentlich heute Abend das übliche Programm machten, weil sie keine Ahnung hatten, was er am nächsten Tag vorhatte – Wachdienst, Rüstung putzen, Puls löffeln... und sich zusaufen.

    „Mhm“, machte Hadamar und guckte auf die Tafel. Himmel, der Kerl war so alt wie er. Aber gut, er war mittlerweile auch zwei Jahre schon bei der Legio. War das echt so lang schon her? Für einen winzigen Moment geriet Hadamar ins Grübeln, zwang sich dann aber ins Hier und Jetzt zurück. „So, Quintilius. Dann sieh zu, dass du erst mal ins Sacellum gehst und dort den Eid ablegst. Da müsst ne Tafel hängen damit, falls du den noch nicht kannst – bietet sich aber an, den irgendwann demnächst auswendig zu lernen.“ Hadamar beschrieb den Weg zum Sacellum und wollte dann schon eine wegscheuchende Handbewegung machte, als ihm plötzlich auffiel, was der Kerl da mit sich rumschleppte. „Uh. Warte. Kriegst erst dein Contubernium zugewiesen.“ Er langte über den Tisch, griff sich ein paar andere Tafeln und sah konzentriert darauf, während er überlegte, wo er den Neuen reinstecken sollte. Ganz sicher nicht in eins von den Contubernia, wo irgendwelche Rädelsführer hockten, die gegen ihn Stimmung machten. Bei den Rekruten schätzte er seine Chancen am höchsten ein, sich wirklich als Optio zu beweisen und akzeptiert zu werden, die wollte er ganz sicher nicht demontieren. „Ich steck dich ins VIIIer. Komm mit.“ Hadamar stieß die Tür auf und führte den Quintilius eine Barracke weiter, wo er hineinging und schließlich eine weitere Tür aufstieß. Zum Vorschein kam ein ziemlich kleiner Raum, in den irgendwie acht Pritschen – je zwei davon übereinander – hineingequetscht worden waren. „Lad dein Zeug erst mal nur ab. Welche Pritsche frei ist, sagen dir heut Abend deine Kameraden. Und jetzt auf zum Sacellum, danach meldest du dich wieder bei mir.“

    Hadamar kratzte sich am Kopf – so wie er sich dran erinnern konnte, hatte das schon Corvinus selbst gewollt. Die anderen hatten ja noch nicht mal was davon gewusst, weil Corvinus nur ihm was davon erzählt gehabt und nicht gewollt hatte, dass irgendwer sonst das mitbekam. Weil von wegen Erfahrung und so. Aber gut, da das Thema offenbar ein eher empfindliches war, beschloss Hadamar, das auf sich beruhen zu lassen. Das Mädel hatte sich zu ihnen gesetzt, und sie hatte das ja nicht von selbst getan, sondern weil er zu ihr hingegangen war und sie so charmant wie möglich darum gebeten hatte...


    Mit einem breiten Grinsen schüttelte Hadamar dann den Kopf und boxte Corvinus in die Schulter. „Ey, mach dir keinen Kopf. Seh ich aus wie nen Weib, das gleich rumflennt, weils nix verträgt?“ Corvinus schien ja ziemlich durch den Wind zu sein. Ziemlich. Ouhwouhwouh. Ziemlich gewaltig sogar, das wurde mit jedem weiteren Wort, das er sagte, klarer. „Du... Moment. Wie hat die's denn geschafft dir so dermaßen den Kopf zu verdrehen? Ist sie so gut in der Kiste, oder was?“ Etwas verständnislos starrte Hadamar den Kameraden an. „Wenn du sogar deine Dienste so planst und extra Wache schiebst, nur um sie wieder zu sehen...“ Jetzt grinste er kurz anzüglich, hörte aber recht schnell wieder auf damit, als ihm klar wurde, dass es Corvinus offenbar wirklich ernst damit war. „Naja, mei... fragt sie halt ob sie deine... öh... Gefährtin wird. Machen andere ja auch. Und sie kann ja da bei den anderen Legionärsweibern leben, dann hast es leichter sie zu sehen. Und wenn du mal Centurio bist, kannst versuchen ne Sondergenehmigung zu kriegen, um sie richtig zu heiraten.“

    „Der steht hinter dir“, erklang eine Stimme hinter dem Rekruten, und Hadamar, der nach ihm reingekommen war, drängte sich an ihm vorbei, schmutzig und verschwitzt von einem Tag voller Training. Er nickte Varus, dem Scriba, müde zu, sagte aber nichts als Gruß, sondern gab ihm nur einen Wink, den der offenbar auch ohne Worte verstand – in jedem Fall begann der nun in ein paar Unterlagen zu kramen. Hadamar unterdessen wandte sich an den Neuen. „So, äh... wie war dein Name noch mal? Hast du deine Musterungstafel dabei?“ Er ließ sich die Tabula geben und überflog sie, während er gleich noch eine Frage anhängte: „Warst du schon im Sacellum?“

    Ein Miles, der vom Wachdienst vom Tor kam, klopfte kräftig an die Porta des Prätoriums. Als sich die Tür öffnete, erklärte er dem Ianitor: „Salve... ein gewisser Mathayus Magonidas wartet mit seinen beiden Söhnen mit ein paar Sklaven am Tor des Castellums. Er sagt er hätte einen Termin beim Legaten. In seinem Haushalt“, fügte er noch an, für den Fall dass die Rückfrage kam, warum er erst hier gelaufen war anstatt zur Principia.




    Vier Gruppen also, jede mit ungefähr 40 Mann. Jeder hatte Hadamar einen Immunes zugeteilt, damit bei jeder kontinuierlich ein Leithammel da war, zu dem die anderen schauen konnten – er selbst war herumgelaufen, hatte mal bei denen, mal bei jenen mitgemacht und angetrieben, was das Zeug hielt. Und dann war dieser eine Moment gekommen. Es war beinahe Abend gewesen, das Ende des Trainings greifbar. Hadamar hatte noch einen Durchlauf machen wollen, und hatte das in der Gruppe, bei der er gerade war, auch schon angekündigt – das Übliche, Jungs, auf geht’s, einmal die nächste Station noch, ihr seids mitm Laufen dran – so halt. Im Nachhinein verfluchte er sich selbst, dass er das ausgerechnet bei der Gruppe gemacht hatte. Er wusste, wer die Rädelsführer waren, er hatte sich in den letzten Wochen ziemlich gut eingelebt in die Centurie, hatte sich viel Mühe gegeben, auf Tuchfühlung zu gehen, die Männer kennen zu lernen, auch und gerade die, die nicht auf seiner Seite waren. Er war generell ein geselliger Typ, immer schon gewesen – und ganz konkret jetzt wollte er nicht nur gute Kontakte haben, sondern wissen, wer wo stand. Auf wen er zählen konnte... und vor wem er sich in Acht nehmen musste.
    Er wusste also, wer die Rädelsführer waren, und daher hatte er auch gewusst, dass die schlimmsten von denen in eben jener Gruppe waren. Wäre er also rechtzeitig zu einer anderen gewechselt und hätte da angekündigt, dass es noch einen Durchlauf geben würde, bevor sie Schluss machen konnten, und hätten die bereits angefangen mit dem nächsten, wären die anderen wohl einfach nachgezogen ohne groß Aufhebens darum. Aber er war nicht gewechselt. Er war geblieben, ohne darüber nachzudenken. Und die Rädelsführer hatten erst sich angesehen, dann ihn taxiert, dann wieder sich untereinander ein paar Blicke zugeworfen... und dann hatte einer von ihnen gemeint: „Ah wir sind genug gelaufen für heut, meinst net... Optio?“
    „Nee, einer fehlt noch, bevor’s reicht“, hatte Hadamar geantwortet, mit einem Grinsen auf den Lippen. Er hatte da zwar schon gewusst – durch die Blicke, die Haltung, den Tonfall –, dass das kein Scherz gewesen war. Aber er hatte geglaubt, dass es besser war sich etwas locker zu geben. Solche Sachen passierten öfters, dass sie nicht einfach anstandslos taten, was er sagte, sondern sich zierten, unnötige Fragen einwarfen, versuchten Zeit zu schinden, solche Sachen. Auch wenn er verzweifelt versuchte einen Weg zu finden, sich den Respekt zu erarbeiten den es brauchte, damit das aufhörte – daran hatte er sich gewöhnt. Ein kleines Wortgefecht, vielleicht ein paar härtere Ausdrücke, und es lief in der Regel dann doch.
    Er hätte nie damit gerechnet, dass es diesmal anders laufen würde. Dass sie es diesmal tatsächlich darauf anlegen würden. Dass sie sein Durchsetzungsvermögen austesten würden. Deswegen wäre ihm auch beinahe der Unterkiefer runtergeklappt, als er die Antwort hörte: „Ham uns jetzt ja ziemlich reingehängt in den letzten zwei Durchgängen. Das reicht ja wohl, um den letzten zu streichen...“
    Hadamar hatte nicht gewusst, was er darauf hätte sagen sollen. Er hatte es einfach nicht gewusst. Weiter rumalbern? Schärferen Ton anschlagen? Richtig scharfen Ton anschlagen? Vitis zücken? Die letzten beiden Dinge hatte Hadamar noch nie so wirklich gemacht bisher. Ja, sicher, ein bisschen schärfer formuliert. Auch rumgebrüllt, aber das eigentlich nur zum Antreiben. Aber so wirklich jemanden angeschnauzt und fertig gemacht hatte er nicht bisher... und die Rute hatte er auch noch nie genutzt. Es war nicht so, dass Hadamar davor zurückschreckte oder den Gebrauch dieser Mittel ablehnte. Es war nur so, dass er nicht so wirklich wusste, wann er das nun genau einsetzen sollte. Und wie. Wie er das machen sollte, damit die Leute ihn wirklich ernst nahmen, damit sie Respekt bekamen, und das dann nicht irgendwie überzogen oder, der Himmel bewahre, lächerlich.
    Genau das war auch jetzt die Situation. Hadamar wollte sich um keinen Preis blamieren, und er hatte unendlichen Schiss davor, jetzt den harten Hund herauszukehren – und die Kerle würden trotzdem einfach gehen. Was sollte er dann denn bitte machen? Die waren absolut in der Überzahl. Wenn die gehen wollten, konnte er sie allein kaum aufhalten. Er konnte rumbrüllen und mit der Vitis um sich schlagen, aber in diesem Moment würden sie ihn trotzdem einfach stehen lassen können, wenn sie wollten. Und auch wenn sie dafür später Strafen ohne Ende dafür bekommen würden, die Blamage für ihn wäre da, weil er sich nicht hatte durchsetzen können, nicht allein. Und bevor er das riskierte... hatte er einfach gar nicht reagiert, bis die ersten sich dann tatsächlich umgewandt hatten, um zu gehen. Er hatte sich ein Nicken und ein Grinsen abgequält, so getan, als wäre er damit wirklich einverstanden, und auch den anderen signalisiert, dass sie Schluss machen konnten.


    Aber das, das war ihm im Nachhinein nun klar, würde er nicht einfach so stehen lassen können.


    „Nen paar Tage noch, Centurio. Vielleicht zwei Wochen – spätestens dann könnte er sicher vom Tiro-Training zu den Milites wechseln.“ Feinheiten gab es ja immer irgendwie, die geschliffen werden konnten – ganz abgesehen davon, dass man einfach regelmäßig trainieren musste, um in Übung zu bleiben.




    Götter, warum ließ sie sich denn so Zeit mit ihrer Antwort? Klar, so wie sie guckte, würde sie nicht nein sagen... aber ganz war Hadamar sich dann halt doch nicht, in jedem Fall hätte er schon gern eine klare Antwort gehabt. Ganz leicht zog er die Augenbrauen hoch, bewegte seinen Kopf ein wenig und sah sie fragend an... und da – ja! Tatsächlich! Sie sagte zu. Wo er gerade eben noch das Adrenalin seinem Blut gespürt hatte wegen der Spannung, was sie wohl antworten würde, spürte er es jetzt vor Freude, weil sie zugesagt hatte. Das Gefühl war erhebend... und in diesem Augenblick auch ein ziemlicher Schub für sein Ego. „Klasse“, antwortete er mit einem Grinsen. „Dann sehen wir uns beim Frühlingsfest.“ In fröhlichem Überschwang deutete er eine Verbeugung an und griff dann noch mal nach ihrer Hand. „Petronia Octavena...“ Er neigte sich nach vorne und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken, ganz zart, kaum eine wirkliche Berührung, immerhin wollte er alles, nur das hier nicht versauen, bloß weil er jetzt am Schluss doch noch zu weit ging – aber es war ja sowieso die Geste, die zählte. „War toll dich kennen zu lernen“, mit einem verschmitzten Lächeln richtete er sich wieder auf, behielt ihre Hand aber noch einen Augenblick länger in der seinen als nötig gewesen wäre, „und ich freu mich auch schon auf das Frühlingsfest...“


    Pinnius Gallus, ein Immunes der Cohors II Centuria IV – die Centurie, die nach wie vor die Hauptlast des Wachdiensts abbekam, sehr zu seinem Leidwesen – schob gerade Schicht, und wünschte sich, sein Dienst wäre endlich vorüber. War eh nix los.
    Dachte er jedenfalls, aber siehe da, es wagte sich trotz der ganzen Mobilmachung noch wer zum Castellum. „Salve... Termin beim Legaten, so?“ brummte er und winkte einem Miles zu, damit der zum Prätorium flitzte und nachfragte. „Waffen müsst ihr hier lassen, wenn ihr welche dabei habt. Und ihr müsst euch durchsuchen lassen. Können wir gleich schon erledigen, während wir warten.“




    Hadamar war fertig. Fix und fertig. Und das nicht so sehr im körperlichen Sinn, obwohl die letzte Zeit ziemlich anstrengend gewesen waren, sondern mehr... nun ja... geistig. Seelisch. Moralisch. Er war jetzt schon seit ein paar Wochen Optio, aber irgendwie hatte er nicht das Gefühl, wirklich hineingefunden zu haben. Oh, mit den Aufgaben kam er halbwegs klar mittlerweile, es war zwar verdammt viel, aber meine Güte, da musste er halt fast jeden Tag bis in die Nacht hinein ackern – irgendwie ging das schon, zumal er mit Varus als Scriba wirklich gute Unterstützung hatte, was Hadamar ihm auch regelmäßig dankte mit kleinen Gefälligkeiten.
    Nein, sein Problem war, dass er nach wie vor nicht akzeptiert wurde von den anderen. Als Optio. Als Vorgesetzter. Er war zu jung, das war das Problem. Zu jung und zu unerfahren. Sicher gab es einige, die das nicht groß hinterfragten, wer ihnen da vorgesetzt wurde, sondern es einfach hinnahmen. Aber es gab eben auch einige – und das war nach wie vor die Mehrheit, befürchtete Hadamar –, die unzufrieden waren, damit, dass nicht einer aus ihrer Centurie befördert worden war, damit, dass der neue Optio so offensichtlich bevorzugt worden war, weil er aus der alten Centurie des Primus Pilus stammte, damit, dass er in den Augen vieler nur ein halbes Hemd war, und nicht zuletzt damit, dass dieser fremde Günstling noch dazu einfach ein Jungspund war. Die Mehrheit dieser Mehrheit tat in der Regel trotzdem, was er ihnen anschaffte, aus purer Gewohnheit, aus jahrelangem Drill, aus Obrigkeitshörigkeit, und moserten nur hinter seinem Rücken herum. Aber es gab eben auch ein paar, die ihm das Leben wirklich schwer machten. Die sich ihm und seinen Befehlen widersetzten, mal mehr, mal weniger offen. Und dass der Primus Pilus gerade in diesen Tagen viel mit anderen Aufgaben beschäftigt war, half auch nicht unbedingt weiter.
    Wenn er wenigstens aussehen würde wie Corvinus, der selbst einige Germanischstämmige noch überragte mit seiner Körpergröße und dabei nicht nur ein langer Lulatsch war, sondern auch einiges an Kampfgewicht zur Schau stellen konnte, was per se schon mal die meisten beeindruckte... aber so war Hadamar nicht. Er war nur durchschnittlich groß, er war drahtig, aber nicht massiv muskulös, und er konnte zwar auch ganz gut brüllen, aber ein Stimmvolumen wie sein Centurio bekam er nicht zusammen, und er verfügte noch nicht mal über einen richtig tiefen Bass, der alles zum Vibrieren brachte.


    Er musste sich was überlegen. Es blieb ihm gar nichts anderes übrig – irgendwie musste er den Respekt der Männer bekommen, seiner Männer, sonst konnte er gleich zum Centurio laufen und den Optio-Posten an den Nagel hängen, bevor er grandios scheiterte. Was heute vorgefallen war, hatte ihm klar gemacht, dass es so nicht weiter gehen konnte. Es hatte einige eher unschöne Szenen gegeben mittlerweile, aber heute war der Abschuss gewesen. Hadamar begannen selbst bei der Erinnerung daran noch die Ohren zu glühen. Ganz normales Training hatte auf dem Plan gestanden, Hadamar hatte die Centurie in vier Gruppen aufgeteilt, normales Laufen, Laufen in kompletter Ausrüstung, Schwertkampf und Speerwerfen. Die Tirones hatte er heute Gutta überlassen – da Artorius wenig da war, hatte er sich nach wie vor den Immunes als Unterstützung gesichert, anders wäre es kaum gegangen. Er band die Tirones zwar in das normale Training der Centurie ein, wann immer es ging, aber manchmal war es halt doch nötig, dass sie Gelegenheit bekamen für sich allein zu üben, gerade wenn es darum ging etwas Neues zu lernen, aber auch um Unsicherheiten wegzuschleifen, die sie nicht von selbst wegbekamen.

    Zitat

    Original von Marcus Marius Madarus
    Und so tat Sönke wie geheißen... zwar war er zu groß, um sich in Gänze hinter dem Scutum zu verstecken, aber es reichte doch um das, was man ihm als 'lebenswichtige Regionen seines Körpers' verkauft hatte vor allzu vorwitzigen Stichen seines Gegenübers zu verstecken. Nur eine Fingerbreit seiner Augen schaute über den Schild auf den vor ihm stehenden Hadamar, und bald sauste auch sein rechter Arm mit dem Gladius nach vorne.. ganz so, wie man es ihm gezeigt hatte. Und wie er es gefühlte hundert Jahre als kleiner Bub mit Stöckern auf der Rus geprobt hatte.


    Hadamar grinste flüchtig, als Sönke loslegte. Obwohl sie jetzt in Rüstung waren und Gladius und Scutum hatten, kamen da doch ziemlich Erinnerungen an früher auf, an ihre Kindheitstage auf der Rus. Und es machte ihm einfach Spaß, das in gewisser Weise wieder aufleben zu lassen. Auch wenn sie zumindest im Moment noch keinen wirklichen Zweikampf hatten, sondern er den Freund immer wieder dieselbe Abfolge üben ließ. „Mach du mal weiter“, gab er nach den ersten paar Schlägen von sich und trat ein paar Schritte zurück, um dann um Sönke herum zu gehen, Haltung zu korrigieren, Tipps zu gehen, Oberkörper, Beine, Schild- und Schwertarm.


    Nach ein paar weiteren Schlägen signalisierte er, dass Sönke kurz aufhören sollte, und positionierte sich wieder vor ihm. „Der Angriff zielt auf die linke Seite des Gegners. Eine Abwehr zu diesem Angriff ist also: Schild etwas rüber.“ Er machte die Bewegung vor. „Pass aber auf dass du dabei deine Rechte nicht völlig ungedeckt lässt. Und gleiches Spiel wie vorhin: wiederhol die Bewegung einfach immer wieder.“




    Zitat

    Original von Marcus Marius Madarus
    Sönke schwieg eine Weile, weil er versuchte das zu verarbeiten was ihm da in den Sinn kam. So richtig gelingen wollte ihm das nicht, wer war er denn auch? Er war Sönke, Befehlsempfänger und Sohn eines Befehlsempfängers.. und hatte freilich kaum Übung darin Zusammenhänge anders zu betrachten denn als Dinge, um die man sich in der Casa Duccia kümmerte... um dann mit Order zur Rus auf's Land zu kommen. Die Casa Duccia war hier die Principia, und in ihr saß kein Witjon der ihm selbst die Mannesleite abgenommen hatte oder jedes Jahr die kleinen Rituale ihrer kleinen Muntschaft leitete, nein, es saß ein hohes Tier aus Rom das er nicht kannte, und das ihn nicht kannte... weshalb Sönke sich umso mehr an das klammerte, was ihm hier bekannt war, und das war Hadamar. Wenn der also meinte, dass es vollkommen normal war für Römer bei der Thronvakanz kollektiv aufeinander einzuschlagen, dann war es halt so, und Sönke würde es nicht weiter in Frage stellen.


    "Jou, as wiu meens.", gab er schließlich auf, drückte damit seinem Freund förmlich die Führung in dieser Sache in die Hand, und rang sich schließlich ein mattes Lächeln ab: "De Optio, de Helvedius.. unne Siknifa.. de ham heel en Shiet quaket.. vo weje, we kloppe toers uffe Barbare in. Römsche mutte me kloppe.. ewe Trollköppsche."


    Hadamar war ziemlich froh drum, dass Sönke nicht weiter nachfragte. So wirklich wusste er ja selbst nicht, wie Römer das handhabten, was bei denen üblich war... aber mehr als er das eh schon zu erkennen gegeben hatte gegenüber Sönke wollte er das dann doch nicht betonen. Er musste das ja nicht unbedingt breittreten, schon gar nicht, wenn Sönke sich da so bereitwillig zeigte ihm zu glauben.
    So weit, so gut – aber was Sönke dann sagte, ließ Hadamar leicht irritiert dreinblicken. „De ham wos? Wos fia welchane Barbarn soin des sei, af die mia zerscht einihaun?“ War ihm etwas unverständlich... warum um alles in der Welt hätten Corvinus und Fuscus davon reden sollen, jetzt irgendwelche Barbaren plattzumachen?