Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Vom Scriba das Wichtigste zeigen lassen – erledigt.
    Mit den Immunes über den Stand der Ausbildung der Tirones unterhalten – erledigt.
    Den Tirones vorgestellt – erledigt.
    Vom Schriba noch mehr zeigen lassen – erledigt.
    Über diversen Dienst-, Wach- und Ausbildungsplänen gebrütet – erledigt.
    Beim Morgenappell der gesamten Centurie vorgestellt – erledigt.
    Vom Scriba noch mehr zeigen lassen – erledigt.
    Das Training der Tirones übernommen – erledigt.
    Über noch mehr Plänen gebrütet – erledigt.
    Vom Scriba alles noch mal zeigen lassen – erledigt.


    Hadamar wusste nicht mehr wirklich ganz genau, wo ihm eigentlich der Kopf stand. Die letzten Tage waren eine pure Aneinanderreihung gewesen von Arbeit, Arbeit, noch mehr Arbeit, großzügig garniert mit Erklärungen, die mal mehr, mal weniger gut gemeint und mal mehr, mal weniger verständlich waren. Um was ein Optio sich alles zu kümmern hatte, war ihm bislang nicht wirklich klar gewesen, und kaum hatte er sich in irgendwas eingearbeitet, kam Verus schon mit der nächsten Sache an – und wollte dann am besten gleich noch eine Entscheidung für irgendwas anderes haben, und lud ihm zusätzlich noch einen Batzen mehr Arbeit mit auf. Und der Primus Pilus war ständig beschäftigt – verständlicherweise, weil er mit seiner Centurie den Personenschutz des Legaten übernommen hatte. Und natürlich gab es einiges zu planen, mit dem Feldzug, über den zwar in der Legio noch niemand wirklich genaueres wusste, der aber scheinbar doch so ziemlich feststand und immer näher rückte – und da war der Primus Pilus freilich auch viel gebraucht, als Stabsmitglied des Legaten.


    Aber immerhin: Hadamar hatte sich mittlerweile wenigstens genug eingearbeitet, um all die verschiedenen Aufgaben und Bereiche und Anforderungen wenigstens halbwegs in seinem Kopf sortiert zu haben. Und das war auch der Grund, warum er nun vor der Tür zum Büro seines Centurio stand und auf eben jenen wartete, dass der eintrudelte. Hadamar hatte sich nicht getraut, vorher zu kommen, solange er noch das Gefühl gehabt hatte völlig verloren auf dem neuen Posten zu sein... zu groß war die Befürchtung, sich zu blamieren, den Eindruck zu wecken, dass er ungeeignet war. Er hatte lieber die Zähne zusammen gebissen und sich irgendwie durchgeackert. Aber jetzt, wo er begann sich ein bisschen sicher zu fühlen – und entsprechend auch sicherer auftreten konnte –, jetzt war wohl der richtige Zeitpunkt, den Artorius mal aufzusuchen und mit ihm zu reden, vorausgesetzt der hatte Zeit, und kurz Bericht zu erstatten über seine Einarbeitung. Was er gemacht hatte. Ob das im Sinne des Centurio gewesen war. Und was seine Pläne waren für die I in der nächsten Zeit.

    Als Hadamar an diesem Tag auf den Übungsplatz trat, atmete er tief durch. Nicht zum ersten Mal heute, er hatte schon ein paar tiefe Durchatmerer hinter sich gebracht... und mit Sicherheit auch nicht zum letzten Mal, vermutete er. Immerhin würde er heute zum ersten Mal vor den Tirones stehen, um denen irgendwas beizubringen. Also, nicht nur um sich vorzustellen als neuer Optio. Und auch nicht nur Sönke, oder vielleicht noch ein paar anderen, und letztlich gemeinsam mit Corvinus, der bei seiner alten Centurie immer dabei gewesen war... Sondern so richtig. Allen. Und allein. Und er war doch ein wenig... nervös deswegen. Sein Naturell sorgte freilich dafür, dass das meiste davon Spannung war, auf den heutigen Tag, darauf wie es laufen würde, und wie sich die Tirones wohl machen würden – denn wie vermutlich so ziemlich alle Legionäre war Hadamar der Ansicht, dass die meisten Tirones herzlich wenig taugten, noch gaaaanz viel Training brauchten und überhaupt weit miserabler waren als man selbst zu seiner eigenen Tiro-Zeit. Und die wurden auch immer frecher! Hätte man sich selbst ja nie getraut, so was... so oder so ähnlich jedenfalls liefen die Unterhaltungen der manchmal mehr, manchmal weniger gestandenen Legionäre, und auch Hadamar war da keine Ausnahme, auch wenn er selbst sich da immer mit einem Augenzwinkern dran beteiligte. Und diese Einstellung gegenüber den Neulingen half auch jetzt, seine Nervosität umzumünzen in die gespannte Neugier, ob die denn überhaupt was taugten. Genug, dass seine Bemühungen heute Erfolg gekrönt sein würden.
    Darunter lag allerdings die solide Befürchtung, dass er eben nicht sooo erfolgreich sein würde, weniger wegen der Tirones, sondern vielmehr wegen ihm selbst. Allein schon das Stichwort Respekt: er war ja kaum älter als die meisten und jünger als einige. Und dass er selbst von der I bereits einige kannte, weil er im Grunde seit seinem ersten Tag hier abends durch das Lager zog und sich mal hier mit denen unterhielt, mal dort mit jenen spielte... kurz: sich mittlerweile in den unterschiedlichsten Bereichen der Legio rumgetrieben hatte, darunter eben auch bei der I – was er in den letzten Tagen seit seiner Beförderung und Versetzung ganz konkret auf diese Centurie noch einmal massiv intensiviert hatte, um die Männer zu kennen zu lernen – dass er also viele von denen kannte, musste nicht unbedingt ein Vorteil sein. Das konnte genauso gut auch nach hinten losgehen. Kein Wunder also, dass er sich nicht ganz so wohl fühlte in seiner Haut... auch wenn er sich das nicht wirklich eingestand, und schon gar nicht den Grund, warum das so war. Er stellte für sich selbst eher was anderes in den Vordergrund: Rampensau war er schon immer irgendwie gewesen. Da würde er das hier auch hinkriegen. Und ganz ehrlich: wie schwer konnte es schon sein, vor ein paar Tirones die Feuerprobe als Ausbilder abzulegen?

    „Ja, ich auch... und bis es so weit ist, müssen wir halt den Laden selbst schmeißen“, grinste Hadamar ein wenig schief, „wenn unsere Centuriones durch Abwesenheit glänzen, weil sie den Feldzug vorbereiten oder so. Aber du kannst das.“ Im Gegensatz zu mir. Das ließ Hadamar allerdings unausgesprochen. Brachte ja nichts, wenn er das auch noch laut aussprach. Was er noch nicht konnte, würde er sich halt auf die ein oder andere Art noch aneignen müssen – und so wie es aussah, lernte er halt auf die harte Tour. Ins kalte Wasser geschmissen zu werden war immerhin auch ne Möglichkeit, schwimmen zu lernen... und wer es so lernte, konnte es danach dann immerhin wohl unter so ziemlich allen Umständen.


    Bei Corvinus' anschließenden Worten zog Hadamar flüchtig die Augenbrauen hoch. Alles eins? Er mochte den Kamerad ja wirklich gern, aber von Zeit zu Zeit gab er doch ziemlich deutlich zu erkennen, dass er... na ja. Dass er ein Römer war. Und die meisten waren halt dann doch irgendwie ziemlich ignorant gegenüber allem, was sich außerhalb ihres Spektrums abspielte. Aber gut, germanische Stämme auf der anderen Seite waren auch nicht so großartig anders, mal abgesehen von denen, die mit den Römern kooperierten und deswegen zwangsläufig sich der anderen Welt öffneten und sie kennen lernten. Er deutete ein Achselzucken an. „Mei... auch bei den Chatten gibt's nen paar die einfach Halsabschneider sind. Oder es waren irgendwelche Räuber, die für Chatten oder so gehalten werden wollten, um selbst net verfolgt zu werden.“ Die Bedienung kam vorbei und stellte ihnen einen Korb Brot auf den Tisch, und Hadamar nahm sich eine Scheibe und biss hinein, kaute und schluckte das Gröbste, bevor er dann mit nur halbleerem Mund weitersprach: „Mh. Eigentlich scho.“ Er schluckte auch noch den Rest runter. „Aber vielleicht wollte sie ja net?“ Oder es gab noch einen anderen Grund, warum die sie nicht hatten haben wollen. Aber das erwähnte Hadamar nicht – er hatte nicht den Eindruck, als ob Corvinus gern weitere Gründe hören wollen würde, warum ein Mädel wohl bei ihrer Sippe nicht mehr willkommen sein könnte. Hadamar grinste gutmütig. „Vielleicht ist sie einfach etwas ungewöhnlich.“

    „Alles klar?“ rief Tappulus vom anderen Ende des Tischs, wo er und Mugillanus auf sie aufmerksam geworden waren. Hadamar allerdings winkte ab.
    „Jo, passt schon. Spielt weiter.“ Er griff sich eine Münze und rollte sie zwischen den Fingern, während er den Kerl musterte. Der Akzent war ihm nicht ganz fremd, aber einordnen konnte er ihn trotzdem nicht – ein Römer war der Kerl aber auf jeden Fall nicht. Oder wenn dann einer wie er selbst, der seine Wurzeln eigentlich woanders hatte... was aber nun auf viele Römer zutraf, gerade in den Provinzen. Naja.. „In Sicherheit bringen, ja?“ Wer's glaubte. Gelegenheit machte immerhin Diebe – aber nen Profi hätte anders reagiert. Fand Hadamar zumindest. Einen Moment zögerte er. Er könnte das Ganze einfach auf sich beruhen zu lassen, war ja nix passiert. Aber dann beschloss er, sich den Fremden doch ein bisschen genauer anzusehen. Alle anderen waren eh irgendwie beschäftigt, und Corvinus verschwunden... da konnte er genauso gut mit dem hier ein wenig Zeit tot schlagen. Er ging um den Tisch herum und setzte sich dem Fremden gegenüber auf die Bank. Er schob ihm einen der Bierkrüge hin. „Dann sollte er dir wohl dankbar sein, dass du aufgepasst hast, hu? Lust auf ein Spiel?“ Er lehnte sich rüber zu den anderen und zog seine Würfel heran, die er auf dem Tisch hatte liegen lassen als er ausgetreten war.




    „Ja, genau der“, nickte Hadamar und setzte sich dann wieder hin, nachdem er Witjon ebenfalls einen Krug eingeschenkt hatte. „Angeblich ist der im Osten auch schon ausgerufen worden.“ Er trank einen Schluck und überlegte kurz. „Uh. Nein. Von Britannia weiß zumindest ich noch nix. Ich mein, gerüchteweise hört man schon, dass der wohl seinen Bruder unterstützen wird... aber im Castellum wird eigentlich drauf geachtet, dass die Gerüchte da net zu bunt wuchern. Und wenn es handfeste Nachrichten gibt, sind die zumindest bei uns net bekannt gegeben worden bisher.“


    Grinsend hob er dann ebenfalls seinen Krug und stieß mit seinem Sippenoberhaupt an. Obwohl er sich immer noch nicht sagen konnte, warum ausgerechnet er befördert worden war, und obwohl er sich auch immer noch so ganz sicher war, ob er der Herausforderung wirklich gewachsen war... das war etwas, was er Witjon ganz sicher nicht unter die Nase reiben würde. Da brachte er es endlich mal ein wenig vorwärts – da würde er nun ganz sicher nicht diesen Eindruck schmälern. Natürlich wäre es ganz schön gewesen, mit Witjon ein bisschen darüber zu reden... aber Hadamar wollte einfach nicht, dass es wieder hieß, er wäre ungeeignet. Oder besser: er würde nichts aus sich machen, was in seinen Ohren in den letzten Jahren immer das Gleiche gewesen war... ohne wirklich zu realisieren, dass es ja im Grunde nicht das Gleich war. So also verschwieg er seine Zweifel – und überhaupt, so nach und nach bläute ihm Verus schon alles ein, was er wissen musste, nur die Arbeit wurde halt irgendwie nicht weniger –, und trank einen kräftigen Schluck. „Danke“, grinste er und zuckte dann die Achseln. „Botengang. Wir sollen was nach Augusta Vindelicum bringen.“

    „Das muss ich mir merken“, schmunzelte Hadamar zurück, als sie ihm sagte, wann sie schlecht nein sagen könnte. Er hoffte, dass sie das positiv auffassen würde – der Kommentar konnte viel andeuten, und er hatte zumindest die Erfahrung gemacht, dass Frauen Zweideutigkeiten durchaus mochten, so lange sie nicht zu aufdringlich wurden. Außerdem sagten seine Worte vor allem, dass er sich an das hier auch erinnern würde... und ließen anklingen, dass er sie gern wieder treffen würde.


    Auf den Mund gefallen war sie definitiv nicht, was sie gleich darauf bewies, und das gefiel ihm. Seine – zugegebenermaßen ziemlich beschränkten – Erfahrungen mit Römerinnen hatten ihn bisher eher glauben lassen, dass die durch die Bank schüchterner waren als germanische Frauen. Oder vielleicht war auch zurückhaltender das richtige Wort. So oder so konnte er mit solchen Frauen nicht sonderlich viel anfangen. Octavena allerdings schien nicht so zu sein, jedenfalls nicht mehr nachdem sie nun die erste Kennlern-Hürde überwunden hatten. Hadamar musste lachen, als sie ihm plötzlich ganz klare Anweisungen gab, was er tun sollte – aber es war ein gutmütiges Lachen, und er folgte widerspruchslos. Erst recht, als nun sie es war, die diese feine Grenze überwand und ihn berührte, um ihn mit sich zu ziehen.


    „Es wär aber leichter wenn ich gleich wüsst, was dir gefällt“, wandte er, immer noch lachend, ein. „Das kann die tollste Spange sein – wenn’s dir net gefällt, ist sie nicht gut genug.“ Trotzdem begann er allerdings, die Auslage zu mustern, allerdings immer wieder im Wechsel mit genauso ausgiebigen Blicken auf sie. Hey, sie hatte doch gesagt er solle gucken, was ihr wohl stehen könnte von ihrem Aussehen her, oder? Das wär ja geradezu sträflich, diese Aufforderung nicht dazu zu nutzen, sie anzusehen. Und wenn er sich nicht täuschte, war es nun vor allem sie, die ausgiebig Gebrauch davon machte ihn zu betrachten.
    Als sich ihre Blicke bei einer von diesen gegenseitigen Musterungen kurz trafen, musste er erneut lachen, leise diesmal, und irgendwie selbst für ihn ohne erkennbaren Grund. Da stand er hier mit einem hübschen und sympathischen Mädel und suchte eine Spange für sie aus. Hätte er auch nicht geglaubt in der Früh, dass ihm so was heute passieren würde. „Und du glaubst also, ich könnte das? Da schmeichelst du mir aber. Soldaten haben nicht unbedingt viel mit Farben zu tun... Und mit Schönheit erst recht nicht.“ Beim letzten Satz blickte er endgültig von der Auslage hoch und sah sie wieder auf diese bestimmte Art an, als würde gerade nur sie existieren. „Wir kriegen nicht allzu oft Schönheiten zu Gesicht... wenn wir nicht gerade über den Markt laufen und zufällig einer begegnen.“ Er griff nach einer Spange, die er zuvor schon ins Auge gefasst hatte, und hielt sie ihr hin. Es war eine ziemlich zarte Schmiedekunst, aus Silber, weil sie zwar dunkle Haare und Augen hatte, aber selbst für eine Römerin ziemlich blass war; fein ziselierte Blätter wuchsen aus drei schmalen, ineinander verschlungenen Ranken, und waren mit Einlegearbeiten aus kleinen, grünen Steinen verziert. „Was hältst du von der hier?“

    Na super. Na ganz toll. Na große Klasse! Da bekam er einen Auftrag, einen wichtigen noch dazu, und mit wem musste er den durchführen – wem unterstand er dabei? Dem Germanenhasser von der Turma II. Absolut fantastisch... trotzdem hatte Hadamar beschlossen, sich dadurch nicht den Spaß verderben zu lassen. Er musste halt die Zähne zusammenbeißen, aber na und? Er konnte gar nicht mehr zählen, wie oft er schon in so einer Situation gewesen war, in der Zähne zusammenbeißen das einzige gewesen war, was ihm noch geblieben war, seit er in die Legio eingetreten war. Er würde es auch überleben, ausgerechnet diesen Decurio für die nächste Zeit Tag für Tag auf der Pelle zu haben – auch wenn er sich ganz sicher nicht darauf freute, dessen Rute zu spüren, und er befürchtete fast, dass das durchaus vorkommen würde.


    So oder so war er allerdings jetzt – zu Pferd und mit ein paar Equites der Turma II – erst mal vor den Toren der Principia, um auszuführen, was der Legat ihnen aufgetragen hatte. Der Decurio hatte noch etwas zu erledigen gehabt und würde am Stadttor auf sie warten, und so war es Hadamar, der vor der Porta Regiae nun absaß, zu den Wachen ging und ihnen den Auftrag des Legaten der Secunda überreichte. „Salve, Jungs. Ich bin Optio Duccius und soll den Wagen und den Brief abholen, der zum Procurator Augusti nach Raetia soll.“

    Hadamar ließ es sich nicht zwei mal sagen sich zu setzen, ging zu einem Stuhl und ließ sich darauf nieder – nur um gleich darauf wieder aufzuspringen und sich ein Bier einzuschenken. Nach dem Treffen mit dem hübschen Mädel war er fast schon verdächtig gut gelaunt, und mehr noch, er hatte das Gefühl nicht still sitzen zu können. Wie gut, dass er heute auch noch vor hatte seine Mutter zu besuchen, auf dem Weg dahin konnte er durch Laufen etwas überschüssige Energie los werden... andererseits: so viel Zeit hatte er nun nicht mehr, weil er auf dem Markt mehr davon vertrödelt hatte als ursprünglich geplant. Aber er konnte sich hier von der Hros ja ein Pferd ausleihen. Beim Reiten wurde man auch Energie los. Und es ging wesentlich schneller.


    „Du auch?“ fragte er mit einem Schwenk des Bierkrugs in Richtung Witjon, um diesem dann einzuschenken, was der wollte – falls er was wollte. „Oh, einiges“, grinste er dann zurück – und das Grinsen, das wusste er selbst, war eigentlich völlig und absolut unangebracht bei dem, was die wichtigste Information war. Aber die anderen machten das irgendwie wieder wett. Und, natürlich, die Erinnerung an die Petronia. Hadamar räusperte sich und versuchte trotzdem, zuerst mal ein angemessen ernstes Gesicht zu machen. „Falls du's noch net mitgekriegt hast: die Legio II hat diesen... äh. Diesen... C... irgendwas mit Korn war's. Korni... Kornius? Cornelius! Den Cornelius als Kaiser ausgerufen. Der grad irgendwo im Osten wohl unterwegs ist. Und dem sein Bruder in Britannia der LAPP ist.“ Hadamar hatte sich nach dem Appell mal ein bisschen mit seinem Centurien-Scriba unterhalten, um ein bisschen klarere Sicht auf manche Dinge zu kriegen. Nicht dass er so wirklich durchblickte, aber nach und nach hatte er doch das Gefühl, wenigstens ein bisschen mehr Ahnung zu kriegen. „Hab außerdem nen Auftrag gekriegt, muss morgen nach Raetia. Und: ich bin Optio.“ Jetzt grinste Hadamar wieder fröhlich.

    Hadamar räusperte sich. „Ja, denk auch.“ Nur wusste er selbst halt noch nicht so recht, was Artorius da in ihm sah. Eines wusste er allerdings ziemlich genau: er wollte verdammt sein, wenn er nicht alles tat um zu verhindern, dass er sich blamierte. Also blieb ihm kaum was anderes übrig, als sich anzustrengen wie noch nie in seinem Leben. Er lehnte sich zurück und trank einen kräftigen Schluck Bier, das bereits auf dem Tisch stand. „Ja, der Scriba ist so weit ganz in Ordnung. Der ist mir jetzt schon ne große Hilfe. Der Centurio hat grad gar keine Zeit, kein Wunder, der ist viel mitm Legat unterwegs... deswegen ist eigentlich Verus der, der mich da einarbeitet.“


    Er schloss sich Corvinus bei der Essensbestellung an und nickte dann leicht. „Hermunduren“, verbesserte er. „Und wie, meinst ihre Sippe wurde von den eigenen Leuten ausgelöscht, weil sie nicht gegen Rom waren?“ Er zuckte die Achseln. „Vielleicht hat sie auch ne Krankheit weggeputzt. Oder der Hunger. Oder die Kälte. Alles net ungewöhnlich, grad auf der andern Seite vom Fluss.“ Noch ein Schluck Bier folgte, bevor er Corvinus flüchtig angrinste. „Naja, beide Stämme sind Rom net sonderlich freundlich gesonnen. Wär doch eigentlich logisch dass sie sich grad in diesen Zeiten eher zusammentun, meinst net? Wo die Hermunduren doch eigentlich auf Rache sinnen und die Chatten mal wieder auf Rabatz aus sind.“

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    Original von Lucius Helvetius Corvinus
    Auf den Weg zur Taberna wurde er aber durchaus nochmal ernst.
    "Ja hat sie bei irgendeinem Valiso... warum sollte man sie denn ausstoßen? Meinst sie hat was angestellt... warum wird man denn bei den Germanen aus der Sippe verstoßen. Das mit dem Tod passt glaube ich aber besser. Sie hat öfter mal erwähnt das sie was gegen Chatten hat und selber eine... Hermandorin ist. Kennst du den Tribus? Was sind das für welche?"
    Plötzlich klatschte Corvinus sich vor die Stirn.
    "Jetzt fällt es mir gerade wieder ein. Am Abend in der Taberna hat sie glaube ich erzählt das ihr Sippe von den Chatten angegriffen wurde und ihre direkten Verwandten alle tot sind. Aber warum ist sie denn dann nicht bei den anderen Überlebenden geblieben?"


    „Naja, und deswegen... ist mir nicht ganz so nach ner großen Feier. Erst mal zusehen dass ich da klar komm“, fügte er noch an, während sie eintraten und sich einen Tisch suchten. Er schnitt eine Grimasse. „Mir würd’s schon reichen, wenn ich erst mal nen Überblick über die Arbeit krieg... dann wird’s hoffentlich etwas besser, auch wenn die Arbeit selbst net weniger wird.“ Er zuckte die Achseln und brüllte quer durch den Schankraum: „HE! Bring mal was zu trinken – und zu futtern gleich auch!“
    Das Bier kam schnell, und Hadamar trank einen kräftigen Schluck, bevor er sich wieder an Corvinus wandte. „Valiso... Hu. Ich kenn nen Valgiso. Hat mit meiner Familie nen paar Geschäftsbeziehungen“, grinste Hadamar und zuckte dann erneut die Achseln. „Keine Ahnung, da gibts viel Gründe für. Wir hatten das auch mal... mit ner Angeheirateten. Hat aber auch Duccia geheißen dann. Als der ihr Mann gestorben ist, hat sie mit nem anderen gevögelt. In unserem Haus, im Bett ihres Mannes, kaum dass der unter der Erde lag. Da hat sie unser Sippenoberhaupt verstoßen.“ Gut, mit dem kaum unter der Erde übertrieb er vielleicht etwas – aber er war da ohnehin noch zu jung gewesen, um das selbst so wirklich mitgekriegt zu haben. Und es war definitiv in Hagens Bett und noch in der Trauerzeit gewesen, als sie angefangen hatte rumzuhuren.
    Dann allerdings wurde er richtig aufmerksam. „Sie ist ne Hermundure? Klar kenn ich die. Leben auch irgendwo in der Nähe, nen paar Tagesreisen weg. Wir haben aber wenig mit denen zu tun... die sind Rom eigentlich feindlich gesonnen, seltsam dass die hier ist. Modorok war einer von denen“, erzählte er weiter. „Der hat vor Jahren mal den Aufstand geprobt. Hat nen paar Stämme vereint und ist gegen... ach was war's... CCAA marschiert, glaub ich. War ne ziemlich, äh, blutige Sache.“ Nicht dass er davon auch nur irgendwas persönlich mitgekriegt hätte, aber Geschichten dieser Art waren es, womit er aufgewachsen war. Im Gegensatz zu diversen römischen Geschichten, die er erst hatte lernen müssen später. „Die sind damals von den Römern und den Mattiakern geschlagen worden.“ Hadamar grübelte kurz. „Frag mich nur warum die Chatten dann ihre Leute umgebracht haben sollen, wo doch beide römerfeindlich sind...“

    „Weil...“ Hadamar zögerte kurz, bevor er etwas leiser weitersprach. „Weil’s bei dir sonnenklar war. Du hattest die Beförderung so was von verdient. Aber ich...“ Er zuckte die Achseln und unterdrückte ein Seufzen. „Ich weiß net genau, warum der Primus Pilus ausgerechnet mich befördert hat. Und dann auch noch zu ner Doppelcenturie! Ich hab nur... ich hab das Gefühl, dass ich mir das erst noch wirklich verdienen muss, weißt? Beweisen, dass ich das wirklich drauf hab. Was auch immer Artorius in mir sieht...“ Er zuckte die Achseln und stieß mit einem Fuß gegen einen Dreckklumpen – und kurz darauf mit der Hand gegen die Tür zur Taberna, in die sie dann eintraten.

    Zitat

    Original von Lucius Helvetius Corvinus
    "Also alles beim alten nur Probleme haste," grinste Corvinus zurück und biss in seine Zwiebel.


    „Nur“, bestätigte Hadamar im Brustton der gespielten Überzeugung, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und legte die Beine auf den Tisch. Grübelnd sah er kurz die angebissene Zwiebel an und überlegte, ob er sich die vielleicht erst mal auf sein blaues Auge legen sollte... vielleicht half das ja nicht nur bei Stichen, sondern auch bei so was? Allerdings entschied er sich dann doch dagegen, biss wieder ab und beschloss, die Gelegenheit zu nutzen und sich noch ein wenig mit Corvinus zu unterhalten. Solange der Zeit hatte, hieß das.




    Zitat

    Original von Lucius Helvetius Corvinus
    "Ach das bisschen meinst du... ich halte mich ja eigentlich noch zurück da ich euch Schlappschwänze ja schon nicht vor dem Zug kaputt machen will," antworte er fröhlich und gut gelaunt.


    „Klar“, grinste Hadamar zurück. „Zurückhaltung pur is das...“ Corvinus schien zur Abwechslung mal ein bisschen Zeit zu haben – oder sie sich einfach zu nehmen. In jedem Fall blödelten sie noch eine ganze Weile miteinander herum, bevor sie beide schließlich wieder los mussten – Hadamar zur ersten Nachtwache, Corvinus vermutlich wieder zu irgendwelchen Akten oder Dienstplänen.




    Hadamar musste sich zusammenreißen, damit sein Grinsen nicht so breit wurde, dass es unverschämt hätte wirken können, als sie rot wurde. Sie lächelte ihn an, sie schien sich tatsächlich geschmeichelt zu fühlen – dann machte er gerade also alles richtig, schien es. Und wie gut, dass er heute zur Abwechslung mal wirklich darauf geachtet hatte, dass seine Ausrüstung in Ordnung, den Teil davon den er trug jedenfalls – immerhin hatte er sowohl vor Witjon als auch seiner Mutter, die er auch noch heute besuchen wollte, einen guten Eindruck machen wollen. Dass ihm noch jemand anders dazwischen kam, bei dem sich ein guter Eindruck lohnen würde, damit hatte er zwar nicht gerechnet... umso mehr freute ihn das allerdings. „Vielen Dank“, erwiderte er. „Ohne deine Hilfe hätt ich sicher nicht so was Schönes gefunden.“ Was ein wenig übertrieben war, aber schaden konnte das ganz sicher nicht, glaubte er, nicht wenn es darum ging Komplimente zu verteilen. Und vor allem nicht, wenn es mit einem charmanten Lächeln kombiniert über seine Lippen kam, das zeigen sollte, dass sein Kommentar vielleicht ein wenig übertrieben, aber trotzdem ernst gemeint war.


    „Najaaa...“ machte er gedehnt. „Ich weiß nicht, ob ich nen unglückliches Händchen dabei hab... aber ich kenn mich nicht wirklich aus, und ich wollte lieber auf ein fachliches Urteil vertrauen, bevor ich meiner Mutter einfach irgendwas mitbringe.“ Er schmunzelte. „Aber ich helf dir freilich gern. Ist ja auch leichter, wo du daneben stehst und mir sagen kannst, was dir gefällt und was nicht.“ Er wies auf die Auslage. „Möchtest du dir gleich hier was aussuchen oder lieber weiter gehen?“


    Ein wenig verblüfft war er schon, dass Corvinus offenbar gar nix davon mitgekriegt hatte. Er hatte es in den wenigen Tagen seit seiner Beförderung zwar noch nicht geschafft gehabt, seinem Kumpel das selbst zu erzählen – im Gegensatz zu seinem Contubernium, von dem hatte er sich verabschiedet –, aber er hätte schon gedacht dass dem irgendwie mal aufgefallen war, dass er nicht mehr in der Centurie war... Ganz davon abgesehen dass sich so was doch eigentlich auch rumsprach. Andererseits: seit sie nicht mehr im selben Contubernium waren, waren auch die Zeiten vorbei, in denen sie sich so oder so jeden Tag gesehen hatten. Er grinste schief zurück. „Ja, das... Seit ein paar Tagen. Und war gleich viel los, die haben mir das da in der Früh gesagt und mich gleich unter nem Haufen Arbeit und Anweisungen begraben, aus dem ich immer noch net rausgucken kann.“
    Hadamar schnitt eine Grimasse. Corvinus‘ Beförderung war ganz klar ein Grund zum Feiern gewesen, ohne jeden Zweifel. Bei seiner eigenen allerdings war er sich da nicht ganz so sicher. „Bei dir war das was anderes“, murmelte er daher ausweichend und versuchte sich an einem Scherz, als Corvinus davon sprach Hunger zu haben, der allerdings selbst in seinen Ohren eher lau ausfiel. „Dann wird’s Zeit dass du dich mal ordentlich satt isst...“


    Er hielt Corvinus die Tür auf, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die Taberna. „Ham wir auch, eigentlich. Aber vielleicht hat sie ihre ja verloren. Ist verstoßen worden. Oder sie sind tot. Hat sie dir denn gesagt wo sie wohnt?“

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    Original von Lucius Helvetius Corvinus
    Corvinus fing breit an zu grinsen.
    "Na dann ist ja alles in Ordnung wenn du dich beschwerst ist die Welt noch nicht untergegangen... Aber hast schon recht ist viel zu tun und zu allem Überfluss geht mir die kleine Germanin nicht aus dem Kopf. Nu ist der Abend in der Taberne schon einiges her und ich hab es immer noch nicht geschafft sie zu besuchen. Mit jedem Tag der verstreicht... wird es schwieriger. Was soll ich der denn sagen? Kanntest du die eigentlich?"


    Wie was? So lange er sich beschwerte war die Welt noch nicht untergegangen? Na dann konnte Corvinus ja noch ein paar mehr Beschwerden haben... Hadamar grinste breit: „Jaaa, ich hab viel zu tun, weil DU uns so viel auflädst! Hier ein Lauf und noch ein Marsch und noch ein Training... und mich schleppst du dann auch mit auf die Hälfte deiner Läufe die du nur zu deinem Privatvergnügen machst...“ Er lachte und wurde dann wieder ernster. „Nee, tut mir leid, die kannte ich überhaupt net. Weißt denn wo sie wohnt?“




    Zitat

    Original von Lucius Helvetius Corvinus
    "Dann versteckt er es gut... aber soo die Erfahrung im ausbilden hab ich ja auch nicht um versteckte Talente sogleich zu erkennen eh?
    Wie du schon sagst morgen wirst du es ja selber sehen.
    Was geht sonst so?"


    Den letzten Teil hatte Corvinus mit gut gelaunter Stimme gefragt während er aus seinem Spind zwei Zwiebel herausholte. Die größere nahm er sich und bot Ferox die kleinere an.


    „Sonst?“ Hadamar grübelte kurz und grinste dann mit einem Achselzucken. „Außer der Prügelei meinst und der Tatsache, dass Massa mich dazu verdonnert hat dir bei der Ausbildung zu helfen? Nee, eigentlich net.“ Er griff sich die Zwiebel und biss hinein. „Bei dir?“




    „Äh“, machte Hadamar, der seine Rüstung noch gar nicht geputzt hatte. Aber heute war neben Appell nicht allzu viel los gewesen, die Rüstung sah also nach dem letzten Putzen eigentlich... noch... gut aus... „Nicht ganz. Ich mach den Rest nachher noch“, flunkerte er. „Weißt doch, dass ich wenig Schlaf brauch.“ Er grinste und kratzte sich dann am Kopf. „Nee, tut mir leid. Aber... pass auf, lass uns doch in die Taberna hier im Castellum gehen. Ich lad dich ein. Hatte bisher eh noch keine Gelegenheit meine Beförderung zu feiern... das ging viel zu schnell alles...“ brummte er.

    Bei Corvinus schien es gut zu laufen, so gut, dass Hadamar den zwei Turteltäubchen kaum noch Aufmerksamkeit schenkte. Mit einem „Jungs, ich muss pissen. Lasst bloß die Finger von meinem Gewinn!“ verzog er sich irgendwann für ein paar Momente – und als er wieder kam, hatte sich das Bild grundlegend geändert. Corvinus und das Mädel waren verschwunden. Stattdessen saß ein Fremder an dem Ende des Tischs, an dem die zwei vorhin gesessen hatten – während Mugillanus und Tappulus weiterhin am anderen Ende saßen und würfelten, und der Rest ihrer Kameraden immer noch im Rest des Schankraums verteilt waren.
    Hadamar wollte gerade zu seinen Spielpartnern gehen und weiter machen, und nebenbei fragen, ob Corvinus die Kleine nun abgeschleppt hatte oder was – als ihm plötzlich eine Bewegung des Fremden auffiel. Dessen Hand hatte sich irgendwo neben Corvinus’ Münzbeutel gesenkt, der offen und von ein paar Münzen umrundet war, und er zog sie nun wieder zu sich. Mit ein paar langen, aber nicht hastigen Schritten war Hadamar bei ihm und legte seine Hand auf die Finger des anderen – in einer Geste, die für Zuschauer beiläufig aussehen mochte, die aber genug Druck ausübte, dass es für empfindlichere Gemüter bereits an der Grenze zum Schmerz sein würde, und für jeden anderen eine Warnung, dass es dahin gehen konnte. Hadamar grinste den Fremden an, durchaus fröhlich wie es seine Art war, aber mit aufmerksamen Augen. „Das willst du net wirklich.“




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    Original von Lucius Helvetius Corvinus
    Corvinus verstaute seine Utensilien wieder und setzte sich dann auf einen Hocker. Er wartete das Ferox herein kam und er mit diesem mal wieder reden konnte.


    Als Hadamar sich endlich auch umwandte und mit den beiden Schüsseln zur Unterkunft zurücktrottete, stellte er fest, dass Corvinus da auf ihn wartete. Flüchtig zog er eine Augenbraue hoch, reichte ihm aber nur wortlos die Schüsseln und sah zu, wie Corvinus sie verstaute, bevor sie in die Unterkunft des Centurio gingen – die aktuell noch unbesetzt war. „Mann...“ Mit einem leisen Seufzen ließ er sich auf den Boden fallen und lehnte mit dem Rücken gegen den Schreibtisch, während er Corvinus ansah, der auf einem Hocker saß. „Ist echt anstrengend zur Zeit.“