Hatte seine Frage wirklich einen Vorwurf beinhaltet? Hadamar grübelte ganz kurz darüber nach, während seine Ohren mal wieder zu glühen begannen bei der Zurechtweisung, die dem Lob folgte. Er kam nur nicht wirklich zu einem Schluss. Er hatte dem Centurio ganz sicher keinen Vorwurf machen wollen, so viel stand für ihn fest, er hatte nur wissen wollen, was nun mit seinem Anliegen war, aber... naja... konnte man vielleicht als Vorwurf auffassen. „Ich werd's mir merken, Centurio“, murmelte er, weil er das Gefühl hatte, irgendetwas sagen zu müssen auf die Worte – ein weiteres Entschuldigung nun aber irgendwie lächerlich gewirkt hätte, fand er.
Auch bei der nachfolgenden Ausführung des Centurio fragte Hadamar sich zunächst allerdings weiterhin, was das nun ganz konkret mit ihm zu tun hatte. Ja, Vorgesetzte hatten auch kein leichtes Leben, aber wer hatte das schon? Mussten sie sich halt Gedanken machen, wann sie wen wie einsetzten. Hadamars Mitleid hielt sich da ziemlich in Grenzen, auch das für Corvinus. Die machten das schon, so wie sie alle hier ihre Aufgaben erledigten. Der Unterschied war nur, dass die meisten halt nur Befehlsempfänger waren. War wie beim Spielen, im Grunde: die meisten wollten nur würfeln, oder einfache Varianten des Soldatenspiels spielen. Wenn es komplizierter wurden, stiegen sie der Reihe nach aus, bis nur noch ein paar übrig blieben, die es halt konnten und Spaß dabei hatten.
„Ehm. Nein... Centurio“, antwortete er auf die Frage, die dann kam, ein wenig unschlüssig, ob Massa wirklich eine Antwort von ihm hören wollte oder die Frage einfach nur gestellt hatte, um sie zu stellen, ohne eine Antwort zu erwarten. Und als der Mann dann weiter sprach, wurde er endlich konkret. Hadamar starrte ihn an und fragte sich, ob er ihm da tatsächlich gerade erzählte, dass Corvinus von dem ganzen Gerede eigentlich gar nicht betroffen war. War es so? Hadamar hatte sich darüber noch gar nicht so wirklich Gedanken gemacht, ihn hatte zunächst mal einfach nur gestört, dass der Freund von manchen anderen verbal durch den Dreck gezogen wurde und ihm Vorwürfe gemacht wurden, die nicht stimmten – Vorwürfe, die halt ganz konkret mit ihrer Freundschaft zusammen hingen. Wenn Corvinus selbst das allerdings gar nicht so wirklich ausbaden musste – änderte das dann was? Hadamar war sich nicht so sicher. Stören tat es ihn auf jeden Fall immer noch, das schon, aber... Götter war das verwirrend. Vielleicht sollte er sich einfach noch mal Gedanken darüber machen, warum ihn das störte. Vielleicht fand er ja dann eine Lösung, zumindest dafür, dass er ruhig blieb, wenn sie weiter auf ihm herumhackten, und das würden sie wohl, wenn er den Centurio richtig verstand. Weil es immer welche gab, die sich benachteiligt fühlten, und unter denen immer welche, die das rauslassen mussten. „Ich... weiß nicht“, entgegnete er auf die nächste Frage, und fügte zögernd an: „Bei manchen vielleicht. Ein bisschen. Bei anderen... kaum.“
Hadamar war sich mittlerweile nicht ganz sicher, ob er es nicht bereute, zum Centurio gekommen zu sein. Der behauptete zwar mehr Antworten gegeben zu haben... aber er hatte gerade das Gefühl, mit ganz eindeutig mehr Fragen zu gehen als er gekommen war, und die meisten davon welche, die sich gerade erst in ihm zu formen begannen, weswegen er sie noch nicht einmal wirklich stellen konnte. War ja keine Unterhaltung unter Freunden. Der Centurio nahm sich zwar Zeit für ihn, aber Hadamar bezweifelte, dass er sich auf ein Gespräch mit ihm einlassen würde, bei dem noch nicht mal klar war, wo es hinsteuerte – wie unter Freunden eben. Und eine wirkliche Lösung hatte er immer noch nicht, vielleicht weil es keine gab, oder keine einfache zumindest.
Noch war der Centurio allerdings nicht fertig mit ihm. Und bei den nun folgenden Worten begannen Hadamars Ohren plötzlich zu klingeln. Er sollte was?!? Für Augenblicke starrte er den Primus Pilus einfach nur ziemlich perplex an, während er versuchte zu begreifen, was der da gerade gesagt hatte. Er sollte jetzt bei der Ausbildung helfen? Das... war... ne klasse Sache, das war ihm wohl bewusst. Er verstand nur nicht so ganz, warum. Wie der Centurio auf diese Idee gekommen war. Die andere Perspektive betrachten, echote es in seinen Gedanken. „Ich... jawohl, Centurio“, nahm er den Befehl dann erst mal nur an, zur Abwechslung mal froh über den knappen Sprachstil, der bei der Armee so gerne gepflegt wurde, weil es ihm etwas Zeit verschaffte. Die Frage nach dem Warum brannte trotzdem noch auf seinen Lippen, aber die verkniff er sich. Er wollte sich das jetzt nicht verderben durch irgendeine blöde Frage, denn ganz egal, was den Centurio dazu gebracht hatte es für sinnvoll zu halten, dass Hadamar die andere Perspektive kennen lernte: es war toll, dass es so war. Er mochte Abwechslung. Im Gegensatz zu vielen anderen mochte er ja sogar die meisten Sonderaufgaben, weil sie eben das versprachen im Alltagseinerlei der Legion – selbst wenn sie ihn wie vor einiger Zeit quer durchs Lager und später durch Mogontiacum scheuchten, nur weil ein Sklave sich einer Aufgabe entledigt hatte. Und er probierte gern neue Sachen aus. Und: das hier war ganz eindeutig eine Sonderbehandlung. Ausbilden, das wurde nicht jedem anvertraut. „Danke für dein Vertrauen. Ich werd die Gelegenheit nutzen.“