Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Es war Neugier, die Hadamar zu Corvinus und seinem Opfer trieb. Er hatte mittlerweile schon ein paar Mal mitgekriegt, dass der Kamerad an irgendwas anderes glaubte – womit er nicht der einzige war, bei den Soldaten war das recht bunt gewürfelt. Hadamar selbst allerdings hatte davon wenig Ahnung. Er kannte seine Götter, und noch ein paar von den römischen, aber das war es dann auch schon. Ab und zu opferte er, wenn es einen Anlass gab, und im Großen und Ganzen glaubte er, dass er sich als Soldat im Dienst der römischen Legion wohl am ehesten Mars verbunden fühlen sollte... Aber so wirklich wirklich Gedanken hatte er sich darüber bisher nicht gemacht. Götter waren halt einfach irgendwie Teil des Lebens, aber nichts, worüber er sich tagein tagaus den Kopf zerbrochen hätte.
    Aber neugierig, ja, neugierig war er schon, was Corvinus da eigentlich trieb. An wen er glaubte. Und was um alles in der Welt das für ein Gott war, der jemanden wie Corvinus zu einem solchen... naja, Eifer trieb. Die paar Mal, die Corvinus über seinen Glauben gesprochen hatte, hatte er jedenfalls ziemlich... überzeugt davon gewirkt. Und so stand er jetzt ziemlich weit im Hintergrund – deutlich hinter denen, die da mitmachten oder mitmachen wollten – und betrachtete das Opfer.




    Zitat

    Original von Marcus Marius Madarus
    "Das ist WIRKLICH scheisse.", fluchte Sönke leise vor sich hin, als er Hadamar als Partner für die Übungen am Gladius und Scutum zugeteilt bekam. Zumeist hatte er sich mit anderen Kameraden abmühen müssen, und je weniger er sein Gegenüber mochte desto einfacher fiel es ihm dieses gründlich zu verdreschen. Wobei er selbst sehr schnell feststellen durfte, dass es einen riesigen Unterschied zwischen einer Schlägerei und einem Kampf mit Schild und Schwert gab. Bei Rangeleien fiel es Sönke gar nicht mal so schwer sich zu behaupten... doch bei den ersten Übungen mit dem Schwert hatte er sich unfassbar dämlich angestellt. Nicht selten stand er am Ende ohne Schwert da und durfte sich von seinem triumphierenden Gegner grün und blau prügeln lassen. Und jetzt DAS!


    "Scheisse, scheisse, scheisse..", fluchte Sönke weiter vor sich hin, denn wenn er auf etwas gar keinen Bock hatte, dann sich mit Hadamar zu prügeln. Jugendliche Rangeleien, kein Problem, allerdings hatte Sönke schon damals den Anstand gehabt auf die Rangfolge Rücksicht zu nehmen und es nicht auf einen Sieg anzulegen, sondern Hadamar einfach nur einen guten Kampf zu liefern. Das hier allerdings war... "Scheisse."


    „Was fluchstn so?“ grinste Hadamar flüchtig, als er zu Sönke trat. „Steckt dir der Marsch noch in den Knochen?“ Er hätte es nicht zugegeben, aber auch er spürte den Gewaltmarsch von gestern. Freilich bekam man irgendwann Übung darin, Muskeln bauten sich auf, es wurde zur Gewohnheit... aber seit der Ankündigung des Legaten, dass ihnen wohl ein Feldzug bevor stand, hatte sich die Intensität des Trainings doch merklich erhöht. Die Übungen wurden härter, die Märsche länger, das Tempo schneller – und generell verlangten die Ausbilder ganz einfach mehr. Und Hadamar hatte den Verdacht, dass Corvinus das sogar Spaß machte. Jedenfalls: er spürte das wohl, dass mehr von ihnen abverlangt wurde, aber das vor anderen zeigen kam nicht in Frage, erst recht nicht vor Tirones – gut, vor Sönke vielleicht, aber sie waren ja nicht allein.


    Hadamar streckte seine Arme und kreiste die Schultern ein wenig, während er Sönke zunickte. „Was hattet ihr schon an Training mit Gladius und Scutum?“ Beim Training der Tirones hatte er bisher nicht teilgenommen, da war es wohl besser erst mal zu fragen, was die überhaupt gemacht hatten bisher.




    Hadamar streckte die Beine lang aus. „Selbst wenn die das heut auch noch so machen...“ Er kratzte sich am Kopf, zur Abwechslung mal nicht verlegen, sondern diesmal eher zweifelnd. „Ich schätz es geht trotzdem hauptsächlich gegen andere Legionen.“ Womit Hadamar nun nicht unbedingt so ein Riesenproblem hatte. Er kannte die anderen ja alle nicht, die spielten keine Rolle in seinem Leben und hatten es auch nie – erst jetzt, wo sie zu potentiellen Feinden wurden. Und er dachte auch in anderen Kategorien. Die Stämme bekämpften sich auch immer wieder mal, und es war ständig irgendwer mit irgendwem verfeindet. Gut, das war bei den Römern augenscheinlich anders, die meiste Zeit jedenfalls. Aber wenn es mal krachte – warum dann nicht gegen andere Legionen ziehen? Hadamar fand es eher logisch, dass das ab und zu passierte, bei einem derartigen Riesenreich.
    Allerdings: das war nun nichts, was er Corvinus sagen würde. Der hob den Begriff Kameradschaft auf ein für Hadamar völlig neues Level, weil er da drin offenbar Platz hatte für abertausende Männer, die er alle noch nie in seinem Leben gesehen hatte, nur weil die eben auch Legionäre waren. Auch wenn sie am Arsch der Welt angeheuert hatten.


    „Sag ma... also, wegen der Ausbildung noch mal. Ab wann soll ich da dann dazu kommen? Und: soll ich dann einfach... dabei sein? Oder hast du jetzt schon irgendwas bestimmtes für mich?“




    Hadamar begriff es nicht. Er begriff nach wie vor nicht, warum die beiden unbedingt bei ihnen an dem großen Tisch hatten sitzen bleiben wollen, anstatt wie von ihm vorgeschlagen zu dem kleineren zurückzugehen, an das Mädel zuerst gesessen war – und wo sie deutlich mehr Privatsphäre gehabt hätten. Beide schienen nun nicht gerade forschesten zu sein, und von Corvinus wusste Hadamar ja, dass er wenig Erfahrung hatte. Warum um alles in der Welt hatte der Depp also abgelehnt, rüber zu gehen? Und sie hatte auch nichts dagegen gesagt?


    Aber das war ja nicht sein Problem. Er amüsierte sich prächtig mit den zwei Veteranen. Und Corvinus schien sich nach den ersten paar Versuchen gar nicht mal so schlecht zu machen... Bei dem Lärmpegel, der in der Taberna herrschte, fiel es Hadamar zwar schwer zu verstehen, was die genau sagten, aber immerhin hatte das Mädel ihm noch keine gescheuert, und sie sah auch nicht so aus als fühlte sie sich unwohl, sondern die zwei unterhielten sich einfach. Also hatte er seine Aufmerksamkeit nahezu völlig von den beiden abschweifen lassen und den Würfeln zugewandt. Vielleicht versuchte er später selbst sein Glück bei Wibke, nachdem Corvinus augenscheinlich bedient war, aber das hatte noch Zeit – und er hatte sie eh noch nicht gesehen, vermutlich fing sie erst später an. Im Moment als saßen sie zu dritt am anderen Ende des Tischs, würfelten, tranken und lachten.




    Hadamar fiel auf den Rücken und japste gleich darauf nach Luft, als der nächste Schlag – den er gar nicht kommen sah, weil er immer noch den gegen seinen Kopf verdaute – in die Magengrube traf, und gleich darauf noch einer. Beeinträchtigt von Schwindel und grauen Nebelschleiern vor den Augen begann er dann doch wieder sich zu wehren, auch wenn er nicht sehen konnte wohin er schlug, aber er konnte immerhin spüren dass er ein paar Mal auch traf, und dann, schließlich, offenbar endlich gut genug, dass der andere von ihm abließ. Nur kurz, aber lange genug, dass Hadamar wieder seine fünf Sinne zusammenkratzen und sich wieder ein bisschen bewusster am Geschehen beteiligen konnte. Von seiner rechten Augenbraue lief Blut herab, und er blinzelte ein paar Mal heftig, noch während er sich wieder auf seinen Gegner stürzte, gerade noch den letzten Augenblick nutzend, in dem dieser sich eine minimale Atempause gönnte.


    Und weiter ging es. Der gebrüllte Befehl ging an Hadamar völlig vorbei, und an seinem Gegner ebenso, so sehr waren die beiden in ihre Rauferei vertieft. Was allerdings sogar den beiden Streithähnen, die sich munter auf dem Boden wälzten, irgendwann dämmerte war, wie still es um sie wurde. Wo gerade eben noch Anfeuerungsrufe munter durch die Luft gebrüllt worden waren – weswegen auch der plötzliche Befehl von Fuscus nicht verstanden worden war –, herrschte auf einmal eine Stille, durch die die Laute der Prügelnden plötzlich übermäßig klar zu hören waren. Und schließlich, endlich, fiel den beiden auf, wer da stand und missbilligend auf sie herabstarrte.




    Im Moment ist bei mir die Arbeit sowohl zeit- als auch kreativitätsmäßig ziemlich fordernd... daher dauert es bei mir gerade ziemlich mit dem Posten. Bitte um Entschuldigung an alle, die auf mich warten müssen - ich hoff dass es nächste Woche besser wird.

    „Hungerhaken?“ machte Hadamar gespielt empört. „Ich geb dir gleich Hungerhaken! Kann ja net jeder so viel fressen wie du.“ Jetzt grinste er breit. Er wusste ja, dass er nach wie vor nicht zu den Stärksten hier gehörte – aber er bezweifelte auch, dass sich das noch mal ändern würde. Gut, nen bisschen mehr Muskeln wären sicher drin, mit noch mehr Training... aber Corvinus einholen würde er beispielsweise nie, und viele andere auch nicht. Nee, da musste er sich schon auf das Vorteile konzentrieren, was er anderen dafür voraus hatte, um das wirklich wieder wettzumachen. Sein Grinsen wurde noch ein wenig breiter. „Aber keine Sorge. Mein erster Schlag saß astrein, hat ihm gleich die Nase gebrochen.“


    Ziemlich erleichtert, dass das Thema damit offenbar schon gegessen war, nickte er zu Corvinus' Worten im Anschluss. „Ja, da hast recht.“ Wobei er sich nicht ganz sicher war, ob das am Zivilisten-Sein lag... er jedenfalls war zwar Soldat, aber die Aussicht auf einen Krieg, auf Kampf... das war einfach aufregend für ihn. Und das hatte nun nichts damit zu tun, dass er Soldat war. Corvinus' Worte allerdings gaben ihm dann schon zu denken, und fast ein wenig hilflos hob er die Schultern. „Gibt aber net viel, was wir da machen können. Ich mein... wenn wir in den Krieg ziehen... und auf verschiedenen Seiten stehen, was sollen wir da machen?“ Wenn er wenigstens sagen könnte, dass sie auf der richtigen und die anderen dann auf der falschen Seite waren, aber das konnte er nicht. Und deswegen fühlte Hadamar sich unwohl bei dem Thema. Das führte nur dazu, dass er sich wieder den Kopf darüber zerbrach, welche Seite wohl die richtige war, und das war etwas, was er nicht entscheiden konnte. Wo er das Gefühl hatte es nicht entscheiden zu können, weil er einfach keine Ahnung hatte, und das... gefiel ihm nicht. Also blendete er das momentan lieber aus, so gut es ging. Er grinste schief. „Ich kenn mich mit Senatoren net aus. Heuern die Barbaren an?“




    Corvinus schien irgendwie schlecht gelaunt zu sein, und ließ das auf eine Art heraushängen, dass Hadamar schon fast befürchtete das Mädel würde gleich wieder verschwinden – was er ihr nicht mal hätte verübeln können, so... fast schon missmutig wie Corvinus sich gab. Allerdings schien sie beschlossen zu haben, ihm wenigstens eine Chance zu geben, was Hadamar ein flüchtiges Schmunzeln entlockte. Und damit wandte er sich ab und gesellte sich zu Tappulus und Mugillanus und den Würfeln. Zwar setzte er sich so hin, dass er noch halb und halb mitbekam, was sich zwischen Corvinus und seiner hoffentlich-bald-Eroberung abspielte... aber mehr auch nicht. Drei waren einer zu viel in so ner Situation, und Hadamar hatte weder Lust den Anstandswauwau zu spielen noch den Handlanger oder gar das fünfte Rad am Wagen. Naja, vielleicht noch etwas weiter den Handlanger, so ein bisschen... jedenfalls beschloss er sich einzumischen, als Atta plötzlich auftauchte und es Stunk zu geben drohte. Die meisten Weiber waren zwar durchaus beeindruckt, wenn Mann sie verteidigen konnte, aber das war häufig ein schmaler Grat... da wusste man nie so genau, was sie fanden dass man es schlicht und ergreifend übertrieb mit der Gewalt. Und Corvinus wirkte so bierernst, dass daraus auch schnell ne Prügelei werden konnte. „RULLUS!“ lachte er quer durch den Schankraum. „Dein Kumpel braucht nen Seelentröster, Alter! Ne Ohrfeige von Oda steckt man net so leicht weg, ich weiß wovon ich red!“ Der halbe Schankraum brach in Lachen aus, und Rullus hob den Kopf, sah rüber zu ihnen – und begriff. Immerhin kannte er seinen Kumpel. Ihn störte seine schmierige Art weniger, aber die Loyalität zu seinem Contubernium ging ihm dann doch vor, weswegen er ebenfalls zu ihnen kam und mit einem flüchtigen Grinsen die Hand auf Attas Schulter legte. „Komm schon, Mann. Ich kenn da ne Schänke in der Nähe, da finden wir was nach unserem Geschmack...“


    Ob es nun die Schmerzen waren, die Corvinus ihm zufügte oder die Intervention seines Freundes: Atta gab nach. Mit einem wütenden Blick zu Corvinus und einem fast noch wütenderen zu Hadamar – immerhin hatte der ihn vor versammelter Mannschaft bloß gestellt – verzog er sich schließlich mit Rullus. Was Corvinus mit seinem Mädel wieder allein ließ und Hadamar mit Tappulus und Mugillanus. Erster trank einen tiefen Schluck, während der letzte mit einer ruhigen Bewegung nach den Würfeln griff. „Du weißt, dass er dir das über nehmen wird“, meinte er bedächtig. Hadamar zuckte nur die Achseln und grinste. „Und?“ Die Würfel fielen auf den Tisch, und sowohl Tappulus als auch Mugillanus runzelten in einer fast synchronen Bewegung die Stirn. „Pass auf dass du dir net zu viele Feinde machst, Kleiner. Irgendwann bekommt dir das sonst schlecht.“ Hadamar grinste nur weiter und klopfte Tappulus mit der flachen Hand auf den Bauch. „Was'n los, Großer?“ Tappulus war nicht so groß wie Corvinus, aber immer noch groß – und vor allem größer als Hadamar, was aber auch nicht so schwer, jedenfalls nicht für nen Kerl – bei Weibern sah das zum Glück noch mal ein bisschen anders aus. „Beweis dein glückliches Händchen beim Würfeln, vielleicht macht dich das nen bisschen abgebrühter.“ Er lachte – genau so lang, wie Tappulus brauchte um seine Hand zu packen und ihn mit einem Ruck nach hinten zu ziehen, was beinahe dazu führte, dass er mitsamt dem Stuhl umgekippt wäre. Im letzten Moment noch konnte er sich mit der anderen Hand an der Tischkante festklammern. Tappulus griff sich derweil mit einem Achselzucken die Würfel und grinste nun auch. „Zeig erst mal wie abgebrüht du bist, Kleiner, wenn du deinen ganzen Sold verlierst. Beim Würfeln nutzt dir dein Grips nix.“




    Obwohl seine Miene weiterhin ausdruckslos blieb, war der Tesserarius doch erleichtert als er hörte, dass auch der Legat nichts fand, was er ihm hätte vorwerfen können. War ja immer so eine Sache ob die Vorgesetzten das genauso sahen wie man selbst. Er hörte aufmerksam zu und nickte knapp. „Ich werde meine Leute entsprechend instruieren, Legat. Von meiner Seite aus gibt es nichts mehr.“ Er salutierte. „Vale!“ Sprachs und verließ das Officium des Legaten wieder. Um draußen dem Legionär mitzuteilen, dass er die Pferde noch versorgen solle – und dann ebenfalls gehen könne. Was Hadamar dann auch mit ziemlicher Erleichterung tat.




    „Eh...“ machte Hadamar. „Gute Frage.“ Er grinste schief – zu keinem anderen Zweck als dem, Zeit zu schinden. Er log nicht gern. Oh, flunkern, das ja, das war was völlig anderes. Die Wahrheit ab und zu ein wenig verbiegen. Oder sie schlicht und ergreifend zu verschweigen und sein Gegenüber einfach von etwas anderem ausgehen lassen, ohne ihn zu korrigieren... So was ging. Aber rundheraus lügen war nicht seine Sache. Schon gar nicht wenn es sich um einen Freund handelte. Nur: die Wahrheit konnte er doch auch schlecht erzählen. „Ehm. Den Centurio wollt ich was fragen. Und die Prügelei...“ Er zuckte ein wenig verlegen die Achseln und spürte, wie seine Ohren rot wurden. „Hab mich provozieren lassen von nen paar Säcken von der... öhm. Weiß gar net genau von welcher Centurie die waren. Ne andere halt.“ Noch ein Achselzucken, und jetzt rieb er kurz das rechte Ohr zwischen Daumen und Zeigefinger, als ob er so etwas gegen die Hitze tun könnte, die er spürte – war allerdings eher das Gegenteil der Fall, das Ohr wurde nur noch wärmer und vermutlich noch röter, also ließ er die Hand wieder sinken – und ging stattdessen dankbar auf die letzte Frage ein. „Nicht sonderlich, eh, informativ. Mein Verwandter weiß auch net wirklich mehr als wir hier, leider. Er ist aber net sonderlich begeistert von der Aussicht auf nen Bürgerkrieg.“ Hadamar wünschte sich, er hätte mehr zu erzählen von Witjon. Würde etwas von der Prügelei ablenken, fand er.




    Hadamar grinste flüchtig bei Corvinus' Zeichensprache, hielt aber die Klappe und folgte dem, was der andere andeutete – er schnappte sich zwei Becher, schenkte ein und schob Corvinus einen davon hin, während er sich setzte. Und erst mal darauf wartete, dass der Kamerad fertig wurde mit was auch immer er gerade am Schreiben war. Da das noch etwas dauerte, lümmelte er sich so in den Stuhl, dass es gemütlich war, und hielt sich den kühlen Becher an die schmerzenden Stellen in seinem Gesicht, schön abwechselnd, erst das linke Auge, dann die rechte Schläfe und Wange, dann die Lippe, Becher drehen und wieder von vorne.


    Schließlich war Corvinus fertig. „So...“, wiederholte Hadamar und kratzte sich erst mal am Kopf. „Eh. Ich komm grad vom Centurio. Also, unserm, weißt schon, Massa. Also vom Primus Pilus.“ Er räusperte sich. „Der, äh, meinte dass ich dir in der nächsten Zeit nen bisschen helfen soll. Bei der Ausbildung und so. So lang wir keinen Centurio haben.“




    Nach seinem Gespräch mit dem Primus Pilus führte Hadamars Weg in nach kurzem Überlegen zur Unterkunft seines eigenen Centurio. Oder anders gesagt zu Corvinus, der im Augenblick die meiste Zeit in der Unterkunft des Centurio zu finden war, um irgendwas irgendwie zu organisieren. Am Abend. In seiner Freizeit. Armer Tropf. Hadamar klopfte, steckte den Kopf rein ohne eine Antwort abzuwarten, und betrat den Raum dann ganz, als er Corvinus drinnen sitzen sah. „Hey. Hast nen Augenblick für mich?“









    Hadamar war immer noch ein wenig baff, was sich aus dem Gespräch da gerade entwickelt hatte... und mitten hinein in diese Verblüffung kam dann noch das, weswegen er eigentlich gekommen war. Einen Ratschlag. Allerdings keinen von der Sorte, die er erwartet hätte... oder den er gewollt hätte. Ratschläge waren also schlecht? Aber... konnte man denn ständig ohne Ratschläge von anderen durchs Leben laufen? Hadamar war ja nun wirklich nicht von der Sorte, der keine eigenen Erfahrungen sammelte... ganz im Gegenteil. Da war er ziemlich eifrig dabei, gerade was die Art von Erfahrungen betraf, die andere vermutlich als Fehler, Dummheiten, Leichtsinn bezeichnen würden. Aber hey, aus denen lernte man ja mit am meisten. Nur, manchmal tat der ein oder andere Ratschlag dann doch ganz gut, fand er. Selbstverständlich nur dann, wenn man danach fragte, nichts war nerviger als ältere Leute, die meinten einen mit ihrer Lebenserfahrung und Altersweisheit erschlagen zu müssen... vor allem dann, wenn man es selbst doch so viel besser wusste. Was bei Hadamar noch verhältnismäßig häufig vorkam, dass er glaubte es besser zu wissen.


    Mit dem, was danach kam, konnte er dann allerdings wirklich etwas anfangen. Drauf scheißen? Wunderbar. Das war doch mal ein Tipp. Und das würde er mit Sicherheit gut hinkriegen. Wichtig war ihm vor allem, dass Corvinus keinen Schaden davon trug, und nach dem, was er vorhin aus den Worten des Centurio herausgehört hatte, betraf ihn das wohl nicht so sehr. Er war sich nur nicht ganz sicher, ob drauf scheißen auch bedeutete, dass sie ganz normal Freunde bleiben konnten, Corvinus und er... Aber noch mal nachfragen ging nicht, weil der Centurio noch im selben Atemzug entließ. Und wie schon zuvor galt auch hier: das war etwas, worüber man nicht diskutierte, egal welcher Art das Gespräch gewesen war, das vorangegangen war. Hadamar salutierte also. „Danke für deine Zeit, Centurio. Vale.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ die Unterkunft wieder.




    Der Tesserarius war etwas irritiert, dass es sich tatsächlich nur darum handelte, dass der Sklave offenbar den Auftrag selbst hätte ausführen und nicht weitergeben sollen, ganz wie der Miles ihm berichtet hatte, der ihn aus den Armen seiner Freundin gerissen hatte. Aber er war professionell genug, sich davon nichts anmerken zu lassen. Weiterhin stramm stehend überlegte er einen kurzen Moment, wie das genau gewesen war... immerhin war es nun schon einige Stunden her, dass der Sklave bei ihm gewesen war, und in der Zwischenzeit hatte er mit Kameraden in einer Taverne in der Stadt gefeiert und war danach bei seiner Geliebten gewesen. Gemessen daran kam seine Antwort verhältnismäßig rasch: „Dein Sklave kam zu mir mit deinem Auftrag kurz vor Ende der ersten Abendwache. Er hat nicht explizit gesagt, dass ich mich um die Ausführung kümmern soll... trotzdem schien mir nach seiner Wortwahl klar zu sein, dass der wachhabende Tesserarius sich um die Ausführung deines Auftrags kümmern soll.“
    Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Er formulierte allgemein. Dass du an jeden Tesserarius ausrichten lässt, dass die Wachpläne geändert werden und von dir neue kommen würden. Dass dies so schnell wie möglich geschehen soll. Und ob du dich darauf verlassen könntest. Davon, dass er selbst diesen Auftrag ausführen sollte, war keine Rede – und ich habe nicht weiter danach gefragt, sondern mich um die Ausführung gekümmert“, gab er unumwunden zu, wobei er da allerdings weniger einen Fehler bei sich sah. Wenn ein Bote vom Legaten kam mit einem Auftrag desselben, dann stimmte das in aller Regel auch... die Armee war kein Ort, an dem sich allzu viele Leute einen Scherz erlaubten, schon gar nicht wenn der Legat selbst involviert war.




    Hadamar grinste, ein wenig triumphierend, als das Mädel einwilligte. Na also, ging doch! Den Rest würde Corvinus ja wohl hinbekommen... ein wenig überrascht allerdings war er, als sie gleich aufstand und mitkam – eigentlich hatte er vorgehabt, Corvinus zu ihr zu schicken, gerade im Hinblick auf ihre Kameraden, die ja auch noch an dem Tisch drüben saßen. Andererseits: ein wenig hatten sie sich ja verteilt – und so bekam er mit, wie Corvinus sich so anstellte... Warum also nicht?


    Einen ersten Vorgeschmack bekam er schon, als sie sich auf den Tisch nur zu bewegten. Corvinus stand auf – warum eigentlich? – und stieß dabei gegen den Tisch. Was für ihn ziemlich untypisch war, Hadamar hatte den Kumpel eigentlich noch nie als Tollpatsch kennen gelernt. Wenn überhaupt passierte ihm so was mal... Hadamar konnte nicht anders, er musste lachen, als er die Oliven herumkullern sah. Mit einem raschen Schritt nach vorne erreichte auch er den Tisch und fing eine Olive auf. „Passt auf. Warum setzt ihr euch nicht da drüben hin?“ Er machte eine Kopfbewegung hinter sich zum Nachbartisch, von wo das Mädel und er gerade hergekommen waren. „Da habt ihr ein bisschen Ruhe. Und, äh, keine Oliven im Weg.“ Er grinste und warf sich die Olive in den Mund, die er gerade aufgefangen hatte.



    Hatte seine Frage wirklich einen Vorwurf beinhaltet? Hadamar grübelte ganz kurz darüber nach, während seine Ohren mal wieder zu glühen begannen bei der Zurechtweisung, die dem Lob folgte. Er kam nur nicht wirklich zu einem Schluss. Er hatte dem Centurio ganz sicher keinen Vorwurf machen wollen, so viel stand für ihn fest, er hatte nur wissen wollen, was nun mit seinem Anliegen war, aber... naja... konnte man vielleicht als Vorwurf auffassen. „Ich werd's mir merken, Centurio“, murmelte er, weil er das Gefühl hatte, irgendetwas sagen zu müssen auf die Worte – ein weiteres Entschuldigung nun aber irgendwie lächerlich gewirkt hätte, fand er.


    Auch bei der nachfolgenden Ausführung des Centurio fragte Hadamar sich zunächst allerdings weiterhin, was das nun ganz konkret mit ihm zu tun hatte. Ja, Vorgesetzte hatten auch kein leichtes Leben, aber wer hatte das schon? Mussten sie sich halt Gedanken machen, wann sie wen wie einsetzten. Hadamars Mitleid hielt sich da ziemlich in Grenzen, auch das für Corvinus. Die machten das schon, so wie sie alle hier ihre Aufgaben erledigten. Der Unterschied war nur, dass die meisten halt nur Befehlsempfänger waren. War wie beim Spielen, im Grunde: die meisten wollten nur würfeln, oder einfache Varianten des Soldatenspiels spielen. Wenn es komplizierter wurden, stiegen sie der Reihe nach aus, bis nur noch ein paar übrig blieben, die es halt konnten und Spaß dabei hatten.
    „Ehm. Nein... Centurio“, antwortete er auf die Frage, die dann kam, ein wenig unschlüssig, ob Massa wirklich eine Antwort von ihm hören wollte oder die Frage einfach nur gestellt hatte, um sie zu stellen, ohne eine Antwort zu erwarten. Und als der Mann dann weiter sprach, wurde er endlich konkret. Hadamar starrte ihn an und fragte sich, ob er ihm da tatsächlich gerade erzählte, dass Corvinus von dem ganzen Gerede eigentlich gar nicht betroffen war. War es so? Hadamar hatte sich darüber noch gar nicht so wirklich Gedanken gemacht, ihn hatte zunächst mal einfach nur gestört, dass der Freund von manchen anderen verbal durch den Dreck gezogen wurde und ihm Vorwürfe gemacht wurden, die nicht stimmten – Vorwürfe, die halt ganz konkret mit ihrer Freundschaft zusammen hingen. Wenn Corvinus selbst das allerdings gar nicht so wirklich ausbaden musste – änderte das dann was? Hadamar war sich nicht so sicher. Stören tat es ihn auf jeden Fall immer noch, das schon, aber... Götter war das verwirrend. Vielleicht sollte er sich einfach noch mal Gedanken darüber machen, warum ihn das störte. Vielleicht fand er ja dann eine Lösung, zumindest dafür, dass er ruhig blieb, wenn sie weiter auf ihm herumhackten, und das würden sie wohl, wenn er den Centurio richtig verstand. Weil es immer welche gab, die sich benachteiligt fühlten, und unter denen immer welche, die das rauslassen mussten. „Ich... weiß nicht“, entgegnete er auf die nächste Frage, und fügte zögernd an: „Bei manchen vielleicht. Ein bisschen. Bei anderen... kaum.“


    Hadamar war sich mittlerweile nicht ganz sicher, ob er es nicht bereute, zum Centurio gekommen zu sein. Der behauptete zwar mehr Antworten gegeben zu haben... aber er hatte gerade das Gefühl, mit ganz eindeutig mehr Fragen zu gehen als er gekommen war, und die meisten davon welche, die sich gerade erst in ihm zu formen begannen, weswegen er sie noch nicht einmal wirklich stellen konnte. War ja keine Unterhaltung unter Freunden. Der Centurio nahm sich zwar Zeit für ihn, aber Hadamar bezweifelte, dass er sich auf ein Gespräch mit ihm einlassen würde, bei dem noch nicht mal klar war, wo es hinsteuerte – wie unter Freunden eben. Und eine wirkliche Lösung hatte er immer noch nicht, vielleicht weil es keine gab, oder keine einfache zumindest.
    Noch war der Centurio allerdings nicht fertig mit ihm. Und bei den nun folgenden Worten begannen Hadamars Ohren plötzlich zu klingeln. Er sollte was?!? Für Augenblicke starrte er den Primus Pilus einfach nur ziemlich perplex an, während er versuchte zu begreifen, was der da gerade gesagt hatte. Er sollte jetzt bei der Ausbildung helfen? Das... war... ne klasse Sache, das war ihm wohl bewusst. Er verstand nur nicht so ganz, warum. Wie der Centurio auf diese Idee gekommen war. Die andere Perspektive betrachten, echote es in seinen Gedanken. „Ich... jawohl, Centurio“, nahm er den Befehl dann erst mal nur an, zur Abwechslung mal froh über den knappen Sprachstil, der bei der Armee so gerne gepflegt wurde, weil es ihm etwas Zeit verschaffte. Die Frage nach dem Warum brannte trotzdem noch auf seinen Lippen, aber die verkniff er sich. Er wollte sich das jetzt nicht verderben durch irgendeine blöde Frage, denn ganz egal, was den Centurio dazu gebracht hatte es für sinnvoll zu halten, dass Hadamar die andere Perspektive kennen lernte: es war toll, dass es so war. Er mochte Abwechslung. Im Gegensatz zu vielen anderen mochte er ja sogar die meisten Sonderaufgaben, weil sie eben das versprachen im Alltagseinerlei der Legion – selbst wenn sie ihn wie vor einiger Zeit quer durchs Lager und später durch Mogontiacum scheuchten, nur weil ein Sklave sich einer Aufgabe entledigt hatte. Und er probierte gern neue Sachen aus. Und: das hier war ganz eindeutig eine Sonderbehandlung. Ausbilden, das wurde nicht jedem anvertraut. „Danke für dein Vertrauen. Ich werd die Gelegenheit nutzen.“

    Schräg hinter Corvinus bezog Hadamar gemeinsam mit Senecio Aufstellung. Und war heilfroh, den Sack abladen zu können, während nach und nach die Milites ihrer Centurie herbei strömten und sich vor ihnen sammelten.

    Wenn in dem Brief da Dinge standen, von denen der Legat noch nichts wusste... hieß das nichts anderes, als dass sie hier alle einfach verdammt wenig wussten. Bis hin zum Legat. Aber sie würden wohl marschieren, jedenfalls klang alles danach, der Appell, was Corvinus sagte... nur: wohin? Gegen wen? Hadamar gefiel es nicht, so im Trüben zu fischen, und es gefiel ihm noch weniger, dass ihr Anführer offenbar auch im Trüben fischte. Umso wichtiger allerdings, mehr rauszufinden. „Mach ich“, nickte er Corvinus also nur zu, und verschwieg, dass er selbst Zweifel hatte. Aber es waren ja nicht die Art von Zweifel, von denen Corvinus sprach... also war das wohl in Ordnung. Immerhin glaubte er ja durchaus, dass ihr Legat integer war. „Also... ich mach mich dann mal auf die Socken, sonst wird's zu spät bis ich wieder da bin. Bis nachher!“

    Freundlich schien sie ja zu sein. So weit so gut. Hadamar setzte sich ihr gegenüber. „Du könntst mir bei nem Problem helfen. Die Sache ist die: mein Kumpel da drüben“, schmunzelnd wies er mit einer knappen Kopfbewegung hinüber zu Corvinus, der... etwas fehl am Platz wirkte an dem Tisch voll lachender Legionäre, „jammert schon die ganze Zeit rum, dass er dich toll findet. Ich mein, du siehst ja wie er ständig herguckt.“ Sein Schmunzeln wurde wieder zu einem Lächeln, diesmal ein wenig vertraulicher als vorhin. „Nur: er traut sich net, dich anzusprechen... nen Kerl wie nen Ochse, ein klasse Soldat, und heut frisch befördert worden – aber ne Frau wie du, und man könnt fast meinen er wär noch grün hinter den Ohren.“ Hadamar machte eine kleine Kunstpause und räusperte sich. „Also: hättest du was dagegen, ihn kennen zu lernen? Du würdest ihm nen großen Gefallen tun. Und mir auch.“ Bei den letzten Worten hatte er ein spitzbübisches Grinsen aufgesetzt.