Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Zitat

    Original von Lucius Duccius Ferox
    Für einen winzigen Moment konnte Hadamar sich freuen. Über ein Lob. Vom Legaten! Und dann noch übers Salutieren, das er manchmal so unnötig wie ein Kropf fand.
    Einen Moment später allerdings rauschte Verlegenheit durch ihn hindurch und ließ seine Ohren brennen, als ihm klar wurde, dass er mal wieder in ein Fettnäpfchen getreten war. Gerade ihm und anderen, die in der Hinsicht gerne mal nachlässig waren, hatte Massa das eigentlich sehr gut eingebläut. Aber er hatte einfach nicht nachgedacht in dem Moment, weil er mittlerweile doch ziemlich müde war, hatte das Ganze schnell abschließen wollen, damit er endlich ins Bett konnte... und dann unterlief ihm so was. Beim Legaten. „Eh, ja... hat man... eigentlich“, antwortete er verlegen. „Tut mir leid.“ Er überlegte noch, ob er irgendetwas anfügen sollte, eine ausführlichere Entschuldigung, eine Erklärung, aber die Gefahr war zu groß, dass er dann ins Faseln geriet, also schwieg er nur und hoffte, dass es der Legat dabei bewenden ließ.


    Und dann drohte schon der nächste Fettnäpfchen-Moment. Hadamar war sich nicht so sicher, ob das nicht ein bisschen die Quittung dafür war, dass ihm beim Melden ein Fehler unterlaufen war, oder ob der Legat so oder so ihn ausgewählt hätte, weil er eben direkt greifbar war – aber egal was es war: er war natürlich nicht begeistert. Ganz und gar nicht. Es war spät, mitten in der Nacht mittlerweile. Und er hatte doch ohnehin schon das ganze Lager abgelaufen auf der Suche nach den Tesserarii. Und wie um alles in der Welt sollte er diesen einen Mann in Mogontiacum überhaupt finden? Der konnte überall sein!
    Dieses Fettnäpfchen schaffte Hadamar allerdings zu umschiffen. Er schloss nur kurz die Augen für einen Moment, was auch als ganz normales, vielleicht ein bisschen längeres Blinzeln hätte durchgehen können, und atmete tief ein... ansonsten kam nichts. Kein Augenrollen, kein lautes Seufzen, keine Grimasse und erst recht keine Nachfrage. Auch wenn seine Art immer wieder mal zu merken war, vor allem wenn er schneller redete als nachdachte: im Großen und Ganzen hatte er gelernt sich zu benehmen wie es von einem Soldaten erwartet wurde. Und vor allem zu unterscheiden, wann er sich locker geben konnte, wann es sich lohnte bewusst eine gewisse Frechheit an den Tag zu legen – und wann es angezeigt war, sich jede unangebrachte Regung zu verbeißen. Was in den meisten Situationen der Fall war, und was Hadamar mittlerweile auch drauf hatte.
    „Jawohl, Legat“, salutierte er also letztlich nur, und verließ den Raum wieder, um den Befehl auszuführen.


    „Du wartest hier“, brummte der Tesserarius, nachdem sie vor der Principia angekommen waren. Hadamar hatte ihm zwar gesagt, dass es wohl um den Auftrag des Legaten ging, den der Sklave gebracht hatte, aber ganz so sicher war er sich nicht, ob da nicht doch mehr dahinter steckte – und ob er den Miles nicht vielleicht noch brauchen würde. Während Hadamar also augenrollend draußen bei den Pferden blieb, ging der Tesserarius hinein und klopfte, Stunden nachdem Hadamar aufgebrochen war, an die Tür zum Officium des Legaten.

    Es dauerte bis tief in die Nacht hinein, bis Hadamar wieder zurückkehrte – mit dem Tesserarius im Schlepptau. In der Taverne, die ihm die Kameraden genannt hatten, hatte er den Kerl leider nicht mehr angetroffen, aber immerhin war er dort gewesen, und die Bedienung hatte sich gegen ein paar Münzen überreden lassen ihm zu sagen, dass die Legionäre davon gesprochen hatten als nächstes zum Hafen zu gehen, um sich dort ein wenig zu vergnügen. Dort allerdings angekommen hatte Hadamar erst ein paar der dortigen Spelunken abklappern müssen, bevor er die Gesuchten traf – nur um erst mal eine Kopfnuss zu bekommen, weil er sie störte, und dann zu hören, dass der Tesserarius nicht mehr bei ihnen war. Sondern bei seiner Geliebten, in der Wohnsiedlung in der Nähe des Castellums. Das war der Moment, in dem Hadamar hätte schreien können.
    Was er allerdings nicht tat. Er schwang sich nur auf seinen Gaul, schnappte sich den zweiten und jagte zurück, in die Siedlung, zu dem beschriebenen Haus und in die Wohnung. Wo er beinahe die nächste Kopfnuss bekommen hätte, wenn er nicht rechtzeitig ausgewichen wäre, weil er natürlich wieder störte, und zwar ganz gewaltig. Aber wenigstens hatte er den Kerl nun endlich gefunden, und nur kurze Zeit später saßen sie beide auf den Pferden und ritten zum Tor des Castellums, meldeten sich bei den Wachen und trabten zur Principia.

    Wieder ein kurzer Blickwechsel. Sie blieben... andererseits: auch egal. So langsam gesellten sich nun auch andere hinzu, die auf die Prügelei aufmerksam geworden waren.
    „Einen?“ lachte der eine also, und der zweite fügte an: „Ich setz fünf, dass er die Fresse poliert bekommt.“ Ein Seitenblick folgte zu einem der Neuankömmlinge, der irgendetwas Unverständliches gebrabbelt hatte. „Hä? Setzt du auch oder wie?“


    Hadamar unterdessen bekam davon herzlich wenig mit. Oh, sicher, ganz am Rande seiner Aufmerksamkeit bemerkte er schon, dass sie nicht mehr allein waren, aber es drang nicht wirklich bis zu seinem Bewusstsein durch. Das hatte alle Hände voll damit zu tun sich auf den Kerl zu konzentrieren, den er zu Brei schlagen wollte. Und der ihn zu Brei schlagen wollte. Im Augenblick konnte Hadamar nur schwer einschätzen, wer mit seinem Vorhaben erfolgreicher war... Der andere war zwar größer und stärker als er – was jetzt nicht unbedingt ein Kunststück war, Hadamar gehörte so ziemlich zum Durchschnitt der Soldaten in puncto Größe oder Muskeln –, aber er war flinker, und er kannte ein paar Kniffe, die dem anderen anscheinend fremd waren. Oh, ja, und nicht zu vergessen: er hatte einen fantastischen ersten Treffer gelandet. Über den er sich allerdings später freuen musste, aus oben genanntem Grund: er war zu beschäftigt damit, Prügel auszuteilen und zu kassieren. Und gerade sah er einen rechten Haken auf sich zukommen, der ihn gleich darauf so heftig an der Augenbraue traf, dass er nicht nur nach hinten kippte, sondern für Momente Sterne zu sehen schien.

    „Nein, natürlich nicht“, antwortete Hadamar auf den ersten Kommentar hin. Hatte er ja vorhin schon gesagt, dass Corvinus dafür viel zu korrekt war, dass er so was niemals tun würde – genau deswegen waren die Vorwürfe ja so unfair. Dass er sein Maul zu voll nahm, wusste er selbst, und er hatte kein Problem damit, nicht einmal, wenn er dann eins auf die Schnauze bekam. Damit konnte man ihn nicht ärgern, davon ließ er sich überhaupt nicht provozieren – höchstens dazu, dass er den nächsten dummen Spruch riss.
    Dazu lag ihm auch noch ein Satz auf der Zunge, aber der Centurio drehte sich nun zu ihm um, sah ihn wieder an und sprach weiter, und Hadamar schwieg und hörte zu. Und wurde immer verwirrter. Was war das denn jetzt? Was hatte das mit seiner Frage zu tun, seinem Problem, mit dem er zum Centurio gekommen war? Solche Gedankenspiele waren ja schön und gut, aber was er gerade brauchte, war etwas Handfestes, etwas, was er anwenden konnte.
    Jetzt darauf zu hinzuweisen war aber wohl kaum anzuraten. Er war zwar mit seinem Anliegen zum Centurio gekommen, aber die Regeln galten deswegen trotzdem, immer, überall. Von den Regeln gab es kein frei, nicht einmal dann, wenn sie frei hatten – so wie sie immer das Cingulum militare trugen, waren auch die hierarchischen Strukturen immer in Kraft. Und das war etwas, was mittlerweile sogar ihm in Fleisch und Blut übergegangen war. Und wenn der Centurio jetzt über etwas anderes reden wollte, dann würden sie über etwas anderes reden.
    „Nummer drei“, sagte er zunächst spontan. „Ob man jetzt Wettbewerb mag oder nicht, wenn man gewinnen kann, dann wollen die meisten auch gewinnen. Also strengen sie sich an. ... Und Nummer zwei auch“, fügte er nach kurzem Überlegen an. „Klar muss ein... gewisser Leistungsstandard in der Legion da sein. Aber wenn der da ist, wär's dumm, Talente verkümmern zu lassen. Ist wie beim Ludus latrunculorum, da muss man seine Figuren auch so einsetzen, dass sie strategisch günstig stehen, wenn man gewinnen will. Jede so, wie sie einem am meisten nützt. Kommt aber auch aufs Ausbildungsziel an, wenn das heißt, dass sechzehn Tirones 'nen Gewaltmarsch überstehen sollen, ist erst mal nicht viel mit Talentförderung. Und... eigentlich auch Nummer eins. Jedenfalls wenn's um... Belohnungen, Strafen oder so was geht, da muss man schon drauf achten, dass jeder die gleichen Bedingungen hat. Dass keiner bevorzugt wird, ohne sich das auch verdient zu haben, sonst gibt’s schnell Unruhe.“ Er zuckte leicht die Achseln und grinste etwas schief. „Also eine Mischung, eigentlich. Aber...“ Er zögerte kurz, fuhr dann aber fort: „Entschuldigung, aber was hat das mit meinem Problem zu tun?“

    „Eh“, machte Hadamar, schwieg dann aber, weil er keine Lust hatte noch mal zu wiederholen, dass er im Grunde ja auch keine Ahnung hatte. Wenn Sönke scheinbar so überzeugt davon war, dass er das wissen müsse – wer war er dann, ihn unbedingt vom Gegenteil überzeugen zu wollen? Zwei Versuche reichten, fand er, jetzt konnte er durchaus so tun als ob. Und mehr als Sönke wusste er ja schon... oder müsste es eigentlich wissen. Milacorix hatte viel erzählt in diesen endlosen Unterrichtsstunden, auch über römische Geschichte und Kaiser und überhaupt und sowieso. Und mehr noch: der Legat hatte ja angekündigt, dass sie wohl kämpfen würden, also... machten das die Römer wohl so. „Wenn si mehra streitan, dann machan's des aso“, bestätigte er also überzeugt und sparte sich das offenbar, das noch auf seiner Zunge lag. Er musterte Sönke kurz und zuckte dann die Achseln. Blut vergießen. Was sollte man darauf großartig sagen, wenn man in der Legio steckte und vermutlich irgendwie da reingezogen werden würde... und man auf der einen Seite zwar wusste, dass das nichts Gutes war, jedenfalls wenn man an seinem Leben hing, auf der anderen Seite allerdings die Aussicht darauf ziemlich aufregend fand. „Hajo... amoi schaung ob de zwoa da a dabei is. Un wo“, gab er sich deswegen betont locker, nicht zu düster, aber erst recht nicht zu... naja. Zu aufgeregt.

    Hadamar grinste flüchtig auf Corvinus' Kommentar hin und griff sich einen Zipfel des Sacks, während Senecio sich den anderen schnappte. „Die jammern noch früh genug...“



    Sim-Off:

    Da Linos die Stapel für die Optiones abzählen sollte, Corvinus aber noch vor Linos geschrieben hat, dass er prüft ob seine Stapel gleich groß sind, geh ich ehrlich gesagt davon aus, dass die Menge bei uns korrekt ist ;)

    Hadamar wollte eigentlich gerne endlich wissen, ob der Centurio ihm irgendeinen Rat geben konnte. Ob es eine Lösung dafür gab, irgendwas, was er tun konnte, damit sich die Ärgernisse einfach... naja, in Luft auflösten. Das war so in etwa das, was Hadamar erwartete, unbewusst jedenfalls. Stattdessen wollte der Primus Pilus nun allerdings mehr über seine Blessuren wissen, und wie das alles zusammenhing. Worüber er, Hadamar, eigentlich gar nicht hatte reden wollen.
    „Ja, Centurio“, brummte er zunächst nur ziemlich maulfaul und ein wenig widerwillig, während sein Gegenüber sich von ihm abwandte und sich irgendwelche Tafeln auf seinem Tisch besah. Davon, mit der Prügelei, mit den Jungs mit denen er sich gezofft hatte, wollte er nichts erzählen. Damit würde er schon irgendwie allein klar kommen. Klar hatte diese Sache und die anderen Sticheleien was damit zu tun, warum er hier war – aber er wollte ja nicht petzen, oder als Weichei erscheinen, das mit ein paar Rüpeleien unter Kameraden nicht fertig wurde. Er wollte wissen, was er tun konnte, damit er trotz der Beförderung mit Corvinus befreundet bleiben konnte, ohne dass dem Freund schadete in seiner Position, seiner Autorität... oder ob ihm auf Dauer nichts anderes übrig bleiben würde, als auf Distanz zu gehen. Hadamar mochte ziemlich viele Flausen im Kopf haben und war noch häufig zu unbekümmert, zu gedankenlos, aber er war nichts, wenn nicht loyal zu seinen Freunden. Und dieses Mal, bei dieser Sache, hatte er sich Gedanken gemacht... viele. Und deswegen beschloss er auch, noch ein bisschen mehr anzufügen. Wenn der Centurio ihm irgendwas sagen konnte, dann würde er damit wohl nur rausrücken, wenn er mitspielte, schätzte Hadamar. „War nen üblicher Streit. Ich würds Maul zu weit aufreißen, ich würd Sonderbehandlung kriegen...“ Er zögerte kurz und rückte dann, fast noch ein wenig widerwilliger, mit dem Rest raus. „Und dann hat einer behauptet Corvinus wär nur befördert worden, weil er...“ Was? Weil er dem Mann vor ihm in den Arsch gekrochen war und seine Eier geschaukelt hatte? Oh ja, das würde sicher sehr gut ankommen, wenn er das sagte, in dieser Wortwahl. „... weil er... sich eingeschleimt hat. Bei dem Spruch bin ich auf den Kerl losgegangen.“

    Oda verschwand, um die Bestellung in Auftrag zu geben, und Hadamar musterte noch einmal die Frau am Nachbartisch, bevor er zu Corvinus sah. Irrte er sich oder hatte sein Kumpel Interesse? „Ja... nee... keine Ahnung. Ich glaub net dass das was zu bedeuten hat, dass sie allein unterwegs ist.“ Auch wenn Hadamar das auch ein bisschen ungewöhnlich fand. Und dann... dann betrachtete er ein wenig überrascht, dass Corvinus offenbar wirklich Interesse hatte. Er selbst hatte sich ja gedacht, eins der Schankmädchen später mal anzuhauen deswegen... Wibke am ehesten. Wibke sah ziemlich gut aus. Und sie hatte ihn früher immer ziemlich nervös gemacht. Weil sie ziemlich gut aussah, und weil sie fast immer freundlich war, gern mal schäkerte, ihm zuzwinkerte, vor allem bei Kommentaren, von denen Hadamar früher nur geahnt hatte, dass sie zweideutig waren. Und als Hadamar dann irgendwann mitgekriegt hatte, dass Wibke auch gern mal den ein oder anderen Kerl in ihr Bett ließ, war er eine Zeit lang noch nervöser gewesen in ihrer Gegenwart, und das hatte sich erst gelegt, als er selbst um ein paar Erfahrungen reicher geworden war.
    Aber: wenn Corvinus es bei dem Mädel vom Nachbartisch probieren wollte, warum nicht? Und er schien es probieren zu wollen bei ihr – er bezahlte ihr ja sogar einen Met. Und, und jetzt glaubte Hadamar seinen Augen kaum zu trauen, er wurde tatsächlich rot, als sie kurz lächelte. Und schien nicht zu wissen, was er tun sollte. Ein Grinsen breitete sich auf Hadamars Gesicht aus, und er klopfte Corvinus kurz auf die Schulter, bevor er sich erhob und zum Nachbartisch ging. „Heilsa“, sprach er sie auf dem in Mogontiacum geläufigen germanischen Dialekt an, den die allermeisten hier verstanden, und lächelte sie fröhlich an. „Kann ich kurz mal stören?“

    Die beiden nicht an der Prügelei Beteiligten tauschten einen kurzen Blick – und grinsten dann breit. „Kein Problem. Dafür sorgen wir schon.“ Wenn sie Glück hatten, würden sich die Veteranen wieder verziehen, dann konnten sie in aller Ruhe dabei zusehen wie die Prügelei weiterlief... und sollte der Duccius wider Erwarten nicht den Kürzeren ziehen, konnten sie immer noch eingreifen.

    Hadamar war erleichtert, dass seine Erklärung für Sönke offenbar Sinn machte. Aber natürlich hatte er dann doch noch Nachfragen, und Hadamar runzelte die Stirn, während er überlegte. Wie machten die Römer das? „I... eh... hob koa Ahnung. I glab net dass do a jeda heakemman un si zm Kaisa ausruafan kannt. I denk do weards scho mehra ois bloß oa Legio brachan. Moanst net?“ Er deutete ein Achselzucken an. „Hod ja so vui davo im Reich, da weard oane oda zwoa net reichan.“

    Hadamar wurde fast ein wenig nervös, während er darauf wartete, dass der Centurio reagierte – und der ließ sich quälenderweise Zeit. Bevor er nun doch auf den Zustand seines Gesichts* zu sprechen kam. Und Hadamar hatte schon gehofft, er würde darüber einfach hinweggehen... Er wusste allerdings, dass es keinen Sinn haben würde, die Antwort zu verweigern. Noch nicht einmal eine Ausrede war wirklich angeraten, immerhin hatte er sich zur besten Abendzeit geprügelt, noch dazu am Brunnen im Lager, und sie waren auch nicht allein geblieben. „Das... eh... war ne Prügelei“, antwortete er also ehrlich, beschloss allerdings zu verschweigen, worum es dabei gegangen war. Oder wer angefangen hatte...


    Dann bekam er endlich eine Antwort, allerdings nicht, wie Hadamar erwartet hätte. Er hatte sich... irgendwas Konkretes erhofft. Nicht so was wie: anpassen. Alte Gewohnheiten aufgeben. Neue Wege beschreiten. Wollte der Centurio damit durch die Blume sagen, dass er sich besser von seiner Freundschaft mit Corvinus verabschieden sollte, weil das auf Dauer nicht klappen würde? Er sah ein wenig zweifelnd drein, als Massa zum Abschluss dann noch eine Frage stellte – eine, die ziemlich einfach zu beantworten war. „Weil's unfair ist. Corvinus würd so was nie machen, ich kenn keinen, der da korrekter wär als er. Es ist nicht fair ihm zu unterstellen, dass er wen bevorzugen würd.“



    Sim-Off:

    *Hadamar hat noch mehr sichtbar abgekriegt :)

    Hadamar hatte keine Ahnung, wie lang das genau dauern würde, aber er schätzte mal, dass es nicht allzu lange werden würde. Vielleicht sogar recht kurz, wenn der Centurio fand, dass sein Anliegen schlicht und ergreifend lächerlich war, und ihn gleich wieder rauswarf. Ein bisschen hatte Hadamar schon die Befürchtung, dass der Primus Pilus vielleicht so darüber denken würde... Aber er hatte sich nun mal entschlossen, wenigstens den Versuch zu wagen. Und dass der Centurio ihm sogar kurz die Hand auf die Schulter legte, war ein gutes Zeichen, fand Hadamar, mehr noch: es wirkte ziemlich aufbauend. Was eine Wohltat für ihn war in seinem momentanen Zustand.


    „Danke“, antwortete er, folgte Massa hinein in den Raum und schloss die Tür hinter sich. „In der IV. läuft es gut. Es gibt ein bisschen Gerede, wann wir wieder einen neuen Centurio kriegen... aber Corvinus – Helvetius Corvinus und die anderen Unteroffiziere haben den Laden gut im Griff.“ Womit sie schon beim Thema waren. Hadamar rieb sich über das Kinn und zuckte kurz zusammen, als er zu dicht an seine verletzte Lippe herankam. „Ehm. Ich... Also, Helvetius Corvinus macht seine Sache wirklich gut, er ist ein toller Optio.“ Als er das sagte, klang er zutiefst überzeugt. „Es ist nur... ein bisschen schwierig. Für mich. Ich meine, wir sind hier Freunde geworden, gute Freunde, aber jetzt ist er mein Vorgesetzter, und...“ Hadamar wusste nicht so recht, wie er das formulieren sollte, aber er machte einfach weiter. „Und egal wie ich mich anstreng, damit's da keinen Zweifel gibt dass er korrekt handelt obwohl wir Freunde sind, heißt es von manchen, er würd mich bevorzugen. Tut er nicht!“ schob er sofort hinterher, nicht dass der Centurio noch auf falsche Gedanken kam. „Aber manche behaupten's trotzdem.“ Hadamar räusperte sich und schwankte kurz, was er noch sagen sollte. Eigentlich war da noch mehr als dieser ganze Hickhack, der von außen kam... das komische Gefühl, das er hatte, wann immer Corvinus und er aufeinander trafen und entweder andere dabei waren oder er befürchtete, jemand könnte was mitkriegen, die Gedanken darüber, wie diese Beförderung ihre Freundschaft wohl noch beeinflussen würde, und was war, wenn er, Hadamar, tatsächlich mal wieder irgendwas tat, was Corvinus als Vorgesetzter gar nicht gut heißen konnte, selbst wenn er es als Freund wollte. Kurz gesagt: die Zweifel, die er hatte, ob ihre Freundschaft das wirklich aushalten würde. Aber er wusste nicht so recht, wie er das alles sagen sollte. „Hast du da... einen Rat für mich, was ich tun kann? Wie war das bei dir? Ich meine, du hast doch sicher Freunde, wie... habt ihr das gemacht, als du befördert worden bist? Und kann man... trotzdem befreundet bleiben?“

    Ein bisschen haderte er noch, als Hadamar das Büro des Legaten verließ und rasch seine Spielsteine einsammelte, bevor er endgültig ging – mit dem Legat selbst, seinem Sklaven und diesem idiotischen Tesserarius. Aber das hakte er bald gedanklich ab. Es brachte ja nichts, sich die ganze Zeit zu ärgern, oder zu wünschen es wäre anders. War es nicht. Fertig. Also konnte er genauso gut auch einfach das Beste daraus machen, auch wenn er im Moment noch nicht so genau wusste was das Beste war, außer: schnell zu sein.
    Entsprechend führte ihn sein erster Weg nach kurzem Nachdenken nicht zu den Ställen, sondern zur V. Wo er erst mal deren Optio aus dem Bett holte – der leider erst mal ziemlich unangenehm wurde, bis er hörte, dass der Legat selbst dahinter steckte... und leider auch nicht wusste, wo sein Stubengefährte hingegangen war. Aber, so der Mann, er solle doch mal beim Contubernium III anfragen. Mit ein paar von denen sei der Gesuchte losgezogen. Hadamar lief also zur nächsten Tür und holte die nächsten Männer aus dem Schlaf, hörte sich die nächsten Maulereien deswegen an und begann zum nächsten Mal zu erklären, was ihn hierher führte – und diesmal hatte er Glück, denn die fünf, die da waren, wussten tatsächlich, wo ihre Kameraden hingegangen waren. Oder zumindest: wo sie hatten hingehen wollen, als sie aufgebrochen waren.


    Nur kurze Zeit später tauchte Hadamar am Tor auf, saß auf einem Pferd und führte ein zweites – für den Tesserarius – mit sich, erklärte den Wachen kurz seinen Auftrag und sprengte dann aus dem Castellum hinaus, hinein in die Stadt. Um diesen götterverdammten Tesserarius zu finden und ihn zum Legaten zu schleifen.

    Auf sein Klopfen reagierte niemand, auch nicht auf das zweite oder dritte. Hadamar überlegte kurz... entschloss sich dann aber auf den Centurio zu warten. Irgendwann musste er ja auftauchen, und tatsächlich, einige Zeit später kam er an. „Salve, Centurio“, salutierte Hadamar und unterdrückte den Anflug von Schmerz, der seinen Körper bei der zackigen Bewegung durchfuhr. Oh ja, sich zu prügeln war wirklich dumm gewesen.
    Hadamar grinste ein wenig schief, als er die nächsten Worte des Centurio hörte, und war schon mal erleichtert – gleichermaßen darüber, dass er ihn nicht sofort wieder wegschickte, wie darüber, dass er nicht übel gelaunt wirkte. „So ungefähr, ja“, gestand er ein und beobachtete, wie Massa die Tür öffnete – machte aber noch keine Anstalten ihm zu folgen. „Oder vielleicht eher einen... einen Rat. Hast du da einen Augenblick Zeit dafür?“

    „Ich?“ machte Hadamar überrascht. „Gar nicht. Ich... also, ich geh davon aus, dass unser Legat sich da schon seine Gedanken machen wird.“ Er zuckte die Achseln und spielte kurz mit dem Gedanken, sich noch mal nachzuschenken, entschied sich dann aber dagegen. „Er... er kennt die immerhin persönlich in Rom. Oder wenigstens ein paar von denen. Und er hat da... noch mal andere Möglichkeiten...“ versuchte er dann Gründe zu finden, auch wenn die in seinen eigenen Ohren ein wenig schal klangen. Aber was für eine Wahl hatte er schon? Es gab nicht großartig etwas, was er hätte tun können. Schon gar nichts, um herauszufinden wer nun eigentlich der Kaisermörder war. „Ich glaub einfach, dass der Legat der II. da ehrlich versuchen wird, die Wahrheit rauszufinden. Er hat ja noch net mal gesagt, wenn er für den Mörder hält, beim Appell. Also, er hat zumindest keinen Namen genannt.“

    Es war der Tag nach seiner Prügelei mit diesen Hornochsen. Naja, mit einem der Hornochsen – mal abgesehen von den obligatorischen Anfeuerungsrufen hatten die anderen zwei sich weitgehend rausgehalten aus der Schlägerei. Was ein Glück war, sonst würde Hadamar sich jetzt noch viel schlechter fühlen als es eh schon der Fall war. Die blauen Flecken an seinem Körper hatte er nicht gezählt, was ihm alles wo und wie genau weh tat genauso wenig, nur dass seine Rippen auf der linken Seite in besonderem Maß in Mitleidenschaft gezogen waren registrierte er dann doch überdeutlich, und, freilich, sein Gesicht: eine aufgeplatzte, immer noch leicht geschwollene Lippe, ein Kratzer an der rechten Schläfe entlang bis zum Wangenknochen und eine Platzwunde knapp über seiner linken Braue, in Kombination mit einem deftigen blauen Auge. Aber wenigstens hatte er keine gebrochene Nase, im Gegensatz zu seinem Widersacher... der erste Schlag von Hadamar war ein Treffer erster Güte gewesen.


    Dass es allerdings dumm gewesen war, sich so provozieren zu lassen, war ihm im Nachhinein klar. Er fand immer noch, dass er im Recht gewesen war, dass er die Kommentare nicht einfach so hatte stehen lassen dürfen... aber trotzdem: es war dumm gewesen sich zu prügeln. Und wenn es nur deshalb war, weil das in der Legio gar nicht gern gesehen wurde, immerhin war Disziplin das ultimative Ziel. Und das war der Grund, warum er nun hier stand... vor der Unterkunft des Primus Pilus. Er brauchte jemanden zum Reden. Jemanden, der... Erfahrung hatte, der die Mannschaften kannte und die verschiedenen Ränge und das Leben dazwischen. Corvinus kam aus offensichtlichen Gründen nicht in Frage, Sönke auch nicht, die übrigen Kameraden genau so wenig – er brauchte jemanden zum Reden, der... so was wie eine Respektsperson war. Zu dem er aufsah, in gewisser Weise, und so sehr er viele seiner Kameraden auch mochte und ihre Erfahrung als Soldaten respektierte – keiner von ihnen schien geeignet als Ratgeber in dem Dilemma, in dem er sich grade befand. Den meisten fehlte allein schon der geistige Horizont. Sie waren gut in dem, was sie taten, aber es reichte eben nicht für mehr. Sie führten Befehle aus, die sie bekamen, und so lange der Sold stimmte und die Führung und sie ab und zu ein wenig Spaß haben konnten, war ihnen das genug. Hadamar dagegen hätte es ja nie geglaubt, dass ihm der Unterricht mal fehlen würde, aber irgendwie... war es so. Nicht so sehr das Lernen, aber die geistige Herausforderung und den Austausch vermisste er manchmal, den Austausch über mehr als nur das Alltägliche, und der war halt deutlich begrenzt, schon allein wegen des Trainings und der sonstigen Aufgaben, aber eben auch deswegen, weil die meisten... sich nicht für mehr interessierten, was über ihre direkten Angelegenheiten hinausging. Und in genau dem Punkt unterschied Hadamar sich von ihnen.


    Kameraden kamen also nicht in Frage, und obwohl Corvinus nun Optio war, zählte er für Hadamar nach wie vor als Kamerad. Einen Centurio aber hatten sie nach wie vor nicht – und selbst wenn sie einen hätten, war Hadamar sich nicht sicher, ob ein Mann, den er kaum kannte, geeigneter gewesen wäre als einer seiner Kameraden. Artorius Massa hingegen war immer noch sein Centurio, sein Ausbilder, sein Anführer, auch wenn er jetzt Primus Pilus war und nicht mehr für ihre Centurie verantwortlich. Hadamar respektierte ihn und hatte auch das Gefühl, dass er ihm vertrauen konnte, gerade wegen der unbestechlichen Strenge, die der Mann immer an den Tag gelegt hatte, und weil er eigentlich immer den Eindruck gemacht hatte, zwar hart, aber trotzdem fair zu sein. Klar war es möglich, dass er ihn einfach wieder wegschickte – na gut, dann war Hadamar halt umsonst hierher gelaufen. Aber den Versuch war es wert. Also hob er nach einem winzigen Zögern die Hand und klopfte an die Tür der Unterkunft.

    Die beiden Prügler registrierten im Eifer des Gefechts gar nicht, dass sich jemand dazu gesellt hatte... und auch die beiden Anfeuerer merkten es erst, als sie angesprochen wurden. Beide sahen sich rasch um, beide registrierten, dass offenbar kein Vorgesetzter dabei war – den neuen Signifer der IV. kannten sie noch nicht –, sondern nur ein paar Kameraden. Veteranen zwar und damit doch höher gestellt in der internen Hackordnung als sie Jungspunde, aber: Kameraden. Allerdings welche, die sie nicht der eigenen, sondern durchaus Hadamars Centurie zuordnen konnten, weshalb sie sich zwar grinsend, aber naturgemäß etwas vorsichtig waren, wie sie sich nun auf die Frage äußerten. „Der Kleine da braucht mal wieder ein paar Prügel, damit er lernt sein vorlautes Maul im Zaum zu halten...“ Vorlautes Maul – das war bei Hadamar immer eine glaubhafte Begründung, warum er in Schwierigkeiten geraten war, das wussten auch die drei, die ihn blöd angemacht hatten.

    Für einen winzigen Moment konnte Hadamar sich freuen. Über ein Lob. Vom Legaten! Und dann noch übers Salutieren, das er manchmal so unnötig wie ein Kropf fand.
    Einen Moment später allerdings rauschte Verlegenheit durch ihn hindurch und ließ seine Ohren brennen, als ihm klar wurde, dass er mal wieder in ein Fettnäpfchen getreten war. Gerade ihm und anderen, die in der Hinsicht gerne mal nachlässig waren, hatte Massa das eigentlich sehr gut eingebläut. Aber er hatte einfach nicht nachgedacht in dem Moment, weil er mittlerweile doch ziemlich müde war, hatte das Ganze schnell abschließen wollen, damit er endlich ins Bett konnte... und dann unterlief ihm so was. Beim Legaten. „Eh, ja... hat man... eigentlich“, antwortete er verlegen. „Tut mir leid.“ Er überlegte noch, ob er irgendetwas anfügen sollte, eine ausführlichere Entschuldigung, eine Erklärung, aber die Gefahr war zu groß, dass er dann ins Faseln geriet, also schwieg er nur und hoffte, dass es der Legat dabei bewenden ließ.


    Und dann drohte schon der nächste Fettnäpfchen-Moment. Hadamar war sich nicht so sicher, ob das nicht ein bisschen die Quittung dafür war, dass ihm beim Melden ein Fehler unterlaufen war, oder ob der Legat so oder so ihn ausgewählt hätte, weil er eben direkt greifbar war – aber egal was es war: er war natürlich nicht begeistert. Ganz und gar nicht. Es war spät, mitten in der Nacht mittlerweile. Und er hatte doch ohnehin schon das ganze Lager abgelaufen auf der Suche nach den Tesserarii. Und wie um alles in der Welt sollte er diesen einen Mann in Mogontiacum überhaupt finden? Der konnte überall sein!
    Dieses Fettnäpfchen schaffte Hadamar allerdings zu umschiffen. Er schloss nur kurz die Augen für einen Moment, was auch als ganz normales, vielleicht ein bisschen längeres Blinzeln hätte durchgehen können, und atmete tief ein... ansonsten kam nichts. Kein Augenrollen, kein lautes Seufzen, keine Grimasse und erst recht keine Nachfrage. Auch wenn seine Art immer wieder mal zu merken war, vor allem wenn er schneller redete als nachdachte: im Großen und Ganzen hatte er gelernt sich zu benehmen wie es von einem Soldaten erwartet wurde. Und vor allem zu unterscheiden, wann er sich locker geben konnte, wann es sich lohnte bewusst eine gewisse Frechheit an den Tag zu legen – und wann es angezeigt war, sich jede unangebrachte Regung zu verbeißen. Was in den meisten Situationen der Fall war, und was Hadamar mittlerweile auch drauf hatte.
    „Jawohl, Legat“, salutierte er also letztlich nur, und verließ den Raum wieder, um den Befehl auszuführen.



    Sim-Off:

    Nee, straffen wollte ich nicht... ich hab nur nicht nachgedacht. Passt aber wunderbar zu Hadamar :D

    „Kurz? DAS soll KURZ sein?!?“ Jetzt war das Entsetzen in Hadamars Blick wirklich echt. „Ha, ha... dein Vetter muss irre sein“, maulte er und gab Corvinus den Brief zurück. „Und die anderen Römer auch. Die Senatoren und so. Wer hält das denn aus...“ Er kratzte sich unschlüssig am Kopf. „Ja, genau das...“ Dass ihnen gar nichts anderes übrig blieb, als ihrem Legat zu vertrauen, sagte er nicht laut. Er wusste nicht so sehr, ob er dem Mann vertraute, also wirklich vertraute, dafür hatte er als einfacher Soldat zu wenig Kontakt mit ihm. Aber eine imposante Erscheinung war er ja schon, und er hatte Hadamar beeindruckt bei den paar Mal, die er ihn gesehen hatte. Er hatte auf jeden Fall nicht wie einer gewirkt, der sich leicht etwas vormachen ließ. Und davon abgesehen: er vertraute Artorius Massa, ihrem ehemaligen Centurio. Obwohl der nicht mehr bei ihnen war und sie noch keinen neuen hatten... aber was der Primus Pilus trieb bekamen sie ja auch mit. Und so lange Massa dem Legaten folgte, würde das schon stimmen so. Ganz wohl war ihm aber trotzdem nicht dabei, selbst so wenig zu wissen, und das wenige, was er wusste, so schlecht einschätzen zu können – was ja der Grund war, warum er zu Witjon wollte. „Was sagt er denn dazu? Oder hast du ihm den Wisch noch net gezeigt?“

    „Jaaa, klar! Am be-“, begann Hadamar breit grinsend, aber dann fuhr der Scriba dazwischen, und obwohl er nur Linos angesprochen hatte, hielt auch Hadamar daraufhin die Klappe und machte sich ans Arbeiten. Zu früh, wie sich dann herausstellte... denn Corvinus wollte, dass alles durchgezählt wurde von ihnen. Und das wo er schon mit dem Einpacken begonnen hatte – ohne zählen. Großartig.
    Senecio verpasste Hadamar einen Klaps auf den Hinterkopf, und der verdrehte stumm die Augen und packte die Münzen wieder aus. „Moment...“, brummte er auf Corvinus' Frage, während er sie wieder in Stapeln schichtete, die so hoch waren wie die, die noch auf dem Tisch standen, und zählte dann mit Senecio die Stapel durch. „Stimmt“, antwortete Senecio schließlich.