Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Scheiße. Wie peinlich war das jetzt? Hadamar hatte noch protestieren wollen, aber da hatte Corvinus ihn schon hochgehoben und trug ihn durch die Gegend. Irgendwie hatte er zwar recht mit dem, was er sagte, Hadamar wusste das, und ein Teil von ihm war sogar froh, nicht mehr laufen zu müssen, nur… unangenehm war es ihm trotzdem. Seine Gesichtsfarbe näherte sich stark seiner Haarfarbe an, was aber in der Dunkelheit, die nur hier und da von Fackelschein von irgendwoher unterbrochen wurde, kaum sichtbar war… jedenfalls hoffte Hadamar wenigstens das. Immerhin, er hielt die Klappe, wehrte sich auch nicht, sondern ließ sich widerspruchslos tragen. „Wohl kaum“, murmelte er nur auf den Kommentar mit der Bestrafung hin. An die wollte er lieber nicht denken, das würde er ohnehin früh genug merken, was ihn da erwartete.


    „Also, ehrlich gesagt… ich hätt nicht gedacht, dass Fuscus oder einer der anderen mir da geholfen hätt, wenn ich gesagt hätt dass ich mich rausschleichen will.“ Hadamar hätte sich am liebsten selbst geschlagen bei dem Gedanken daran, dass es vielleicht tatsächlich so hätte funktionieren können wie Corvinus gerade beschrieben hatte. „Und ich wollt net dass du oder wer anders noch Ärger kriegt, wenn‘s auffliegt, weil ihr Bescheid gewusst habt.“ Er presste die Lippen aufeinander und verzog das Gesicht, als sich die zerbissene Unterlippe schmerzhaft bemerkbar machte. Wurde ja immer besser, der Abend… Und er wusste nicht, ob er froh sein sollte oder nicht, als das Valetudinarium in Sicht kam. Behandlung, was gegen die Schmerzen, super – aber je schneller sie da fertig waren, desto schneller würde wohl der richtig unangenehme Teil des Abends beginnen. Denn dass ihm der noch bevorstand, war ihm klar.

    Ach. Parzen waren also Nornen. Wieder was gelernt – oder vielleicht auch nicht, denn was bei Hadamar zum einen Ohr reinging, blieb nicht notwendigerweise drin... sondern suchte sich schon mal den Weg zum anderen wieder hinaus. Gelegentlich. Und in diesem Moment machte er sich ohnehin nicht sonderlich Mühe, darauf zu achten, sondern zuckte nur mit den Achseln. Und sah dann endlich wieder die Reaktion, die er erwartet hatte, nämlich Unwillen beim Sippenoberhaupt. Hatte er ja gewusst, dass der nicht so viel Verständnis hatte wie behauptet... „Ich bin ja auch net hier, weil ich um Rat hätt fragen wollen“, maulte er. Nee, er war hier, weil Witjon ihn nach der Bestattung hierher beordert hatte. Aber selbst wenn er Rat gebraucht hätte, hätte Witjon ihm kaum helfen können. Vom Militär hatte der ja wohl keine Ahnung, war Hadamar überzeugt. Und Unterstützung? Wie denn Unterstützung? Wenn er Unterstützung gewollt hätte, wäre er hier geblieben, in der Casa, und hätte getan, was auch immer seine Familie von ihm gewollt hätte... und wobei sie ihn dann hätte unterstützen können. „Ja, tut der Optio vielleicht schon“, ranzte er dann zurück. Wohl eher nicht. HOFFENTLICH nicht, denn wenn der Optio ihn schon erwartete, dann hieß das, dass er gemerkt hatte, dass Hadamar fort war... und genau das sollte ja idealerweise nicht passieren. Hadamar war nicht scharf drauf, nen Haufen Ärger zu bekommen, schon gar nicht wenn ihm das hier, bei seiner Familie, so wenig vergolten wurde, dass er zu Elfledas Bestattung gekommen war. Und dann auch noch diese... dieses... dieser verkappte Rausschmiss. Hadamar bemerkte nämlich durchaus den Spott, der in den Worten mitschwang. Aber was wollte Wijton? Hätte er in der Verwaltung angefangen, hätte er da auch irgendwem gehorchen müssen, nur mit dem Unterschied, dass das dann irgendein Sesselfurzer gewesen wär. Mit einem Ruck stand Hadamar auf. „Sollte ich wohl gehen dann, da hast du Recht.“

    Hadamars Atem begann recht rasch, schwerer zu gehen, und die Wunde in seinem Oberschenkel brannte furchtbar. Und er spürte nach wie vor warme Flüssigkeit an seinem Bein, was hieß, dass sie immer noch blutete. Aber was mussten diese Idioten auch einfach ihre Speere durch die Gegend schleudern?
    Das einzige, was Hadamar allerdings tat, war die Zähne nur noch fester zusammenzubeißen und sich weiter halb selbst zu schleppen, halb schleppen zu lassen. Half ja alles nichts... und er hätte sich eher die Zunge abgebissen als zu jammern. Allerdings wünschte er sich doch, dass Corvinus endlich etwas sagen würde... aber der grübelte offenbar lieber noch ein bisschen, bis er endlich doch wieder den Mund aufmachte. Und überraschte Hadamar mit seiner Frage. „Uhm. Doch...?“ Das war halb Antwort, halb Frage... weil er nicht so genau wusste, worauf Corvinus hinaus wollte. Oder ob das jetzt gut oder schlecht war. Oder so. „Spielt das ne Rolle?“


    Sim-Off:

    Ja, ist okay :)

    Hadamar bekam das Grinsen kaum aus dem Gesicht. Oh, sicher, im Zelt des Legaten hatte er sich wie gefordert zusammengerissen – war ja auch ehrfurchtgebietend genug. Aber der Auftrag, ja, das war nach seinem Geschmack. Gut, war zwar nichts allzu besonderes, aber hey – ne kleine Nachtwanderung, nen anderes Lager suchen, dazu vorsichtig sein müssen weil überall die „Feinde“ lauern konnten... war aufregend genug. „Bist du irre?“ lachte Hadamar leise. „Das hier ist so viel besser als die Nachtwache! Der Präfekt wird schon da sein, und selbst wenn net – was soll's? Laufen wir halt weiter durch den Wald. Die Routine im Lager ist dir doch net ernsthaft lieber als das, oder?“ Das einzige, was er noch besser finden würde, wäre wenn sie voraus gehen könnten... Hadamar wäre gern durch den Wald geschlichen, hätte nach dem richtigen Weg gesucht, aber er wagte zu bezweifeln, dass Fuscus ausgerechnet sie dazu beordern würde. Aber vielleicht fanden sie den Präfekten ja tatsächlich nicht sofort, und Fuscus teilte sie in mehrere Gruppen auf...


    Vorerst allerdings gingen sie gemeinsam durch den Wald, bereits in die Richtung, in der sie das Lager der Ala vermuteten, allerdings zunächst auf der Suche nach den Aufklären der Legionsreiterei, von denen der Legat gesprochen hatte. Eine Weile liefen sie durch den Wald... bis plötzlich von einem der Vorderen ein Zeichen gegeben wurde. Es brauchte nicht viel, um sich gegenseitig zu verständigen, das hieß, eigentlich brauchte es so gut wie nichts, weil Fuscus der einzige war, der irgendwelche Zeichen gab – ein Aufklärer los, die anderen schweigend zurückbleiben. Hadamar versuchte, das Dunkel um ihn herum mit seinen Augen durchdringen zu können, versuchte irgendetwas zu hören, und wünschte sich, er wäre geschickt worden... war das Ganze hier für ihn doch nach wie vor weniger ein Manöver, das auf den Ernstfall vorbereiten sollte, als vielmehr ein Abenteuer. Das noch allerdings wenig aufregend war, wie sich gleich darauf herausstellte, als Mugillanus zurückkam – mit einem der Aufklärer im Schlepptau, der sein Pferd hinter sich herführte.

    „Mich muss niemand erleuchten, ich bin schon hell genug“, flachste Hadamar. Minerva, Mithras... sagte ihm ohnehin nicht wirklich etwas. Wenn er sich richtig erinnerte, war Minerva irgendeine römische Göttin... aber Mithras sagte ihm gar nichts. Und im Moment war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt, um Corvinus zu fragen – zum einen war der Kerl dabei und würde ständig sein Garum dazu geben, zum anderen hatte Hadamar keine Ahnung, wann der Rest ihres Contuberniums zurückkommen würde. Und zumindest Fuscus würde nicht begeistert sein, wenn er sie hier quatschend erwischte, obwohl es noch Zeug zu erledigen gab.


    Dieser Gedanke war allerdings vergessen, als er Corvinus' Tritt spürte und die dazugehörigen Worte hörte. Er machte den Mund auf, um etwas zu erwidern – und klappte ihn wieder zu. Er wusste nicht so genau, was er darauf sagen sollte... einerseits ging es ihm gewaltig gegen den Strich, dass Corvinus die germanischen Stämme als Barbaren bezeichnete, weil er damit irgendwie ja auch ihn als Barbaren bezeichnete – immerhin war das seine Herkunft, sein Ursprung, all seine Ahnen. Andererseits... war er ja... irgendwie... Römer. Irgendwie. Halbwegs. Konnte man halb Römer sein? Hadamar hatte die Befürchtung, dass er Kopfweh bekommen würde, wenn er da allzu intensiv darüber nachdachte, also zog er es vor, die Gedanken darüber wegzuschieben. „Ich bewunder sie nicht“, murrte er stattdessen und hackte weiter, bis auch der zweite Stamm komplett frei war. „Aber du kannst nicht behaupten, dass die Legionen hier leichtes Spiel gehabt hätten. Hat ja nen Grund, dass ich heut kein Sklave bin, sondern nen Römer.“

    Hadamar zögerte einen Moment auf die Frage des Optio hin. Er glaubte kaum, dass es jetzt noch eine Rolle spielte, warum er ausgebüxt war... also, nicht in dem Sinn, dass es womöglich strafmildernd wirken könnte. Und er war nicht wirklich scharf darauf, seine Beweggründe lang und breit zu erklären und sich damit vielleicht irgendwie bloßzustellen oder so. Er kannte einige Legionäre, die sich über ihn lustig machen würden, dass er wegen seiner Familie und einer Beerdigung das Risiko einer Strafe eingegangen war – und nicht etwa, um dann die Gelegenheit zu nutzen irgendwo in der Stadt einen draufzumachen. Und Hadamar hatte keine Lust, irgendwem zu erklären, wie wichtig ihm seine Familie letztlich war. Schon gar nicht, wo er das bisher recht gut übergangen hatte, einfach indem er, wenn überhaupt, nur das nötigste erzählte. Es ging ja auch niemanden etwas an, fand er, und er wollte nicht zur Zielscheibe des Spotts werden. Allerdings: dem Optio hatte er sich da bereits ein Stück weit offenbart, als er um Freigang gebeten hatte. Der wusste von der Beerdigung. Und es hatte jetzt auch keinen Sinn zu lügen... zumal recht leicht herauszufinden war, dass Elfledas Bestattung heute gewesen war. Die Duccii waren ja nicht irgendwer in Mogontiacum, sie hatten sowohl in Politik als auch in der Wirtschaft großen Einfluss.


    Also nickte Hadamar schließlich auf die Frage hin, und hörte dann doch mit einiger Erleichterung, dass es für ihn jetzt erst mal zur Krankenstation gehen würde – mit Corvinus. Zu seiner noch größeren Erleichterung verzichtete der darauf, ihn komplett tragen zu wollen, sondern umfasste ihn so, dass er wenigstens noch halbwegs selbst humpeln, und so ein bisschen seiner Würde bewahren konnte. War zwar deutlich schmerzhafter so, und Hadamar verzog das Gesicht zu einer Grimasse und biss die Zähne zusammen, um Schmerzlaute zu unterdrücken, aber es war ihm trotzdem lieber so.
    „Naja...“ Hadamar stockte. Für einen Moment war er unschlüssig, was er Corvinus sagen sollte, aber dann entschied er sich für die Wahrheit. „Heut war ne Bestattung, von ner Verwandten, und ich... ich musste da hin. Zu meiner Familie. Verstehst du, sie war nicht irgendwer, sie war... wie sagen die Römer? Mater familias. Sie war wichtig, und wir... ich wollte... da sein. ... Familiensache halt.“

    Hadamar stand erst mal einfach nur da und wartete ab, was weiter geschehen würde… und entdeckte dann plötzlich Corvinus, der sich durch die Menge zu ihm durchdrängte. Und da war zum ersten Mal der Moment gekommen, in dem Hadamar… nun, ein wenig beschämt war. Er hatte da heute hingemusst zu der Bestattung, daran gab es für ihn nichts zu rütteln… aber Corvinus zu sehen, der so ein Mustermiles war, der alles so ernst nahm und mit ganzer Seele Soldat zu sein schien, führte Hadamar nicht nur endgültig vor Augen, dass sein kleiner Ausflug mehr war als ein Dumme-Jungen-Streich… er machte ihm auch bewusst, dass ihm selbst ja mittlerweile auch viel daran lag, hier zu sein. Dazu kam, dass er sich nicht so ganz sicher, ob Corvinus Verständnis dafür haben würde, dass er sich rausgeschlichen hatte… vorher hatte er da gar nicht drüber nachgedacht, aber jetzt, wo er seinen Kameraden sah, tat er es, und er stellte mit leichtem Unbehagen fest, dass ihm Corvinus' Meinung… nun ja. Wichtig war.


    Er hätte sich allerdings zu gerne von ihm auf die Krankenstation bringen lassen – auch wenn er nicht wirklich getragen werden wollte, sondern lieber selbst dahin humpeln –, aber beinahe gleichzeitig mit Corvinus wandte sich nun auch der Optio an ihn. Mittlerweile froh um den zusätzlichen Halt, den er durch den festen Griff des Soldaten in seinem Rücken hatte, sah er den Optio wieder an. Ja, was hatte er zu sagen? Nicht viel, eigentlich. Es gab nichts, wie er das erklären könnte – sie hatten ihm ja nicht mal Freigang für die Bestattung gewährt, als er darum gebeten hatte. Natürlich würden sie da erst recht nicht akzeptieren können, dass er sich einfach so davon geschlichen hatte, nachdem seine Bitte abgelehnt worden war. „Familienangelegenheit, Optio“, antwortete er militärisch knapp. Er wagte zu bezweifeln, dass der Hadrianus irgendetwas vorgeheult bekommen wollte… und er wollte sich auch gar nicht rausreden. Wenn das Ganze ein Feierausflug in die Stadt zu alten Freunden gewesen wäre, oder eine verlorene Wette – oder der Gegenstand einer laufenden Wette, ob er es schaffte –, oder einfach nur der Versuch, ganz für ihn allein, um herauszufinden, aber das raus- und reinschleichen überhaupt klappte… – und all das war bei Hadamar durchaus im Bereich des Möglichen – klar hätte er dann mit losem Mundwerk irgendwas gefaselt, hätte dem Optio das Blaue vom Himmel herunter lügen können, garniert mit ein paar frechen Witzen. Aber Elfledas Tod, die Bestattung und die anschließenden Gespräche mit Witjon und seiner Mutter… das war zu ernst, sogar ihm, um das jetzt herunterzuspielen.

    Der Kerl entschied sich doch tatsächlich dafür, das im Stehen zu erledigen. Anstatt sich doch noch an der Wand entlang zu Boden gleiten zu lassen. Hadamars linke Augenbraue wanderte nach oben – dann zuckte er die Achseln. Sollte er doch machen was er wollte. Und nachdem klar war, dass er sowieso nicht würde davonlaufen können, beschloss Hadamar, ihn dann doch ein wenig allein zu lassen und sich stattdessen im Stall nach einer Decke umzusehen.


    Wo er auch recht bald fündig wurde... als er allerdings wieder nach draußen kam, sah er gerade noch, wie es den Sklaven hinknallte. Hadamar rollte die Augen. Konnte man sich noch blöder anstellen? Er kam näher und schnitt eine Grimasse, als er Corvinus' Kommentar hörte – die sich dann in ein ehrliches Grinsen verwandelte, als der Sklave antwortete. Hadamar hatte zwar wenig Ahnung von Griechen, was die alles erfunden hatten und was oder was nicht die Römer sich von denen abgeguckt hatten... aber den Spruch fand er lustig. Er warf die Decke auf den Boden neben den Stamm, den Corvinus gerade fertig gemacht hatte – ziemlich kratzig, sonderlich angenehm zum draufliegen dürfte es nicht sein, aber immerhin war sie groß und fest, dürfte also sowohl später gut sitzen als auch einigermaßen die Kälte abhalten – und griff sich dann den zweiten Stamm, nachdem der Sklave – wie hieß der eigentlich? – immer noch auf dem Boden rumlümmelte und keine Anstalten machte, weiter zu arbeiten. Er schnappte sich das Beil und befreite den Stamm mit rasch ausgeführten, groben Schlägen vom Geäst. „Ja, vergleich deine Griechen mal mit den germanischen Stämmen. Von denen ham sich die Römer kaum was abgeguckt... aber den Limes gebaut, weil sie hier nicht weiter gekommen sind“, grinste er.

    „Von unserm... hä?“ machte Hadamar. „Was hast du denn bitte angestellt, dass...“ Die Erklärung folgte gleich darauf, aber so ganz schlau wurde Hadamar nicht draus. Er deutete ein Achselzucken an. „Na, du bist nen Sklave. Dann hast auch zu gehorchen, ist bei den Römern halt so. Und der hat dir echt nen Adler in den Rücken geschlagen?“ Das war in gewisser Hinsicht schon wieder klasse, fand Hadamar. Wenn schon Narben... dann richtig.
    Gleich darauf allerdings verdrehte Hadamar die Augen. So langsam begriff er, warum Corvinus von dem Kerl schon so genervt war. „Du hast ein funktionierendes Bein – und die Wand zum Abstützen. Da wirst du's doch wohl fertig bringen, dich allein hinzusetzen, ey. Nörgelst du die ganze Zeit so rum?“ Vielleicht hätte der Legat ihn dann besser laufen lassen sollen. Allerdings hatte Hadamar auch wenig Lust, mit ihm rumzudiskutieren, weswegen er sich einen der Stämme griff und neben dem Sklaven an die Wand lehnte. Danach bückte er sich und drückte ihm das kleine Beil in die Hand. „Aber du kannst es freilich auch gern im Stehen machen“, grinste er ihn süffisant an.

    „Öhm“, machte Hadamar verwirrt. Corvinus wusste handwerklich wie alles ging? Was war DAS denn für eine Beschreibung? Und was sollte das heißen, dass es für Legionäre schwierig sei... „Na... äh... das is doch nich wahr. Vielleicht war das für den Kerl so, aber der hatte ja scheinbar eh net allzu viel drauf...“ Hadamar zuckte die Achseln. Wenn sie tatsächlich mal zusammen Freigang hatten, konnten sie ja auch das mal angehen. Konnte ja doch nicht sein, dass Corvinus ernsthaft keinen Spaß mit ner Frau gehabt hatte bisher... Übergangslos wechselte seine Miene dann von Verwirrung zum erneuten Grinsen. „Jaaa, schon. Wär ja auch irgendwie tragisch wenn net. Ist ja nicht so, als ob wir net den jeden Tag durch irgendein Training durchgeprügelt werden würden...“

    Wie der römische Adler. „Ähä...“, machte er. „Und wie kommen Narben auf deinen Rücken, die wie nen Adler aussehen? Und naaiiin, wir gehen nicht zurück!“ Hadamar verpasste dem Sklaven eine Kopfnuss. „Nich nur anstarren – zuhören, Mann! Setz dich hin und sieh zu, dass du das Kleinzeug von den Stämmen weg kriegst. Es sei denn du willst dass sich das ständig in deine Seiten bohrt, während wir dich durch die Gegend schleppen...“

    Hadamar starrte Witjon wütend an. Der hatte leicht reden. Er in seinem Alter. Chancen! Als Witjon in seinem Alter gewesen war, da waren das vermutlich auch wirklich noch Chancen gewesen, weil die Duccii da noch nicht so viel erreicht hatten! Aber jetzt? Nach Lando, nach Witjon? Da waren das doch keine Chancen mehr, sondern Verpflichtungen! Und dann auch noch welche, die keine Möglichkeiten boten, irgendwas eigenes zu machen. Das einzige was möglich war, war, in die Fußstapfen eines anderen zu treten... noch dazu in die Fußstapfen von Männern, die zum einen viel zu große hinterlassen hatten und zum anderen eigene Söhne hatten, die sich schon dazu anschickten, genau das zu tun. Und Hadamar hatte einfach keine Lust, sich ständig daran messen lassen zu müssen, ganz davon abgesehen, dass er nach wie vor überzeugt war, dass ihm Verwaltungsarbeit weder Spaß machte noch dass er sich tatsächlich dafür eignete.


    Er war noch viel zu aufgebracht, um bei Witjons Scherz schmunzeln zu können, und er glaubte ihm auch nicht so recht, dass er ihn verstand. Und irgendwie nervte es ihn, dass er trotzdem so verständnisvoll tat. Erwachsene! Warum mussten die immer so... so... AAAAAARRRGH sein? „Klar“, murrte er also nur halblaut. Wahrscheinlicher war, dass auch Witjon wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Hadamar war alt genug, um sich in der Legio einzuschreiben, und verpflichtet war verpflichtet. Das musste es sein. Trotzdem setzte er sich wieder hin... es fühlte sich irgendwie doof an, herumzustehen, wo sich die Stimmung allgemein ein wenig beruhigt hatte. „Das ist die Legion, Witjon. Militär. Am Limes. Natürlich gehen Soldaten drauf. Mein eigener Vater ist da gestorben, meinst du ich hätt das vergessen? Ich weiß schon wo ich mich da gemeldet hab“, entgegnete er trotzig... und das Sippenoberhaupt mimte weiter den Verständnisvollen. Hadamar rollte die Augen und sah dann abrupt zur Seite. Mit Bravour, genau. Das Gefühl hatte er nie gehabt, dass er irgendwas mit Bravour gemeistert hätte, oder hätte können... oder dass er das Potential dazu hatte. Trotzdem freute es einen Teil von ihm, das zu hören... auch wenn er diesen Teil im Moment ziemlich unterdrückte. Zu sehr hing in ihm der Gedanke fest, dass die Erwachsenen ihn genau dafür hielten: einen Nichtsnutz. Tunichtgut. Er bekam zwar immer zu hören, dass er mehr aus sich machen könnte, aber er glaubte nicht so recht daran, nicht jedenfalls was das betraf, was beispielsweise seine Mutter von ihm wollte und erwartete... Und dann wurden seine Gedanken unterbrochen. „Parzen?“ fragte er irritiert nach. „Was, äh... soll das sein? Und jaaa, ich pass schon auf mich auf“, fügte er noch an.

    „Oh na aber sicher... ich muss hier noch viel lernen, fürcht ich...“ Ein fast lautloses Seufzen begleitete die Worte, aber zugleich grinste Hadamar auch. Aber er machte Fortschritte, und, mehr noch – es machte ihm Spaß, und das war weit mehr, als er von allem sagen konnte, was er bisher hatte tun müssen. Auf dem Hof schuften. Im Unterricht lernen. So was halt. „Dann machen wir das“, grinste er noch breiter – und dann verging ihm das Grinsen. „Äh.“ Die andere Sache. Die andere? Hä? Meinte er etwa Frauen? Hadamar schwenkte die Amphore ein wenig in seiner Hand. „Komm, trink noch was. Warum ist das was anderes?“

    Hadamar zuckte nur flüchtig die Achseln und beschloss, die Sätze nicht weiter zu kommentieren. Er brachte den Kerl einfach nur nach draußen und wartete dann in aller Seelenruhe ab, während er sich darüber freute, dass das Training – und all die Zusatzaufgaben, die er sich im Lauf der Ausbildung eingefangen hatte – sich nach und nach auswirkte. Ein Muskelpaket wie Corvinus würde er freilich nie werden, denn alles Training konnte nichts an seiner Grundstatur ändern, aber er war kräftiger geworden. Trotzdem überließ er das Hacken der Baumstämme nur allzu gerne seinem Kameraden.


    Der, noch bevor er den Kerl wieder zurück schleppen konnte, auftauchte und zwei Stämme hinwarf, mitsamt einer Anweisung. Hadamar stemmte die Hände in die Hüften und sah den Sklaven an, aber der... starrte Corvinus nach. Und starrte ihm länger nach. Und noch länger. Sein Blick schien sich gar nicht mehr lösen zu wollen, und kurz wandte auch Hadamar den Blick ab und sah, dass Corvinus sich gerade wusch. Sah wieder zu dem Sklaven, der immer noch zu Corvinus guckte. Und JETZT kam das Hadamar ein wenig komisch vor. „Halloho?!?“ machte er. „Was starrstn so? Du hast ihn gehört, als mach!“

    „Aaah...“ machte Hadamar gespielt verständnisvoll. „Mit Frauen, soso.“ Ein immer breiteres Grinsen begann sich auf seinem Gesicht auszubreiten, stand Corvinus' Verhalten doch in krassem Gegensatz zu seinen Worten. Der konnte ja doch häufig ziemlich stur und verkrampft sein, wenn es um das Training und so ging, aber so verbissen hatte Hadamar ihn dann doch selten erlebt. Und wurde er sogar rot...? Hadamar grinste noch breiter und holte sich die Amphore wieder mit dem Rachenbrenner. „Was dagegen?“ fragte er und trank dann einfach, ohne die Antwort abzuwarten, schüttelte sich kurz, setzte sich neben Corvinus und hielt ihm die Amphore hin. Kurz musste er an Runa denken, und er fragte sich, was sie wohl machte... und ob sie wohl auch zu Elfledas Bestattung gehen würde. Dann schüttelte er den Gedanken ab – und beschloss zugleich, das Thema Frauen ein bisschen sein zu lassen. Dass Corvinus das gerade unangenehm war, erkannte ein Blinder, und obwohl Hadamar andere Leute gerne aufzog – aufziehen war was anderes als fertig machen. Es machte ihm Spaß, wenn der andere sich auch wehrte, wenn es ein Wortgefecht gab, aber wenn der andere so reagierte wie Corvinus gerade... näää. Das war unlustig. Hadamar war nicht die Sorte der Mensch, dem so was gefallen hätte. Und: er mochte Corvinus. „Ich dacht ja immer ich muss hier noch viel lernen... Wenn wir Legionäre sind und mal Ausgang haben, zeig ich dir, wie man hier Spaß haben kann.“

    „Das wäre dann ich“, machte Hadamar auf die Frage nach der Abstammung hin – und fragte sich, ob der andere tatsächlich gerade etwas enttäuscht klang. Und wenn ja, warum. „Mal davon abgesehen, dass es die Germanen nur für Römer gibt. Warum willst du wissen wo er herkommt?“
    Dann verzog Hadamar das Gesicht, als der Kerl weiter sprach. „Das ist jetzt net dein Ernst... hnnnng.“ Sich rumkommandieren lassen von einem Kerl, den sie eingefangen hatten für den Legaten, weil er ein entflohener Sklave war. Und dann noch dazu, um ihm beim Pissen behilflich zu sein. Super. Er legte beiseite, was er gerade in der Hand hatte, richtete sich auf und ging hinüber zur Wand. Corvinus hatte den zwar den Berg runtertragen müssen, aber das war eben ein Berg gewesen, und bergab... für die kurze, ebene Strecke nach draußen würde der doch sicher auf einem Bein hüpfen können, wenn er seinen Arm um Hadamars Schulter legen konnte und er ihn noch dazu stützte... „Ach was soll's“, seufzte er dann, bückte sich und hob ihn hoch. Zum Glück war der recht leicht, sonst hätte Hadamar damit sicher Schwierigkeiten gehabt, aber so ging es einigermaßen, und er brachte ihn nach draußen, wo er ihn neben dem Stall, allerdings ein gutes Stück von der Tür entfernt, abstellte. „Na los, mach...“

    Als es um die Einteilung der Nachtwachen ging, gab es kurz Verwirrung... glaubte das sechste Contubernium doch, sie hätten die mittlere Nachtwache. Die Stubenältesten jedoch konnten das Missverständnis aufklären, und es stellte sich heraus, dass sie gar keine Nachtwache bekamen – stattdessen sollten sie sich beim Legaten melden, der einen Sonderauftrag zu vergeben hatte.


    „SO viel besser als Nachtwache“, feixte Hadamar auf dem Weg zum Zelt des Legaten, nur um sich eine Kopfnuss einzufangen von einem der Veteranen. „Reiß dich gefälligst zusammen, wenn wir da drin sind!“ Hadamar rieb sich kurz den Schädel und warf Corvinus einen kurzen Blick zu, sagte allerdings nichts mehr, weil sie da waren. Als letzter betrat er das Zelt, und brav wie selten stand er stramm im Hintergrund und hörte sich mit seinen Kameraden an, was der Legat zu sagen hatte.

    Natürlich stiegen die anderen voll drauf ein. Er war Tiro – der einzige in ihrem Contubernium, nachdem Corvinus befördert worden war. Natürlich bekam er von den anderen die Drecksarbeit ab. Der einzige, der sich so wirklich gar nichts daraus zu machen schien, dass Corvinus kein Tiro mehr war, war Fuscus... der behandelte ihn trotzdem weiter so.


    Hadamar zog sich ebenfalls aus dem Wasser, zog sich seine Tunika über und verschwand gemeinsam mit Corvinus. „Vielleicht ist Fuscus einfach zu alt um sich zu merken, dass du mittlerweile Miles bist, kein Tiro mehr...“ Er grinste flüchtig, während sie die Thermen verließen, um Futter für die Meute zu organisieren.