Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Genauer gesagt war es die Straße von Satala nach Melitene, wo die XII Fulminata ihren Standort hatte, die sanierungsbedürftig war. Im unmittelbaren Umfeld von Satala war die Straße in Ordnung, bis zum zweiten Meilenstein jedenfalls – danach war der Zustand nur noch... mäßig. Schon älter und oft repariert, aber nicht so oft und gründlich wie es wohl nötig gewesen wäre. Hadamar vermutete, dass da wahrscheinlich einfach von der Provinzverwaltung gespart worden war, und jetzt durfte die Legio sich mal wieder drum kümmern. So oder so: anstatt sie ein weiteres Mal zu reparieren, was wahrscheinlich auch nicht allzu viel gebracht hätte auf Dauer, war nun offenbar beschlossen worden, doch etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen und sie jetzt vernünftig zu sanieren, mitsamt der darunter liegenden Schichten, damit man ein paar Jahre wieder Ruhe damit hatte.


    Als sie beim zweiten Meilenstein angekommen waren, war bereits zu sehen, dass mit den Arbeiten auch schon begonnen worden war. Sehr gut. Sollten seine Leute ruhig sehen, dass dafür eigentlich schon andere Milites eingeteilt gewesen waren und sie das jetzt tatsächlich nur abkriegten, weil ein paar von ihnen sie in die Scheiße geritten hatten.


    Sie machten also da weiter, wo die Kameraden tags zuvor aufgehörten – Kameraden, die jetzt gerade wahrscheinlich am Jubeln waren, dass sie vom Straßenbau erlöst waren. Hadamar teilte seine Leute ein, schickte ein Contubernium voraus, um zu prüfen wie weit die obere Schicht der Straße schon aufgerissen war, die nächsten hatten sich um die abgedeckten Steine zu kümmern, die kaputten beiseite schaffen, die vernünftigen ordentlich zu lagern, weitere sollten den Untergrund prüfen, und die, die für all das hier erst verantwortlich waren, bekamen die schönste Aufgabe: Ausgraben der unteren Schichten, wo es nötig war, und Erneuern. Und weil das die waren, denen er am meisten auf die Finger schauen wollte – und er gleichzeitig fand, dass er die Plackerei selbst irgendwo verdient hatte, auch wenn er das vor seinen Männern nicht laut sagen würde, die sollten ruhig glauben er machte das, damit sie sich auch ja keinen Schlendrian erlaubten – war auch klar, wo er die meiste Zeit sein würde.


    Sie waren schon einige Stunden am Schuften, und trotz des Wetters, das eindeutig vom kommenden Winter kündete, schweißüberströmt, als Hadamar von seinem Optio gerufen wurde. Er schwang sich aus dem Graben heraus und ging auf den Mann zu – nur um neben ihm einen Zivilisten zu sehen. Sklave, wenn er die Aufmachung richtig deutete, aber mit römischem Sklaventum und was zumindest manche darunter verstanden hatte Hadamar noch nie sonderlich viel anfangen können. Für sich schob er das immer in die Kategorie Muntlinge, von denen seine Familie in Germanien auch einige hatte, und ging entsprechend mit ihnen um – Bedienstete halt, wenn auch von der Art, dass sie ohne Einwilligung des Muntherrn nicht einfach so die Arbeitsstelle wechseln konnten, dafür aber im Prinzip oft Teil der erweiterten Familie waren. „Ja?“
    „Aleksan ist mein Name. Ich komme von der Verwaltung und bin beauftragt, die Arbeiten zu überwachen.“
    Hadamar verengte die Augen. Irrte er sich, oder klang der Kerl amüsiert? Er wechselte kurz einen Blick mit seinem Optio und wiederholte: „Überwachen.“
    „Überwachen“, wiederholte der andere nickend, und sah dabei so aus, als könne er sich ein Grinsen nur schwer verkneifen, und ergänzte in gespielt hilfreichem Tonfall: „Ich kann es auch buchstabieren, wenn es dem Verständnis dienlich ist.“
    Hadamar starrte ihn. „So einer bist du also.“
    Aleksan setzte eine unschuldige Miene auf. „Ich weiß nicht, was du meinst, Centurio.“


    Für einen winzigen Moment war Hadamar versucht, ihm jetzt schon ein paar Takte zu erzählen. Wie das hier laufen würde, und vor allem, wie es nicht laufen würde. Dass er nicht die geringste Lust darauf hatte, sich jetzt auch noch mit jemandem wie ihm rumzuschlagen. Er kannte solche Sklaven. Sirius, der Sklave seines Vetters, war so einer von der Sorte – der zwar, nach allem was Hadamar mitbekommen hatte, Alrik treu ergeben war, aber auch immer ausgenutzt hatte, dass Alrik ihn nie wirklich als Sklaven gesehen hatte, sondern halt als: Muntling, und ihm für römische Verhältnisse daher viel hatte durchgehen lassen. Oder Linos, der Sklave des Legatus Legionis der II, damals, als er dort Tiro und Legionär gewesen war. Meine Fresse, wenn er nur daran zurückdachte wie der Kerl es damals geschafft hatte, ihn quer durchs Castellum zu jagen auf der Suche nach sämtlichen Tesserarii, und das abends bis in die Nacht hinein, wo er von den meisten eins auf den Deckel gekriegt hatte wegen der Störung. Und das, nur um bei der Berichterstattung danach, die durch Zufall der Legat persönlich entgegengenommen hatte, zu erfahren, dass Linos das eigentlich selbst hätte machen sollen. Für die Aktion hatte er Linos wirklich Respekt gezollt, so was musste man erst mal hinkriegen. Stinksauer war er trotzdem gewesen. Nicht zuletzt, weil der Legat ihn trotzdem noch losgeschickt hatte, um einen weiteren Tesserarius zurück ins Lager zu holen, der Ausgang gehabt hatte, und den er – wegen Linos – unbedingt hatte persönlich sprechen wollen. Als Hadamar in jener Nacht ins Bett gekommen war, war es fast schon wieder Morgen gewesen.

    Für einen winzigen Moment also war Hadamar versucht, gleich Tacheles zu reden. Aber wenn Aleksan sich so entpuppte, wie er es befürchtete, würde das nichts bringen – außer, dass er erst recht versuchen würde ihn zu ärgern, ohne dafür belangt werden zu können.


    Was Hadamar also machte, am Ende eines kurzen Schweigens: zähneknirschend Achseln zucken. „Na dann. Überwach.“ Sprach’s, und sprang wieder in den Graben zurück. Das würde noch lustig werden... nicht.


    Sim-Off:

    Mag wer?

    Hadamar knirschte mit den Zähnen, und ein leises Grollen stieg in seiner Kehle auf, als er seine Leute betrachtete. Es war ein jämmerlicher Anblick, der sich ihm da bot beim Morgenappell. „WOLLT IHR MICH VERARSCHEN? WAS BEI IUNOS TITTEN HAT EUCH GERITTEN, EUCH SO GEHEN ZU LASSEN?!“ Hadamar brüllte so laut, dass die Adern an seinem Hals hervortraten. Da gab man den Männern dieser zwei Contubernia einen Abend frei nach ihrer Rückkehr von der letzten Grenzpatrouille, weil sie da ein größeres Scharmützel erlebt und dabei einen wirklich guten Kampf geliefert hatten, der eine Belohnung verdient hatte – und dann tranken sie so viel, dass manche am nächsten Morgen noch kaum diensttauglich wirkten.


    Natürlich hatte er gewusst, dass sie den Abend nutzen würden, natürlich hatte er ihnen also erst freigegeben, als der Schichtwechsel beim Grenzdienst kam und sie bis zum nächsten Dienst an der Grenze erst mal in die Castra zurückkehren konnten. Natürlich hatte das impliziert, dass er ein Auge zudrücken würde, wenn sie einen über den Durst tranken – umgekehrt implizierte das aber auch, eigentlich, dass sie trotzdem verantwortungsbewusst damit umgingen, und er hatte geglaubt, dass er darauf jetzt mittlerweile mal bauen konnte. Dass sie vielleicht nicht ihre beste Leistung hätten abliefern können gestern Abend, wenn sie trotz Freigangs gebraucht worden wären, aber dass sie einsatzbereit gewesen wären. Dass da ein oder zwei Ausnahmen sein würden, selbst damit hatte er ja noch gerechnet, aber nicht dass es fast alle waren. Und das wiederum hieß: genug, dass die ganze Centurie bei der Strafe dran glauben musste. Nachdem das so gelaufen war, bezweifelte Hadamar jedenfalls, dass irgendetwas anders wäre, wenn andere Männer beteiligt gewesen wären, und davon ganz abgesehen hatte es zwei Vorteile: bestrafte man sie alle, sorgten die Kameraden eher dafür, dass sich ein solcher Fehltritt nicht wiederholte – und es stärkte im Idealfall die Gemeinschaft. Jedenfalls war es bei ihm so gewesen, als er noch Tiro gewesen war. Andererseits hatte er sich nie wegen so was in die Scheiße geritten. Er hatte wirklich geglaubt, er könnte die Zügel endlich mal für einen Abend lockerer lassen, nicht nur bei ein oder zwei, sondern contubernienweise. Es war ein Fehler gewesen. Sein Fehler. Und jetzt standen zwei Contubernia vor ihm inmitten ihrer Kameraden und schauten drein, als würde ihnen gleich der Schädel platzen. Was mehr als genug Rückschluss auf den gestrigen Abend zuließ.


    Er wusste auch schon, was die Strafe sein würde. Die Männer konnten sich zwar denken, dass ihnen jetzt etwas blühte, aber das, was ihm vorschwebte, würde ihnen nicht schmecken. Sie rechneten vielleicht mit ein paar Gewaltmärschen über mehrere Tage hinweg, die härter waren als üblich, irgendwas in der Art, das machte Hadamar ganz gerne mal, weil es gleichzeitig auch dem Training diente. Aber diesmal hatte er etwas anderes in petto, etwas, das die meisten wohl weit ätzender finden würden. Das war der Moment, in dem Hadamar grinste. Nur war es ziemlich humorlos, und es hatte etwas Wölfisches. Seine Untergegebenen wussten, dass das nichts Gutes bedeutete. Das einzig Blöde an der Sache war: ihn würde es genauso treffen. Er war Teil dieser Centurie. Waren ein paar betroffen, war es etwas anderes, aber wenn er so wie jetzt alle bestrafte, hing er mit drin. Da nahm er sich nicht aus, das tat er selten – und jetzt konnte er gar nicht anders, weil er es genauso verdient hatte. Er war ganz offensichtlich einer Fehleinschätzung aufgesessen, was seine eigenen Leute anging.


    Sein Grinsen wurde ein kleines bisschen bösartig. Er freute sich nicht auf die Arbeit, die ihnen bevorstand, aber er würde dafür sorgen, dass jeder einzelne von den Männern vor ihm sie genauso ätzend fand wie er. Und da sein Optio ihn schon vorgewarnt hatte, hatte er auch schon alles einfädeln können. „Trifft sich hervorragend, dass eine der Straßen zur Grenze saniert werden soll. Ich hab uns freiwillig gemeldet dafür.“ Grenzdienst hatten sie ja gerade erst hinter sich. Hatten sie also Zeit für so was. „WIR BRECHEN SOFORT AUF!“ Jetzt brüllte er nur um die Saufköpfe nochmal zusammenzucken zu sehen. Würde er heute noch öfter – er sah jetzt schon kommen, dass er am Abend heiser sein würde. Aber das war es wert. „ABITE! CURSIM!“ Und brüllte jedem der Delinquenten noch ein Cursim ins Ohr, als sie an ihm vorbeikamen. Für den Moment brauchte er die Vitis gar nicht. Es reichte völlig, den Saufköpfen ins verkaterte Gesicht zu brüllen, um ihnen Schmerzen zuzufügen.

    Die Sache mit der Olive war alles, was Hadamar noch brauchte. Also: es war ja bisher schon vielversprechend gelaufen, auf dem Markt schon. Und als hier in der Taberna dann noch der Met dazu gekommen war, war aus vielversprechend ein sehr vielversprechend geworden – genauer gesagt war das überproportional zu Nelas Metkonsum gestiegen. Aber die Sache mit der Olive, das war der Moment, in dem berechtigte Hoffnung zu Gewissheit wurde: Nela würde er flachlegen können, da war Hadamar sich sicher. Und genauso sicher war er sich, dass sie genauso ihren Spaß daran hatte. Zugegeben, ohne den Met wäre das wohl ganz anders gelaufen – aber die Tatsache, wie sie zuerst so tat, als würde sie sein Angebot nicht annehmen, nur um es dann doch zu tun... da wollte jemand nicht nur mit sich spielen lassen, sondern aktiv mitspielen. Hadamar war beides recht, aber letzteres machte mehr Spaß, und nach dem kurzen Moment der Enttäuschung, dass es vielleicht doch nicht klappen würde, war es umso euphorisierender, dann doch ihre Lippen an seinen Fingern zu spüren. Oh, und zu sehen, wie sie sich um die Olive schlossen.
    Hadamars Mund verzog sich zu seinem wölfischen Grinsen, nahm im Anschluss die Olive, die sie ihm hinhielt, auf die gleiche Weise – entfernte sich dann aber nicht von ihr, sondern küsste flüchtig ihre Finger. Er bestellte noch einen Krug Met, wobei er jetzt darauf zu achten begann, dass sie nicht zu viel davon trank, er umgarnte sie offensiver als zuvor, berührte sie häufiger, machte eindeutigere Anspielungen, und als er schließlich anmerkte, dass sie jetzt, so spät wie es war, unmöglich nach Hause gehen könnte, schon gar nicht allein, und vorschlug, dass er ihr in der Taberna ein Zimmer zahlen würde... da brauchte es nicht mehr viel Überredungskunst, damit sie zustimmte. Selbst in diesem Moment war Hadamar noch darauf bedacht, zumindest so zu tun als ob. Es reichte, wenn sie spürte, ahnte, worauf er aus war – er musste das nicht laut aussprechen, da verflog nur allzu schnell der Zauber. Und davon abgesehen: er war sich sicher, dass sie es schade finden würde, wenn er tatsächlich gehen sollte – wenn also nur ein Teil von ihr glaubte, dass diese Möglichkeit bestand, umso leichter würde es auch den letzten Schritt zu machen. Selbstverständlich also, da ließ er nicht mit sich reden, begleitete er sie bis zum Zimmer – und genauso selbstverständlich blieb er dann bei ihr. Ein Kuss – der erste, richtige – in der Tür, mehr brauchte es nicht, damit besagte Tür hinter und nicht vor ihm ins Schloss fiel.

    „Na freili!“ erwiderte Hadamar mit Inbrunst, als Nela fragte ob er es beim Handeln geschafft hätte. „Aufgem is net moans!“ War es tatsächlich nicht, auch wenn er freilich nicht sooo erfolgreich gewesen war beim Handeln mit carthagischen Händlern. Die machten das einfach ihr Leben lang schon... und Hadamar wusste noch nicht mal, wie oft er einfach nur geglaubt hatte erfolgreich gewesen zu sein, und in Wirklichkeit hatten sich die Händler dann doch hinter seinem Rücken ins Fäustchen gelacht. Vermutlich weit öfter als ihm lieb war, argwöhnte er. Aber das war hier nicht das Thema. Das wechselte gerade wieder zu ihr, als Hadamar noch mehr von ihrer Herkunft wissen wollte. Mit einem Grinsen nickte er, während er gleichzeitig, als sie erzählte, dann auch begann zu essen von der bunten Platte. „Teils“, beantwortete er dann ihre Frage zu dem Essen. „In Rom gibt ois, da hob i vui probiert. Carthago dagegen is... echt seltsam, wos Essn ogeht.“ Und schon waren sie wieder bei dem Ort, wo er stationiert gewesen war, und während sie aßen, erzählte er mehr, von der Stadt, der Provinz, der Kultur und den Menschen dort. Und Hadamar konnte so einiges erzählen, nicht nur weil dort alles so anders war, sondern weil er auch zahlreiche Anekdoten zum Besten geben konnte. Er hatte sich zwar immer nach Mogontiacum gesehnt, aber er war trotzdem niemand, der deswegen lange Trübsal blies – und gleichzeitig war er auch jemand, der eine solche Gelegenheit nicht einfach verstreichen ließ. Wenn er schon die Möglichkeit dazu hatte, etwas anderes zu sehen und zu erleben, dann nutzte er sie auch, umso mehr wenn es fremdartig für ihn war. Er erzählte allerdings nicht nur selbst, sondern fragte auch immer wieder Nela, nach ihrer Meinung, nach Anekdoten aus ihrem Leben, nach den Orten wo sie gelebt hatte – was auch nicht gerade wenige waren –, und gleichzeitig nutzte er jede sich bietende Gelegenheit, aufmerksam zu sein. Ihr kleine Komplimente zu machen, sie anzusehen als sei sie etwas ganz Besonderes, sie wie zufällig zu berühren und dann aber jedes Mal etwas länger als nötig. Nur mit verbalen Anspielungen hielt er sich noch sehr zurück... reagierte nur, wenn sie eine Vorlage bot, die zu gut war um sie sich entgegen zu lassen.


    Irgendwann hatten sie die Platte fast leer gegessen, und der Krug Met war mittlerweile ebenfalls deutlich leerer geworden. Er hatte den größeren Teil davon intus, aber Nela hatte trotzdem genug mitgetrunken, dass sie ziemlich beschwipst sein dürfte. Hadamar grinste breit, als er ihr ein weiteres Mal nachschenkte. „Und? Hosd no Hunga?“ Er nahm eine der letzten Oliven hoch, zeigte sie ihr und hielt sie ihr dann hin – freilich in der Hoffnung, sie würde sie mit dem Mund nehmen, nicht mit den Fingern. Oder, wenn schon nicht mit dem Mund, dass sie ihm umgekehrt etwas hinhielt und er es dann mit den Lippen nehmen konnte...

    Der Miles stapfte quer über das Gelände, durch Schnee und Schneematsch, lief erst an den Taubenlöchern vorbei und ging dann zur Principia. Ziemlich froh darüber, aus dem Sauwetter heraus zu kommen, und wenn es nur für einen Moment war, betrat er die Vorhalle und schüttelte sich kurz, bevor er einem Scriba den Brief für den Praefectus in die Hand drückte.


    Roma, A.D. VIII ID NOV DCCCLXV A.U.C.

    Ad
    Praefectus Castrorum
    Marcus Iulius Licinus
    Castra Legionis II Germanica
    Mogontiacum, Germania Superior



    Dives Licino patruo magno s.d.p.


    Für ein Kind, dessen Eltern sterben, stirbt die Vergangenheit.
    Für einen Vater, dessen Kind stirbt, stirbt die Zukunft.


    Noch immer vermag ich es kaum zu glauben. Noch immer kann ich es nicht begreifen. Noch immer kommt mir all dies so überaus unwirklich vor. Es fühlt sich an wie ein Traum - ein Alptraum. Sie ist tot, Licinus. Torquata ist tot.
    Nie hätte ich am Tag ihrer Adoption gedacht, dass sie mir einmal so nah stehen würde. Nie hätte ich gedacht, dass ich so betroffen wäre. Nie hätte ich gedacht, dass sie vor mir geht von dieser Welt. Licinus, ich bin zutiefst erschüttert.


    Dennoch werde ich stark sein. Denn ich bin seit kurzem nun Senator - auch wenn sich dies zur Zeit genauso nebensächlich anfühlt, wie es in diesem Brief gerade klingen mag. Ich werde keine Schwäche zeigen. Stattdessen werde ich ein letztes Mal in den Kampf ziehen für meine Tochter, die vestalische Jungfrau.
    Nach den Ludi Plebei, am zwölften Tag vor den Decemberkalenden, wird Torquata mit einer kleinen Pompa aus dem Atrium Vestae über das Forum Romanum, wo ich eine Leichenrede auf sie halten werde, in ein im Bau befindliches, iulisches Grabmal an der Via Appia über- führt werden.


    Übrigens ist Fausta wieder schwanger. Es ist wohl bald soweit. Nur weiß ich wirklich nicht, ob ich gerade jetzt dazu bereit bin, erneut Vater zu werden. Ich wünschte, es stünden nicht die gewaltigen Alpen zwischen uns. Ich wünschte, Centho wäre jetzt hier in Roma. Ich wünschte, die Domus wäre... weniger still. Einzig mein kleiner Marc gibt mir derzeit Kraft und richtet meinen Blick nach vorn.


    Mögen die unsterblichen Götter über dich und deine Familia wachen. Und möge insbesondere Mars dich beschützen. Vale bene!


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    MARCUS IULIUS DIVES
    SENATOR ET QUAESTORIUS




    Sim-Off:

    Kein Thema. Geht mir aktuell genauso... tut mir auch leid.


    Hadamar blieb draußen stehen und überwachte die Aktionen, die seine Centurie da ablieferte. Die Milites, die mittlerweile mit ihren Sehnen Spalier bis zum Lagertor standen, warteten einfach, während die anderen sich in Bewegung setzten, die Waren heraus schafften, zur Horrea brachten.


    Als der Optio das Zeichen gab, dass die Taberna leer geräumt war – einschließlich der Privatsachen der Betreiber, die sie zur Seite gestellt hatten –, kam vom Praefectus ein neuer Befehl, den die Milites umgehend ausführten. Und Hadamar... stand wieder daneben und beaufsichtigte, obwohl er diesmal am liebsten mit Hand angelegt hätte. So ein Haus zu zertrümmern, dass sah aus als ob es lustig wäre... ordentlich mit irgendeinem Werkzeug reintrümmern, das hatte was. Aber als Centurio hielt er sich da wohl besser zurück.


    Es brauchte wieder etwas Zeit, bis die nächste Aufgabe erledigt war, wenn auch nicht ganz so lang wie das Ausräumen – etwas kaputt machen war ja immer leichter. Das Tabernagebäude verwandelte sich nach und nach in einen Haufen Schutt, der am Ende irgendwie nur noch jämmerlich aussah, fast so jämmerlich, wie die ehemaligen Betreiber klangen.

    Hadamar grinste breit, als er Corvinus' Antwort hörte, und guckte neugierig, als er nur ein lange Geschichte zu hören bekam auf seine Frage. Das interessierte ihn jetzt... aber dafür war jetzt leider keine Zeit. „Hast du? Großartig. Ich kann die Tage auch mal einen Abend freischaufeln, ich geb dir noch mal Bescheid und schau dann bei dir vorbei, wenn's recht ist“, grinste er den Kameraden wieder an.

    Der war ja mal wirklich klein... gut, Hadamar hatte noch in Erinnerung, dass er klein war, er hatte ja auch explizit nach dem Zwerg Lintrad gesucht – aber seine Aktion legte er dann doch unbewusst auf einen eher normal Gewachsenen aus. Was dazu führte, dass er mit mehr Schwung als nötig an die Sache heranging. Was dazu führte, dass Lintrad irgendwie auf dem Tisch landete, und Hadamar sich mit einer Hand kurz an der Kante festhalten musste, damit er nicht stolperte. Gleich darauf verzog er das Gesicht, als er von Gestank eingenebelt wurde. „Woah...“ ächzte er, wedelte mit einer Hand vor seiner Nase herum und ging erst mal auf Armlänge Abstand – Armlänge deshalb, weil er den Kerl auf die Art gerade noch so festhalten konnte. Damit er nicht abhaute... oder eher: nicht umkippte. „Alrik will dich sehen“, knurrte er zurück, und verwünschte besagten Alrik gerade für diesen Auftrag. Erst recht weil er jetzt Legat war, was hieß: Hadamar musste sich auch noch darum kümmern, dass der Zwerg halbwegs präsentabel war, bevor er ihn zu seinem Verwandten brachte. Oder zumindest dass er nicht mehr ganz so fürchterlich stank.

    Hadamar stellte fest, dass er Nelas Lächeln mochte. Sie war hübsch und nett, aber das war noch nicht gleichzusetzen damit, ob jemand auch sympathisch war... oder man ihn sympathisch fand. Nela allerdings hatte eine Art, die es ihm recht leichte machte mit ihr umzugehen. Er musste selten nach Worten suchen, musste sich kaum anstrengen, es war... es lief einfach wie von selbst, weil sie einfach liebenswürdig war. War nicht immer so.
    Trotzdem gab er sich natürlich Mühe, auch wenn sie es ihm leicht machte freundlich und zuvorkommend zu sein. „Des werd i, garantiert. I muss nur schaung wann i amoi tagsüba frei kriag. Is net gar a so oafach...“ Er grinste freimütig. Selbst als Centurio ging das nicht so einfach, und in den niederen Rängen, in die sie ihn hoffentlich einordnete, erst recht. Was ihn flüchtig dazu brachte zu hoffen, dass sie ihn nicht nach seinem Rang fragte. Rundheraus lügen... konnte er zwar, machte es auch, vermied es aber trotzdem, wenn es ging. War insgesamt einfach angenehmer so, und es hatte den Vorteil, dass man sich nicht so leicht verhedderte.
    Seine Trinksprüche machte Nela mit, wie er schmunzelnd feststellte, noch so ein gutes Zeichen. „Hoaß. Sakrisch hoaß. I hob ja denkt Rom is scho schlimm, aber Carthago...“ Er schüttelte den Kopf und trank einen weiteren Schluck. „Legt no a Schippn drauf. Un sonst... mei, anderst hoid, gell? De Leit san... vui aufdrahter ois wia hia. Schneia. Lauda. Sie redn mehra, un es klingt fast imma wiara Streit. Un handln! Da is da Markt hia nix dagegn.“ Er grinste breit, hörte zu, was sie von ihrer Familie erzählte, und grinste noch ein bisschen breiter, als sie sich selbst als Mischling bezeichnete. „Hod was, de Mischung“, erwiderte er. „Host imma scho hia glebt, oder woaßt selbst wie hoaß des woanders sei ko?“ Er lehnte sich etwas zurück, als die Bedienung die Platte brachte, und machte eine einladende Geste zu Nela hin, zum Zeichen dass sie anfangen sollte. „Bitte“, lächelte er sie an.

    Als der Decurio endlich den Helm abnahm, glaubte Hadamar erst mal seinen Augen nicht recht zu trauen. „Corvinus?“ Seine Brauen wanderten ungläubig nach oben – dann fing er an zu lachen. „Nich wahr. Zur Reiterei haben sie dich gesteckt? Kein Wunder dass ich dich bis jetzt noch nicht gefunden hab!“ Er war bei weitem noch nicht so lange wieder zurück, dass er schon alles im Castellum hätte abklappern können, aber nach Corvinus hatte er in seiner – ihrer beider – früheren Centurio schon geschaut gehabt, nur ohne Erfolg. „Warte kurz – CADIUS!“ brüllte er nach seinem Optio, und als der angetrabt kam, gab er ihm die Vitis mit den Worten: „Übernimm hier mal für nen Moment.“ Der Optio besah sich kurz die neuen Rekruten, die herum standen und mal mehr, mal weniger erfolgreich versuchten die Haltung zu wahren. Was sie aufgrund des Zwischenfalls mit dem Reiter jetzt schon eine ganze Zeit lang machen mussten, etwas, das gerade für Ungeübte irgendwann anstrengend wurde... was manchen zu merken war. Der Optio blickte kurz zu dem Tiro, der vorne stand, bedeutete ihm mit einem Wink wieder in die Reihe zurückzutreten, schritt dann die Linie ab und gab überall da seinen Senf dazu, wo es ihn brauchte: „Rücken gerade. Kopf hoch. Nicht so hoch! Schultern zurück und nicht so hochziehen. Mehr Spannung. Blick nach vorn“, und so ging es weiter, unterstützt von gelegentlichen, leichten Hieben mit der Vitis auf das gerade genannte Körperteil.


    Hadamar unterdessen ging mit Corvinus ein paar Schritte zur Seite und sah ihn mit einem vergnügten Grinsen an. „Ja, kannste mal sehen, endlich wieder daheim. Wie bist du denn bei der Reiterei gelandet?“ Corvinus war doch eigentlich der Inbegriff eines Soldaten, eines Fußsoldaten, wie sie der Kern der Legion waren. Bei den Reitern konnte er ihn sich nicht wirklich vorstellen. „Wie sieht's aus, hast die Tage mal abends Zeit?“

    Hadamar blieb erst mal einfach stehen, wo er war, während der Praefectus an die Tür donnerte und sich irgendwann die Tabernenbetreiber bequemten zu öffnen. Und als sie dann hervortraten und erfuhren, was ihnen blühte, schienen sie das zuerst gar nicht so richtig zu begreifen. Hätten einem fast leid tun können, die beiden. Allerdings kreuzte da irgendwo die Info quer, dass sie die Waren zu beschlagnahmen hatten, und damit der Gedanke, dass da vielleicht die ein oder andere Amphore abgezweigt werden könnte... Ein Gedanke, der nicht nur ihm kam, sondern auch anderen, und von seinem Optio Cadius Volusus, der direkt neben ihm stand, auch ausgesprochen wurde, wenn auch wohlweislich so leise, dass nur Hadamar ihn verstehen konnte: „Nen bisschen was könnt doch auch bei uns landen...“
    Hadamar schwankte. Es war ja eigentlich genau das, was er auch dachte, sein Optio und er, sie waren da auf einer Wellenlänge. Aber... aber... „Wehe“, brummte er dann doch zurück. Falscher Ort, falsche Zeit, um sich so weit aus dem Fenster zu lehnen. „Contubernia 7 und 10, venite!“, brüllte er gleich darauf. „Ihr habt's gehört, rein zu den Lagerräumen, fangt mit den Sachen an, die sich allein gut tragen lassen. Cadius, sieh zu dass du nen Karren organisiert kriegst.“ Sowohl der Kleinkram als auch die größeren Geschichten – sofern es da ein paar Fässer gab oder so – würden sich damit besser transportieren lassen. „Und eh, Asconius...“ sprach er den Tesserarius an, „du gehst schon mal zur Horrea. Bereit da alles vor und schreib auf, was eingelagert wird. Na los, auf geht's!“ Das letzte war wieder gebrüllt, und die Soldaten setzten sich in Bewegung und liefen, ungeachtet der Reaktion der beiden Betreiber, in die Taberna hinein und durch den Gastraum hindurch nach hinten. Optio und Tesserarius machten kehrt, um wie befohlen einen Karren aufzutreiben und zur Horrea zu gehen, während Hadamar draußen stehen blieb.

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    Die Stadtwache:


    Wie so oft reichlich gelangweilt standen die Milites, die Stadtwache halten mussten, herum, beobachteten die Leute, die durch wollten, winkten sie mal mehr, mal weniger ersichtlich durch. War ein mieser Tag, irgendwie. Mieses Wetter. Furchtbarer Nieselregen. Die Soldaten wären am liebsten überall, nur nicht ausgerechnet hier, dazu verdonnert an einem der Stadttore Wache schieben zu müssen, wo sowieso nichts passierte, und wo man sich nur die Beine in den Bauch stand und auf den Zeitpunkt warten musste, an dem man völlig durchnässt war. Als mal wieder ein Bürschlein durch das Tor lief, reagierte entsprechend zunächst mal keiner der Soldaten. Sah eher harmlos aus, war die unausgesprochene, aber einhellige Meinung, erst recht wenn man sich besah wie jung das Kerlchen noch war. Eher zufällig sah dann aber einer der Legionäre, die gerade bei dem Wachhäuschen hinter dem Tor standen und Pause machten, auf, als der Junge schon fast vorbei war – und kriegte mit, wie er die Zunge rausstreckte. „He!“ rief er dem Burschen erbost zu und pfefferte ihm mit Wucht den halb aufgegessenen Apfel an den Kopf, an dem er gerade noch gekaut hatte. „Noch mal so'n Scheiß und du kannst was erleben!“






    Hadamar hatte keine Ahnung warum, aber Nela schien sich darüber zu freuen, dass er die Platte bestellte – mehr als normal war. Fand er jedenfalls... also, selbst wenn sie das Zeug richtig lecker fand, hätte sie ja immer noch was eigenes bestellen können für sich allein, was lecker war, selbst wenn er was anderes genommen hätte. Aber das warum war ihm nicht so wichtig, wichtig war nur, dass sie sich freute. Noch ein Pluspunkt für ihn, noch dazu einer, den er sich ziemlich simpel verdient hatte, auch wenn er nicht wusste wie.
    Als er sich dann ein bisschen verhaspelte, darüber wie es sich anfühlte wieder hier zu sein, zeigte Nela Verständnis, auf eine Art, die ziemlich angenehm war. Hadamar war trotzdem immer noch ein bisschen verlegen, weil souverän einfach anders aussah... aber sie reagierte nicht negativ darauf. „Oh ja“, pflichtete er ihr aus vollstem Herzen zu. „Hia is einmalig. Auf dahoam“, stieß er mit ihr an. „Und mei, verändat... i woaß no net so gnau. Hob no net so vui oschaung kenna. Aufm Markt is scho einiges anderst gworn. Aba des Gfui is des gleiche.“ Jetzt, wo er wusste dass sie das verstand, oder zumindest behauptet zu wissen was er meinte, konnte er bei diesem Kommentar grinsen.
    Der nächste Satz war da schon deutlich kniffliger. Ja, warum hätte er seiner Mutter nichts aus Rom und Carthago mitbringen sollen? Gute Frage, nächste Frage... darauf hatte er nämlich nicht wirklich eine Antwort. „Naja...“ versuchte er sich zu retten, „mei Versetzung hob i recht spontan kriagt. Da war net gnua Zeit zum Eikaffa. Des hoaßt, i hob dann nimma dran denkt... Aber i hob ihr scho amoi wos gschickt ghabt.“ Was auch nicht gelogen war. Trotzdem grinste er schief bei dem falschen Geständnis, angeblich aus einer Mischung aus Zeitmangel und Vergesslichkeit heraus nichts mehr für seine Mutter gekauft zu haben kurz vor seiner Abreise. Was ihm dabei half war, dass es gar nicht mal so unwahrscheinlich war, dass ihm so was passierte... und zumindest in Rom hatte er dann ja tatsächlich nichts mehr extra gekauft. Was er dabei hatte, waren die Sachen aus Carthago, die er von Rom aus hatte schicken wollen.
    Danach hatte er erst mal eine Verschnaufpause, was Ausreden einfallen lassen anging. Aber was Nela von sich erzählte, klang ziemlich alltäglich, musste er sagen, nichts Besonderes. Umso besser, sonst hätte er sich das vielleicht noch mal überlegen müssen, wie er den Abend zu beenden gedachte. „Afs gelegentliche Eikaffa“, grinste er und hob seinen Becher, um wieder mit ihr anzustoßen – irgendwie musste er sie ja dazu kriegen, weiter zu trinken, denn dass sie den Becher eher selten zu den Lippen führte, fiel ihm schon auf. „Cohortes Urbanae“, beantwortete er dann ihre Frage. „A Zeitlang war i in Rom stationiert, dann a paar Jahr in Carthago. Dann gings nach Rom zruck und von da ziemlich schnei hiaher. Aba jetzt sag amoi... du schaugst net so aus als obsd a reine Germanin wärst. Woher kimmst denn? Oder dei Familie?“

    http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/11.jpg
    Zu klamm. Es war eindeutig zu klamm, dachte einer der beiden Wachsoldaten und unterdrückte ein Gähnen, das zudem aussagte, dass es zu früh war. Oder zumindest: dass die Wache zu früh begonnen hatte. Nicht dass er ein Langschläfer gewesen wäre... aber der Frühdienst bei der Wache fing halt noch früher an als man eh schon raus musste. Entsprechend uninspiert stand der Soldat herum, und sein Kamerad tat es ihm im Großen und Ganzen gleich... bis sich eine Gestalt aus dem Nebel herauszuschälen begann, der inzwischen deutlich heller geworden war, hell genug um zu signalisieren, dass die Sonne irgendwo über den Schwaden wohl schon aufgefangen war. Aber immer noch dicht genug, das die Gestalt, genauer gesagt der Kerl, ziemlich unvermittelt erst auftauchte – und sie offenbar noch später sah als sie ihn. „Salve...“ machte einer der Soldaten gelangweilt. „Öööh? Na das klingt hoffentlich besser, spätestens wenn du deinen Eid ablegst... Meld dich in der Principa, da erklärt man dir wo du hin musst.“ Er beschrieb noch den Weg dorthin, bevor er wieder gelangweilt in den Nebel starrte.





    „Verstanden, Praefectus“, erwiderte Hadamar, nachdem er die Anweisungen bekommen hatte... die ihn ja nichts Gutes ahnen ließen. Also, gar nichts. In der Taberna war er selbst früher regelmäßig gewesen, und obwohl er jetzt als Centurio nicht mehr darauf angewiesen war, so was hier im Lager zu haben, fand er das doch etwas... naja, schade, dass sie jetzt geschlossen werden sollte. Und so ein bisschen hatte er auch seine Zweifel, ob man die Besitzer wirklich unter diesen Umständen aus dem Lager vertreiben sollte, immerhin gab es die Taberna seit Jahren und bisher hatte sich keiner dran gestört... aber gut. Befehl war Befehl, und das hier war jetzt keine Situation, in der Hadamar seine Meinung von sich geben musste. Mal abgesehen davon, dass sie gar nicht gefragt war, war es ja nicht gerade so, als ob ein gravierender Fehler vorlag, den er vielleicht berichtigen könnte.


    Hadamar wandte sich wieder ab und ging zu seinen Leuten zurück. „Dolabricen, progredde! Contubernia 7 und 10, ebenfalls!“ rief er, wartete bis sich die genannten Soldaten aus der Centurio gelöst hatten, und nickte dann zur Taberna hin. „Aufstellung da drüben und warten.“ Er wandte sich wieder an den Rest seiner Centurie. „Die Taberna wird heute geschlossen, und wir sorgen dafür, dass die Besitzer hier verschwinden. Da rüber, bildet links ne Reihe, jeder nur eine Sehne. Danach macht ihr eine Gasse zur Praetoria und treibt die Burschen raus. Macht ihnen ruhig Angst, aber trefft sie nicht.“ Noch nicht... vielleicht änderte sich das ja je nach Reaktion, aber dann würde es einen neuen Befehl geben. „Wenn doch, kriegt ihr's mit mir zu tun. Auf geht's!“


    Kaum hatte er das Kommando gegeben, setzten sich die Soldaten schon in Bewegung. Dem ein oder anderen war anzusehen, dass ihnen der Gedanke, die Taberna zu schließen, noch viel weniger gefiel als Hadamar – aber der Respekt vor den anwesenden Höherrangigen bis hin zum Praefectus Castrorum reichte aus, um selbst dumme Sprüche zu unterbinden, jedenfalls solche, die Hadamar hätte hören können. Die Milites bewegten sich in geordneter Reihe zu dem Handkarren, griffen sich jeder eine Sehne und gingen dann weiter, fächerten aus, bis sie wie gewünscht eine Gasse gebildet hatten. Hadamar positionierte sich am Anfang bei der Tür der Taberna, wo er sowohl in der Nähe der Gasse war als auch in der Nähe der Dolabricen und der beiden übrigen Contubernia, deren Aufgabe er auch schon ahnte – und wartete, bis man die Tabernenbetreiber heraus holen würde.

    Der Reiter brummte irgendwas. „Hu?“ machte Hadamar verständnislos, hob dann aber erst mal die Hand als Zeichen für den Kerl auf dem Gaul, dass er warten sollte, und sah zu seinen Tirones. „Worauf wartest du noch? Sag den andern wie sie's richtig machen!“ gab er dem Octavius einen Rüffel, der zwar vorgetreten war und erneut Haltung angenommen hatte, aber keine Anstalten machte, diejenigen seiner Kameraden zu verbessern, die es nicht so ganz hinkriegten.
    Dann wandte Hadamar sich erneut dem Decurio zu, aus dem er einfach nicht schlau wurde. „Kannst du das noch mal wiederholen? In verständlich, am besten.“ So langsam riss sein Geduldsfaden... er war drauf und dran, den Reiter einfach wieder zu ignorieren und sich den Rekruten zu widmen, als der dann doch abstieg und sich vor ihn hinpflanzte, mit seiner ganzen, selbst hier in Germanien durchaus beeindruckenden Größe. Trotzdem wich er nicht zurück, er zuckte nicht einmal. Schon allein weil die Tirones hinter ihm standen und alles mitbekamen, kam das ja mal überhaupt nicht in Frage. Hadamar war lange genug bei der Legio, und er hatte genug mitgemacht, vor allem als blutjunger Optio bei der ersten Centurie der ersten Cohorte, um jetzt so einen Anfängerfehler zu begehen wie sich einschüchtern zu lassen von jemandem, der es offensichtlich darauf anlegte. Und einschüchtern lassen hatte er sich sowieso eher selten... er hatte dann halt nur häufig aufs Maul gekriegt.
    Hadamar blieb also stehen, wo er war, stemmte die Hände in die Hüften und blickte dem Decurio erneut in die Maske, das hieß, die Augenlöcher, hinter denen er aber nicht wirklich etwas erkennen konnte. Was bei Hel sollte das? „Ja, das wüsst ich auch gern. Entweder du sagst in verständlich, was du willst, oder du wartest bis später, ich hab hier zu tun.“

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    Die Stadtwache:


    Die beiden Milites grinsten breit, als sie sahen wie die Laune des Jungspunds sich verschlechterte, während der Ältere nun in Hochstimmung zu sein schien. Der Junge würde in der Legio zurecht geschliffen werden, und der Veteran sah nach jemandem aus, mit dem man Spaß haben konnte... so ließen sich die beiden das gefallen. Umso mehr, als der Ältere nun versprach sich noch erkenntlich zu zeigen. „Viel Erfolg bei deinen Geschäften mit deinem Bruder. Und du...“ Der Miles grinste den Jüngeren der zwei an. „Wir laufen uns dann wohl sicher bald über den Weg. Wird schon werden.“
    „Schönen Abend noch“, wünschte der andere, bevor sie genug Platz machten, dass die beiden mit ihren Pferden durch konnten.






    Überraschenderweise beschwerte Nela sich nicht, dass er sich eine abgeschiedene Nische für sie suchte... er hätte eher damit gerechnet, dass es ihr lieber wäre weiter vorne zu sitzen. Lief ja noch besser als gedacht, wenn sie auch mit ihm allein sein wollte, dachte er mit einem leichten Schmunzeln und ließ ihr die Wahl, wo sie sich am Tisch hinsetzen wollte, bevor er sich ihr gegenüber niederließ. Der Tisch war für zwei, was hieß dass sie sich trotzdem recht nah waren. Nah genug für die ein oder andere Berührung, die ganz zufällig wirkte. Nah genug um seinen Charme mit hoffentlich ungebremster Wucht spielen lassen zu können. „Dann nemma de Plattn“, sagte er zu der Bedienung, lächelte dabei aber Nela an. „Oh, und bringst bitte an Krug mit Met und zwoa Becha.“ Met war gut. Ihm stand zwar mehr der Sinn nach Bier, aber auf Met hatte er jahrelang verzichten müssen... und davon abgesehen war Met besser dazu geeignet, eine Frau flachzulegen. Met war süß, Frauen mochten das, was wiederum die Chance steigerte, dass sie was davon trank und sich nicht womöglich irgendwas nicht Alkoholisches bestellte... und dass sie was davon trank und sich eben nicht irgendwas nicht Alkoholisches bestellte, steigerte wiederum seine Chance, bei ihr zu landen.


    Als die Bedienung verschwunden war, lehnte Hadamar sich ein bisschen nach vorn und stützte sich locker mit den Unterarmen auf dem Tisch auf. „I bin bei da Legio. Und grad erst zruck versetzt worn hiahea. War scho lang nimma do, i hobs echt vermisst... Deswegn hob i mein erstn frein Abnd gnutzt um, naja, oafach zerscht amoi umanand zum Laffa. A bisserl umschaung. De Stadt spiarn“, erzählte er, und was er in dem Moment ausstrahlte, war zur Abwechslung nicht darauf gemünzt, sie zu beeindrucken oder rumzukriegen, sondern absolut ehrlich: die Freude endlich wieder hier zu sein. Daheim. Was ihm fast ein wenig peinlich war, als ihm aufging was er zuletzt gesagt hatte. Die Stadt spüren... wer bitte sagte so was? „Oiso, de Stimmung hoid, de Leit, de Luft...“ Er hatte das Gefühl sich nur noch mehr zu verstricken – und lachte schließlich einfach. „Ah, i woaß net obs so vaständli is wos i moan. I war oafach zlang weg. Was is mit dia?“