Beiträge von Lucius Flavius Vibullius

    Die Parantalia, sie sind ein Grund, daß ich nochmals meine Stimme erhebe. Wer die neuntägige Trauerzeit mißachtet, verehrt seine Götter und Ahnen nicht und zieht damit deren Zorn auf sich!


    Aber wie soll man im Falle meiner Gens die Manen und Laren auch ehren, wenn sie schon vor Wochen das Grab verließen um Unglück, Krankheit und Tod über unsere Familie zu bringen, da wir ihre Beleidigung ungestraft und ungesühnt hinnahmen? Das Schicksal lag lähmend auf uns.
    Schon viel zu lange haben wir versäumt unsere Manen, den Göttern doch gleichgestellte Wesen, zu achten und damit die Grundfesten der römischen Familie erschüttert.


    Nachdem Pater Commodus, mein Onkel, erkannte, daß er nicht gebürtiger Tiberier war, verließ nun auch mein Vetter Lucidus die Gens. Bereits zuvor verloren wir Alexander.


    Nie traf es eine Gens derartig schwer. Groß mussten die Versäumnisse sein. Meine mahnende Stimme hat niemand gehört. Nutzt also diese Tage der Parantalia, um die Manen wieder zu besänftigen.


    Was allerdings wird es der Tiberia nutzen? Eine Praetorin, welche unter der Last des Stolzes schwer zu tragen hat, wollte nicht auf mich hören. Und so werden die Manen weiter ihr Unglück über die Familie bringen. Und das, wo Helena ein Kind unter ihrem Herzen trägt...

    Und wieder riss mich ein Brief aus meiner Versunkenheit. Nicht mal hier in aller Abgeschiedenheit hatte man seine Ruhe.
    Dieses mal griff ich nach Papier und Feder. Wenn überhaupt noch etwas zählte für mich, dann waren es die alten Schriften der Gelehrten, in die ich ebenso versank wie in meine Gedanken, die ich auf Pergament festhielt.





    Salve weise Frau,


    doch in meinem Fall hat dich die Weisheit wohl verlassen. Vielleicht standen mir die Manen bei, als mich das Todesurteil nicht erreichte, vielmehr denke ich jedoch, dass es eine Strafe war, weil ich den Sittenverfall nun weiterhin miterleben muss.


    Meine Pflicht erfüllte ich durchaus, zumindest dachte ich dies bislang, vermutlich war es aber nicht genug. Es werden sich bessere, fähigere Menschen finden, die das vollbringen, was mir nicht gelang.


    Das Volk Roms braucht mich nicht, ich brauche mich ja nicht einmal selbst. Also setze deine Kraft für Besseres ein, als sie an mir noch weiter zu verschwenden. Ich bin nicht eins mit mir, wie kann ich damit wieder eins mit dem Leben werden?


    Vale
    Vibullius



    Wortlos reichte ich den Brief dem alten Mann.

    Ich blickte auf das Meer, sah das Boot kommen und sah es auch wieder nicht. Erst als mich der alte Mann ansprach, registrierte ich dessen Anwesenheit.


    Ohne den Blick zu wenden, antwortete ich nach einer Weile.


    Wozu sollte ich Esswaren brauchen? Um zu überleben? Wozu? Was soll ein Leben für einen Mann bedeuten, wenn ihm Stolz, Würde und Hoffnung abhanden gekommen ist? Nichts, meine ich. Gar nichts.


    Ist es nicht außerdem so, dass der Kampf für die Werte in dieser Welt völlig sinnlos erscheint?



    Ich schwieg für längere Zeit, dann aber griff ich doch nach dem Schreiben, welches mir Gilotrix hinhielt.


    Spaß? Der blieb wohl in Rom zurück. Wünsche?


    Ich wandte mich erstmals dem alten gallischen Mann zu.


    Richte Kaleandra aus, wenn sie mir auf meine Fragen, die ich dir gerade stellte, eine Antwort schicken kann, wäre das Sendung genug. Ansonsten gibt es nichts was ich mehr bräuchte.


    Ich drehte mich wieder weg und schloss meine Augen zum Zeichen, dass kein weiteres Wort mehr meinen Mund verlassen würde.

    Ich wollte es vergessen und doch kehrte immer wieder die Erinnerung zurück. Der Gerichtssaal, meine Verbitterung über die Ignoranz der römischen Religio, meine leichtsinnigen Worte über ein freiwilliges Exil und schließlich die Falle, in die ich tappte.


    Niemals sollte mein Entschluss, in das freiwillige Exil zu gehen, ein Ausdruck eines Schuldeingeständnisses sein!


    Ab da lief nichts mehr unter meiner Kontrolle, weder die Eskalation, noch die Aufnahme des Urteils. Ich stand neben mir und beobachtete erstaunt, wie mein Geist meinen Körper verließ.


    Zerrissen noch heute und derzeit ohne Hoffnung, jemals wieder eins mit mir selbst zu sein.


    Römer ohne Rom, Patrizier ohne Namen. Erkauftes Überleben, bezahlt mit adeligem Namen. Was blieb war reine Verbitterung.


    http://home.arcor.de/de_la_charis/bilder/forum/IR%20006.jpg



    edit: eigenes Webspace

    Ich hob meine Augenbrauen und konnte es nicht fassen. Der Schock saß mit tief im Herzen.


    Die Manen, den Göttern gleiche Wesen wurden beleidigt, damit die Grundfesten des römischen Staates in ihrem Fundament erschüttert und ebenfalls dann somit der Pontifex maximus in Frage gestellt, aber der Kaiser sah in diesem Fall eine persönliche Abneigung von mir gegen die Praetorin? Ein besseres Zeugnis konnte er nicht ablegen. Dies war nicht der richtige Kaiser. Ein fremder Usurpator auf dem Thron. Ein wahrer Pontifex hätte leicht seine richtigen Schlußfolgerungen und vor allem sein Handeln gezogen. Wahrscheinlich aus irgendeinem Barbarenland der da oben saß und das Volk ahnte nichts davon. aber wer steckte dahinter? Er würde ja nicht von allein an die Macht gekommen sein. Dieser Anton oder ein Consul oder doch nur reiche Bürger, die um ihre Vorteile hofften?


    Die Stimme des Quästors rauschte an mir vorbei. Ich war schockiert.