Beiträge von Claudia Livineia

    Livineia nickte auf Romanas Worte hin bekräftigend. Trotzdem hatte ihr die Reise sehr gut gefallen, es hätte ja auch in den Norden gehen können und das wäre ihr absoluter Albtraum gewesen. Hach, es war schön sich mal wieder mit jemandem unterhalten zu können, der die eigene Meinung auf eine so strikte Art und Weise teilte. Belustigt meinte sie also, denn belustigt war sie wirklich, konnte sie doch wieder schlecht über andere Völker sprechen: "Das ist wahr. In deren Reihen geht es vermutlich immer nur wer mit wem und das wäre ja noch halbwegs nachvollziehbar, wenn es um Politik ginge, aber in den Köpfen der meisten Griechen sind einfach nur deren Beziehungsengen verankert." Oha, die Griechen. Weibisch, ohne weiblich zu sein, Redner, ohne reden zu können, die Liste war lang.
    Als Romana allerdings mit diesen herzerwärmenden Komplimenten begann, dass Livineia sich keine Sorgen machen brauchte, begann wirkliches Vergnügen in ihr aufzukeimen. Für Komplimente war sie zugänglich! Sie strahlte, als Romana ihr fröhliches Lachen verklingen ließ, denn auch dieses war irgendwo herzerwärmend. Vor Allem, da ihr selbst zugelacht wurde. "Oh meinst du? Ich bin ja mal gespannt, was für Männer. Wenn ich jedenfalls die Möglichkeit dazu bekomme, möchte ich sie genau unter die Lupe nehmen können! Aber ich denke da kann ich mich ohnehin gut auf Vater verlassen, der wird mir schon wen Gutes aussuchen." Ob sie sogar Mitspracherecht erhalten würde? Vielleicht würde sie ja tatsächlich zumindest nach ihrer Meinung gefragt, aber das würde sich dann ergeben. Als Romana mit der Männerwelt passte, lächelte Livineia jedenfalls. "Dass es nichts aus eigenen Erfahrungen her zu berichten gibt, ist ja auch nur Gut und Recht. Ich hatte nur gedacht, dass du vielleicht gerüchteweise etwas zu erzählen hast. Wie sieht es denn eigentlich mit der Gnade der Götter aus? Wurden sie wieder besänftigt? Ich hatte von dem Skandal - natürlich - gehört..." versuchte sie nun höflich das Thema auf Romanas Fachgebiet zu lenken.

    Auch Livineia war bei dem Kampfausgang zwischen Menochares und diesem Wilden aus dem Norden nicht zufrieden gewesen. Andererseits musste dieses Unentschieden aber auch bedeuten, dass sie beide sehr gut waren. Und dieser Umstand wiederum war ein gutes Gefühl, denn kräftige Sklaven im Haushalt hieß auch, jeglicher Kriminalität gut entgehen zu können. Aber nach Beendigung des Kampfes verließ sie, wie wohl so ziemlich die meisten, den Schauplatz. Der Ausflug hatte sie wieder ein wenig aufgerieben und den restlichen Tag würde sie dringend ein wenig Ruhe benötigen.
    Die Hinrichtung am nächsten Tag würde sie nicht wahrnehmen. Gewiss würde auch das wieder ein großes Ereignis werden, aber da der Ausgang ohnehin bekannt war, fehlte ihr ein wenig die Lust sich das Ganze anzusehen. Sie wusste, dass es wieder ein Sklave des Hauses war und sie wusste auch, warum er sterben würde. Aber es war ihr relativ gleich. Das einzige was sie anekelte, war, dass er sich vergangen hatte. Sie selbst respektierte Sklaven auch nicht, aber untereinander hatten sie sich zu respektieren. Mitleid mit Mansuri allerdings blieb vollständig aus. Sie war nu ein Gegenstand und solange sie funktionierte, war mit der Hinrichtung Keywans ja nun alles in Ordnung gekommen.

    Claudia Livineia hatte eine ganze Weile überlegt. Um genau zu sein, hatte sie sich ihre Worte sogar über einen Zeitraum von gewiss zwei Tagen zurechtgelegt. Nicht, dass es Bescheidenheit war, oder Höflichkeit. Aber sie war sich einfach nicht im Klaren darüber gewesen, ob sie einen nubischen Leibsklaven wollte, der dieser eine Gladiator ja nun zweifelsohne war. Der Germane schied von vornherein aus, wildes Pack aus dem Norden konnte sie nicht gebrauchen. Corona war romanisiert, vermenschlicht worden. Aber so ein wildes Tier überhaupt erst einmal auf ein erträgliches Maß zu zähmen, wenn es wild eingefangen wurde und nicht von der Brust auf erzogen wurde, war Livineia einfach zu viel Arbeit. Hier, zurück in Rom, wollte sie einen Leibwächter, auf den sie sich verlassen konnte. Also würde sie nun mit ihren Großvater darüber sprechen, der ja der Herr des Hauses war, und vor dem selbst sie gewissen Respekt hatte.
    Mit ihrer zarten Hand klopfte sie also an die Tür. Ja, richtig. Livineia machte sich einmal die Mühe, selbst zu kommen, anstatt Rufen zu lassen oder Sklaven einen Termin vereinbaren zu lassen. Sie wollte nicht als faul und übermäßig dekadent vor ihrem Großvater darstehen, der erst vor kurzem, bei den Ludi, davon sprach dass er soetwas nicht mag. In gewissem Maße war sie nämlich schon sehr verwöhnt, das gestand sie sich auch ein. Nur nicht das Maß, das wohl jede andere, außer sie selbst sah.

    Livineia musste - oder wollte vielmehr - schmunzeln, als Romana ihre Meinung kundtat. Sie entsprach weitestgehend der eigenen, aber eben auch nicht zu hundert Prozent. Und das sagte sie dann natürlich auch sofort: "Ja, da hast du Recht - wer hätte das gedacht. Aber in einem Punkt muss ich dir leider etwas wiedersprechen. Die Griechen sind zwar dekadent, aber hingegen zu sämtlichen anderen unterworfenen Völkern finde ich sie noch sehr zivilisiert. Wenn ich an gewisse andere südliche, nördliche und vor Allem östliche Bevölkerungsgruppen denke, sind die Griechen doch ganz gut kultiviert worden. Nur schade, dass die Dekadenz auch schon stark auf Rom abgefärbt hat, manche römische Männer stehen den Griechen ja in nichts mehr nach!" Ausgerechnet Livineia erboste sich über Dekadenz. Livineia ließ einen glücklichen Blick auf ihre blinkenden Ringe fallen, die ihr Herz regelrecht erwärmten.
    Als es um die Claudier ging, ließ Livineia ein helles, aber etwas gekünsteltes Lachen hören. "Ach geben tut es ihn bestimmt, irgendwo! Aber gewiss nicht in unserem Zweig!" bekundete sie und streckte nun ebenfalls die Hand aus, um anzudeuten, dass auch sie einen Wein wollte. Es machte sie durstig, Romana trinken zu sehen. Ihre leicht gespreizten Finger sollten, ihrer Meinung nach, Andeutung genug sein, dass ihr ein Wein gereicht wurde. "Naja in der Zivilisation angekommen musste ich mich erst einmal etwas erholen, die Reise war so furchtbar anstrengend. Allmählich habe ich mich wieder akklimatisiert, aber einen Mann habe ich noch nicht in Aussicht. Ich bin aber ja auch zu einem furchtbar ungünstigen Zeitpunkt abgereist, ein Alter, in dem es eigentlich optimal ist." Sie winkte leicht ab. Sie würde schon nicht ohne Mann in die Zukunft gehen, schließlich war sie eine Claudia. Aber allzu eilig hatte sie es auch nicht, Männer interessierten sie einfach nur mäßig. Frauen waren viel schöner. Das wiederum hieß allerdings nicht, dass Claudia irgendein sexuelles Interesse an Frauen hatte. Es ging um reine Ästhetik. "Weißt du denn von irgendwelchen heiratswütigen Männern, dass du so fragst?" erkundigte sie sich dann neugierig.

    Die junge Claudia machte sich nicht viel aus Angst. Sie hatte eine spitze Zunge. Sie konnte diese zwar hervorragend kontrollieren, aber Furcht kannte sie nicht. Sie zügelte sich, wenn sie Respekt hatte und wenn es ihr helfen konnte, mehr Einfluss zu gewinnen. Wenn sie aber nur aus Angst schweigen sollte, redete sie lieber. Sie war ein gut gemischtes Paradoxum, mal höflich zurückhaltend, mal unhöflich fordernd. Manch einer mochte ihre vorschnelle Art sogar als mutig und ehrlich betrachten - aber sie war einfach nur vorlaut. Ihre spitze Zunge hatte nichts von den Eigenschaften einer jungen, selbstbewussten Frau, die mit einem Lächeln sprach. Sie war jung, selbstbewusst - aber sie lächelte nicht wenn sie ihre Meinung kundtat. Lediglich wenn sie sich schlängelnd auf Komplimente stützte konnte ihr Lächeln vor Süße mehr tropfen als frische Honigwaben.
    Livineia machte eine wegwerfende Handbewegung als Quntus vom Praefectus Urbi sprach. Nur, um zu unterstreichen, wie wenig Hochachtung sie vor diesem mächtigen Manne hatte. "Unser werter Kaiser scheint kein Rückgrat zu haben. Seit sein Vater verstarb habe ich nichts, aber auch wirklich gar nichts Großes von ihm vernommen. Gegen seinen Vater möchte ich nicht unbedingt wettern, er regierte wenigstens mit bestimmter Hand. Aber er wusste auch, wo sein Platz ist." schilderte sie ehe sie mit etwas gedämpfter Stimme fortfuhr, wie man es bei Tratsch eben zu tun pflegte: "Aber der Kaiser ist ja auch nur adoptiert, er ist kein Patrizier. Vielleicht fehlt ihm einfach das edle Blut, um zu sehen, welchen Fehler er mit diesem Plebejer beging." Sie nickte. Das musste es einfach sein, allein hieran erkannte man schnell, wer die fähigen Herrscher waren. Konsequenz, Mut, Traditionsbewusstsein und Pietät sollte ein Herrscher ihrer Meinung nach ausüben. Angst sollte das Volk manchmal haben, aber vor Allem Respekt. Aber wie sollte man Respekt vor einem Menschen haben, den man praktisch nie sah, nichts von ihm hörte? Darum waren Patrizier einfach prädestiniert zu Herrschen, sie kannten die Öffentlichkeit.
    Livineia griff zu dem getrockneten Obst und begann mit leicht gespreizten Fingern zu essen, bedacht, sich nicht zu sehr mit der klebrigen Süße einzusauen. Hach, das Leben konnte schon schön sein, wenn es nicht gerade im Winter unter freiem Himmel stattfand. "Über das Tun und Denken der Götter zu urteilen steht uns nicht zu, Quintus. Ich bin mir sicher, sie tun das Richtige. Und wenn sie Rom auf diesem Wege nur zeigen wollen, dass es so vor die Hunde geht. Dass es starke Persönlichkeiten braucht. Wer weiß, vielleicht spreche ich ja sogar mit einem geborenen Führer." meinte sie mit einem munteren Blitzen in den Augen. Sie spaßte - das kam selten genug vor.

    Livineia hingegen beneidete Romana um gar nichts. Nun, vielleicht um die Möglichkeit, nicht zum Heiraten gezwungen zu werden, aber selbst da war sie sich nicht sicher. Sie war mit sich selbst nämlich so vollends zufrieden, dass für sie gar nicht in Frage kam, andere an ihrem Äußeren mit sich selbst zu messen. Mit Großherzigkeit oder Natürlichkeit hatte das wenig zu tun - es war schlichtweg Selbstsicherheit. Nur wenn jemand wirklich hässlich war, aus ihrer Sicht, begann sie zu messen - und zu verachten, ja, gar zu spotten. Es war schon schön, so sehr von sich überzeugt sein zu können, dass man keinen Neid kannte. Und somit konnte Livineia auch viele Gefühle einfach gar nicht nachvollziehen, die andere vielleicht hegten.
    Zu hören, dass es Romana gut ging, erfreute Livineia auf eine höfliche Art und Weise. Gegenteiliges wäre natürlich nicht schön zu hören gewesen, aber eine Nachricht die für sie selbst negative Resonanzen bringen könnte - und wenn es nur jene Nachricht wäre, dass sie am nächsten Tag kein Essen bekommen könnte - hätte sie mehr betroffen als das schlechte Befinden ihrer Tante. Egal war sie ihr natürlich auch nicht, aber das Interesse am eigenen Wohlbefinden dominierte eindeutig. Trotzdem strahlte sie aus beiden Augen, als Romana erklärte es ginge ihr gut. "Das klingt doch wunderbar! Jemanden der den Göttern so treu ergeben dient, müssen sie doch auch einfach lieben!" konstatierte die junge Claudia und nickte noch immer lächelnd. Sie wusste nicht, dass Romana tatsächlich so ergeben war, aber wer sich in die Enthaltsamkeit begab - und nach ihrer Erinnerung heraus sogar freiwiliig - musste doch ergeben sein. So falsch konnten ihre Worte also nicht sein. Morrigan wurde im Übrigen noch immer fleißig ignoriert. Allerdings staunte Livineia, wie ruhig diese aufsässige Sklavin in diesem Moment war.
    Als Livineias Ringe gelobt wurden wurde ihr Lächeln aufrichtiger und aufrichtiger. Sie liebte Komplimente. "Ohja, vielen Dank! Ich habe sie in Achaia erworben, man sollte meinen die ganzen Philosophen haben keine würdigen Schmuckmacher unter sich, aber da gab es doch einen Schmied der wirklich schöne Waren anbieten konnte. Aber sie waren auch wirklich teuer, er weiß, was er kann." erzählte Livineia, nicht, ohne den Kostenpunkt auszusparen. Hach, gleich soviel reden. Aber gut, es ging schließlich um sie. Sie atmete einmal tief durch, ehe sie begann. "Quintus, gute Frage. Vermutlich kümmert er sich um seine Zukunft, Großvater war ganz hin und weg von seiner Rede bei den Ludi. Du hast ihn doch sicher auch gesehen? Ich bin furchtbar stolz auf ihn. Ich bin mir sicher, er wird es einmal ganz weit bringen. Auch als wir in Achaia waren, haben wir uns wunderbar ergänzt. Stell dir nur vor, er hat die Ringe mit mir ausgesucht und auch viel Kleidung. Er hat wirklich guten Geschmack bewiesen, aber er ist ja auch mein Bruder." Livineia klimperte vergnügt mit den Wimpern, als sie den guten Geschmack der beiden hervorhob. Immerhin hatte sie den Anstand, so zu tun, als würde sie sich selbst nicht in den Himmel loben, sondern ihren Bruder.


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    Claudia war beinahe entsetzt als sie Morrigans Reaktion gewahr wurde. Zwar konnte sie natürlich - zu Morrigans großem Glück - keine Gedanken lesen, doch alleine schon die Tatsache, dass Morrigan nicht demütig den Blick senkte, lockerte eine ungeheure Welle Wut in der jungen Patrizierin. Jeder hatte vor ihr zu kriechen, jeder verdammte, dreckige Sklave der es wagte, die gleiche Luft wie sie zu atmen. Und wenn er ihr nicht für jeden Atemzug durch gutes Benehmen seine Dankbarkeit ausdrückte, wurde sie zornig. Sie konnte diesen undankbaren, elenden Geschöpfen jede Freude am Leben nehmen, sie zurechtweisen, einsperren, ihnen jedes Sonnelicht entziehen. Sie konnte dafür sorgen, dass sie nicht mehr atmeten. Wenn sie es wollte, dann konnte sie auch dafür sorgen, dass ein Sklave tagelang an einem Strick an einer Wand hing. Sie sog einmal tief die Luft ein, als sie Morrigans Rücken sah. Sie war so wütend, dass sie sogar ihre perfekte Selbstkontrolle für einen Moment verlor und sich leichte Zornesflecken auf den hübschen Wangen abzeichneten. Morrigan hatte keinen Ton gesagt, sie hätte ihre Anweisungen demütig bestätigen müssen. Aber anstatt dessen provozierte dieses elende Sklavenstück auch noch durch eine stolze Haltung. Und gerade weil dieses barbarische Mädchen, nein, dieser barbarische Gegenstand provzieren wollte, verschob sie die Bestrafung auf einen anderen, späteren Zeitpunkt. Ihr würde schon noch etwas Gutes einfallen. Es gab nur einen Menschen der verächtlich dreinschauen durfte - und das war sie selbst. Keine Sklavin. Aber sie sah wiede rschweigend zu Felix.

    Als der Kampf begann, wendete sie diesem ihre ganze Aufmerksamkeit zu. Ja, sie hatte gewusst, dass Menecrates eigene Sklaven des Hauses verwenden würde, natürlich hatte sie dies gewusst. Gerade das machte es auch für die junge Patrizierin wahnsinnig interessant. Und vermutlich auch für das restliche Publikum, denn ihr Großvater hatte keine Mühen gescheut, die beiden vernünftig ausbilden zu lassen und das würde auch der Menge auffallen. Sie verachtete wohlmöglich den größten Teil dieser Menge, denn er bestand aus dem Pöbel - und das hörte man. Aber auch diesen musste man füttern. Er war überhaupt erst der Grund, dass sie ein besserer Mensch war. Würde es den Pöbel nicht geben, gäbe es auch keine Patrizier - und niemanden auf den sie herabsehen konnte. Soviel Einsicht hatte sie mittlerweile auch. Entspannt, nicht aufgeregt, verfolgte sie den Kampf. Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass Morrigan gewinnen würde - deren Namen sie natürlich nicht kannte. Aber an ihre Augen konnte sie sich gut erinnern, sie waren widerborstig. Und widerborstige Menschen hatten einen großen Überlebenswillen. Dafür meistens geringe Überlebenschancen, zumindest, wenn die Sklaven waren und sich gegenüber ihren Herren auflehnten. Als dann wieder ihr Bruder die Stimme erhob, sah sie zu ihm. Sie verzog etwas das Gesicht. "Ja, der Kampf war gut. Aber er hat überhaupt keine Spannung mehr, wenn es um nichts geht. Eine von ihnen soll sterben und logisch ist natürlich die Verliererin. Es muss ja nicht blutig und qualvoll sein, aber so wäre ja gar kein Nervenkitzel dabei." quittierte sie seine Worte. Dummerweise wurde entschieden, dass beide leben durften. Sie seufzte unzufrieden. Livineia war nicht blutrünstig, dafür besuchte sie die Spiele zu selten. Aber sie fand Geschichten über Ehre und Heldenmut interessant. Ein Held erlangte aber nur Ehre, indem er Jemandem überlegen war - und dabei musste er nun einmal auch über Leichen gehen. Das hätte sie sich hier auch gewünscht. Aber nun gut, was sollte es. Blieb der Familie mehr Geld erhalten, auch, wenn diese es nicht nötig hatte.
    Dann wurden Wolfgar - klang wie gegarter Wolf, befand Claudia belustigt - und Menochares angekündigt. Zweiterer klang schon wieder etwas interessanter vom Namen her. Sie beschloss, für diesen zu sein. Sie konnte beide Namen mal wieder keinem claudischen Sklaven zuordnen, wobei Wolfgar nach irgendetwas barbarischem klang. Menochares klang anmutig. Was zumindest im ersteren Fall ja auch zutraf. Alleine das machte es ihr schon leicht, eine Entscheidung zu fällen. Leise tuschelte sie ihrem Bruder zu: "Ich feuere Menochares an." Natürlich würde sie niemanden 'anfeuern', dafür war ihr ihre Würde zu wichtig. Aber käme es zu einer Entscheidung, wüsste sie, wer sterben sollte - ganz gleich wie sie kämpften.

    Linos tat Recht daran, in Deckung zu bleiben, während Livineia sich an der Seite von Quintus allmählich dem Pavillon näherte. Sie lauschte interessiert den Ausführungen ihres kleinen Bruders, die wieder einmal ganz ihrer Meinung entsprachen. Für sie waren Diskussionen nicht interessant, denn dort wurden zwei Meinungen vertreten. Ihr war es um ein Vielfaches lieber, wenn man einfach ihre Meinung unterstrich, ihr zustimme und man sich einig war. Die fehlende Debatte tat ihrem Kopf gut. Und wenn sie in einer Diskussion tatsächlich einmal den Kürzeren zog, verlor sie umso mehr das Interesse an einer solchen und wurde sauer. Sie hasste es, in irgendeiner Disziplin schlechter zu sein, die sie sich zutraute. Sport und Kampf und solche Dinge gehörten nicht in ihr Interessensfeld - aber Intelligent sein, das wollte sie durchaus. Auch wenn es nicht unbedingt notwendig war, denn sie würde ienes Tages auch ohne Grips gut untergebracht sein. Aber als dumm gelten? Nein, das wollte sie auf keinen Fall. Aber so fühlte sie sich nach jeder verlorenen Debatte und der Person, die sie schlug, trug sie dies auf ewig nach. Auf ewig sei in diesem Falle als 'Bis zur nächsten Aufmerksamkeit in Form eines teuren Geschenkes' definiert. Je teurer diese Aufmerksamkeit war, desto kürzer war diese Ewigkeit. "Das steht doch vollkommen außer Frage, mein lieber Bruder!" unterstützte sie ihn augenblicklich und fügte an: "Aber in den heutigen Zeiten darf man seine Meinung ja nicht einmal offen kundgeben, ohne ernsthafte Probleme zu bekommen..." Sie ließ ein theatralisches Seufzen vernehmen, als sie um einen Busch bogen, der kurz vor dem Pavillon stand. Den Jungen hatte Livineia nicht registriert, der für ihre Wünsche zuständig sein sollte. Wohl aber diese schwarzhaarige Sklavin, von der sie in ein paar Tagen vermutlich sogar wissen würde, dass sie eine sehr gute Kämpferin war. Widerlich. Aber in diesem Moment wusste Livineia lediglich, dass Morrigan irgendwie die Ästhetik des Pavillons störte.
    Mit klarer, deutlicher Stimme - und mit all jener Missgunst, die sie verspürte, als sie das gemütliche Haus für dieses kalte Wetter verlassen hatte - sprach sie Morrigan an. "Sklavin, verschwinde aus meinem Sichtfeld. Ich will dich nur sehen und hören, wenn ich dich rufe. Dann aber auch sofort." wies Livineia Morrigan an. Ihre Augen funkelten kalt, ehe sie ihren Blick wieder auf die Sitzecke richtete.
    Dann richtete sie sich wieder ihrem Bruder zu, während sie sich niederließ. "Natürlich hat es das niemals unter der Herrschaft unserer Familie gegeben. Auch diesen Sittenverfall nicht. Unter der claudischen Herrschaft wäre es auch niemals zu so einem pöbelnden, plebejischen Stellvertreter gekommen, von dem wir in dem Gasthaus gehört haben. Das muss man sich nur einmal vorstellen! So ein übelriechender Plebejer agiert für den Kaiser. Er muss nicht bei Sinnen sein..." konstatierte Livineia und schüttelte den Kopf, während sie sich in die Decke kuschelte.

    Livineia strahlte Felix entgegen, als diese ihr wieder entgegen kam und sich mit seinen Reden mit Menecrates abwechselte. Er sollte ruhig sehen, wie stolz sie auf ihren kleinen Bruder war. Als er endlich bei ihr angekommen war, griff sie kurz nach seien Händen und drückte diese kräftig. "Das hast du gut hinbekommen, wir sind stolz auf dich!" meinte sie dann mit einem munteren Lächeln um die Lippen und ließ ihn sich nun erst einmal wieder hinsetzen. Während nun Menecrates seine Stimme erhob, nachdem er Lepidus aufgefordert hatte, sich hinzusetzen, flüsterte sie ihrem Bruder nur noch kurz zu: "Darauf müssen wir nachher unbedingt noch etwas anstoßen, auf... deinen Beginn in der römischen Liga..." Sie musste sich mehrmals unterbrechen, weil sie nicht so respektlos sein und während Menecrates Rede sprechen wollte. Ihrer beider Großvater musste lange auf diesen Tag hingearbeitet haben. Als er verkündete, dass nun claudische Sklaven antreten würden, erhob sie den Kopf und sah in den Ring. Die eine hatte sie noch nie gesehen, an das andere Gesicht konnte sie sich erinnern. Furchtbar, schoss es ihr durch den Kopf. Eine Sklavin hatte ein Gesicht erhalten. Sie runzelte die Stirn, würde aber dem Kampf folgen.

    Aus den Augenwinkeln sah Livineia immer wieder zu ihrem Bruder, den wohl einzigen Menschen, bei dem sie es fertig brachte, ehrliches Mitgefühl zu entwickeln - oder auch ehrliche Zuneigung. Die restliche Bevölkerung teilte sich dann Respekt, Anerkennung, Verachtung, Hass. Wobei sie auch mit Hass meistens sparsam umging, denn es wühlte zu sehr auf. Kurz rieb sie sich mit zwei Fingern die linke Schläfe, ehe sie dann wieder zu Menecrates sah, als er sprach. Rasch antwortete sie: "Oh ich glaube nicht, dass ihn Faulheit übermannen könnte. Ich fürchte eher, dass er zu gutgläubig ist in mancherlei Hinsicht, aber da ihm das auch selbst bewusst ist, wird er..." Ein Neuankömmling grüßte die kleine, claudische Gruppe und fiel ihr, aber wohl eher ungewollt, ins Wort. Sie verzieh es ihm natürlich, schließlich war er aus der eigenen Familie. Aber etwas verstimmt sah sie dennoch aus. Na, so musste sie sich immerhin für den Moment, wo Menecrates und Felix ihre Rollen wechselten, nicht alleine sitzen. "Hallo Lepidus!" begrüßte sie ihn mit süßlicher Stimme. Sie fühlte sich übergangen, hatte er doch nur eine Person begrüßt und diese war mit Gewissheit Menecrates. Sie richtete eingeschnappt ihren Blick wieder auf ihren Bruder, ihren kleinen Bruder, der mittlerweile immer weiter wuchs - und damit war eher innere Größe gemeint. Sie war sich sicher, einmal sehr stolz auf ihn sein zu können.

    Claudia hatte nicht gerade begeistert reagiert, als ein Sklave hereinkam um ihr zu sagen, dass sie im Atrium erwartet wurde. Jemand ließ nach ihr rufen? Das mochte sie gar nicht. Livineia war es gewöhnt, dass sie rufen ließ, aber selbst 'hergepfiffen' zu werden? So zumindest klang der Sklave, als er ziemlich wortwörtlich meinte: 'Domina will dich im Atrium sprechen.' Den Tonfall würde sie dem Frechdachs auch noch austreiben! Sie hatte ihm unverzüglich eine unkommentierte schallende Ohrfeige verpassti. Normalerweise hätte sie etwas zeitinensiveres unternommen, um zugleich auch die Langeweile zu vertreiben, die sie oft beseelte - aber wenn jemand scheinbar Wichtiges nach ihr rufen ließ, sollte sie auch losgehen. Egal, wie sehr es ihr widerstrebte. Warum er die Ohrfeige erhalten hatte, musste er sich also selbst überlegen.
    Als Livineia sich dann also dem Atrium näherte, in dem sie eher ihre Mutter als ihre Tante erwartete, hörte sie Morrigans Stimme. Sie hatte die Sklavin irgendwann schon einmal gesehen und auch gehört, aber ihren Namen wusste sie nicht. Wozu auch. Sie war ja ebenfalls nur eine Sklavin unter vielen. Aber immerhin vernahm sie den Namen "Domina Romana" und wusste nun, dass sie mit ihrer Tante rechnen musste, die schon länger bei den Vestalinnen war und die sie noch nicht allzu oft gesehen hatte. Selbst kurz vor ihrer Reise hatte sie ihre Tante kaum gesehen. Mit einem artigen Lächeln auf den Lippen schritt sie in kleinen Schritten auf ihre Tante zu. "Hallo Romana!" sprach sie mit ihrer hübschen Stimme. An Livineia war im Grunde genommen alles hübsch: Ihr natürliches Aussehen, ihre Schminke darüber, ihre Haare, ihre Stimme, ihre Augen - nur nicht ihr Charakter. Dass sie stets härter mit Sklaven und abfälliger mit Plebejern umging, als es nötig war, war in der Familie nicht unbekannt. "Wir haben uns lange nicht gesehen, wie geht es dir?" Sie ignorierte die eben noch sprechende Morrigan vollkommen. Sie hatte gefälligst zu warten. Sie griff zur Begrüßung nach Romanas Händen und drückte diese kurz mit ihren, ehe sie sich dann ebenfalls setzte. Livineias Finger waren lang und schlank und mit zierlichen Ringen versehen.

    Als sie Menecrates Worte vernahm, die sie zwar im vollen Umgang hörte, aber nicht auf sich bezog, brauchte sie einen Moment um ihren Blick von Felix abzuwenden und zu ihrem Großvater zu sehen. Als sie realisierte, dass er sie gemeint hatte, kam es ihr vor, als hätte sie es Stunden versäumt, zu reagieren - nicht Sekunden. "Ohja, ich bin sehr stolz auf ihn!" konstatierte die geringfügig ältere Schwester mit einem Lächeln. Wenn Menecrates es versäumen würde, Felix sein Lob direkt auszusprechen - sie würde es nicht tun. Er würde sich gewiss freuen, zu hören, dass ihrer beider Großvater überaus zufrieden mit ihm war. Kurz ließ sie ihren Blick wieder zum Schauplatz schwenken, ehe sie sich wieder höflich dem Oberhaupt zuwandte, einer der wenigen Menschen, vor denen sie Respekt zeigte, und wieder begann zu sprechen: "Ich denke er ist auf dem besten Wege zu einem bedeutenden Mann und wichtigen Pfeiler der Familie zu werden. Habt ihr schon über seine Pläne gesprochen?" fragte sie interessiert. Sie könnte ihn direkt fragen, aber möglichst viele Standpunkte versprachen möglichst viel Wissen - und Wissen war Macht. Macht, die sie noch nicht unbedingt ausüben konnte, aber durchaus im gewissen Rahmen für sich zu Nutzen wusste.

    Als Claudius Menecrates sich ihnen genähert hatte, hatte sie ihm ein bezauberndes Lächeln zugeworfen - gehörte sich schließlich so. Ein wirklich ehrliches Lächeln brachte sie ohnehin selten zustande, unter den Voraussetzungen im Amphitheatrum mit Sicherheit erst Recht nicht. Aber immerhin bot das alles hier einmal eine Abwechslung zum sonstigen tristen Alltag des Sklaven-Herumscheuchens, über Plebejer-Herziehen und Schminken. Ehrliche Überraschung hingegen löste das Angebot von Menecrates aus, das er ihrem Bruder machte. Aber auch ehrliche Freude für Claudius Felix, für den das eine sehr große Ehre war - wie ihm und auch ihr durchaus bewusst war. Dem Lächeln gesellte sich nun tatsächlich auch Ehrlichkeit hinzu, wenngleich es nach außen hin keinen Unterschied machte. Stolz sah sie ihren jüngeren Bruder an, der ohne zu Zögern mit dem Familienoberhaupt mitging. Menecrates war irgendwo wirklich das Familienoberhaupt, er war für beinahe alles verantwortlich, was in der Villa vor sich ging - dieser Eindruck hatte sich zumindest ihr eröffnet.
    Nun mit deutlich höherer Aufmerksamkeit verfolgte sie das Geschehen, in das ihre Begleitung nun involviert war. Ein wenig störend fand sie es im Nachhinein doch, dass Felix nicht mehr bei ihr saß und dort vorn, unten im Mittelpunkt stand. Dadurch war sie selbst kein bisschen mehr im Mittelpunkt, nichtmal in dem ihrer Verwandtschaft. Aber sie nahm es mit wenig Grimm auf, denn immerhin gereichte es zu einem großen Vorteil für ihren Bruder. Selbst Livineia ließ sich zum Klatschen herab. Quintus war einfach hinreißend, wie er dort unten seine Worte fand, ohne jede Vorbereitung. Oder hatte er ihr etwa nichts davon erzählt, dass Menecrates ihn herunterholen würde? Ach, das war jetzt auch nicht wichtig. Später würde sie sich ärgern, dass sie sich nun doch ein wenig von der Menge mitreißen ließ und wenigstens ihre Gedanken verstummen ließ. Sie hasste Kontrollverlust, selbst wenn dieser nur innerlich war. Aber jetzt genoss sie den Moment.

    Livineia hatte sich nicht recht dazu entschließen können, herzukommen, oder es zu lassen. Natürlich war es ein Ereignis, dass man sich nicht einfach entgehen lassen durfte. Aber hier gab es Pöbel, sehr viel Pöbel. Und Lärm. Und sowohl als auch konnte die bessergestellte Livineia nicht leiden. Andererseits durfte sie das Ereignis auch allein schon deshalb nicht verpassen, da ihr Großvater dieses organisiert hatte. Was wäre sie für eine Enkelin, wenn sie dem nicht beiwohnen würde? Was würde Menecrates denken und vor Allem - was würden die Leute denken? Außerdem hatte ihr Bruder sie so freundlich dazu aufgefordert doch mitzukommen, dass sie sich doch durchgerungen hatte. In Begleitung ihrer Sklavin Corona war sie hergekommen, doch diese hatte sich zu den anderen claudischen Sklaven begeben und Livineia hingegen bemühte sich zu ihrem Ehrenplatz. Ihr Bruder würde schon darauf achten, dass alles zu ihrer höchsten Zufriedenheit ablaufen würde. Sie hatte leider die halbe Rede ihres Großvaters versäumt, aber glücklicherweise hatte sie hierfür eine aufrichtige, gute Ausrede. Mies gelaunt - wie so meistens - ließ sie sich neben ihren Bruder nieder und atmete erst einmal tief durch.
    Dann lächelte sie etwas entspannter. Nur ihr Bruder hatte vermutlich sehen können, wie angespannt sie tatsächlich war, denn nach außen hin trug sie überzeugend ein bezauberndes Lächeln. Und nun wirkte es auch für Quintus nicht mehr allzu aufgesetzt. "Salve mein liebster Bruder." flüsterte sie leise zwischen zwei Worten von Menecrates. Wohl kaum würde er diese 'Störung' überhaupt bemerken, aber ihr selbst kam es wie ein Missachtung der Götter und der Familie vor, einfach zu plaudern. Sie war schon überfroh, nicht die Opferzeremonie verpasst zu haben, es passte einfach nicht in ihr Weltbild. Mit der Sänfte war es aber mit zunehmender Zeit auch schwierig, einen Weg hierher zu finden. Sie legte ihre Hand auf die ihres Bruders. Ihre feingliedrigen Finger, mit sehr gut gearbeiteten Ringen verziert, ruhten sacht auf seiner Hand. Am Handgelenk prangte ein breiter, goldener Armreif. Die Schminke war dezent, aber perfekt angelegt - wie immer. Dass eine Strähne sich aus den hochgesteckten Haaren geschmuggelt hatte, hatte sie noch nicht bemerkt. Sie baumelte in ihren Nacken herab und kitzelte sie, aber bisher war der Stress zu groß gewesen, um dies zu realisieren. Zudem hatte der Redner ihre vollkommene Aufmerksamkeit - und die schönen Opfertiere, über welche die Götter wohl eben so erfreut waren, wie sie selbst. Die Spiele schienen hervorragend zu verlaufen, wieder mehr Ruf für die Familie der Claudier. "Er ist gut, nicht?" fragte sie dann mit einem wohlwollenden Lächeln zu Quintus, während sie ebenfalls ganz sachte in die Hände klatschte. Menecrates hatte es verdient, alllein schon, weil er ein Claudier war.

    Als er ihr Recht gab, lächelte sie wohlwollend und nickte nur sanft. Ja, so hatte sie es gerne. Man gab ihr Recht und das ohne große Diskussionen sondern nur nach einer kurzen Zurechtweisung. Dass bei ihm bereits ein ähnliches Gespräch vorangegangen war, konnte sie ja nicht ahnen. Sie ging davon aus, Quintus wirklich überzeugt zu haben. Dass er strengen Umgang nicht für nötig hielt, überging sie geflissentlich. Sie wollte jetzt nicht streiten, ihr Kopf dröhnte ohnehin genug. Und bei Quintus konnte sie dann mit einem weiteren Gesprächsverlauf in dieser Richtung rechnen. Nein, daran hatte sie kein Interesse, viel zu anstrengend, innerlich zu aufwühlend. Hingegen fand sein Vorschlag ihre volle Zustimmung. "Oh, das ist eine gute Idee. Ich kann dringend noch etwas frische Luft und Sonne gebrauchen. Und von dort hat man immer einen wunderschönen Blick. Decken werden dort mit Sicherheit noch sein, meinst du nicht? Ach, sonst werden wir einen Sklaven schicken, aber zum Teil ist es ja doch noch recht kühl." stimme sie ihm zu. Sie strich sich einmal kurz tastend durchs Haar, um den Sitz ihrer Frisur zu bestimmen, dann schritt sie bestimmend zur Tür. Dass der Sklave von ihren Plänen irgendwie erfahren würde, davon ging sie einfach aus. Und wenn es nur durch eine aufmerksame Gabe war, die jeder Sklave besitzen sollte.

    Gemeinsam mit Claudius Felix verließ Livineia die Villa Claudia um sich in Richtung des Pavillons zu bewegen. Gleich als ihr eine leichte Brise ins Gesicht schlug, verzog sie schon wieder leicht das Gesicht. Ja, sie hatte sich frische Luft gewünscht und damit gerechnet, dass es kalt war, aber die Realität sah nun wieder anders aus. Sie fröstelte etwas, klagte aber nicht. Sie wollte keine Schwäche zeigen, nicht einmal dem kleinen Bruder gegenüber. Sie zog unmerklich leicht die Arme weiter in den Stoff zurück. Im Grunde war es gar nicht richtig kalt, es schien sogar ein wenig die Sonne, aber die verwöhnte Livineia fand es grauenhaft. Und wenn es in Germanien noch kälter sein sollte als hier, überlegte sie, würde sie sofort erfrieren. Nein, nein, Germanien musste der sichere Tod sein. "Hach, es ist wirklich schön wieder daheim zu sein. Alleine schon die schöne Aussicht über die Stadt. Viele nennen zwar Achaia zivilisiert, aber für mich wird Rom immer das Beispiel an Humanität und Zivilisation sein. Niemand weiß es so gut zu leben, wie unsere Priviligierten." Damit meinte sie natürlich sich und ihre Familie. Und vielleicht auch einige der anderen patrizischen Familien. Sie lächelte kunstvoll gekünstelt und sog einmal gespielt genießerisch die Luft ein. Furchtbar. Wie konnte Quintus nur auf so eine dämliche Idee kommen! Dass sie diese Idee selbst noch innerhalb der Villa gut fand, war ihr entfallen. Wie alles, was ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen könnte.

    Claudia Livineia war vor Allem an Neuigkeiten interessiert, welche die Familie direkt betrafen. Aber da ihr Bruder scheinbar nicht allzu lange mit Menecrates gesprochen hatte, was ja bei der langen Reise zuvor nicht weiter verwunderlich war, musste sie sich eben damit begnügen, erst in den nächsten Stunden und Tagen informiert zu werden. Trotzdem verzog sie für einen kurzen Moment etwas das Gesicht. Dann winkte sie innerlich ab, ihr Bruder hatte genau die gleiche Reise hinter sich gehabt, wie sie. Und sie war nicht einmal zum Gespräch erschienen. "Wir werden das alles schon noch früh genug erfahren." konstatierte sie gnädig und warf ihm ein schwaches Lächeln zu. Oh, wie ihr Kopf dröhnte, als hätte sie massig unverdünnten Wein konsumiert.
    Als dann der Sklave geordert wurde, beobachtete Livineia skeptisch. Es war ja möglich, dass kein Sklave das Schnippen gehört hatte, aber das war keine Begründung. Mit leicht verengten Augenbrauen beobachtete sie die Tür, in der sich nichts regte, ehe Quintus laut nach einem Sklaven verlangte. Kurz nachdem Quintus mit seiner Predigt zum Ende kam, erhob auch sie gebieterisch ihre Stimme: "Bei deiner Geschwindigkeit könnte man fast verhungern. Sklave, du hast gefälligst da zu sein, wenn jemand nach dir verlangt, sofort. Glaube ja nicht, dass ich so verständnisvoll wie mein Bruder reagiere, wenn du mein Begehr einmal versäumst." Sklaven hatten einfach dazusein. Ohne wenn und aber. Sonst bräuchte man sie nicht, fraßen sie einem doch nur die Haare vom Kopf. Sie sah den Sklaven mit stechendem Blick an, der seinen sofort senkte. Sie schien schon vor ihrer Ankunft von sich Reden gemacht zu haben, registrierte sie mit innerer Zufriedenheit. "Und ja, ich möchte auch frühstücken. Wenn nicht alles fertig ist, ehe ich ungeduldig werde, wird es eine saftige Strafe hierfür geben. Tu gefälligst was für dein.. Essen." forderte sie ihn auf. Geld bekam er ja schließlich nicht. Und wann sie ungeduldig wurde? Das bestimmte ganz allein sie, das konnten Außenstehende höchstens dann bewerten, wenn diese sie schon länger kannten.
    Nachdem sie mit dem Sklaven abgeschlossen hatte, dieser eilig wie der Wind davongeeilt war, lächelte sie ihrem Bruder süß entgegen. "Du musst wirklich härter werden, sonst tanzt dir das Volk irgendwann auf der Nase herum. Resoluter, bestimmender. Du möchtest doch schließlich auch eines Tages beruflich weiterkommen und auch dort musst du beißen, sonst wirst du gebissen."

    Als er eingetreten war, rieb sie sich nur einen Moment lang die Schläfe, ehe ihr Gesichtsausdruck sich wieder normalisierte. Sie sah nicht besonders glücklich aus, aber auch nicht gerade so, dass sie gleich einen Wutausbruch erleiden könnte. Schließlich waren aktuell keine nervtötenden Sklaven in der Nähe, welche sie stören könnten. "Ach, er dröhnt und pocht und hämmert ganz fürchterlich. Ich glaube das Gelärme der ganzen tölpelhaften Plebejer hat sich in ihm festgesetzt und gestattet mir keinen Moment der Erholung mehr." tat sie mit einem Seufzen kund. Kurz schwieg sie einen Moment und musterte ihn eingehend. Er sah deutlich besser aus als noch am Vortag. Ihr hingegen war selten Verschlechterung oder Verbesserung anzusehen, denn äußerliche Makel wurden schnell durch Schminke kaschiert und potentielle andere Erscheinungen konnte sie ohnehin sehr gut verbergen. Livineia war eine vorzügliche Schauspielerin - wenn sie es denn wollte. Sie wollte allerdings für gewöhnlich nur dann freundlich und höflich sein, erholt, wenn es nach Außen ging. Innerhalb der Familie machte sie keinen Hehl aus ihrer Launenhaftigkeit. Selten kam es vor, dass sie ihren Bruder anschrie. Lediglich gewöhnliche Gespräche wurden häufig durch Zickigkeit gezeichnet, sie gab schnell scharfe und spitze Antworten, die jegliche Verteidigung sofort durchbohrten. Livineia war eine bemerkenswert intelligente Person, die Vorteile gut für sich zu nutzen wusste. Sie wusste genau, bei wem sie weiterkam und wenn sie sich einmal irrte, fuhr sie ihre Krallen aus. Die wenigsten Kratzer hatte bislang noch immer das Brüderchen erlitten, die meisten ihre Sklaven - obwohl diese selten Widerstand geleistet hatten. Vielleicht stachelte gerade deren Hilflosigkeit die Adlige an, ihnen auch tatsächlich zu zeigen, wer die Macht über sie besaß. "Guten Morgen übrigens auch. Wie war denn deine Nacht? Und dein Gespräch mit Großvater gestern? Gibt es interessante Neuigkeiten hier in Rom?" erkundigte sie sich nun etwas weniger wehleidig und stellte sich hin. Die Falten ihrer Kleidung fielen perfekt an ihr herunter.