Beiträge von Claudia Livineia

    Sie verengte leicht die Augen als sie die Dreistigkeit des Nubiers wahrnahm. Aber sie würde sich nicht zu unüberlegtem Handeln hinreißen lassen. Sie war eine hübsche, standesbewusste Frau und er tat als würde er in das letzte Kuhdorf geschickt um dort für den Rest des Lebens in einem dunklen Zimmer zu hocken. Aus kalten Augen musternd ließ sie das Schweigen im Raum stehen und wies ihn nicht sofort wieder zurecht. In ihr kochte es, aber sie wahrte ihre Würde.
    Als er dann endlich sagte, dass er durch sie gerufen wurde, nickte sie knapp. Aber die Angelegenheit war für sie noch lange nicht gegessen. Eigentlich hatte sie einen guten Start gewünscht, aber wenn er es auf die harte Tour wollte, sollte er es auf die harte Tour bekommen. Unbeweglich saß sie da und schwieg weiterhin. Ihr Blick war beinahe stechend. "Sklave, was vermutest du, erwartet dein Herr - oder Herrin - wenn du den Raum betrittst?" fing sie das Gespräch mit einem sachlichen Tonfall an. Oh er hätte ein gutes Leben haben können, Livineia quälte zwar gern, aber dafür hatte sie schon ihre gezielten Opfer.

    Als es klopfte presste Livineia die Augen zusammen. Oh, dieses Dröhnen. Es schien regelrecht in ihrem Kopf wiederzuhallen - Poch-Poch-Poch. Sie schnaufte angestrengt, setzte sich aufrecht hin. Gerade noch rechtzeitig, denn just in diesem Moment kam Menochares herein. Mit gemischten Gefühlen registrierte sie sein Zögern - er schien überrumpelt, gar überfordert zu sein. Nur womit? Mit der hübschen Ausstattung ihres Raumes, mit ihr? Grüßen konnte man dennoch. So ließ sie noch ein paar wenige Atemzüge verstreichen, als sein Blick auf sie fiel. Noch immer Schweigen, ja, geradezu Starren. Sie verengte leicht die Augen, was niemals ein gutes Zeichen war. Besonders bei der jungen Enkelin des Menecrates nicht. Mit ihren gerade zwanzig Jahren war sie noch nicht einmal ein Kind. Lediglich ihr jungfräulicher, unverheirateter Zustand machte sie noch halbwegs zu einem Solchen.
    Irgendwann wurde es Claudia zu bunt und mit schneidender Stimme fragte sie den dunkelhäutigen Sklaven: "Was ist, hat's dir die Sprache verschlagen?" Eben noch überzeugt davon, dass sie heute versuchen würde, freundlich zu einem Sklaven zu sein, gefror die Luft des Raumes beinahe durch die Kälte ihrer Stimme. Aber sie war kontrolliert kalt. Es schwangen genau die gewünschten Emotionen mit: Kälte, Verachtung, Zurechtweisung. Genau genommen war ihre kurze Frage ein Vorwurf für vieles: Seine fehlenden Worte, sein Starren, mangelnde Unhöflichkeit.

    Claudia Livineia hatte wieder einmal einen wundervollen Tag – wenn da nicht ihre Kopfschmerzen wären. Es hieß ja immer, Bewegung sei der Schlüssel zur Besserung, aber sie war sich da nicht so ganz sicher. Sie war am Überlegen ob sie nicht doch allmählich einmal einen Arzt konsultieren sollte, aber irgendwie hatte sie keine Lust darauf, dass ein Medicus an ihr herumwurschtelte. Nachher bekam sie noch fatale Diagnosen, die ihr den Tag vollends versauen würden. Seufzend hielt sie sich die Stirn, setzte danach dazu an, sich die Schläfen zu reiben Sie fühlte sich völlig erledigt, dabei machte sie nur sehr wenig. Wo blieb nur dieser Sklave? Sie hatte doch schon vor einer Ewigkeit nach ihm schicken lassen! Am gestrigen Tag war ihr Großvater abgereist und solange hatte sie Menochares noch unter dessen Obhut gelassen. Mittlerweile brauchte er ihn aber – logischerweise – nicht mehr. Aber sie. Sie grübelte nämlich, den ärztlichen Rat zu beherzigen, den sie in Achaia damals bekommen hatte. Und der lautete, dass sie ihre Muskulatur etwas erweitern müsste. Sie hatte überhaupt keine Lust auf sportliche Betätigung, wollte nicht auf einen Sklaven angewiesen sein. Aber beides schien zwangsläufig notwendig zu werden.
    Gelangweilt ließ sie ihren Blick auf ihre schönen, feingliedrigen Finger gleiten. Die Ringe aus Achaia fand sie nachwievor hübsch, aber sie brauchte noch einen, der sich mit roter Kleidung gut ergänzte. Rote Seide. Sie hatte die Garnitur erst vor wenigen Tagen erstanden, sie war sündhaft teuer gewesen. Rote Farbstoffe waren nahezu unbezahlbar und nur schwer erwerbbar. Sie waren äußerst gefragt und Livineia hatte viele Kontakte aufrecht erhalten müssen, um hieran zu kommen. Vielleicht sollte sie demnächst mal wieder die Märkte besuchen und schauen ob sie einen Ring mit eingefasstem Rubin fand? Ungeduldig sah sie zur Tür. Sie würde dringend ein paar Worte mit Menec… Nein, der Sklave hieß Menochares. Sie konnte sich den Namen gut merken, weil er dem ihres Großvaters gar nicht so unähnlich war. Mit gespreizten Fingern fuhr sie sich durch das offene, perfekt liegende Haar. Sie trug die Haare gerne offen, würde sie aber später, wenn sie tatsächlich noch rausging, hochstecken lassen müssen. Es war einfach moderner als offenes Haar – und oftmals sogar praktischer. Schöner, fand Livineia, sah sie aber mit offenen Haaren aus. Sie hatte volles, schwarzes Haar dass sich hübsch an ihren Körper anschmiegte.


    Sim-Off:

    Reserviert.

    Als der Abschied dann letztlich da war, erschien sogar Livineia wieder auf der Bildfläche. Die Claudia hatte versprochen, zur Verabschiedung dazusein und so würde sie es auch einhalten. Von ihrer Seite aus gab es nicht viele Tränen zu vergießen. Ihr war Menecrates sympathisch, aber dass sie ihn über alle Maßen liebte konnte sie nicht sagen. Er war eine Respektperson, die sie schätzte. Besonders liebevoll war sie noch nie gewesen. So schenkte sie ihm zum Abschied einen ihrer sehr seltenen Wangenküsse. "Ich wünsche dir viel Erfolg in Germania, Großvater. Vergiss uns nicht, mach der Familie Ehre und komm heile wieder." forderte sie ihn halb floskelhaft, halb ehrlich gemeint auf. Die ebenfalls abreisenden Sklaven würdigte sie keines Blickes, auch nicht diesen unverschämten Manuel. Als Menecrates weg war, wurde es still. Vielleicht kam es ihr auch nur so vor, weil noch eben so viel Trubel im Atrium herrschte. Denn insgesamt wird Menecrates Abwesenheit nur auffallen, da er den Ton im Hause angab - aber nicht oft und nicht laut. Sie schlendere wieder in ihr Zimmer zurück.

    Sie beobachtete ihn während seines Tuns und zog die Urkunde wieder zu sich heran - vorsichtig natürlich, damit vom Wachs nichts verrutschte. Dass er so zufrieden mit ihr war, sah man ihm an und erfüllte sie auch in gewissem Maße mit Stolz. Immerhin war es Menecrates, seine Meinung war nicht nur in diesem Hause gewichtig. "Danke". lächelte sie ihm zu. Dann nahm sie das Pergament vorsichtig auf und überließ Menecrates wieder seiner vielen Arbeit. Sie würde hier nicht weiter gebraucht werden. "Ich wünsche dir noch einen erfolgreichen Arbeitstag!" verabschiedete sie sich und schwebte aus der Tür hinaus - lautlos, galant. So, wie Livineia nun einmal war.

    So also in stillschweigender Einstimmigkeit wurde das Thema von gleichgeschlechtlicher Liebe begraben - und hoffentlich nie wieder hervorgeholt. Dass der Cultus Deorum für Livineia ebenso wenig ein mögliches Thema war, wie das Militär, konnte Romana nicht ahnen. Selbst wenn Patriziern dieser Weg ohne Schande offen stünde, hätte Livineia nur wenig Lust darauf, als Sprachrohr zwischen Mensch und Gott zu dienen. Die Götter in allen Ehren - aber auf die Menschen hatte sie keine Lust. Es waren alles so primitive Frauen und ordinäre Männer mit so abstrusen Fragen, die sie den Göttern gar nicht zumuten wollte.
    Aufmerksam lauschte Livineia den Worten Romanas, die sich auf den Skandal bezogen. Nein, herumklatschen tat Livineia wirklich nicht. Sie hortete lieber alle Informationen die sie irgendwie kriegen konnte, um sie für den eigenen Vorteil zu nutzen. Würde sie die Informationen weitergeben, könnte sie einen Nachteil daraus ziehen. "Eine brüllende Viehherde? So offensiv sind sie vorgegangen? Ohje..." bekundete sie schwungvoll ihr Erstaunen. Die Worte, die danach folgten, ließen nicht nur die Augenbrauen nach oben wandern, sondern auch die Augen vergrößern. Sie öffnete kurz den Mund für einen Einwurf, aber dann ließ sie erstmal Romana zuende kommen. Dann aber ergoss sie sich: "Das ist ja ungeheuerlich! Eine Patrizierin zu vergewaltigen!" Livineia ging gar nicht erst davon aus, dass diese freiwillig mit einem Sklaven Sex haben könnte. Die tatsächlich noch jungfräuliche und enorm idealistische Livineia schüttelte den Kopf. "Dass der sich das Leben nahm verwundert mich nicht. Wenn er so in seiner Schutzpflicht versagt hat, dass ein Sklave es schafft, sie zu so einer Sünde zu bringen..." Livineia rang tatsächlich einmal nach Worten. Unaussprechlich das Ganze. "Ich verstehe auch nicht wie man einen Flavier an den Untersuchungen beteiligen kann. Natürlich hat er ein Recht zu erfahren, was passiert ist - aber mehr auch nicht. Dass da nicht alles ganz normal abläuft, das kann sich wohl der dümmste Plebejer von den Fingern klauben." schnaubte Livineia. Ihre Entrüstung war echt. Sie war nicht so schnell von den Socken zu hauen, verdeckte Morde, "Verschwindenlassen", Affären - das alles nahm sie nur mit Interesse hin. Aber der Mord an einem Feiertag - gekoppelt mit einer Vergewaltigung! So einen Frevel musste man erstmal verdauen.

    Livineia wandte sich sofort wieder dem Schreiben zu, als Menecrates den Namen nannte. Menochares. Sie hätte es falsch geschrieben, wenn er nicht anschließend noch einmal diktiert hätte - Glück gehabt. Also ließ sie weiterhin langsam die Feder über das Papier kratzen, dann und wann wurde das Schriftbild sehr dünn oder deutlich dicker - je nachdem wann sie die Feder ins Fass getunkt hatte.


    Mit diesem schreiben bestetige ich, Herius Claudius Menecrates, dass der Sklave Menochares in den Besitz von Claudia Livineia Übergeht und fortan dieser zu gehorchen hat.


    ANTE DIEM VIII KAL MAR DCCCLXI A.U.C. (22.2.2011/108 n.Chr.)


    Als sie das Datum herunter setzte, fehlten nur noch Siegel und Unterschrift - oder? Mit fragendem Blick schob sie das Schreiben zu Menecrates und fragte: "Fehlt da noch etwas? Das müssten doch alle Informationen sein, die benötigt werden, oder?" Auch sie warf noch einen knappen Blick auf das unsaubere Schriftbild. Es kitzelte an ihrem Stolz, dass sie so unschön und unsicher beim Schreiben war - und schon war Menecrates Plan aufgegangen. Sie nahm sich vor, das alles klar zu verbessern und es ihm in einem Brief, den sie ihm nach Germanien schreiben würde, zu demonstrieren.

    Livineia lächelte Menecrates zu, ein gewisser Stolz erfüllte sie. Menecrates schien tatsächlich nicht völlig egal zu sein, was sie und ihre Meinung anging. Nein, fürwahr, sie interessierte sich nicht nur für Schminke. Philosophie und ähnliches waren ihr einerlei, aber sobald es um politische Macht ging wurde sie hellhörig und interessiert. Wenn es da nichts gab, wo sie sich zu äußern konnte oder sich umhören konnte, dann gab es wirklich nur noch Mode und Zeitvertreib. Aber so ganz ging der "Roman Way of Life" nicht an ihr vorbei. "Gut, dann ziehe ich mich erstmal ein wenig zurück um nicht zu sehr im Weg zu stehen." Diese Worte trafen es sogar mal zu hundert Prozent. Außerdem musste ihr Großvater nun ohnehin los. "Bis später." lächelte sie ihn an und schlenderte dann wieder in Richtung ihres Zimmers.

    Livineia sackte innerlich zusammen. Sie sollte doch jetzt nicht wirklich einen Brief aufsetzen? Wozu hatte man schließlich Sklaven? Aber sie kannte ihren Großvater gut genug, dass jedwedes 'Aber' abgeschmettert würde. Klar, er stand immer voll hinter der Familie, aber sie wusste auch, dass er Faulheit und Bequemlichkeit nicht mochte. Das letzte Mal wurde ihr das deutlich bei den Spielen zu verstehen gegeben. Also lieber nichts riskieren und gehorchen. So machte sie die zwei Schritte um sich langsam auf den Stuhl gleiten zu lassen. Sie konnte gut lesen und noch besser reden - aber schreiben? Und wie verfasste man so eine Übertragunsurkunde? Sie wollte nicht fragen, wollte den Großvater lieber stolz machen. So griff sie mit der Rechten zur Feder und zog mit der linken das Papier aus Menecrates Hand, strich es glatt, tunkte die Feder in die Tinte und überlegte einen Moment, ehe sie anfing langsam zu schreiben.


    Mit diesem schreiben bestetige ich, Herius Claudius Menecrates, dass der Sklave...


    Mit einem fragenden Blick sah sie zu Menecrates. "Wie heißt der Sklave eigentlich? Ich kenne seinen Namen gar nicht mehr..." Sie wirkte nicht verunsichert, ihre doch nicht allzu gute Rechtschreibung war ihr überhaupt nicht aufgefallen.

    Livineias Augen hatten sich ein ganzes Stück geweitet. Nicht schlecht, dafür konnte man tatsächlich eine Zeit in Germanien ertragen. Natürlich nicht sie, aber wäre sie an der Stelle ihres Großvaters hätte auch sie nicht einen Moment gezögert. Aber er schien mit dieser Nachricht selbst ziemlich überrumpelt worden zu sein, warum sonst hatte er nun dieses nur halbwegs organisierte Chaos entstehen lassen? "Das freut mich aber für dich, Großvater! Dafür würde sogar ich nach Germanien gehen, was für eine Ehre für dich." Wie es wohl dazu gekommen war? Wer hatte das angeordnet? Der nicht ungeschickten Livineia schoss der amtierende Praefectus Urbi in den Sinn, von dem sie schon so manches gehört hatte. Diese popelige Plebejer. Warum sollte er ausgerechnet Menecrates dorthin schicken? Freie Schussbahn? Oder kam der Befehl von anderer Stelle? Sie wusste es nicht, aber sie würde die Lauscherchen offen halten.
    Dass sie zudem nicht zurechtgewiesen wurde, dass Linos von hr bestraft wurde, nahm sie als schweigene Zustimmung ihres Großvaters auf und verschaffte ihr große Selbstzufriedenheit. Sie schien richtig reagiert zu haben. Lediglich der Zeitraum bis zur Abreise war für eine Bestrafung doch zu kurz, aber... sie konnte es ohnehin nicht ändern. War auch egal, er war nur ein unbedeutender Sklave. "Gut, dann werde ich einfach ein wenig aufpassen und auf deine Abreise warten. Wir werden dich hier schmerzlich vermissen. Natürlich werd ich das übernehmen, die Leute zu informieren." meinte sie, höflich. Vielleicht lernte man ja auch mal ein paar Leute mehr kennen. Viel zu tun hatten sie nicht miteinander gehabt, aber trotzdem war er der Hausherr gewesen. Wer würde dies nun übernehmen?

    Um händeringend nach Gründen zu suchen, sich bei anderen zu 'verpflichten' war sie in der Tat zu pfiffig - schließlich bedeutete das immer unnötige Arbeit und möglicherweise auch einige Verstrickungen. Das eingeforderte Küsschen, warf sie für einen Moment etwas aus der Bahn - das hätte sie so gar nicht bei Menecrates gedacht. Sie war kein Mensch, der gerne Zärtlichkeiten vergab, aber wenn er das wollte? Er verlangte schließlich keine Hochzeit oder sonsteine gewichtige Sache von ihr, also würde sie seiner Forderung einfach einmal nachkommen. Sie kam also lächelnd hinter dem Stuhl hervor und meinte: "Ausnahmsweise lasse ich dich mal in den Genuss kommen." Schelmisch neigte sie sich vor und hauchte dem Großvater also einen Kuss auf die Wange. Das war für Livineia wirklich weniger selbstverständlich als ausstehende Leute vermuten würden.
    Die Schreibkenntnisse hingegen irirtierten sie ebenfalls, da sie nicht ganz hinter den Zusammenhang kam. Sie war nicht dumm, absolut nicht, aber Schreiben hatte sie nie vertieft. Sie konnte es zwar, aber hatte noch kein eingefahrenes Schriftbild und absolut keine Routine. Als Frau gab es einfach zu wenige Anlässe bei denen man schreiben musste und freiwillig sah sie nicht ein. Da redete die wortgewandte Livineia lieber und spielte zugleich mit Gestiken und Blicken. "Naja, Schreiben kann ich." meinte sie zögerlich und blieb im Raum stehen, eine Hand auf der Stuhllehne, eine auf dem Bauch.

    Nein, Livineia merkte nicht, dass sie sich lächerlich mache. Dadurch, dass das Ventil unmittelbar vor ihrer Nase stand, hatte sie sich schnell wieder gefangen - eben auch innerlich. Sie betrachtete Linos, als er hochrot wurde - und den Handabdruck, der dies ebenso tat. Sie sah ihn beinahe provokativ an, lauernd, dass er sich gehen ließ. Aber er tat es - zu seiner eigenen Sicherheit - nicht. Braver Junge. Als er ihr den Blick direkt in die Augen richtete, sah sie voller Arroganz zurück. Ihr Blick ließ deutlich erkennen, dass sie in Linos nichts als ein schreibendes, leicht nützliches, aber verabscheuungswürdiges Insekt sah. Als sie das Grinsen bemerkte, hob sie knapp eine Augenbraue minimal an. Aber sie reagierte nicht auf diese offensichtliche Provokation. Sie konnte dafür sorgen, dass er ein grauenhaftes Leben lebte - selbst wenn er mit nach Germanien ginge. Sie war sich nichtmal sicher, ob Menecrates ihrem Wunsch entsprechen würde, Linos in Italia zu belassen, aber irgendwie würde sie es einrichten können. Sie mochte im Reich nicht viel Macht besitzen, noch nicht, aber in diesem Haus tat sie es. "Nun verschwinde, du hast doch zu tun?" forderte sie ihn mit heller Stimme auf und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Großvater zu. Linos war vergessen, wenigstens äußerlich. "Verzeih bitte, wo waren wir gerade?" versuchte sie den Faden wieder zu finden. Sie war sich sicher, dass er ihre Reaktion sehr gut verstehen konnte. Auch wenn sie vielleicht nicht unmittelbar selbst hätte schlagen sollen, aber sie hatte nicht warten wollen.

    Livineia hatte mit nichts Bösem gerechnet - tat sie eigentlich nie. Vor Allem rechnete sie nicht damit, dass irgendwelche dahergelaufenen Sklaven es sich auch nur im Traum erlauben könnten, sie gegen ihren Willen zu berühren. Oder, noch schlimmer, sie anzurempeln. Sie spürte einen leichten Ruck, fing sich aber natürlich schnell. Eigentlich war das alles nicht schlimm gewesen, für einen normalen Menschen. Livineia allerdings war nicht normal und sah sich auch nicht als normal an - sie war von Adel. Und sie war diesem ganzen, elenden Sklavenpack überstellt. Sie sah Linos aus glühenden Augen an. Sie sagte gar nichts. Innerlich rang sie nach Worten, die sie vor ihrem Großvater so nicht nach außen tragen wollte. Und bevor sie anfing, zu haspeln und zu stottern, schwieg sie für den Moment um sich zu sammeln. Gleich ob er den Blick gesenkt hielt, oder nicht, Livineia starrte ihn zornentbrannt an. "Du... wagst es..." zischte sie leise. Entschuldigung hin- oder her, diese interessierte sie in diesem Moment kein bisschen. Sie holte aus und verpasste Linos eine schallende Ohrfeige. Und das konnte sie. Meistens überließ sie Bestrafungen anderen, aber in diesem Affekt war es wenigstens wirklich demütigend, da die komplette Belegschaft anwesend war. Und da auch die Situation akut zustande gekommen war, hätte eine verspätete Abstrafung nichts gebracht. "Du wirst bis zur Abreise keinen Bissen mehr zu dir nehmen. Wehe du handelst dem zuwider, dann lernst du mich kennen." Oh, das war eine ausgezeichnete Idee. So konnte sie ihr Gesicht vor ihrem Großvater wahren und Linos selbst würde doppelt leiden - er durfte nichts essen, war aber frei in seinen Bewegungen. Zu können aber nicht zu dürfen musste wetaus schlimmer sein, als nicht zu können, aber zu dürfen. Sie war zufrieden. Sie dachte nicht im Traum daran, dass Linos sich ihren Anordnungen widersetzen könnte. Dafür war sie zu majestätisch. Und fürwahr, sie hatte nicht die Beherrschung verloren.

    Mit beidseitig hochgezogenen Augenbrauen beobachtete sie den Gesprächsverlauf. Oh ihr Götter. Wären die Menschen um Menecrates herum nicht Sklaven - also gar keine Menschen - hätte Livineia Mitleid. Noch mehr Mitleid allerdings hatte sie mit Menecrates, dem sie gar nicht mehr zugetraut hätte, soviele Gespräche und Anweisungen gleichzeitig zu führen. In jede Richtung gingen seine Anweisungen, er benannte die Sklaven bei ihren Namen! Sie war erstaunt, sie konnte sich dieses unwichtige Volk überhaupt nicht merken. Geschweige denn an sovielen Baustellen gleichzeitig arbeiten. Unter all diesen wilden Worten hätte sie beinahe ihren Einsatz verpasst, als sich ihr Großvater an sie wandte. Fast - aber auch nur fast - hätte sie ihn überrumpelt angesehen. Etwas ungläubig fragte sie: "Aber was, in aller Götter Namen, führt dich nach Germania? Das Wetter ist grauenhaft, die Menschen sind grauenhaft..." Nicht, dass sie seine Entscheidung nicht tolerierte, aber für sie war es absolut nicht nachvollziehbar. Sie hatte schließlich nicht mitbekommen, dass es sich um eine wichtige Amtsübergabe handelte. Aber, immerhin, musste sie offensichtlich nicht mitreisen. Von der allgemeinen Geschäftigkeit unberührt, überlegte sie, ob sie Menecrates nun wirklich nicht im Weg stand. Etwas zaghafter als ihre vorher genannten Zweifel, erbot sie sich nun, zu helfen. "Großvater, wenn ich irgendetwas tun kann um dir zu helfen, dann lass es mich wissen. Aber was ist denn nun eigentlich passiert? Ist jemand erkrankt?" Ein fragender Blick traf den nachdenkenden, älteren Herren, der mit seinen Gedanken schon seiner nächsten Aufgabe nachhing. Germanien, brrr.

    Widerwillig murrend wurde Livineia wieder einmal herbeigepfiffen. Aber da es sich augenscheinlich um eine Aufforderung durch Claudius Menecrates handelte und sich der Sklave ausnahmsweise absolut korrekt verhalten hatte, hatte sie sich sogleich erhoben, die Schriftrolle zur Seite gelegt und sich auf den Weg ins Atrium gemacht. Worum es ging - keine Ahnung. Aber das war ja jetzt auch nicht von Relevanz, das würde sie wohl gleich erfahren. Mit leichten Schritten schwebte sie quasi heran. Sie bekam nur mit, dass der germanische Sklave, gegen den sie sich entschieden hatte, als es um die Auswahl ging, irgendetwas von einer Reise faselte. Innerlich bekam sie schon wieder einen leichten Brechreiz - Hoffentlich betraf es nicht sie. Aber Mencrates schien die ganze Villa zusammengetrommelt zu haben - würde er etwa gehen? "Hallo Großvater, du hast rufen lassen?" fragte sie mit einem liebenswerten Tonfall und lächelte ihn aus ihren kalten Augen an.

    Auch Livineia sah es ähnlich wie Romana. Sie würde es nicht direkt aussprechen, nicht unbedingt, aber der Gedanke, dass der Mann, den sie irgendwann einmal zweifelsohne haben würde, seine Nase - oder anderes - in anderer Männer Angelegenheiten - oder Dinge - steckte, missfiel ihr absolut. Es würde sie nur geringfügig stören, wenn er mit einer anderen Frau schlief, denn umso mehr Ruhe würde sie haben. Und für eine andere Frau würde sie ohnehin niemals sitzengelassen werden, dafür war sie eine viel zu gute Partie. Ihr Mann würde sich derlei Spiele überhaupt nicht leisten können, ohne seinen guten Ruf zu verlieren. Und körperliche Liebschaften bedeuteten ohnehin nichts. Sie konnte die ganzen jungen Dinger nicht verstehen, die von Liebe und großer Vereinigung sprachen - das waren doch so unwichtige Dinge. Viel elementarer waren Macht und daraus resultierender Zusammenhalt. Oder eher Zusammenhalt und daraus resultierende Macht? Völlig irrelevant. Fakt war, dass eine Ehe nicht fürs Herz dient. Dafür gibt es Kleider, Essen und Bäder! Nicht zu vergessen Schmuck und möglicherweise Reisen.
    Als es um den Skandal ging, wurde ihr Interesse jedenfalls schlagartig geweckt. Das war Klatsch und Tratsch und gleichzeitig Politik. Die Aurelier hatten sich in große Probleme gebracht, erinnerte sich Livineia. Auch wenn sie selbst nicht in Rom gewesen war, als der große Frevel passierte. "Das ist natürlich ärgerlich. Aber erzähl mal, wie ist es überhaupt publik geworden, wie ist die Öffentlichkeit darauf aufmerksam geworden? Ich weiß eigentlich überhauüt keine Details, erzähl mir bitte alles, was du weißt - und natürlich überhaupt erzählen darfst." So scharfsinnig war Livineia dann doch, um ihre Neugierde soweit zu zügeln, dass sie nicht dumm wirkte. Aber sie war nun einmal interessiert, wenn es um die Schicksale - und Nachteile - der anderen Familien ging, die ebenfalls in der oberen Liga mitspielten. Für sie war die Nobilitas ein gefährliches Pflaster von Feinden, die dennoch Freunde waren. Eine Hassliebe sozusagen.

    Livineia empfand dies ebenfalls als Normalität und da sie keinen anderen Alltag kannte, vermisste sie auch nichts. Sie hatte sich so sehr in ihren Trott eingefunden, dass jegliche Abweichungen von ihm eher als Störung denn als Wohltat aufstießen. Lediglich Theater oder ähnliche Besuche, Familienfeiern - das waren willkommene Abwechslungen wenn ihr Kopf dies zuließ und sie nicht zu starken Schmerzen unterlag. Heutzutage wäre es eine schwere Katastrophe für Livineia, nicht mehr diesen Reichtum um sich zu haben. Sie könnte sich nicht mehr umgewöhnen, sie wusste, was sie hatte, was sie war. Würde man sie des Geldes berauben, würde man sie ihrer Existenz berauben - und hiermit sei die charakterliche Existenz gemeint. Keine Gedanken an den Morgen zu verschwenden, alles andere wäre für sie abstrus.
    Als er auf ihren Wunsch einging, lehnte sie sich leicht nach vorn, nachwievor mit einem Lächeln auf den schönen Lippen. Wie gut er ihre Worte erfasst hatte! Aber er machte dennoch eine gewisse Spielerei aus der ganzen Angelegenheit, was sie aber nicht im geringsten störte. Dies gehörte wieder zu den kleinen Alltagsabweichungen, die ihr willkommen waren. Als er zu ihr herum kam, folgten ihre Augen ihm wachsam - nanu? Das 'Nanu' war ihrer Stimme allerdings nicht anzuhören, als sie ihm eine dankbar klingende Antwort gab, abschließend sagte sie also: "Das ist nett, vielen Dank Großvater! Wenn du eine gute Meinung von ihm hast, wird er diese sicherlich auch hervorragend erfüllen können." Als er so vor ihr stand, überlegte sie einen Moment, ob sie aufstehen sollte. Höflich wäre es allemal, denn für gewöhnlich war der Sitzende der Machthabende - solche Spielchen spielte sie aber nur mit jedem anderen, nicht mit Menecrates. So entschloss sie sich in einer späteren Sekunde, aufzustehen und sich hinter den Stuhl zu stellen, die Hände auf der Lehne.
    Eine Gegenleistung? Ihr Gesichtsausdruck wurde verschmitzt. Innerlich war da eher Skepsis - was sollte sie ihm schon als Gegenleistung erbringen können? Seine Frage schätzte sie ohnehin als rein rhetorisch ein, ihre Meinung war nicht gefragt, da war sie sich sicher. Schnurrend fragte sie dann also: "Was könnte ich schon für eine Gegenleistung erbringen? Meinen vollkommenen Respekt hast du ohnehin schon - was wünscht du dir denn?" Sie wagte einen gekonnten Augenaufschlag. Eigentlich wollte sie keine Gegenleistung erbringen, eigentlich wollte sie nur den Sklaven haben. Menecrates konnte sie ohnehin stets um Gefallen bitten. Nur die Wenigsten würde sie ihm ausschlagen.

    In der Tat war Livineia selten auf dem Weg um jemanden in seinen eigenen Räumen aufzusuchen, denn sie mochte es nicht, sich als 'hergerufen' zu fühlen. Auch wenn sie gar nicht gerufen wurde, fühlt sie sich als Bittsteller, als Gast irgendwie schwächer als wenn sie auf 'neutralem Boden' war. Aber heute war sie Bittsteller. Und heute störte es sie auch nur mäßig bis gar nicht.
    Als er erzählte, dass sein Tag gut aussah, lächelte sie ihn fröhlich an. Das klang nach einer guten Basis für ihre Bitte, es würde nicht allzu schwierig werden. "Mein Tag war bisher auch sehr angenehm. Die Luft ist sehr schön, klar, und alles in Allem schlafe ich auch wieder deutlich besser als auf Reisen." erzählte sie ihm. Sollte sie jetzt wirklich schon direkt mit ihrer Bitte herauskommen? Wenn er sagte, er hätte viel zu tun, dann war es vermutlich sogar besser, wenn sie ihn nicht zu lange von seiner Arbeit abhielte. Außerdem schien er schon genau zu spüren, warum sie hier war. Also fackelte sie nicht lange und rückte mit der Wahrheit heraus: "Dieser Nubier, der für dich in der Arena gekämpft hat - der ist gut. Er wirkt recht zivilisiert auf mich. Und nun, zurück in Rom, könnte ich gut eine kräftigen Begleiter gebrauchen, der halbwegs schmuckhaft ist. Dürfte ich ihn haben?" Naja, könnte, hätte, eventuell - das waren alles keine Worte für Livineia. Sie erklärte direkt heraus, was sie von Menecrates wünschte und sah ihm lächelnd direkt in die Augen. Er würde ihren Wunsch sicher erfüllen, schließlich war sicheres und standesgemäßes Auftreten seiner Enkelin auch in seinem Interesse.

    Ihr Blick sprach sehr dafür, dass ihre Worte ernst waren, zumindest bis sie seinen nahezu ungläubigen Blick realisierte. Dann huschte ein leichter Schalk in ihre Augen. Oh wie diplomatisch ihr Bruder wieder war, aber irgendwie war er damit auch im Recht. Heute musste man ein wenig aufpassen, da konnten vermutlich sogar unbedachte Zweideutigkeiten, die gar nichts mit Verrat zu tun hatten, schlecht rüberkommen. Man musste schließlich nichts provozieren und bevor jemand von ihrer beider Gespräch etwas vernahm, würde sie dies auch lieber wieder auf ein harmloseres Maß herabsenken. Sie wusste nicht, ob man dem Vescularier etwas zutrauen konnte - aber man musste hierbei ja kein unnötig großes Risiko eingehen, wie Felix schon andeutete. "Natürlich ist das so. Und ich bin stolz zu der größten Familie zu gehören, die Rom je gesehen hat." Dass sie damit nicht die zählbare Größe meinte, war vermutlich beiden bwusst. Zumindest ging sie davon aus.
    Dass sie beide bereits belauscht worden waren - davon hatte Livineia zum sehr großen Glück der beiden gar nichts mitbekommen. Zu sehr war sie auf sich, ihren Bruder, auf sich, ihr Worte und auf sich fixiert. Lediglich als er für eine längere Zeit immer wieder an ihr vorbei linste, runzelte sie etwas die Stirn und drehte sich schließlich um. Da war nichts. Etwas zweifelnd sah sie wieder zu ihrem Bruder. "Was ist denn los? Du wirkst so abgelenkt." fragte sie ihn etwas ungeduldig, während sie nach einem Stück Honigbrot griff - dem letzten Teil ihrer heutigen Mahlzeit. Sie wollte nicht zu dick werden.

    Wie Recht der Großvater doch hatte. Als sich die Tür öffnete fand sich die, wie immer, perfekt zurechtgemachte Enkelein dahinter. Ohne weiteres Zögern trat sie herein und kam auf ihren Großvater zu, diesem ein bezauberndes Lächeln schenkend. Aber bei ihm war sie sich gar nichtmal so sicher, ob er nicht auch eine gewisse List in ihren Augen ablesen konnte, denn er hatte schon eine ziemlich gute Lebenserfahrung, selbst mehrere Töchter und kannte auch Livineia schon recht gut. Immerhin kam sie immer zu ihm, wenn der Vater einmal nicht verfügbar war und sie irgendein Anliegen hatte. Aber es war, fand sie, einfach höflich die Mühen auch einfach unter Beweis zu stellen und den Erfolg nicht vorauszusetzen.
    Mit einer eleganten Geste setzte sie sich ihm gegenüber. Als Frau und Enkelin fand sie nicht, dass sie auf eine Aufforderung warten müsste - das fand sie stets als selbstverständlich. Schließlich konnte sich die Familie immer sicher sein, dass sie sich nach außen hin immer korrekt verhielt. "Guten Tag, Großvater!" begrüßte sie ihn fröhlich und unbeklommen. "Ich hoffe du hast einen angenehmen Tag?" erkundigte sie sich nach ihm. Ein wenig interessierte es sie sogar wirklich, denn dann wusste sie, wie sie seine Laune einschätzen musste und wie es ratsam war, vorzugehen. Außerdem konnte sie vielleicht sogar irgendwelche Informationen aufschnappen.