Beiträge von Claudia Livineia

    Livineia verfolgte das Geschehen interessiert. Eine gute Inszenierung. Hoffentlich würden die Götter gnädig gestimmt, auch wenn sie sich das nur schwerlich vorstellen konnte. Schließlich war ein großer Frevel vorgefallen und es wurde nicht gerade sofort die Welt in Bewegung gesetzt, um das Geschehene zu sühnen.
    Eine Kreuzigung war da das Mindeste. Wie mochte sie wohl für den Betroffenen selbst sein? Sofern er noch lebte, verstand sich natürlich. Wie groß war die Angst? Fügte man sich schnell in dieses Schicksal? Wie schnell trat der Tod ein und wovon war es abhängig? Es gab sicherlich viele Faktoren. Der Tod in der Arena musste schlimmer sein, glaubte jedenfalls die Claudia. Da wurde man mit großer Angst konfrontiert, man musste kämpfen. Bei der Kreuzigung wurde einem jede Entscheidungsmöglichkeit ja von vornherein gestrichen.
    Claudia warf ihrem Bruder einen kurzen Blick zu und flüsterte leise: „Es hätte viel früher etwas geschehen müssen. Auf die Schandtat wurde teilweise sogar fehlerhaft reagiert.“ Und damit wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Schauspiel zu.

    Livineia betrachtete den Medicus eingehend. Natürlich tat sie das. Zumindest so eingehend, wie es nur ging. Es fiel ihr dieses Mal schwer, eine verfrühte Meinung zu bilden, ihre Gedanken kreisten nur um die Hoffnung auf Linderung der Beschwerden. Sie wusste nicht einmal, ob sie sein bestimmtes - beinahe schon unhöfliches Verhalten - als professionell oder eher plump bewerten sollte.
    Es half wohl nichts, als sich einfach überraschen zu lassen. "Ich habe seit längerer Zeit enorme Kopfschmerzen. An manchen Tagen fühlt es sich an, als würde mir der Kopf zerbersten wollen." begann sie also sachlich seine Frage zu beantworten. Die Schilderung des Grades traf es dieses Mal auch ziemlich genau, wenngleich Claudia sonst oftmals zu Übertreibungen neigte. "Außerdem wird mir sehr schnell schwindelig. Es gibt Tage, an denen geht es einigermaßen. Aber die Tage, an denen mich das kleinste Geräusch unheimlich quält, überwiegen deutlich." Während sie sprach, bedeutete sie Mansuri, den Raum zu verlassen. In dieser intimen Athmosphäre duldete die Claudia ausschließlich ihre Leibsklavin Corona in ihrer näheren Umgebung.

    Braver Bruder. Claudia war stolz auf ihren Felix, denn er nahm ihre Verbesserungsvorschläge an. Unbedingt notwendig waren sie vermutlich nicht gewesaen, aber sie hatten die Suppe doch ein wenig verfeinert. Als er sogleich wieder zum Schreibtisch eilte, blieb sie auf der Kante sitzen und blickte ihm beim Schreiben über die Schulter. Wie seine Frau wohl einmal sein würde? Ein wenig eifersüchtig war sie schon, dass eines Tages eine andere Frau hinter ihm sitzen, ihm beistehen und ihn dirigieren würde. Sie hatte Freude daran, auf diese Weise für ihn dazu sein - das brachte sie schließlich alle beide weiter. Es schweißte sie zusammen und nährte ihrer beider Wissen. Aber er würde wohl immer ihr Bruder bleiben, ganz gleich, welche Frau da kommen mochte.
    Sie strich ihm einmal kurz übers Haar, ehe sie wieder auf ihr Gespräch einging. "Ja, genau, das sind ihre Namen." bestätigte sie. Ebenso bestätigte sie auch seinen weiteren Vorschlag. "Ja, sie waren großartig. Auch wenn der Kampf unserer beiden Sklaven, Menochares und diesem Wilden, durchaus etwas interessanter hätte laufen können. Aber Großvater hat keine Kosten und Mühen gescheut und darauf kommt es schließlich an." schloss sie und sah ihn lächelnd an. Wie es Großvater wohl in Germanien ging? Hoffentlich kam er - niemals! - auf die Idee, dass sie ihn besuchen sollten.

    Sie setzte sich leicht auf die Schreibtischkante, als er aufgestanden und in die Raummitte gegangen war. Die volle Aufmerksamkeit galt ihrem kleinen Brüderchen. Ehe er begann, warf sie ihm ein aufmunterndes Nicken zu. Dass er sich auf Vater und Großvater bezog, fand Livineia sehr gut. Es waren beides wichtige Persönlichkeiten. Dass er sie erwähnte, fand sie wiederum rührend. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob es angebracht war. Auf der politischen Rostra auf keinen Fall. Aber dazu später.
    Nachdem er geendet hatte, fragte er nach ihrer Meinung. Und die bekam er. Mit ruhiger, nachdenklicher Stimme. „Ich denke, du solltest weglassen, wie lange du wieder in Rom bist. Ist nur ein Grund, für irgendwelche unnötigen Fragen. Wenn sie das wissen wollen, fragen sie. Sag am Besten, dass du pünktlich zu den ausgerichteten, großartigen Spielen zurück warst.“ Sie sah ihn fragend an. Natürlich sollte auch er seine Meinung zu ihren Worten kundtun.
    Aber Moment! Ehe er wieder beginnen konnte, fiel ihr noch etwas ein. „Und schmücke mehr aus. Du klingst sehr bescheiden, was nicht falsch ist – aber als Claudier nicht notwendig. Sag welch großartige Lehrer du in verschiedenen Disziplinen hattest. Sag, wie groß du zu Ehren Roms werden willst. Lediglich bei den Worten zur Aufnahme würde ich bei dieser ehrerbietenden Variante bleiben.“ Sie nickte zur Unterstreichung ihrer Worte.

    Livineia kannte noch nicht ganz soviele Gesichter wie ihr Bruder, was vermutlich vor Allem am 'Frausein' lag - sie war noch nicht allzu oft raus gekommen. Ein paar Gesichter kannte sie noch von der Sponsalia von... wie hieß sie gleich? Aurelia Flora, oder? Auf jeden Fall war es eine Aurelia. Aber nicht einmal eine vorteilsbedachte Livineia konnte sich die alle merken. Nicht in so kurzer Zeit. "Ja, das ist wahr." stimmte sie hierbei aber zu. Die beiden kannte sie, natürlich, waren sie doch entfernte Verwandte. Aber eben auch nur knapp, darum fiel es ihr schwer, die Ähnlichkeit auszumachen. Aber wichtig aussehen, das konnten sie beide. Richtig so.
    Salinators Auftritt quittierte sie nur mit einem vielsagenden Blick Richtung Bruder. Sie hatte ihn bisher noch nicht persönlich getroffen, aber dennoch wusste sie gleich, um wen es sich handelte. Sein Auftritt hatte also dem Zweck der Sache gedient. Imposant, nicht nur seine Aufmachung. Auch sein Bauch. Trotzdem, wie sie ihn so sah, war er anders, als in ihrer Vorstellung. Er wirkte hoheitlich, nicht plebejisch. Und das missfiel ihr. Er nur einfacher Pöbel. Pöbel, der es aus irgendeinem Grund weit geschafft hatte. Mochten die Götter wissen, wieso - sie wusste es nicht. "Gigantisch, mh?" flüsterte sie und schmunzelte den Bruder an. Er kannte ihr Meinung und wusste gewiss, wie er ihre Worte zu deuten hatte. Da war sie sicher. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit allerdings wieder dem Geschehen zu. Und immer einmal wieder Salinator.

    Livineia hatte sich mittlerweile neben ihn gestellt und lauschte seinen Worten. Salii Palatinii also? Sie schmunzelte leicht und legte ihre Hand bekräftigend auf seine Schulter. "Dir fällt nicht so richtig ein, was du Schreiben sollst?" erkundigte sie sich also mit freundlicher Stimme, fügte dann aber direkt hintenan: "Dann stell dich einfach hier in den Raum und erzähl runter, wer du bist, woher du kommst, was du kannst und was du erreichen willst. Rede einfach. Und wenn die Worte ausgesprochen sind, wird es dir sicher sehr leicht fallen, sie zu Papier zu bringen. Und es wird leichter sein, sie vorzutragen, denn es sind dann wirklich unverfälscht deine Worte. Auch wenn du noch nicht ein so geübter Redner bist, wirst du nicht viel an deinen improvisierten Worten ändern müssen, um bei den Anderen Eindruck schinden zu können."
    Sie fand ihre Idee sehr gut, wenn sie jemals eine Rede würde halten müssen - was mehr als unwahrscheinlich war - würde sie es vermutlich genauso machen. Geschrieben wirkte alles vollkommen anders, als wenn man es ausgesprochen hatte. Und ändern konnte man die Rede noch immer. "Ich höre dir gerne zu und geb dir Ratschläge." schlug sie vor und sah mit einem Lächeln zu ihm herab.
    Auch wenn er fast fertig war, sie war sich sicher, dass er noch x-Mal die Rede durchstreichen und neu verfassen würde. Indem sie ihm zuhörte, auch wenn es nur improvisiert war, hatte er gleich eine weitere Meinung und sie würde ihn auch gleich auf seine Gestik ansprechen können.

    Mittlerweile nicht mehr allzu schwach auf den Beinen hatte Livineia sich dazu ‚herabgelassen‘ mitzukommen. Es hatte nicht so viele Überredungsversuche gebraucht, denn schließlich war es eine Staatsangelegenheit und Livineia war die letzte, trotz nicht allzu großer Religiosität, die den realen Zorn der Götter auf sich oder der Familie wissen wollte. Außerdem waren hier viele – wirklich – interessante Menschen zu sehen. So war sie sehr froh gewesen, dass ihr Bruder sie gefragt hatte. Menochares war natürlich ebenfalls mit von der Partie, denn ohne Leibwächter verließ sie die Villa schon lange nicht mehr. Auch nicht, wenn ihr geliebter Bruder an ihrer Seite war. Den Nubier hatte sie also neben ihrer Sänfte hergehen lassen und ließ ihn nun dort zurück.
    Beinahe schon mit einem huldvollen Lächeln ließ sie sich von Felix aus der Sänfte geleiten und hakte sich bei ihm ein. Er wusste eben, was sich gehört. Hätte sie die Zeit für die Kosmetik nicht gehabt, hätte sie das Haus vermutlich nicht einmal verlassen. „Gut siehst du aus.“ Flüsterte sie ihm leise zu und ging dann an seiner Seite zu ihrem Platz. Heute würde sie vielleicht endlich mehr über die Geschehnisse erfahren. Sie wusste zwar mehr, durch ihre Tante Romana, hatte aber ihr Wort gegeben nicht darüber zu sprechen. Und sich daran gehalten.

    Auch Livineia hatte sich entschieden, einmal wieder nach ihrem kleinen Bruder zu sehen. Ziemlich genau, als Mansuri herausgeeilt kam, war Livineia hineingeeilt. Sie hatte die Sklavin gerade noch davongehen sehen. Bestimmt hatte er sie wieder freundlich gebeten, ihm dies und jenes zu bringen. Anderseits - bei Mansuri war sich Livineia guten Benehmens und einiger Selbstständigkeit sicher. Aber mehr als diese Überlegungen war die Situation ohnehin nicht wert und so trat sie leise in das Studierzimmer ihres Bruders ein. Sie hatte darauf verzichtet, anzuklopfen. Lächelnd kam sie näher und blieb vor seinem Schreibtisch stehen. "Was treibst du zu so später Stunde denn noch? Draußen ist bereits die Dämmerung ganz gut vorangeschritten und du arbeitest hier immer noch." fragte sie mit liebenswrüdiger Stimme und sah kurz auf seine Arbeiten. Nicht heimlich, denn es war unter ihrer Würde, zu 'spitzeln'. So neugierig war Livineia dann auch wieder nicht. Ihr Blick war eher als eine Art Interessensbekundung gedacht.

    Claudia nickte verstehend. Was Romana sich dachte, war natürlich absolut berechtigt. Natürlich waren die Götter erzürnt und warum sollten sie das den Menschen nicht eindeutig zu spüren geben? Da war eine Herde ja noch eine geradezu gnädige Variante. Würden die Sklaven in ihrem Wirkungsraum etwas Ähnliches treiben, würde ihr Zorn wohl nicht geringer ausfallen - und das, wo sie selbst doch deutlich weniger 'göttlich' war. Wohl eher gar nicht, höchstens durch die Vorfahren. Livineia ließ dann auch wieder ein paar Sekunden des Schweigens vergehen - daraufhin musste man schließlich nichts erwiedern - bis Romana wieder das Wort ergriff und auf die Tat an sich nochmals zu sprechen kam.
    Livneia schüttelte nur den Kopf, als Romana nun die näheren Umstände zu dem Aurelisch-Flavischem Machtwechsel erläuterte. Beruhigend schmunzelte Livineia in Richtung Romana und ließ ihren seltenen Optimismus hören, der eher einer Art von Verdrängung glich. "Nein, auf keinen Fall. Jeder weiß, was unsere Familie in all den Jahren geleistet hat. Man will vermutlich nur auch anderen einmal die Gelegenheit geben, ein wenig zu beweisen, was in ihnen steckt. Natürlich ist es wunderbar, an der Spitze zu sein - und das sind wir zweifelsohne. Aber vollkommen allein dort oben kann es schon einmal einsam werden, denn mit niedriger gestellten geben wir uns doch nicht hab." Livineia gab ein eher gekünsteltes Lachen von sich. Sie wollte ihr Amusement über die eigenen Worte nicht allzu laut erklingen lassen.
    Dann hielt sie einen Moment inne und meinte mit etwas gedämpfterer Stimme: "Immerhin sind es Flavier. Stell dir vor, noch mehr Plebejer hätten noch mehr Sagen über das römische Volk - wo kämen wir da hin?" Diese Worte waren eindeutig ein Seitenhieb gen Praefectus Urbi Salinator. Und Romana würde dies ohne jede Skepsis als solchen verstehen - die dumme, persische SKlavin vermutlich weniger. Aber selbst wenn sie es verstand - dann würde sie auch genug Weisheit aufbringen können, ihre Klappe zu halten. Oder?
    So plauderten Livineia und Romana noch eine ganze Weile hin und her, was Livineia regelrecht genoss. Schließlich bekam sie wieder Futter in Form von Neuigkeiten - und das mundete ihr deutlich mehr, als jeder Wein. Nur auch eine Vestalin musste sich irgendwann verabschieden und so hauchte Livineia der Tante noch einen Kuss auf die Wange, als sie sich verabschiedeten. "Ich hoffe, wir werden uns bald wiedersehen." sagte sie höflich und machte sich dann auf den Weg, in ihr Cubiculum.

    Livineia war ein wenig eingedöst, Corona hatte auf sie Acht gegeben. Livineia war kein Mensch, der sich geschützt unbedingt besser fühlte - aber es war doch entspannend, wenn man wusste, für die eigenen Belange wurde gesorgt. Das Klopfen selbst hatte Livineia nicht vernommen, aber Corona hatte sie leise geweckt und war anschließend zur Tür gegangen, um diese zu öffnen. Diese Zeit hatte Livineia nutzen können, um sich leicht aufzusetzen und zur Tür zu sehen. Vermutlich war das schon der Medicus?
    Sie nickte den Ankommenden knapp zu, rang sich aber - natürlich - nicht zu einem Lächeln durch. "Salve." grüßte sie Mansuris Anhang also. Mansuri selbst wurde nicht begrüßt, aber die war ja schließlich auch eben erst aus dem Raum gegangen. Wieviel Zeit war eigentlich seitdem vergangen? Livineia hatte keine Ahnung. Sie war blass, blasser als sie es in ihrem patrizischen Stolz für gewöhnlich war.

    Die sonst so aufmerksame Livineia hatte nichts von Coronas und Menochares' Zwiegespräch mitbekommen, nicht gesehen, wie die Sklavin still genickt hatte. Als sich Menochares an ihrem Bett niederkniete und ihr beruhigende Worte zuflüsterte, war sie wirklich überrascht. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln statt irgendwelcher Worte und schloss dann wieder die Augen. Endlich war sie mit Corona allein. Sie wusste, dass sie sich auf die blonde Sklavin verlassen konnte. Nun konnte sie in Ruhe die Augen schließen und wusste, dass jemand für sie sorgen würde.

    Sie hatte registriert, dass Delon sich zu benehmen wusste und schwieg. Aber kurz darauf kam schon wieder Menochares herein, das Türöffnen konnte man einfach nicht überhören. Wohl aber das Hereinkommen und Schließen von ihrer Leibsklavin Corona. Als Menochares ungebeten zu sprechen bekann, kniff sie ihre Augen kurz zusammen, angestrengt, um sie dann zu öffnen und zu ihm zu sehen. "Nein, ich habe das Gefühl, mein Schädel explodiert gleich." sagte sie leise und sah dann zu Corona, die Delon mit leisen Worten hinaus schickte. Braves Mädchen.

    Sie lauschte seinen Worten. Er schien wenigstens überaus zivilisiert zu sein. Sie würde noch Freundinnen brauchen, hier in Rom, damit er wirklich zu seinen vollen Fähigkeiten käme. "Nach dem Eingriff wirst du noch das eine oder andere lernen. Ich werde mit meinem Bruder noch Genaueres besprechen." erklärte Livineia. Möglicherweise massieren oder sogar medizinische Dinge, damit man nicht außer Haus einen Mediziner aufsuchen musste. Sie reichte ihm den Becher wieder und ließ sich matt in ihre Kissen zurücksinken. Angestrengt schloss sie die Augen, ihre Schläfen pochten wieder.

    Mühsam richtete sich Livineia auf und nahm den Becher mit unsicherer Hand, verschüttete aber nichts. Sie musterte den Sklaven aus den Augenwinkeln. Als sie den Becher wieder absetzte fragte sie dann, noch immer sehr leise: "Was kannst du denn außerdem noch alles? Erzähl mir alles, was irgendwie von Relevanz ist - Kochen, Rhetorik, Sprachen..." forderte sie ihn dann auf. Auf dem Markt war sie wegen des Preises nicht weiter misstrauisch gewesen, aber allmählich nagte es doch an ihr.

    Sie hörte Mansuri aufmerksam zu, die weitere Hilfen leider verneinte. Aber besser so, als wenn sie ahnungslos an Livineia herumgepfuscht hätte. In ihrem Hinterkopf formte sich dennoch ein Gedanke, der unbedingt weitergedacht werden müsste. Aber zu einem späteren Zeitpunkt, nicht jetzt. "Du darfst gehen." bestätigte sie also nur der Sklavin, die als wohl einzige ihre Pflichten in diesem Haus kannte. Es war angenehm, nichts erklären und befehlen zu müssen. So hatte ein Sklave zu funktionieren. "Schenk mir Wasser ein." trug sie dann Delon auf. Es war eigentlich außerdem sehr angenehm, sich mal wieder bewirten zu lassen. Eigentlich hatte sie in den letzten Tagen viel zu viel getan, vielleicht ging es ihr ja deshalb so schlecht...

    Livineia, die sich gern eingebildet hätte, persönliche Sorgen bewegten die Sklaven zu solchen Mühen, wusste genau, dass sie sich nichts vorzumachen brauchte. Aber das wiederum erhärtete sie innerlich. Es konnte ihr auch egal sein, unter Sklaven brauchte sie keine Freunde. Die Sklaven aber brauchten sie. Sie blickte Mansuri an und zögerte einen Moment. Dann sagte sie mit leiser Stimme: "Ja, ruft einen Medicus. Aber achtet drauf, dass er auch wirklich etwas kann." Sie hatte schon genügend Besserwisser an ihrem Bett stehen gehabt. Und die Sklaven würden schon wissen, wo man hier in Rom am Besten an einen fähigen Arzt käme. Es behagte ihr zwar nachwievor nicht, aber wenn sie stets mit solchen Schmerzen im Bett liegen würde, käme das Niemanden zugute. Sie warf einen kurzen Blick auf den neuen Sklaven, der neben Mansuri stand. Sehr gut, er schien sich schon nützlich zu machen. "Hast du nicht auch gute Kenntnisse der Medizin?" wandte sie sich dann noch einmal knapp an Mansuri.

    Sie war aufrichtig dankbar für Menochares, zeigte dies aber wie gewöhnlich nicht. Sie ließ ihn einfach gewähren, als er Hilfe holen lief. Vielleicht war es ja ganz gut, dass sich nun langsam etwas bewegte. Sie selbst hatte nie darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Schädel mehr schmerzte als nach einem Saufgelage. Und das wusste auch Livineia mittlerweile klar zu trennen. Als Menochares draußen war, schloss sie die Augen wieder ganz und wartete einfach. Schnell war sie wieder in eine leichte Dösigkeit gefallen, bis Mansuri an ihr Bett kam und sie ansprach. Ein leichtes Zucken ging durch ihren Körper und schlapp öffnete sie wieder ihre Augen um zu der Sklavin aufzusehen. Aber in dieser Situation ging es wohl nicht anders. Aufsehen - zu einer Sklavin! "Ja?" fragte sie also nur, die Sklavin wollte schließlich auch nur ihr Bestes - oder? Na, zumindest in dieser Situation, denn sie war klug genug gewesen, an ein Tuch zu denken. Wie wohltuend das war...

    Sein zaghaftes 'Domina', insofern man bei Menochares überhaupt von 'zaghaft' sprechen konnte, kam selbstverständlich nicht bei Claudia an. Die Klappse hatte sie durchaus gespürt, aber sie nicht zu voller Leistung bringen können - erst das Glas Wasser ließ sie die Augen aufreißen. Wäre sie nicht so verwirrt, hätte sie Menochares vermutlich für dieses ungebührliche Verhalten augenblicklich bestraft. So aber schloss sie für einen Moment die Augen, wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und versuchte aufzustehen. "Zum Bett..." murmelte sie schwach - und sicherlich nicht gespielt. Livineia mochte keine schwachen Charaktere und gab sich selbst immer stark. Sie würde niemals versuchen Mitleid durch Schwäche zu erzeugen, denn sie hatte beides nicht nötig. Sie versuchte aufzustehen, rutschte aber leicht weg. Ihr war unheimlich schwindlig, alles drehte sich. Dabei hatte sie keinen Schluck Wein getrunken...

    Livineia nickte leicht, als er fragte, ob sie es gestattete. Sie hatte Vertrauen in den Nubier. Soviel Vertrauen jedenfalls, wie es Livineia möglich war, in einen Sklaven zu haben. Als sich dann jedoch die zweite Frage tatsächlich auf den künftigen Eunuchen bezog, fühlte sie sich überfordert. Erst Recht, als Menochares ihr eine doch recht komplizierte Frage stellte. Das Schlimme war: Die Frage war nicht einmal gänzlich unberechtigt, das gestand sogar Livineia ein. Sie versuchte ihre Kräfte noch einmal zu sammeln, ehe sie dann mit deutlicher Ungeduld zu einer Antwort ansetzte: "Du bist kein Eunuch, das wird ihn ausmachen. Er soll Schreibaufgaben übernehmen, Gäste bewirten und unterhalten. In der Zeit wo er nicht beschäftigt ist, kann man ihm ja noch was Sinnvolles beibringen. Aber was..." plötzlich brach sie mitten im Satz ab. Mit jedem weiteren gesprochenen Wort wurde sie immer aufgeregter, bis sie letztlich abrupt abbrach und in ihrem Sessel zusammensank. Kein Ton kam mehr über ihre Lippen, die Augen waren zugefallen. Friedlich sah sie hierbei allerdings nicht aus - sie war ohnmächtig geworden.