Beiträge von Claudia Livineia

    Livineia hielt sich in der Nähe ihres Bruders auf. Sie tat dies eigentlich meistens, sofern sie gemeinsam das Haus verließen. Er war immerhin ihr Bruder und somit gewissermaßen für sie verantwortlich; eine schicklichere Begleitung war kaum vorstellbar. Abgesehen davon war er einer ihrer beiden Lieblingsbrüder. Und der einzige, der ihr bis heute noch verblieben war. Das spielte zwar alles nicht wirklich eine Rolle, wenn man erklären wollte, weshalb sie an seiner Seite stand - aber es war dennoch erwähnenswert.
    Der harte Fakt war wohl vor allem der, dass sie beide nicht verheiratet waren und somit kaum einen anderen, passenden Partner bei sich haben könnten. Dass er noch keine Frau hatte war eigentlich kein größeres Dilemma. Er war am Beginn seiner Karriere und würde ohne Weiteres eine passende Gemahlin finden. Livineia hingegen war... alt. Ja, irgendwie war sie tatsächlich ein wenig alt. Das konnte man allein schon daran bemessen, dass die jüngere Sassia sich einen passenden Gemahl geangelt hatte. Nicht, dass Livineia an dem ein Interesse hätte; pah. Niemals. Trotzdem war es ein wenig frustrierend. Gewiss mochte ihr anhaltender Stand damit zusammenhängen, dass sie häufig eher zurückgezogen lebte und viel auf Reisen war. Das Gemüt erheitern konnte diese Erklärung allerdings nicht.


    "Ganz wie du meinst, mein Bruder." Die Antwort fiel recht unbegeistert und nüchtern aus. Sie wüsste nicht zu sagen, was an diesem Tag schön sein sollte. Die Sonne schien und irgendein Flavier feierte sich. Ließ sich feiern. Sie beide mussten in die überfüllten Straßen Roms hinaus. Ja, ein wirklich ganz entzückender Tag.
    Ihr Blick ruhte kurz darauf auf Menecrates, der ein kurzes Stück vor ihnen schritt. Empfand sie eine gewisse Anspannung? Nun, vielleicht. Auch er würde kaum begeistert von ihrem Versagen sein. Aber es gab auch keine passende Partie. Keiner genügte ihren Ansprüchen und, auch wenn sie sich das niemals eingestehen würde, ja, sie würde es sich nicht einmal auch nur überlegen - vermutlich sah es von männlicher Seite her nicht besser aus. Sie war schwierig und wirkte oft unnahbar. Aber so war sie. Sie war keine warme, freundliche Persönlichkeit. Sie besaß eine große, familiäre Loyalität, einen scharfen Verstand und war wohl auch durchaus sehr ansehnlich - aber eben auch völlig empathielos. Der Tod ihres jüngeren Bruders vor einiger Zeit hatte ihre Wärme nicht gerade verstärkt.


    Als Menecrates dann, fast als hätte er ihre Gedanken gelesen, versprach noch ein wenig auf sie Acht zu geben, hatte das fast etwas bösartig Ironisches an sich. Es war zum Heulen. Trotzdem lächelte sie ihren Großvater an und schaffte es, die Anstrengung aus ihrem Blick zu verbannen. Ja, vermutlich würden sie bis in alle Ewigkeit auf sie aufpassen müssen. Sie lebte wie eine Vestalin, nur ohne die Vorzüge.
    Schweigend blieb sie hinter ihrem Großvater und an der Seite ihres großen Bruders Marcellus stehen und bekundete durch ein freundliches Lächeln, dass sie die Gratulation ihres Großvaters teilte. Freundlich und scheinbar interessiert behielt sie den Flavier im Blick.

    Livineia mochte Opferungen nicht. Natürlich hatte sie nicht weiter gemurrt, schließlich war das eine familiäre und gesellschaftliche Pflicht, die sie als solche auch ohne Weiteres anerkannte, aber mögen musste sie sie deswegen noch lange nicht. Von den verschiedenen Dämpfen und Gerüchen verstärkten sich meistens ihre Kopfschmerzen um ein nicht geringes Maß, abgesehen davon war die Schlichtheit, in der man zu diesen Anlässen in aller Regel auftrat, absolut nicht ihre Sache. Auch Livineia trug selbstverständlich ein leichtes, weißes Gewand. Ihr Haar lag offen auf ihren Schultern - nichtsdestotrotz hatte sie ihr Haar ziemlich lange legen lassen, damit es gescheit aussah. Es gab kaum einen unerträglicheren Gedanken als den, das irgendjemand sie in einem derangierten Zustand sehen könnte und die Wahrscheinlichkeit war dann am höchsten, wenn die Haare nicht mit Klammern, Spangen und sonstigen Hilfsmitteln zu einer schönen Frisur gesteckt wurden. Ein Windstoß und schon war das Ansehen dahin. Dann noch diese ganze Wascherei. Livineia gehörte zu einer Art Mensch, die sich ohnehin schon ziemlich häufig wuschen. Sie konnte unangenehme Gerüche und Schmutz auf den Tod nicht ausstehen. Nun aber auch noch aus rituellen Gründen ständig die Haut zu reinigen war einfach lästig, auch wenn sie diese Rituale niemals in Frage stellen würde. Sie waren einfach vollkommen normal. Sie war mit dem Respekt vor Göttern und Ahnen großgezogen worden und käme nicht auf die Idee, mehr als nur Lustlosigkeit zu fühlen.
    Nein, sie mochte Opferungen nicht. Allgemein konnte sie nicht viel mit Devotion und Frömmigkeit anfangen - aber sie akzeptierte dies als Teil ihres Lebens und ihres Alltags. Selbst dem allerdings nicht so wäre, würde sie sich nicht gegen die Anweisungen ihres Großvaters stellen. Er war das unumstrittene Familienoberhaupt, auch für sie, obwohl sie nicht einmal ein sonderlich enges Verhältnis zu ihm hatte. Der Respekt, dem sie ihm entgegen brachte, war groß. Größer noch als bei ihrem Vater, bei dem sie sich schon eher Widerspruch gestattete. Es mochte daran liegen, dass er nie wirklich entzaubert worden war. Jeder folgte seinen Anweisungen, sie würde nicht wagen dieser Autorität ernsthaft als erste entgegen zu treten. Was Herius Claudius Menecrates sagte war Gesetz. Bestenfalls wagte sie einen Einwurf, aber keine ernste Rebellion. So folgte sie auch heute brav seinem Beispiel.


    "Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es." Livineia wusch sich brav die Hände, ehe sie sich gleich ihrem Großvater dem Altar zuwendete, um ebenfalls Iuppiter ein Opfer darzubringen. Sie berührte den Alter und sprach anschließend mit leicht erhobenen Händen.


    "Iuppiter, dem Beispiel meines Großvaters folgend bete ich dir ein gutes Gebet, auf dass mir die Bitte gewährt wird, dass dein Schutz und dein Wohlwollen auf unserer Familie ruht und jedwedes Unheil von ihr abgewendet wird. Ich danke dir für dein bisheriges Wohlwollen. Sei geehrt durch diesen Wein." Auch Livineia goss Wein in die Opferschale. Der Gedanke, dass ihr nun ganz akut frischer Weihrauch entgegenschlagen könnte, förderte nur ihre Übelkeit - anmerken ließ sie sich für den Moment allerdings nichts. Dieser Moment war nicht dazu angetan, zu nörgeln und zu jammern.
    Sich zur rechten Seite hin abwendend schaffte sie nun Platz für ihre Verwandten und gesellte sich wieder weiter an den Rand. Ihr Blick glitt kurz über ihren nur geringfügig älteren Bruder, der vor kurzer Zeit wieder aus Achaia zurückgekehrt war. Nur deshalb hatte sie sich überwinden können, den Landsitz nach nur relativ kurzer Zeit wieder zu verlassen und wieder nach Rom zurückzukehren. Und das obgleich ihre Kopfschmerzen noch immer präsent waren wie eh und je! Weiter glitt ihr Blick zu den anderen drei Frauen, die beieinander standen und die sie zwar kannte, zu denen sie allerdings nie einen engen Bezug gehabt hatte. Wie auch, Livineia war selten im Kreise ihrer weiteren Familie gewesen und ohnehin kein Mensch, mit dem man gerne Zeit verbrachte. Sie brach Gespräche häufig schlecht gelaunt ab und zog sich zurück, wenn es ihr irgendwann nicht mehr gefiel und gab sich auch keine Mühe, andere Menschen für sich zu gewinnen, wenn es ihr keinen Nutzen brachte.

    Wer auch immer dich freigelassen hat, pah...! Der... der sollte mal... den sollte man... argh! :D


    Aber ich aktivier mal meine Spambremse... Die schleift der Tage manchmal...

    Auch für mich und meine Leibsklavin Corona bitte einmal Exil, es wird aber ein Wiedersehen geben :)


    Meine Sklavenschaft kann verfahren wie sie möchte. Ich vermute aber mal dass es sinnvoll wäre, wenn Felix diese übernimmt, so er denn möchte. :)


    Bis bald!

    Livineias Kopfschmerzen waren nachwievor eine Qual für die junge Claudia. Nicht einmal auf die Hochzeit hatte sie es geschafft. Auf Anraten des Arztes würde sie also wieder eine kleine Reise in Begleitung eines kleinen Hausstaates unternehmen. Empfohlen hatte man ihr sogar kühlere Regionen, aber damit hatte sie sich auf keinen Fall arrangieren können. So hatte sie also den Norden Italias vorgezogen, gar nicht allzu weit weg - auf den Hof von anderen Claudiern. Die stehende, heiße Luft inmitten von Rom schien das Hämmern in ihrem Kopf nur noch mehr anzufachen.
    So ersparte sie sich das Schiff und würde auch auf Land nicht allzuweit reisen müssen. Ihre Sklavenschaft würde sie für diese Zeit in die Obhut ihres Bruders geben, was sie auch schriftlich festgehalten hatte. Mühsam hatte sie das Papier beschrieben. Ihre Schrift sah noch immer ziemlich unbeholfen aus.
    Livineia hoffte auf baldige Besserung. Kaum dass ihr Vater wieder in Rom war, führte ihr Weg sie schon wieder fort. Aber ihr gesundheitlicher Zustand war so tief gesunken, dass sie wirklich kaum mehr aus dem Bett kam. Und das hatte wirklich nicht mehr mit viel Launenhaftigkeit zu tun. Es war wirkliches Kranksein. So machte sie sich an einem grauenden Morgen auf, auf zur Genesung.

    Als hätte Livineia geahnt, dass Spannung in der Luft lag. Sie blickte sich noch einmal um und schenkte den Sklaven die erste intensivere Aufmerksamkeit, als könne sie aus den Gesichtern lesen, wer sie warum um ihre warme Begrüßung gebracht hatte. Ärger machte sich in ihr breit, den sie nur noch aus dem Grund unterdrückte, dass sie noch immer sehr erschöpft war. Er fragte nicht einmal, wie es ihr ging. Sie warf einen prüfenden Blick in Richtung ihres Bruders. Die Standpauke ihres Bruders hatte sie wohl durchaus noch mitbekommen. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Felix so zornig wurde, nur weil dieser Delon seine Lust befriedigen wollte. Auch Hunde folgten nur dem triebgesteuerten Fortpflanzungsdrang.
    Mit sanfter Stimme erklärte sie also ihrem Bruder: "Es sind nur Sklaven, lass nicht zu dass sie dich so verärgern. Ich kann gerne veranlassen, dass die Flausen aus seinem Kopf getrieben werden, damit wieder Ruhe einkehrt. Sie sind schließlich nur wie Tiere, manche haben die Zivilisation noch nicht so recht angenommen." Sie hatte beschlossen, ihrem Bruder für sein einfaches 'Servus, Schwester.' nicht weiter böse zu sein. Die Worte des Sklaven vernahm sie zwar, ließ diese aber weitestgehend unbeachtet. Vermutlich bekam er Torschlusspanik und sie hatte ihn zulange warten lassen. Es wurde Zeit.
    Sinnierend fügte sie an: "Und dass die Furien keinerlei Benimm kennen ist auch nichts Neues. Vielleicht sollten wir mal ein Zeichen setzen, meinst du nicht?" Genau Vorangegangenes hatte sie schließlich nicht mitbekommen, nur welche Sklaven ermahnt wurden und das reichte der standesbewussten Patrizierin absolut.

    In den letzten Wochen, seit dem Besuch des Arztes, war es mit ihrem Kopfschmerzen stagnierend schmerzhaft geblieben. Die Hitze draussen, die sich durchaus auch innerhalb der Villa zeigte, machte es nicht gerade besser. Es gab eine kurze regnerische Phase, die wenigstens die Hitze ein wenig gelindert hatte. Livineia klagte zwar sehr, dass sie das wunderschöne Wetter fast nicht genießen konnte, da ihr ihre Leiden so zu schaffen machten, hätte aber vermutlich auch so einen Grund gefunden um sich nicht der Sonne aussetzen zu müssen.
    Heute allerdings fühlte sie sich gut genug, oder vielmehr verpflichtet, sich einmal in den Schatten und somit nach draußen zu setzen. Sie wollte sich weiterhin präsent zeigen, damit die Sklavenschaft nicht vergaß, wie hart sie durchgreifen konnte. Auch ein Politiker durfte sich nicht ungestraft zurückziehen.
    So kam es, dass sie bei ihrem Weg am Trclinium vorbeihuschte. Oder vielmehr: vorbeiglitt. Und, wie es wohl so oft Morrigans Schicksal war, war ihre bestimmte Stimme der Grund für Livineias gesteigerte Aufmerksamkeit am Geschehen im Triclinium. Livineia erkannte das Organ sofort und zögerte einen Moment, ob sie hineingehen sollte. Aber sie wollte wissen, was dadrin los wahr. Um welchen Sklaven es ging, war offensichtlich und auch dass ein anderes Familienmitglied im Raum stand, wurde durch Delons Antwort deutlich. Na, nun war sie schonmal hier und konnte ihre Neugierde auch befriedigen.
    Sie testete knapp ob ihre Frisur noch saß und schritt dann mit einem nicht deutbaren Gesichtsausdruck ins Speisezimmer. "Salve mein Bruder." lächelte sie, als sie erkannte, wer dort auf sie wartete. Sie rauschte auf ihn zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Während diesen Weges versuchte sie einen Überblick zu bekommen, worum es hier eigentlich ging. Aber so ganz erschloss sich das nicht. Lediglich, dass die Sklaven irgendwie instruiert würden, denn sonst würde Felix wohl kaum mit ihnen hier stehen.

    Sie musterte ihn aus argwöhnischen Augen, als er sich zu ihr neigte. Nähe war nicht gerade das, was sie übermäßig gewohnt war oder gerne hatte. Half aber nichts, auch das war ihr bewusst. Sie wollte schließlich, dass es ihr sehr bald besser ging und dafür war eine Untersuchung unabdingbar.
    Sie kniff die Augen zusammen als er den Druck ausübte. Ein starkes Ziehen schoss in ihren Kopf hinauf und daraus machte sie keinen Hehl. "Pass doch auf." fauchte sie, sich gerade so eben noch eine Beleidigung verkneifend. Wenn er so weitermachte, würde sie ihm noch den Hals umdrehen. Als wären die Schmerzen nicht so schon schlimm genug.
    "Áls ich ungefähr 12 war, ging es mit diesen Kopfschmerzen los. Mittlerweile wird es immer häufiger. Es sind eher seltene Momente zu denen ich meine Ruhe habe, ansonsten variieren die Schmerzen eher nach Heftigkeit." beschrieb sie etwas vage, aber auch unwissend wie sie es näher definieren sollte. Sie schloss wieder ihre Augen, pochten doch ihre Schläfen wieder kräftig.


    Sim-Off:

    Sorry... Hatte es ja erklärt :)

    Livineia hatte lediglich Wasser geordert und ein wenig frisches Obst. Sie hielt nicht soviel davon, sich beim kleinsten Hungergefühl bis zur absoluten Sättigung vollzustopfen. Sie war stolz auf ihr hervorragendes Aussehen und würde alles tun, um es beizubehalten. So konzentrierte sie sich also während des Essens weniger darauf, viel zu Essen - wie Felix schon richtig angenommen hatte - als vielmehr darauf, die gesamte Situation zu beobachten.
    Oh wie Recht sie gehabt hatte, als sie diesen neuen Sklaven als dummen Ballast tituliert hatte. Er schien wirklich nicht viel in der Rübe zu haben. Ob er sich wenigstens zur Sklavenzucht eignen würde? Naja, spätestens wenn demnächst eine der Sklavinnen schwanger wär, würde sie es wissen.
    Und der Vater, der hatte sich wirklich gar nicht geändert. Ob sie die Ungeduld von ihm geerbt hatte und von der Mutter den Drang nach Perfektion? Sie musste unweigerlich schmunzeln.
    Ohja, dieser Aurelier hatte für ziemlich viel Ärger gesorgt, auch Livineia konnte sich ganz gut daran erinnern. Sie hatte ihn noch nicht kennengelernt und teilte nur das Ärgernis ihres Bruders. Dennoch äußerte sie sich verhalten zu diesem Thema. "Mit Verlaub. Ich glaube wir sollten diesen Aurelier mal etwas näher kennenlernen. Er schien gut Einfluss gehabt zu haben und auch, wenn er uns natürlich in keinster Weise das Wasser reichen kann, schadet es sicher nicht, wenn wir uns wohlwollend zeigen." erklärte sie und balancierte eine Traube in ihren Mund. Brutus ignorierte sie. "Wenn er dieses Angebot ausschlägt, wissen wir immerhin, wo er steht und können besser abschätzen, wie er tickt. Aber schon von vornherein auf Konfrontation zu gehen, wie ungebührlich er auch war, beschert auch uns nur Nachteile. Seinen Feind muss man kennen. Und vielleicht ist er ja nicht einmal nachhaltig einer." Damit hatte sie ihre Meinung, wenn auch ungefragt, geäußert. Sie befand die Claudier - natürlich - für tausendmal besser als die Aurelier. Und das wusste jeder der Anwesenden, wurde sie doch ganz im Familienstolz erzogen. Aber sie war auch sehr gerissen und hochgradig selbstbewusst.
    Ihr Vater bekam ein liebreizendes Lächeln zugeworfen. Ihr Einwurf war nicht ungebührlich, dies war ein Familienzusammensitzen und ihre Meinung war nicht dumm oder unwichtig. Darum befand sie sich durchaus dazu berechtigt, auch ihre Meinung kundzutun. Solange sie es zurückhaltend und intelligent tat, würde niemand etwas dagegen sagen.

    Livineia konnte schon sehr bald ihren Vater herannahen sehen. Irrte sie sich oder hatte er während seiner letzten Reise noch einiges an Gewicht zugelegt? Sie verkniff sich ein Blinzeln und erhob sich selbstverständlich, um den Vater in die Arme zu schließen. Sein Kosename, Schmetterling, traf es sehr gut. Sie war hübsch anzusehen und bewegte sich nahezu lautlos und war außerdem federleicht. Daher mochte sie diesen Kosenamen durchaus gerne, was sie mit einem Kuss auf die Wange des Vaters quittierte. „Guten Tag, Vater.“ Langsam löste sie sich wieder von ihm und musterte ihn, verkniff sich aber eine Äußerung zu seinem Aussehen abzugeben. ‚Gut siehst du aus!‘ wäre eine dreiste Lüge gewesen. Er sah müde und verschlafen aus, außerdem überaus moppelig. Und alles andere sagte man ohnehin nicht, wenn andere vor ihnen standen.
    Als der Vater sich dann von ihr abwandte, um den Rest näher zu begrüßen, setzte sie sich wieder in ihren Korbsessel um alles Folgende hoheitsvoll verfolgen zu können. Sie hatten sich wirklich eine Weile nicht mehr gesehen. ,Zu ihrer Reise hatte sie sich vom Vater noch verabschiedet – und eine Weile danach schien auch dieser aufgebrochen zu sein. Nachdem sie mit ihrem Bruder wieder in Rom eingetroffen war, war der Vater jedenfalls seinerseits fort gewesen. Und da war er nun wieder. Sie lächelte lieblich.

    Auch wenn dieses Mal die Spiele nicht von einem Familienmitglied ausgerichtet wurden, hatte sich Livineia auf den Weg zu dieser Veranstaltung gemacht. Frische Luft war nichts Verkehrtes und immerhin waren es wieder hochkarätige Spiele. Sie wurden schließlich wieder von einem Patrizier ausgerichtet. Wer weiß, was man hier noch für Kontakte knüpfen konnte. Allein wäre sie nicht hierhergekommen, sondern hätte den Tag entspannt im Garten verbracht. An der Seite ihres Bruders allerdings war es in Ordnung hier zu sein.
    So hatte sie sich neben diesem niedergelassen, den nubischen Leibwächter hinter sich. Mit ihm lief wirklich alles Bestens, sie waren schon eine ganze Weile nicht mehr aneinandergeraten. Aber sie sahen sich auch kaum noch ohne offizielle Anlässe - glücklicherweise. Sonst hätte es sicherlich wieder zu Reibereien geführt. Und an besonders heißen Tagen, in denen Kopf und Kreislauf ziemlich verrückt spielten, war es gut, Ärger vermeiden zu können.
    Gerade hatte sie sich mit einer Frage an ihren Bruder wenden wollen, als ihr seine geistige Abwesenheit auffiel. Wenngleich sie nur für wenige Momente anhielt, hatte Livineia dies augenblicklich bemerkt, war sie doch eine ausgezeichnete Beobachterin. Sie folgte seinem Blick, konnte aber nur erahnen wohin dieser ging. Dieses Erahnen war allerdings nicht schwer, denn dort war eine wirklich schön anzusehende Frau unter den Patriziern - Felix war unverheiratet. Sie schmunzelte.
    Als dann die Opferung begann, hatte sie noch immer nichts gesagt. Nun war es auch ungehörig den Mund aufzumachen, aber sobald es sich anbot, würde sie Quintus den kleinen Finger für ein kleines Gespräch reichen. Aufmerksam beobachtete sie die Opferung, aber zwischendurch sprang ihr Blick wieder zu der gutaussehenden Frau, nur für einen winzigen Moment.

    Livineia war gerade auf dem Weg zu ihrem Bruder gewesen, als dieser sich auf den Weg zum Tablinum gemacht hatte. So hatte sie ebenfalls von dem Treffen erfahren und ließ sich auch nicht nehmen, zu diesem zu erscheinen. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass ihr Vater wieder in Rom war und es war nur höflich, diesen zu begrüßen. Außerdem gab es sicherlich etwas neues zu erfahren, dann musste sie erst recht auftauchen.
    Sie empfand es als selbstverständlich, dass auch sie anwesend sein durfte, wenn es ein Familientreffen war. Ja, sie war nur eine Frau, aber unter den gegebenen Umständen, dass wohl auch der Vater hier war - und nicht gerade viele Frauen in der römischen Villa lebten - würde man sie sicherlich auch dulden oder willkommen heißen. Schwungvoll ließ sich die schöne Frau in einem Korbsessel nieder und grüßte die Runde mit einem stillen Lächeln.

    Oh und wie klar das war. Und seine Argumentation ging ihr so gar nicht auf. Klar, die 250 Sesterzen waren wirklich kein Preis gewesen. Aber der Sklave war noch weniger wert. Man müsste mehr in ihn investieren, als das er nützlich sein würde. Und aus der Sicht gesehen, war der Kauf furchtbar widersinnig gewesen.
    Sie seufzte auf, auch wenn das vermutlich nicht bis zu ihm hindrang. Dafür war das Gemurmel der Menschen viel zu laut. Und Livineia's Lunge war auch keine tausend Kubikmeter groß, sodass ihr Atem wie ein Sturm durch die Menge ging. Auch wenn sie es sich vermutlich wünschte. "Er wird nicht nur nutzlos sein, sondern auch unnötige Arbeit machen. Ich glaube nicht, dass er klüger als ein Stück Holz ist. Zum Kämpfen wird er bald viel zu alt sein. Und zum Gemüse putzen kann man noch billigere Sklaven mit etwas mehr Grips erwerben." schnaubte sie und langte nach einer Traube, die sie neben sich stehen hatte. Zucker! Sie brauchte etwas Süßes, der Stress ging ihr schon wieder wahnsinnig auf den Kopf.
    Sie wandte sich wieder Felix zu. "Wenn er Probleme macht, wirst du dich um seine Züchtigung kümmern. Ich hab mit der Bagage schon genug zu tun. Es gibt immer wieder Sklaven in unserem Hause, die meinen, besser wissen zu müssen, was sie zu tun haben." bekundete sie. Aber die Bestrafungen der letzten Zeit hatten scheinbar etwas bewirkt, es war ruhiger geworden. Friedlicher.

    Claudia Livineia hatte den Abschluss des Kaufes kommentarlos beobachtet. Gut, das würde nun wirklich das Problem ihres Bruders werden, nicht ihres. Nein, sie hatte sich mit Menochares und diesem Fast-Eunuchen schon genug Anstrengungen für die nächste Zeit angelacht. Wenigstens war Corona bereits so weit erzogen worden, dass diese nicht auch noch aufmüpfig wurde, wenn ihr etwas nicht passte. Wohl die einzige, die nicht Prinzessin auf der Erbse spielte.
    Seufzend betrachtete sie diesen dummen, neuen Sklaven. Zu was sollte der denn gut sein? Zu nichts! Und genau das sagte auch sein Preis aus. Er war alt, dumm und nutzlos. In einem geringen Maße waren das natürlich alle Sklaven, nutzlos und dumm, aber diese schien ein besonderes Exemplar seiner Gattung zu sein. Sie schloss leicht die Augen und fächelte sich ein wenig frische Luft zu. Meine Güte. Sie zog sich etwas hoch, damit es in den Kissen bequemer wurde - irgendwann fing nämlich ihr Rücken an, etwas zu schmerzen. Besonders vorsichtig war sie nicht, aber sie hatte schließlich kräftige Träger. Und würde die Sänfte irgendwie ins Wanken geraten, würde es andere Träger geben, wenn die aktuellen sich von den Peitschenhieben erholten.
    Sie sah zu ihrem kleinen Bruder und meinte, etwas lauter, damit er das überhaupt hörte. "Was hast du dir denn dabei gedacht?" Sie hatte einen vorwurfsvollen Blick aufgesetzt. Kurz sah sie zu Menochares, der brav und wachsam neben ihrer Sänfte herschritt. Wenigstens mit ihm hatte sich alles langsam eingependelt, aber es war auch schwer genug gewesen. Wenn er kein Mann mit Ehre gewesen wäre, wäre es vermutlich unmöglich. Barbaren waren schwer zu zähmen. Sie blickte dann zu diesem Luca. "Behalt ihn in der Villa ein bisschen im Auge und berichte mir, wenn es etwas Interessantes zu berichten gibt." wies sie Menochares dann an, knapp, aber nicht unfreundlich. Wie immer. Ein besonderes Privileg für ihren nubischen Lieblingssklaven. Und schon wieder bürdete sie sich mehr oder weniger freiwillig die Erziehungsmaßnahmen auf, die sie ihrem kleinen Bruder einfach nicht zutraute.

    Menecrates hatte bei den Spielen vermutlich überhaupt keine Wahl gehabt, wenn er mit ihnen das Publikum erreichen wollte. Er war ein Claudier und die Erwartungen sehr hoch. Und ebenso hoch würden auch die Erwartungen an Felix sein, wenn er der Sodalität gegenüberstand. Sie lauschte also aufmerksam seiner erneuten Rede und nickte diese dezent ab. „Sie klingt nach dir – und nach einem Patrizier. Ich denke dies ist das Wichtigste. Wenn du in dem Gespräch bist, achte auf deine Herkunft. Wir sind die bedeutendste Familie Roms. Gehe in Demut vor ihren hohen Ämtern, die viele haben werden. Aber gehe als Claudier.“ Hei, das klang vielleicht episch. Sie lächelte ihrem Bruder zu und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
    „Ich bin mir sicher, dass du das Richtige zu jeder Zeit tun wirst. Mein Wissen über die Sodalitäten ist zu gering, als dass ich mich mit möglichen Fragen befassen könnte. Aber die rein sachlichen Dinge solltest du alle abgegolten haben, die deine Person betreffen.“ Bestätigte sie ihn dann. „Soll ich dich nun noch ein wenig allein lassen, falls du noch etwas nachdenken möchtest?“ bot sie anschließend an.

    Aktuell könnte Livineia sich doch glatt für ihren Fleiß auszeichnen lassen. Wieder einmal hatte sie sich dazu bequemt, die Villa zu verlassen – und das mit ihren Kopfschmerzen, die ja nun im Frühling doch bedeutend stärker waren. Die Sonne schien heller und länger und wärmer – und das war ungut. Fand zumindest die noch immer unverheiratete, patrizische Frau. Die meisten Männer waren ihr einfach nicht gut genug. Zu wenig Erfolg, zu jung, zu alt, unhöflich, schlechter Umgang… Es war dieser Tage wirklich schwierig, standesgemäß zu heiraten. Der beste Mann war eben immer noch ihr Bruder, den sie selbstverständlich wieder begleitete.
    Gemütlich lag sie also in ihrer Sänfte und bekam durch die aufmerksame Arbeit Menochares‘ im Grunde genommen nichts von den ganzen neugierigen Blicken mit. Nur ein Störenfried, der mit etwas mehr Energie weggezerrt werden musste, fiel ihr auf. Aber da sie doch einen recht guten Tag hatte, klagte sie über diesen Vorfall auch nicht weiter. Insgesamt war sie mit ihrem Leibwächter äußerst zufrieden. Trotz ihrer häufigen Reibungen respektierte sie, dass er seinen Stolz wahrte. Sie machte ihm das Leben nicht mehr unnötig schwer. Und er ihr auch nicht. Es war nicht ihre Art mit Sklaven Kompromisse zu schließen. Meistens waren Sklaven nämlich entweder schmierig und kriecherisch – oder absolut rebellisch. Menochares hingegen war einfach nur seinen Prinzipien treu. Und hiermit konnte Livineia leben, denn das war auch ihr eigener Stil. So kam es, dass der Nubier mehr Freiheiten genoss, als so ziemlich jeder andere Sklave der Familie. Zumindest bei Livineia.
    Und wieder standen sie an einem Sklavenstand. Wollte ihr Bruder etwa noch mehr Sklaven ins Haus holen? Sie hatten doch schon mehr als genug und der da sah wieder nach einem Sonderfall aus. Muskeln hießen meistens, dass der Sklave wenig Präferenzen zum Denken zeigte. Und er hatte viele Muskeln. Es stand ihm, er sah sehr annehmbar aus, wenn auch etwas wild. Aber anrüchig wild. Aber sie würde sich um keinen weiteren Sklaven kümmern – so weit käme es noch. Damit würde sie sich ja selbst degradieren und das nicht zu knapp. Sie trug keinem Sklaven mehr irgendetwas hinterher, nein, nein.
    So beobachtete Livineia nur aufmerksam das Geschehen und ließ ihren Bruder machen. Ihr Blick schweifte über die Menge, aber noch sah sie kein bekanntes Gesicht. Kein Wunder. So viele bekannte Gesichter gab es für sie auch noch nicht in Rom.