Beiträge von Faustus Helvetius Milo

    Das Gespräch mit seiner Tante hatte bei Milo zu einer Bewegung geführt. In ihm wuchs wieder das Selbstbewusstsein und die Welt jenseits seiner Zimmertüre schien auch nicht mehr allzu gefährlich zu sein, wie sie in letzter Zeit gewirkt hatte. In ihm regte sich sogar der Wunsch sein Zimmer einmal wieder zu verlassen, frische Luft zu atmen und auch einmal wieder die Sonne zu sehen, doch nach wie vor hatte er diese Hemmungen die ihn seinen Wunsch dann doch unterdrücken ließen. Er wollte niemandem begegnen, der ihm möglicherweise nicht allzu wohl gesonnen war. Eigentlich war dieser Gedanke absolut unsinnig, schließlich lebten in diesem Haus ja nicht allzu viele Familienmitglieder. Aviana mochte ihn, sein Großvater auch, auch wenn er derzeit außer Haus war. Und seine Cousine Silana, die er kaum kannte, die konnte ihn auch leiden, jedenfalls klang es so. Und die Sklaven, die mochte ihn bisher auch immer, allerdings erkannte er das nicht.
    Eines Nachts dann überwog der Drang den Raum zu verlassen und so schlüpfte er aus seinem Bett, in dem er sich ohnehin nur hin und her gewälzt hatte, so wie fast jede Nacht, denn richtigen Schlaf hatte er seit Langen nicht mehr. Bestia schlief ruhig atmend an seinem Bett, er beneidete seinen Hund für dessen Schlaf, und er wollte ihn auch nicht wecken, daher verließ er ohne den treuen Freund und Gefährten sein Zimmer. Zunächst steckte er nur den Kopf durch die Tür und spitzte nach draußen, es war niemand zu sehen, alle schliefen. Zufrieden lief er auf den Gang hinaus und dann die Treppe hinunter bis ins Peristyl und dann in den Garten.
    Es war eine kühle Nacht und da er nur sein Nachthemd trug, fror er ein bisschen, aber er fand es wunderbar. Er fühlte wieder etwas. Die Kälte der Nacht, den leichten Wind auf der Haut und im Haar und das leicht feuchte Gras an den Füßen. In diesem Moment, da er ganz allein im Garten stand, fühlte er sich wunderbar. Frei wie ein Vogel und irgendwie auch befreit vom ganzen Kummer. Sein Blick wanderte gen Himmel und er sah klar wie nie den Mond und die Sterne. Es war ein wunderbarer Anblick. So etwas Wunderschönes hatte er eigentlich noch nie gesehen und diese Schönheit auch noch nie so bewusst erlebt. Lächelnd ließ er sich auf den Boden plumpsen und so legte er sich ins Gras und betrachtete einfach nur den Himmel und genoss die Stille.

    Es dauerte nicht sonderlich lange bis er die Tränen zurückgedrängt hatte und wieder halbwegs Herr über sich selbst war. Er wusste dass Tränen nichts brachten, denn sie halfen ihm nicht. Das hatten sie noch nie und die Sehnsucht nach seiner Mutter hatten sie auch nie befriedigt. Auch jetzt halfen sie ihm kein Stück. Was aber half war nach wie vor seine Tante, die dafür sorgte dass er sich wenigstens im Moment besser fühlte. Auch die Gewissheit, dass wenigstens sie für ihn da war, war ein gewaltiger Trost für ihn, wenngleich sie damit immer noch allein stand.
    "Als ich zu Besuch war, war es als wäre sie mir fremd und ich ihr. Wir haben gestritten und sie hat mich angeschrien und mir eine verpasst, so wie Vater es getan hat. Sie hasst mich.", erzählte er zögerlich, denn es war ihm nicht geheuer so etwas zu erzählen. Überhaupt erzählte er nur sehr selten von sich und seinen Eltern. Allein von der Tatsache, dass sein Vater ihn geschlagen hatte wussten bisher nur er und seine Mutter. Dennoch, er verspürte etwas, Vertrauen, und er wollte sich seinen Frust von der Seele reden, jedenfalls einen Teil davon. Bisher hatte er immer Sabina gehabt, der er sich anvertrauen konnte, doch das war einmal und nun musste er mit seiner Tante vorlieb nehmen und sie ins Vertrauen ziehen. Ein anderer Teil von ihm aber sagte, dass er bereits viel zu viel erzählt hatte. Er war wieder hin und hergerissen und das belastete ihn wiederum.
    Unsicher begann er nun seine Tante zu mustern. Ihr freundliches Gesicht, ihr Lächeln, ihr gesamter Anblick. Noch immer war er sich nicht ganz sicher ob er sich ihr öffnen konnte. Er musste, sonst würde er zugrunde gehen. Er musste seine innere Leere füllen, irgendwie. “Tante Aviana, ich … ich fühle mich so leer. Und allein gelassen… ganz allein., gestand er ihr schließlich niedergeschlagen von der Gewissheit, dass es so war, beinahe flüsternd. Es waren schwere Worte die ihn sich noch viel verzweifelter fühlen ließen.

    Es bedeutete ihm unglaublich viel, dass seine Tante jetzt hier war und noch viel mehr, dass sie ihm beistand. Er fühlte sich im Moment so gut wie lange nicht mehr und das nur weil er endlich wieder das Gefühl hatte geliebt zu werden. Weil er sich endlich wieder beachtet fühlte.
    "Danke Tante Aviana, danke.", heulte er und sogar ein kleines Lächeln legte sich auf seine Züge. Er war seiner Tante unglaublich dankbar und würde ihr nie vergessen, was sie für ihn tat. Und auch Bestia schien zu bemerken, dass er sich im Moment anders fühlte als die ganze letzte Zeit und versuchte ihn aufzumuntern. Milo beantwortete diese Geste indem er seinem Hund kurz hinter dem Ohr kraulte.
    Dennoch war seine Tante bisher allein mit ihrer Haltung ihm gegenüber. Seine Mutter hasste ihn nach wie vor, das wusste er und sagte er auch. "Doch, sie hasst mich." Aviana wusste ja gar nicht wie es gewesen war, als er bei seiner Mutter zu Besuch gewesen war. Die Stimmung war angespannt und distanziert und letztlich eskalierte sie in einem Streit in dem sie auch auseinandergegangen waren. Sie hasste ihn, das fühlte er. Aber wie sollte sie das auch wissen, schließlich hatte er niemandem erzählt, was passiert war, als er zu Besuch war. Nur sein Erzieher wusste es, schließlich war er auch dabei gewesen.

    Es gab kein Halten mehr für ihn, denn er wusste, dass jetzt der Moment für ihn gekommen war den ganzen Frust, die ganze Trauer, den ganzen Kummer der letzten Zeit loszuwerden und diese Möglichkeit nutzte er auch. Das erste mal seit Langem fühlte er sich nämlich geborgen und geliebt, etwas dass er bisher eigentlich nur bei seiner Mutter empfunden hatte, was ihm aber jäh abhanden gekommen war. Es fühlte sich so gut an und jetzt, wo er so lange darauf hatte verzichten müssen, lernte er es noch mehr zu schätzen. Diese Wärme die ihm seine Tante gab war im Grunde das, was ihm die ganze Zeit über gefehlt hatte. Dennoch hatte sein Bild, dass er sich in der letzten Zeit aufgebaut hatte, immer noch Bestand. "Nein, nichts wird gut. Alle hassen mich.", heulte er seiner Tante vor, irgendwann zwischen zwei besonders starken Heulperioden. Noch immer glaubte er daran, dass ihn niemand mehr leiden konnte und dass er niemanden gut tat, was wiederum Grund für ersteres war. "Sogar meine Mutter.", fügte er dann noch hinzu und schmiegte sich noch etwas enger an seine Tante. Er wollte ruhig noch etwas Zuneigung erfahren ehe sie ihn wieder verstieß, jedenfalls nahm er an dass das geschehen würde. Alle hatten ihn schließlich verstoßen.

    Diesesmal funktionierte seine Weise mit verwirrenden und bedrohlichen Erfahrungen umzugehen nicht, denn die Worte seiner Tante drangen tief in seinen Kopf und seine Welt ein, so dass er sie einfach nicht überhören konnte. Unfreiwilig kehrte er zurück ins Leben. Immernoch war sein Blick auf den Boden gerichtet. Seine Tante wusste ja gar nichts. Er konnte sich nicht um seine Mitmenschen bemühen. Seine Mitmenschen mochten ihn schließlich nicht und er brachte sie zudem noch in Schwierigkeiten, so wie Sabina. Es war seine Schuld, dass die Hexe sie nun zu Hause festhielt. Er hatte sie in Schwierigkeiten gebracht. Was wenn er auch seine anderen Freunde noch in Bedrängnis brachte? Nein, er hielt sich lieber fern von ihnen.
    Was seine Tante dann sagte ging ihm sehr nahe und trieb ihm die Tränen in die Augen. Es war unerwartet, aber genau das was er brauchte. Er brauchte jemanden, der ihn lieb hatte. Und er hatte auch einen Wunsch, nämlich dass seine Mutter ihn wieder lieb hatte. Nachdem er sich so mit ihr gestritten hatte, hatte er nämlich nicht mehr das Gefühl, dass dem so war.
    Nun suchte er wieder den Blickkontakt mit seiner Tante und blickte sie mit Tränen in den Augen an. Er hatte noch einen Wunsch, nämlich dass ihn einfach einmal wieder jemand in den Arm nahm.

    Ein umso verwirrterer Blick kreuzte Avianas Blick, als sie sein Knie berührte. Das passte irgendwie gar nicht in sein Konzept hinein, dass er allen egal war, aber dennoch fühlte es sich unangenehm an, wenngleich es doch auf eine andere Weise wieder angenehm war etwas Nähe zu verspüren, die ihm in letzter Zeit komplett abhanden gekommen war.
    Dennoch: Es passte nicht, weshalb er langsam sein Knie zurückzog.


    "Denen bin ich doch egal.", meinte er und wirkte danach erstmals so wie er sich fühlte, traurig und niedergeschlagen. Er war der festen Überzeugung dass er seinen Freunden egal war und sie ihn deshalb nicht mehr sehen wollten. in Wahrheit war es allerdings andersherum. In Wahrheit wollte er seine Freunde nicht mehr Treffen aus Angst ihnen zu schaden oder dass sie ihn auch nicht mehr wollten wie seine Mutter. Gleiches galt für Sabina, nur dass er sie nicht mehr sehen konnte, wenn er nicht der furchtbaren Hexe begegnen wollte. Ausserdem war er ohnehin kein guter Umgang für sie, also war es schon fast besser, dass er sie nicht mehr traf, auch wenn ihm so ein wichtiger Teil in seinem Leben fehlte. Gleiches galt auch für seine Freunde, die ihm eigentlich immer sehr wichtig gewesen waren.
    Langsam schloss er seine Augen und atmete tief durch, ehe er die Augen wieder öffnete. Einmal mehr begriff er, dass er beinahe ganz allein auf der Welt war und jetzt auch noch ohne Freunde. Diese Welt gefiel ihm nicht mehr. Überhaupt nicht. Am Liebsten hätte er jetzt losgeheult, stattdessen flüchtete er sich wieder in seine Wunschwelt, in der alles gut war und wie immer schien alles bedeutungslos und unwichtig während er in dieser Traumwelt war und er dämmerte erneut weg.

    Milo wirkte nach wie vor unbeeindruckt vom Besuch seiner Tante. Viel wichtiger erschien ihm die Unversehrtheit seines Hundes, der nun mehr oder weniger das Zentrum Milos Aufmerksamkeit war. Er hatte Angst, dass sein Hund mit seiner Tante gehen würde und ihn alleine hier zurücklassen würde. Ein beängstigender Gedanke. Es war sein einziger Freund, sonst hatte er ja keine mehr. Alle hatten ihn allein gelassen. Ohne den Hund würde er gar nicht mehr leben wollen.
    Dann sprach seine Tante abermals, doch er bemerkte es erst viel zu spät, so dass er nur den letzten Rest mitbekam, den er auch gar nicht verstand und verstehen wollte. "Tante Aviana... ich verstehe nicht.", meinte er und ließ seinen Blick unruhig durch den Raum schweifen. Er war sichtlich unkonzentriert und die Anwesendheit seiner Tante beunruhigte ihn zusätzlich. Es behagte ihm gar nicht, dass sie hier war. Er fürchtete dass sie ihn auch verstoßen würde wie es seine Mutter getan hatte, jedenfalls empfand er es so.

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    Dareius - Paedagogus


    "Natürlich Herrin.", bestätigte der Sklave nur und verließ wie befohlen den Raum und zog die Tür hiter sich zu. Es war schließlich das gute Recht seiner Herrin zu befehlen dass er den Raum zu verlassen hatte, auch wenn er es ungern tat, schließlich wusste er nicht wie sein Schützling auf den Besuch seiner Tante reagieren würde.


    Der allerdings war tief in seine eigene Welt versunken und merkte nach wie vor nicht, dass jemand in den Raum gekommen war, anders als Bestia. Der Hund, der mittlerweile schon größer geworden war, hüpfte vom Bett und begrüßte Aviana mit einem Bellen und einem Stupser mit seiner kalten Schnauze. Er freute sich mal wieder jemand anderen zu sehen als die üblichen Verdächtigen.
    Jetzt wo sein Hund zum streicheln weg war, kehrte Milo allmählich gezwungenermaßen in die Realität, awar allerdings erst vollständig angekommen, als seine Tante bereits neben ihm saß. Zufällig bemerkte er sie als er schaute, wo sein Hund abgeblieben war.
    Einige Zeit musterte er sie dann mit seinen leeren Augen, ehe er zu sprechen begann."Tante Aviana, wie schön." Er sprach langsam und monoton und seine Worte strahlten eine gewisse Kälte und Gleichgültigkeit aus. Er freute sich nicht, dass seine Tante nach ihm sah, er verspürte gar nichts.

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    Dareius - Paedagogus


    Da Milo mal wieder wie weggetreten wirkte und von sich aus nicht einmal reagierte, sah sich sein Erzieher wenigstens in der Pflicht nachzusehen, wer ihn denn Aufzusuchen gedachte. In diesem Sinne erhob er sich, ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit, denn er wusste ja nicht ob es nun wichtig war oder nicht. Unwichtige Angelegenheiten wären ohnehin zu viel für den Jungen gewesen. Da nun aber seine Herrin vor der Tür stand, öffnete er diese komplett und gab den Weg frei. Ihr konnte er wohl kaum den Umgang mit ihrem Neffen verbieten. "Salve Herrin.", begrüßte er sie und blieb an der Tür stehen, denn er wusste nicht ob die Herrin ihn aus dem Raum schicken wollte oder ob er noch gebraucht wurde.

    Der jüngste Hausbewohner kann ein geräumiges, helles und aufgeräumtes Zimmer sein Eigen nennen. Schöne Wandmalereien, Relikte besserer Zeiten, zieren die Wände und lenken Blicke auf sich, während die Ausstattung des Raumes eher schlicht ist. Ein Bett, ein Schrank, eine Truhe, ein kleines Regal mit ein paar Schriftrollen, ein Tisch und zwei Stühle sind alles was man im Raum findet.


    Wie immer dieser Tage waren die Fenster verhängt und der Raum so verdunkelt. Ledeglich ein paar flackernde Öllampen erhellten den Raum und tauchten ihn in ein düsteres Licht. Er selbst wollte es so, denn das Licht war böse und erinnerte ihn an die böse Welt da draußen. Seit Tagen hatte er nun nicht mehr sein Zimmer verlassen und sich zusehns abgeschottet. Nur sein Erzieher war noch erwünscht, denn er versorgte ihn mit allem Lebensnotwendigen und auch seinen Hund, das einzige Lebewesen zu dem er noch eine emotionale Bindung hatte.
    Milo war mittlerweile noch blasser und kränklicher geworden und sah furchterregend aus, weshalb sich auch keiner der Sklaven, mit Ausnahme seines Erziehers, mehr in das Zimmer traute. Sie munkelten sogar er wäre von einem Geist besessen, denn ein solches Verhalten war schließlich nicht mehr normal. Und tatsächlich war sein verhalten nicht mehr normal, denn auch heute saß er wieder geistesabwesend und in sich selbst versunken auf seinem Bett und streichelte den Hund, während sein leerer Blick gen Boden gerichtet war.
    Sein Erzieher saß währenddessen wie immer auf einem der Stühle im Zimmer und wachte über den jungen. Manchmal hatte er auch jetzt noch Momente an denen er halbwegs anwesend war und dann auch für Unterrichtseinheiten zu haben war. So lange, bis er wieder wegdämmerte. Im Grunde war es eine Schande was aus dem Jungen geworden war.

    Wulfried merkte sofort, dass der Mann offensichtlich nicht aus Rom kam, waren dessen Ansichten doch sehr exotisch und würden gewiss unter normalen Umständen belächelt werden."Es ist jedenfalls nicht üblich, Herr.", merkte Wulfried nur noch an während er aus dem Raum eilte, die Herrin zu holen. Währenddessen wies er einen anderen Sklaven an dem Gast Wein zu bringen, natürlich nur den Besten des Hauses.

    Er hatte also nur sein Säckchen bei sich, dass er wohl auch selber tragen würde. Andernfalls hätte Wulfried das natürlich getan.
    Als der Mann ihn nach seinem namen fragte, zog Wulfried überrascht die Augenbraue nach oben. Normalerweise war der Name eines Sklaven nicht von Belang, weshalb man sich als solcher auch nicht Vorzustellen hatte, vor allem nicht als Türhüter.
    "Mein Name ist Wulfried, Herr, und ich bin Eigentum des Titus Helvetius Geminus.", stellte ich Wulfried schließlich etwas schwermutig vor und gab schließlich den Weg frei und führte den Besucher ins Atrium.

    Wulfried führte den Ankömmling ins Atrium, nicht etwa ins Tablinum. Seiner Auffassung nach musste sich der Ankömmling erst einmal vom Staub der Straße befreien, ehe er den edelsten Raum des Hauses betrat. Folglich musste die Begrüßung eben hier stattfinden.
    "Bitte warte einen Moment, ich werde nach der Herrin schicken lassen.", kündigte er an, fragte jedoch vorher noch den Gast nach etwaigen Wünschen nach Erfrischungen. "Wünscht du etwas zur Erfrischung, Herr? Wein etwa."

    Wulfried, der langhaarige Germane, begutachtete den Fremdling eindringlich, schließlich würden nur unbescholtene Bürger eingelassen. Wegelagerer und Gesindel musste draussen bleiben. Ob er zu den Unerwünschten zählte würde sich zeigen.
    "Ganz Recht. Das ist die Villa des Titus Helvetius Geminus.", beantwortete Wulfried die Frage des Fremden, nur um kurz darauf den Namen zu erfahren. Also mal wieder ein Familienmitglied. Früher konnte man annehmen, die Gens würde aussterben und in letzter Zeit kamen die Familienmitglieder aus ihren verstecken. Es war schon seltsam.
    "Wenn dem so ist, so tritt denn ein. Hast du Gepäck bei dir?", fragte er noch ehe er den Weg freimachte. Sein Gegenüber sah so aus, anders als seine Verwandte die vor einigen Tagen zu Besuch kam, als wollte er bleiben.

    Wulfried kam gar nicht mehr zur Ruhe, zumindest kam es ihm so vor. Einmal mehr klopfte es an der Tür. Nicht dass es ihn gestört hätte, es kam nur so überraschend nach der Ruhe, die sich in letzter Zeit um die Familie gelegt hatte. Pflichtbewusst öffnete der Germane also die Tür und musterte die Gestalt davor, die so aussah, als wäre sie hier etwas fehl am Platz.
    "Salve. Kann ich dir helfen?", fragte er den Besucher höflich.

    Er merkte nicht einmal, dass seine Tante ebenfalls den Raum betreten hatte, er hatte nicht einmal bemerkt, dass sie überhaupt gesprochen hatte. Es war, als würde alles um ihn herum geschehen, ohne dass er etwas davon mitbekam. Die Anderen wollten ihn nicht teilhaben lassen am Leben. Das war befremdlich und unangenehm. Wie immer in solchen Momenten kapselte er sich ab und zog sich zurück in seine Welt. Die Welt seiner Gedanken, der Leugnung und Verzerrung, die heile Welt, in der alles gut war.
    Milos Blick blieb am Gast haften, als erin seine Welt versank und komplett wegtrat. Sein Bewusstsein und sein Erleben schalteten ab, sein Blick wurde leer, blieb aber weiter auf den Gast gerichtet. Urplötzlich aber, wie eine Naturgewalt, schreckte er hoch und sprang auf, als wäre er von etwas gestochen worden. Verwirrt blickte er sich um, ehe er langsam in Richtung Tür wankte. "Ich habe den Hund vergessen... Ich muss meinen Hund füttern... Nein, er darf mich nicht auch noch hassen... Ich darf ihn nicht verlieren.", murmelte er ganz leise zu sich selbst. Urplötzlich war ih eingefallen, dass er noch gar nicht den Hund gefüttert hatte, das aber noch tun musste. In diesem Sinne verließ er nun auch den Raum, nur um später festzustellen, dass der Hund schon gefüttert wurde. Später fiel ihm dann auch ein, dass er es gewesen war, der den Hund gefüttert hatte. Das hatte er wohl vergessen, aber es hatte ihn zurück in sein Zimmer geführt, seinen Zufluchtsort wo er sich wohl fühlte. Ausserhalb der Zimmertür war ihm das Leben nicht mehr geheuer. Überall waren nur Menschen, die ihn nicht leiden konnten, die ihn nicht wollten und denen er schadete.

    "Wie du wünschst. Ich werde ihn holen.", meinte Wulfried nur, ehe er wieder verschwand um den Jungen zu holen, der sich welch Wunder in seinem Zimmer befand, so wie er es die meiste Zeit des Tages tat.
    Wenig später führte er den Jungen ins Tablinum und zog sich anschließend wieder an seinen Platz an der Tür zurück. Und so befand sich Milo also einmal wieder in einem anderen Zimmer als dem seinen. Er war unglaublich blass geworden, was daran lag, dass er seit Wochen nicht mehr die Sonne gesehen hatte, hatte dunkle Augenringe und seine dunkle Tunika unterstrich seine Blässe nur noch mehr. Er wirkte teilnahmslos und abwesend, wie immer dieser Tage.
    Angefangen hatte alles, als er seine Freundin hatte aufsuchen wollen, das jedoch vereitelt wurde durch eine furchtbare Hexe, die ihm aufgezeigt hatte, wie schändlich er doch für Sabina war. Er war stark verunsichert gewesen und hatte sich von da an von Sabina ferngehalten. Wenig später hatte er einmal wieder seine Mutter besucht, etwas worauf er sich gefreut hatte, doch sein Besuch gestaltete sich anders, als er es sich erhofft hatte. Seine Mutter und er waren sich beinahe schon fremd geworden und er hatte sich bereits am ersten Abend heftig mit ihr gestritten, sodass er tags darauf wieder abreiste. Seine Mutter wollte ihn nicht mehr, genauso wie Sabina. Überall gab es plötzlich anzeichen, dass er ungewollt war. Von diesem Zeitpunkt an hatte er sich nicht mehr mit seinen Freunden getroffen, hatte das Haus nicht mehr verlassen und sein Erzieher musste ihm fortan Privatunterricht geben. Aber seine Flucht vor der Aussenwelt war noch nicht beendet, denn immer öfters zog er sich in sich selbst zurück, wirkte abwesend, teilnahmslos und ab manchmal war er nicht einmal mehr ansprechbar und verließ dann auch nicht einmal mehr sein Zimmer, seine Zufluchtsstätte.
    "Salve.", begrüßte er den Gast, ohne ihn überhaupt eines Blickes zu würdigen. Sein Blick war zu Boden gerichtet. "Ich bin Helvetius Milo.", stellte er sich dann noch vor und setzte sich dem Gast gegenüber und starrte ihn, der eine sie war, mit wässrigen, geröteten Augen an. Er hatte sie noch nie gesehen, aber Wulfrieds Worten nach war sie eine Verwandte. Das alles interessierte ihn allerdings wenig. Er fühlte sich unwohl und wollte sich zurückziehen in sein Zimmer.

    Kaum hatte Wulfried den Raum verlassen begann auch schon die große Suche nach der Hausherrin. Von einem Raum zum nächsten durchsuchte er das Haus, rekutierte auf seinem Weg weitere Sklaven für die Suche, doch all seine Mühen nutzen nichts. Die Herrin blieb verschwunden. War sie wohl doch während seines Nickerchens aus dem Haus entflohen? Wahrscheinlich war es, erklärte es doch warum sie wie vom Erdboden verschluckt war.
    Beschämt und mit etwas ausser Puste kehrte Wulfried schließlich zum Besuch zurück, um Meldung zu erstatten.
    "Die Herrin ist derzeit nicht verfügbar.", meldete er pflichtbewusst. "Ihre Nichte ist ebenfalls ausser Haus.", fuhr er fort. Silana, das neuste Mitglied des Haushaltes war oft ausser Haus. Wo, das wusste er nicht. Er war schließlich nur ein Sklave und was ausserhalb des Hauses vor sich ging, das wusste er auch nicht. Es interessierte ihn auch nich. "Im Hause wäre derzeit nur Helvetius Milo aber mit dem wirst du kaum sprechen wollen." Und selbst wenn, dann würde er wohl kaum mit ihr sprechen. Bei Gedanken an den Jungen verfiel er wieder einer eigenartigen Melancholie. Bedauerlich was aus dem Jungen geworden war.

    Wulfried führte den Besuch ins prächtige Tablinum des Hauses, wohl der schönste Raum des Hauses, auch wenn er nur noch selten genutzt wurde. "Bitte warte hier, Herrin. Ich werde nach der Hausherrin schicken.", bat er und schlurfte davon. Unterwegs trug er einem anderen Sklaven auf Erfrischungen herbeizubringen.

    Wulfried staunte nicht schlecht. Es gab tatsächlich eine weitere Familienangehörige, es war wohl das Letzte womit er gerechnet hatte. Aber nun gut, er war auch überrascht gewesen, als der Senator mit einer ihm unbekannten jungen Frau aufgetaucht war, die sich als dessen Tochter herausstellte. Wie auch schon zuvor sagte ihm der Name dieser Angehörigen auch nichts.
    "Der Senator verweilt schon seit einiger Zeit nicht mehr in Rom. Allerdings sollte die Herrin, seine Tochter, zugegen sein. Ich will sehen, ob sie euch empfängt.", vermeldete er und gab dann den Weg frei. Wäre sie keine Angehörige gewesen, dann hätte er sie vor der Türe warten lassen. So allerdings bat er sie herein. "Treten doch ein."