... waren wohl am wenigsten die Besitzer der Schiffe! Nein, den größten Preis zahlte der Initiator dieser Abgabe höchst selbst. Nicht nur, dass er sich bei den diversen Gesprächen, die er mit Schiffseignern in Ostia, Roma und per Brief führte, nicht gerade viele Freunde gemacht hatte - einer dieser Leute war mittlerweile sogar Senator! - Dives hatte gar ein viel existenzielleres Problem bekommen:
Im Zuge der Durchsetzung der Hafengebühr war der Portus quasi zu einem zweiten Arbeitszimmer des Iuliers geworden, in dem er teilweise mehr Zeit verbrachte, als in seinem "richtigen" Officium. Ungünstig nur, dass der Hafen bei weitem nicht so sauber war, wie sein gewohnter Arbeitsplatz! Der einfache Arbeit seit jeher verabscheuende Dives fing sich so also - im Prinzip war es wohl von Beginn an nur eine Frage der Zeit gewesen - irgendeine Krankheit ein. Zunächst fühlte er sich nur matt und abgeschlagen, später folgten Hustenanfälle, Schweißausbrüche, Fieberschübe... Das ganze Programm!
Drob informierte ein iulischer Sklave die Curia und Dives' Freund Asinius Celer führte die letzten Wochen von Dives' Amtszeit dessen Officium. Der Iulier indes wurde in der Villa Iulia unter Karantäne gestellt und konnte nur über Ärzte und seine beiden Leibsklaven besucht werden.
So bekam er weder etwas davon mit, dass die Gattin seines Cousins Centho in Ostia ihr drittes Kind gebahr, noch erfuhr er, dass sie im Kindbett blieb. Es erreichten in keine Neuigkeiten aus Misenum, wo in der Zwischenzeit der Augustus samt Familie gestorben wurde oder aus Roma, wo der Stellvertreter des Augustus daraufhin eine Ausgangssperre verhängte und später eine Proskriptionsliste ausgab. Letztlich verpasste er auch seinen 20. Geburtstag, was im Vergleich zu Vorhergenanntem natürlich weitaus nebensächlicher war, aber dennoch erwähnenswert.
Nach mehreren Wochen, vielen Gebeten und einigen Opfern an Apollo und Aesculapius - durchgeführt natürlich durch die Bediensteten des Hauses für Dives, da er selbst wohl kaum dazu imstande gewesen wäre - gelangte der Iulier erst heute wieder zu einem Gefühl der Genesung. Ja, er konnte fühlen, dass es bergauf ging und er wohl durchkommen würde, wenngleich er noch immer recht schwach auf den Beinen war und daher den größten Teil des Tages das Bett hütete. Zumindest aber sein Kopf konnte wieder relativ klar denken und so ließ er sich dann auch gleich von seinem jugendlichen Elan getrieben, der ihm noch immer eigen war, die letzten Acta-Ausgaben kommen...
"Senatswahlen. Kaum zu glauben...", begann er das Lesen. Wie dichterische Werke laut gelesen werden mussten, um ihre Schönheit voll zu entfalten, so musste in Dives' Augen auch jedes andere Schriftstück laut gelesen werden.
"Publius Matinius Agrippa!", las er und blickte auf zu einem seiner Leibsklaven eine Antwort von diesem erwartend.
"Dein propatruus, Herr.", bestätigte ihm dieser die Vermutung. Sollte etwa ein Mitglied der Familie zum Consul gewählt geworden sein, während Dives hier schon halb den Weg ins Eysium getan hatte? Er las weiter.
"... 17,39% der Stimmen." Die Augregung legte sich wieder etwas. Das war wirklich ein niederschmetterndes Ergebnis und bereitete dem Leser keine Freude. Bei dem folgenden Vergleich musste Dives dann lautstark protestieren und es folgte entsprechend seiner noch unvollständigen Gesundung ein Hustenanfall.
"Soo lange ist ein ähnlich schlechtes Ergebnis doch sicher nicht her!", behauptete der Iulier ersteinmal ins Blaue. Es durfte einfach nicht sein, dass das stimmte. Dives überlegte... und überlegte... und überlegte... und dann... war das nicht... JA!
"Nein, so lange ist das nicht her.", bestätigte er sich noch einmal ganz ruhig, denn tatsächlich hatte (wennauch nur wenig später) Spurius Sergius Sulla einen noch geringeren Zuspruch bei den Wahlen. Gut, das waren sicherlich keine Senatswahlen im engeren Sinne, bei denen Dives' Cousin (der Sohn seiner Tante mütterlicherseits) damals so unterging. Doch die Wahl zum Tribunus Plebis ließ sch in Dives' Augen dennoch durchaus als "offen" bezeichnen.
Damit war Dives zufrieden. Nicht, dass es nicht auch schlimm gewesen wäre, dass noch ein weiterer Verwandter ein derart schlechtes Votum erreicht hatte. Das war durchaus nicht toll. Aber so konnte er in seinen Augen zumindest behaupten, dass der Artikel so ja gar nicht stimmte, wenngleich man unter objektiven Gesichtspunkten vielleicht auch die Meinung der Acta haben konnte. Doch wer war bei Familie schon derart objektiv?
Der Iulier wandte sich dem nächsten Artikel zu. Was dort stand, konnte er kaum glauben... der Augustus ermordet??? Dives ließ sich zurück in sein Bett fallen, in dem er bis dato aufrecht gesessen hatte und tausendundeine Frage schwirrten durch seinen Kopf. Da sonst niemand da war, begann er das Geschehene mit einem der Sklaven - natürlich einem der gebildeteren - zu erörtern.
"Wenn Aelianus Valerianus und sein Sohn tot sind, wer hat dann den nächsten Anspruch auf den Thron?"
"Na der im Testamentum des Augustus steht, oder nicht?" Was für eine Frage!, schob der Sklave gedanklich nach.
"Sicher, dass es soeinen überhaupt gibt? Ich meine, es ist ja nichtmal wirklich sicher, dass auch sein Sohn drin stand. Sonst hätte er den ja auch gleich zum Caesar machen können... was er nicht getan hat." Ob der Augustus überhaupt ein Testamentum hatte? Sicherlich! In seinem Zustand hätte wohl jeder Berater darauf gedrängt. 'Da gab es ja auch viel zu vererben.', verglich der Iulier seine Situation mit der des einst "nur" kranken Augustus. Was Dives vererben konnte, entsprach wohl nichtmal einem Krümel vom Kuchen...
"Keine Ahnung. Bisher gabs keine Infos, was da nun drin steht.", erwiderte der Sklave den tatsachen entsprechend.
"Dann wäre doch der nächste Verwandte eigentlich Aelius Quarto, der Patron meines Cousins, oder?", stellte Dives mehr fest, als dass er fragte. Umso überraschter war er ob der Reaktion des Sklaven:
"Naja, er ist der leibliche Bruder, ja. Aber rechtlich dürfte wohl Ulpius Probus als Cousin ihm näher stehen. Valerianus ist schließlich adoptierter Ulpier... war.", wandte der Sklave ein. Dives wusste nicht, inwiefern dieser damit nun Recht hatte, aber es erschien ihm zumindest plausibel - und er schien auch noch am Leben zu sein; zumindest hatte die Acta nichts Weiteres berichtet.
"Die Frage ist doch, wem die Legionen folgen!", wandte ein weniger um das Recht bedachter, sondern viel mehr praktisch denkender Sklave ein. Aber auch dem konnte Dives kaum widersprechen.
"Und wem folgen die Legionen?", stellte Dives in den Raum. Woher jedoch sollte das einer der Sklaven wissen? Betretenes Schweigen.
Dives las weiter: "... Proscriptio Praefecti Urbi..."
Damit war die vorherige Frage wohl zumindest für die Urbs Aeterna beantwortet. Im restlichen Reich fehlte Dives die Übersicht... genauso wie den anwesenden Sklaven.
"Sextus Aurelius Lupus." Bei diesem Namen hielt Dives kurz inne. Irgendetwas sagte ihm , dass er diesen Namen kannte. Ein Blick zu den Bediensteten...
"Seit kurzem Senator Romas, gewesener Quaestor, stammt aus patrizischem Hause.", ratterte der Angeblickte sofort herunter. Mehr konnte er aber auch nicht sagen.
"Richtig, der Patrizier aus Roma...", erinnerte sich Dives. Diesen hatte er damals in dessen Villa besucht. Gut, inwiefern die Villa ihm gehörte, wusste Dives nicht. Aber zumindest wohnte der Aurelier damals dort. Wie der Iulier zu diesem Vergnügen kam? Die Hafengebühr, die verdammte!
"Wurde aus dieser Richtung während meiner Abwesenheit in der Curia die Hafengebühr bezahlt? Lass nach Asinius Celer schicken!", kommandierte Dives einen Laufburschen. Der könnte Dives das wohl nur selbst erklären. Falls jedoch keiner der aurelischen Patrizier etwas gezahlt hatte, wäre die Frage wohl, inwieweit Ostia nun noch irgendwelche Ansprüche würde geltend machen können. Der Aurelier war ja schließlich vogelfrei durch die Proscription und demnach wahrscheinlich auch (rein rechtlich) besitzlos. Oder nicht? Dives war sich unsicher. Spielte das überhaupt eine Rolle? Gehörte das Schiff nicht einer Verwandten? Das würde Dives wohl später klären, wenn Celer hier wäre...
"Sonst irgendwelche Neuigkeiten?", erkundigte sich Dives, um die Zeit einigermaßen sinnvoll zu überbrücken.
"Zwei weitere Todesfälle: Dein Cousin Gaius Octavius Largus und die Gattin deines Cousins Centho, Furia Calliphana, die bei der Geburt ihres dritten Kindes im Kindbett blieb. Das Kind, Tiberius Iulius Fusus, ist aber wohl auf.", trug der Sklave kleinlaut die Fakten vor. Dives war bestürzt!
"Lass mich allein!", befahl er und drehte sich auf die Seite. 'Der arme Lucius!', dachte er noch, bevor er sich völlig erschöpft von dieser anstrengenden Unterredung in Morpheus' Reich begab...