Beiträge von Marcus Iulius Dives

    Dives wunderte sich ein wenig über den so entschiedenen Widerspruch der Plinierin. Denn nicht nur, dass die Anhänger des Epikur, wie der Iulier meinte, doch gerade für ihre eher lockere Einstellung zur Sexualität bekannt waren, förderte eine gesunde Sexualität darüber hinaus doch auch aus medizinischer Sicht ein insgesamt gesundes Leben. Das zumindest meinte er, in der Vergangenheit irgendwann einmal gehört zu haben. Insofern machte sexuelle Enthaltsamkeit vielleicht niemanden krank. Doch ohne erkennbaren Grund auf etwas zu verzichten, das einem gesunden Körper und Geist nur förderlich sein konnte, mochte wohl bestimmt auch nicht im Sinne Epikurs sein.


    "Nun zweifellos mag Nahrung, Wasser und Schlaf eine größere Bedeutung zukommen, da sie nicht nur natürlich und notwendig, sondern überdies auch überlebensnotwendig sind.", stimmte er ihr zu. "Jedoch verstehe ich Epikur und seinen Begriff der Notwendigkeit hier nicht so speziell. Denn ich meine doch, dass für ihn weniger das Überleben als viel mehr die Lust im Mittelpunkt steht.", erklärte er dann. "Und hier denke ich, dass auch die Sexualität durchaus notwendig ist, um ein lustvolles Leben zu führen.", kam er also zu seinem Schluss und hoffte, dass jener für alle doch einigermaßen nachvollziehbar war.


    "Denn wer sein Leben nach Epikur lebt, der richtet es wohl darauf aus, wie Pythokles eben sagte, worauf er Lust hat. Und ich glaube, dass Enthaltsamkeit in diesem Sinne wohl stets ein Herd der Unlust ist - unabhängig davon, ob es sich um sexuelle Enthaltsamkeit oder eine andere Form der Enthaltsamkeit handelt, und unabhängig davon, ob man eher freiwillig oder eher unfreiwillig in dieser Enthaltsamkeit lebt.", verriet er am Ende beinahe etwas zu viel über sich und seine eigene Enthaltsamkeit.

    | Quintus Petilius Sophus


    Das Warten für die Teilnehmer und die Zuschauer hatte begonnen, sodass auch Dives und sein petilischer Mitsenator sich mit etwas Smalltalk die Zeit zu vertreiben suchten.
    "Sieh dir das an, Dives, wie voller Scham er sich nicht einmal traut, seinem eigenen Vater nach diesem Auftritt hier unter die Augen zu treten.", beäugte Sophus das Verhalten seines Sohnes wie immer überaus kritisch. "Ich sage dir, wenn _dein_ Sohn einmal in dieses Alter kommt, in dem du bereits so viel für ihn getan hast, ihm ein sorgenfreies Aufwachsen erlaubtest, ihm eine tadellose Ausbildung hast zukommen lassen und ihm stets deine Aufmerksamkeit widmetest, indem du ihn beständig fördertest und dazu brachtest, dass er seine eigenen Grenzen durchbrach, dann wünsche ich dir, dass du einen etwas dankbareren Sohn hast, der _deine_ Anstrengungen auch durch _eigene_ Anstrengungen und einen bewussten Fokus auf die Zukunft dir vergütet.", erklärte der Petilier streng und Dives lächelte ein wenig betreten. "Nun, ich bin mir sicher, dass er dir sehr wohl dankbar ist und weiß, was du alles für ihn getan hast. Jedoch sehe ich keinen einzigen der fünf Teilnehmer sich zu ihren Vätern, Verwandten und Freunden begeben. Ich denke, womöglich möchte er schlicht nicht der Eine sein, welcher ein wenig, nun, 'unselbstständig' als erstes zu seinem Vater gelaufen kommt, nachdem seine Rede ihr Ende gefunden hat.", hielt der Iulier anschließend nur vorsichtig dagegen und hoffte, sich hier nicht zwischen zwei Stühle zu manövrieren.


    "Nun, wie dem auch sei.", wiegelte Sophus ab. Noch einmal warf er einen Blick auf seinen Sohn, bevor seine Augen weiter wanderten bis zur sich beratenden Jury. "Die drei Iuroren reden bereits ziemlich lange miteinander, findest du nicht?", wandte er sich anschließend neuerlich an seinen divitischen Nebenmann. "Ich vermute, sie werden ihre Entscheidung mit großer Sorgsamkeit zu treffen versuchen.", mutmaßte der Angesprochene. "Du denkst nicht, dass womöglich der Iuror Decimus seine beiden Mitiuroren davon zu überzeugen versucht, für den teilnehmenden Decimus sich auszusprechen, oder? Womöglich sollte ich gar auch selbst nicht hier sein, sondern stattdessen für meinen Sohn dort vorne bei den drei Iuroren mich ebenfalls einsetzen?", äußerte sich der Petilier neutral. "Du glaubst nicht wirklich, dass hier jemand zu bestechen versucht." Er sah seinen Nachbarn ungläubig an. "Oder?" Sophus zuckte mit seinen Schultern. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es gewiss nicht die ersten Richter eines römischen Gerichts wären, die einer solchen Versuchung erlägen.", stellte er nüchtern fest. "Allerdings magst du damit Recht haben, dass es sich vermutlich niemand würde leisten können, einen wohlhabenden Praefectus Praetorio, einen reichen und mächtigen Consul und die Frau des erhabenen Aquilius Augustus auf diese Weise für sich... einzunehmen." Dies mochte wohl selbst für den betuchtesten Römer ein wenig zu groß sein. So letztlich also sprachen die beiden Senatoren noch eine Weile über das eine oder andere ernste und auch weniger ernste Thema, bevor schlussendlich die Entscheidung sich ankündigte.


    "Siehst du.", begann der Iulier, nachdem zunächst die Namen Decimus und Ocatvius fielen, "Ich glaube kaum, dass die Verwandtschaft des teilnehmenden Decimus zum Iuroren Decimus Serapio hier irgendeinen Einfluss auf das Ergebnis hatte." Dives und Sophus applaudierten. Der dritte Platz sodann ging an den sergischen Teilnehmer. Auch hier spendeten die beiden Senatoren gerne Beifall, bevor die Spannung immer weiter stieg. "Nun heißt es wohl, mein Klient oder dein Sohn.", kommentierte Dives die Lage. "300 Sesterzen, dass mein Sohn gewinnt!", konnte sich der Petilier der Versuchung des Wettens nicht erwehren. Der iulische Quaestorier indes stockte. Denn die Unsicherheit des Wettens war etwas, das er doch stets zu vermeiden suchte, gleich ob er es sich in diesem Fall leisten konnte oder in einem anderen Fall womöglich auch nicht. Doch noch eh er zu einer Antwort sich durchringen konnte, hatte der Flavier auch schon offenbart, dass es am Ende nicht Petilius Rufinus sein würde, der den heutigen Sieg davontragen würde. "Ach, ich hab es doch gewusst.", ärgerte sich Sophus. "Gräm dich nicht. Es ist gewiss keine Schande gegen einen meiner Klienten zu verlieren.", frohlockte indes der Iulier und zog seinen Nebenmann ein wenig auf. "Du freust dich doch nur, dass ich dir jetzt 300 Sesterzen schulde.", unterstellte der Petilier. "Haben wir gewettet?", stellte Dives in den Raum. Denn tatsächlich angenommen hatte er die vorherige Wette schließlich eigentlich nicht. "Wettschulden sind Ehrenschulden, keine Sorge.", kommentierte der Vater des Zweitplatzierten leicht säuerlich, bevor sodann also der Sieger des heutigen Tages gekürt wurde.


    "BRAVO!", applaudierte der Patron des siegreichen Helvetiers anschließend begeistert für seinen Klienten. Denn in der Tat hatte letzterer doch einen sehr guten Auftritt am heutigen Tag gezeigt - und überdies machte es selbstredend gleich noch einmal so viel Spaß, sich für Helvetius Severus zu freuen, wenn man direkt neben dem Vater des 'nur' Zweitplatzierten stand. Dass Dives am Ende des Tages zudem noch um 300 Sesterzen reicher sein würde, war darüber hinaus wie der süße Honigmantel des eingelegten Obstes, welches der Iulier auf den Märkten der Urbs verkaufte. Eine durchaus gelungene Veranstaltung!

    | Quintus Petilius Rufinus


    Die Aneignung von Sachverstand klang als Argument gar nicht so verkehrt. Unschlüssig nickte Quintus zum Helvetier. Denn auch wenn es zunächst einen ganz guten Klang hatte, konnte er die Worte seines Vaters schon beinahe hören. Der würde vermutlich wieder irgendein bildliches Beispiel wählen, wie auch Quintus bei seiner Verteidigung gegen den Decimer ja sehr bildlich von dem Schaf auf dem Baum gesprochen hatte. Hier fiel der Apfel offenkundig nicht weit vom Stamm. Wahrscheinlich würde sein Vater also in die Richtung fragen, wozu jemand das Maurer-Handwerk lernte, wenn er doch eigentlich nicht Maurer sondern Bäcker werden wollte? Und in der Tat, Quintus wollte - im übertragenen Sinne - durchaus am liebsten Bäcker werden. Eines Tages wollte er gar für ein Jahr Meisterbäcker sein, wie es auch sein Großvater einst war. Doch während er selbst gerne am Rande noch das eine oder andere zum Beispiel auch aus dem Maurer-Handwerk lernen würde, selbst wenn er es später nicht wieder brauchte, legte sein Vater stets großen Wert darauf, dass Quintus seinen Fokus nicht verlor und am Ende womöglich noch Maurer statt Bäcker wurde.


    "DAS ist eine gute Idee!", überzeugte ihn am Ende am meisten von allen der Sergier mit seinem Vorschlag, später noch in die nächste Taberna zu gehen. Denn Kontakte zu guten Rednern zu knüpfen und zu vertiefen, war immer gut. Da könnte auch sein senatorischer Vater nicht viel dagegen sagen. Und vielleicht, ja vielleicht, würde Quintus in der Taberna dann auch noch ein paar Argumente finden, um mit den anderen ein wenig mehr über die Aquaeducte zu lernen. Denn in vino veritas, im Wein lag die Wahrheit, so sagte man schließlich.



    | Quintus Petilius Rufinus


    Dies war ein schwieriger Fall, in der Tat. Dennoch wollte Quintus den decimischen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen.
    "Nur weil mir keine Argumente dafür einfallen, bin ich noch lange nicht unfähig, irgendwann Senator und Konsul zu werden.", wehrte er sich gegen den Angriff. "Denn nur weil mir kein Argument einfällt, weshalb Schafe auf Bäumen wachsen, bin ich noch lange nicht dumm.", holte er dann zu einem Konter aus. "Das heißt nämlich nur, dass ich _vielleicht_ auch die Möglichkeit in Betracht ziehen muss, dass ich kein Argument finde, weil es einfach keins gibt.", konnte er sich am Ende seiner Worte gerade noch ein beleidigtes Verschränken der Arme verkneifen. Denn Argumentieren, so dachte er über sich selbst, das konnte er. Einzig Argumente zu finden gegen eine Aussage, die er bereits so oft und immer und immer wieder von seinem Vater gehört hatte, dass er sie mittlerweile auch ohne Beweis blind zu glauben bereit war, das konnte er nicht. - Aber das fiel bestimmt nicht nur ihm, sondern auch seinen heutigen Mitstreitern schwer...



    Der Iulier ließ sich zu einem halben Schmunzeln verführen, als die Plinierin offenbar ebenfalls überaus unzufrieden mit der erlangten Erkenntnis entrüstet ihre Hände in die Seiten stemmte. Im selben Augenblick, da er sie so ansah, wurde er allerdings auch auf die Frage gestoßen, weshalb er nicht zuvor in einer ähnlichen Weise reagiert hatte. Warum hatte nicht auch er entrüstet seine Hände in die Seiten gestemmt, als er des puren Egoismus gewahr wurde? Wieso hatte er sich stattdessen nur zurückgelehnt und diese etwas desillusionierende Erkenntnis ohne Gegenwehr einfach so hingenommen? Hatte er sich womöglich unterbewusst bereits längst - und zweifellos überaus resigniert - damit abgefunden, dass es - auch in seinem eigenen, engsten Umfeld - Personen gab, die ohne jedes erkennbare Maß schlicht egoistisch waren?
    Dieser Gedanke wollte dem Senator fast noch weniger schmecken, sodass er etwas verärgert über sich selbst die Augenbrauen zusammenzog und ganz leicht seinen Kopf schüttelte. Erst da bemerkte Dives, dass seine Augen noch immer auf der Plinierin ruhten. Ohne ihren stummen Blick zu registrieren, wandte er sich also von ihr ab. Denn über die Jahre hatte der Iulier zwar ein regelrechtes Gespür für selbst die kleinste Geste und den heimlichsten Blick eines anderen Mannes entwickelt. Was das Bemerken ähnlicher Blicke, Mimiken und Gesten ihm gegenüber von Frauen anging, so war er hier von einer ähnlichen Begabung allerdings viele hundert Meilen entfernt. Beinahe mochte man sagen, hatten sich seine Augen über die Jahre daran gewöhnt, weibliche Reize, die ihn nun einmal nicht reizten, schlicht - und ohne böse Absicht - zu übersehen.


    "Das Begehren nach Nahrung, Wasser und Schlaf scheint mir ebenfalls beides, natürlich und notwendig.", meldete sich Dives erst an späterer Stelle wieder zu Wort. "Darüber hinaus denke ich, dass aber auch sexuelle Begierden natürlich und notwendig sind.", ergänzte er dann und dachte dabei selbstredend unter anderem auch daran, dass selbst gleichgeschlechtliche Begierden ja nicht nur beim Menschen vorkamen, sondern auch in der Tierwelt - gerade Schäfer waren damit sicherlich nicht unvertraut. Was aber nun in der Tierwelt vorkam, kam allgemein in der Natur vor und war folglich also natürlich. Im Gegensatz dazu hatte selbst in zwei Jahrtausenden wahrscheinlich noch niemand ein Tier entdeckt, welches eine Phobie vor gleichgeschlechtlich lebenden und liebenden Artgenossen hatte. Und was also nur in der künstlichen Welt der Menschen existierte, nicht jedoch auch in der natürlich Welt der Tiere, das musste definitionsgemäß wohl widernatürlich sein. - Doch dieser letztere Gedanke gehörte sicherlich kaum hierher.
    "Ein Begehren, der zwar natürlich, aber nicht notwendig ist, wäre wahrscheinlich der Wunsch nach einer Familie. Denn wenn auch viele Tiere in Familienverbänden zusammenleben, dann kann eine eigene Familie", die sich in dieser Lesart wohlbemerkt sehr verschieden definieren ließ, "selbstredend nicht unnatürlich sein. Andererseits aber haben wir über die nicht zwingende Notwendigkeit von Familien bereits gesprochen.", äußerte Dives eine Vermutung für ein weiteres Beispiel. "Und der dritte Teil ist ja eigentlich relativ einfach, weil für Epikur ausnahmslos alles, was nicht natürlich ist, auch nicht notwendig ist. Das heißt die zuvor genannte Tugend gehört zum Beispiel sicherlich dazu. Denn was tugendhaft ist und was nicht, bestimmt einzig der Mensch, nicht die Natur. Also ist die Tugend eindeutig nicht natürlich, sondern menschlich - und nach Epikur daher unnötig.", hoffte Dives auch hier nichts Verkehrtes gesagt zu haben.

    Der divitische Senator wartete auf die Frage des clodischen Consuls hin noch einige Augenblicke, dem Consul Flavius oder auch ihren übrigen Mitsenatoren die Möglichkeit für weitere Anmerkungen und oder Fragen zu geben und einzuräumen. Erst als er allmählich den Eindruck gewann, dass sich wohl niemand weiter zu Wort melden wollte, um die neuerlich vor allem flavisch-iulische Diskussion zu bereichern, erhob sich der iulische Quaestorier noch einmal, das Wort zu erbitten.


    "Ich möchte anmerken, dass es nicht zuletzt auch im Sinne meines Wortwechsels mit dem ehrenwerten Consul Flavius vielleicht ratsam wäre, eine zweiteilige Abstimmung durchzuführen", schlug Dives vor, "über das Amt des Tribunus Plebis und damit die Paragraphen 41 und 54 auf der einen Seite - und über das Plebiszit und damit die Paragraphen 2 und 3 und 7.1 auf der anderen Seite." Denn auch wenn der Antragsteller die Hoffnung hegte, dass am Ende beide Änderungen durch den stadtrömischen Ältestenrat angenommen wurden, wollte er doch gerade dem aktiven flavischen Wortführer die Möglichkeit geben, einmal mehr auch für einen divitischen Vorstoß zu stimmen. Auf diese Weise, so hoffte Dives, würden sich ihre flavisch-iulischen Differenzen vielleicht nicht ganz so sehr manifestieren.

    | Quintus Petilius Rufinus


    Der Augenblick der Wahrheit war gekommen und Quintus, der selbstredend nicht mitbekam, wie sich die Jury im Einzelnen entschieden hatte und welches Urteil sie damit nun insgesamt über die heutigen Redner fällen würde, war einmal mehr nervös und aufgeregt. Denn auch wenn er seine eigene Rede für nicht schlecht befand, waren doch auch die anderen Redner alles andere als schlecht gewesen. Überdies hatte jeder einzelne von ihnen ein gewisses Alleinstellungsmerkmal ins Feld geführt, welches der Jury entweder aufgefallen oder nicht aufgefallen war - und welches die Juroren, so es ihnen ins Bewusstsein gelangte, entweder positiv oder negativ bei ihrer Entscheidungsfindung beeinflusste.


    Da war zum Beispiel der Octavius gewesen, der sich hervorgetan hatte durch sein Vorwort zur Ars Oratoria und sein an den Consul gerichtetes Lob. Da war zudem der Sergius gewesen, der sich ausgezeichnet hatte durch seine ihm eigene Art mit einer ganz speziellen Mischung aus amüsantem Spott und geistreicher Ironie. Ferner durfte man natürlich auch den Decimus nicht vergessen, der insbesondere durch sein menschliches Requisit wohl jedem aufgefallen war. Dazu kam der Helvetius, der sicherlich vor allem die einfache und schlichte Eleganz seiner Rede als Alleinstellungsmerkmal für sich beanspruchen konnte. Und auch Quintus eigener Vortrag hatte natürlich etwas, das kein anderer hatte - neben einem gewiss etwas "bürokratisch" komplizierten Stil nämlich das durchgehende Motiv, den eigenen Fall aus der griechischen Welt mit einem anderen aus der römischen in Beziehung zu setzen.


    Es war letztlich wohl also vor allem die Frage, wie die Juroren die jeweiligen Alleinstellungsmerkmale der einzelnen Reden bewerteten. Welche Merkmale gefielen ihnen? Welche Merkmale gefielen ihnen nicht? Und nicht zuletzt welche Merkmale fand überhaupt jeder einzelne Juror in jeder Rede? In diesem Punkt schließlich war Quintus eigener Eindruck mit Sicherheit nicht vollständig, sondern am Ende nicht mehr und nicht weniger als nur genau das, ein einzelner Eindruck. Der eine mochte ihn teilen, der andere nicht. Vergleichsweise sicher war sich der petilische Senatorensohn vor der Urteilsverkündung folglich auch nur in einem einzigen Punkt. Weder der Consul noch seine beiden Mitjuroren hatten wohl eine tabellarische Liste vor sich, in welcher sie gleich einem Magister irgendwelche Teilbewertungen in statischen Kategorien wie Eloquenz, Körpersprache, Kreativität und Inhalt vornahmen.


    So erhob nach spannungsvollem Warten letztlich also der vorsitzende Juror das Wort, die Entscheidung seiner Jury zu verkünden. Als Quintus aufgerufen wurde, trat er hervor, die folgenden Glückwünsche entgegen zu nehmen.
    "Vielen Dank, Consul.", bedankte er sich sodann eher einem kleinen Jungen gleich, denn wie ein Sohn aus senatorischem Hause. Doch genau so - wie ein kleiner Junge, nicht ein Sohn aus senatorischem Hause - kam sich Quintus in diesem Augenblick auch vor, da er dem flavischen Consul gegenüberstand. Und so blieben dies dann auch die einzigen Worte aus seinem Mund, währenddem er der Versuchung widerstand, der hübschen Preisüberbringerin nachzuschauen. Selbst bei einem Wettstreit der Oratoren war Reden eben manchmal nur Silber, indes Schweigen Gold. Bei diesem Gedanken grinste Quintus ein bisschen verstohlen, während sein Blick erst über die Loge der Ehrengäste glitt und anschließend ein letztes Mal das sonstige Publikum einsog, bevor er nachfolgend dem heutigen Sieger den Platz beim Consul überließ.



    | Quintus Petilius Rufinus


    Der Sergius versuchte, Quintus Mut zuzureden. So recht fruchten wollte dieser Versuch bei Letzterem allerdings nicht.
    "Nunja.", antwortete Quintus also mit dem gleichen entschuldigenden Lächeln, das er auch bei - den insgesamt sehr seltenen - Widerworten gegen seinen Vater stets aufsetzte. "Ich glaube, so einfach 'passieren' kann und wird mir das nicht, dass ich Curator werde. Denn ich denke, da ernennt mich niemand einfach dazu, ohne dass ich mich aktiv darum bemühe.", äußerte Quintus seine Zweifel und zögerte. Denn der Wille seines Vaters, dass er sich auf die politische Laufbahn konzentrierte, bedeutete am Ende nichts anderes, als dass Quintus einmal Consul werden sollte. Ob er vorher oder nachher mal temporär als Curator amtierte - innerhalb der Cura Aquarum oder auf einem anderen Gebiet - das wäre für seinen Vater vermutlich eher nebensächlich, solange es nur nicht Quintus Fokus vom höchsten Staatsamt ablenkte.


    Anschließend stimmte auch der Decimer in den sergischen Zuspruch ein.
    "Und was tue ich, wenn er sagt, dass ich mich auf dem Weg zum Consulat lieber erstmal darauf konzentrieren soll, dass ich Senator werde, bevor ich davon träume, als Senator irgendwelche Ämter zu übernehmen und auszufüllen, die vor allem meinen Fokus ablenken vom Großen und Ganzen, vom Consulat?", fragte er etwas missmutig und seufzte. Denn diese Argumentation - und das mochte man an der Stimmlage des Senatorensohnes wohl durchaus ablesen können - hatte sich Quintus nicht spontan ausgedacht und aus den Fingern gesogen. Es war indes schlicht die gleiche Argumentation, welche der Sohn offenkundig wohl nicht erst einmal von seinem Vater zu hören bekommen hatte.



    Nach der Zustimmung des einen iulischen Senators als SimOn-Vater Avianas folgt an dieser Stelle natürlich auch sogleich die Zustimmung des anderen iulischen Senators als SimOff-Verwalter der Gens Iulia.


    Tiberius Magnus: Aufnahme in die Gens Iulia :dafuer: und angegebene Verwandtschaft :dafuer:


    Aviana: Herzlich willkommen in der Gens Iulia!
    Und jetzt aber ab durch die Mitte und nach Hause mit dir, junges Mädchen. Nicht dass die SimOff-Stadtwachen sich hier noch von ihrem SimOn-Pendant zu irgendetwas inspirieren lassen... ;)

    | Quintus Petilius Rufinus


    Der Decimus brachte sich nun ebenfalls ein, wobei sich Quintus nicht helfen konnte und doch eher skeptisch dreinblickte, als er sich vorstellen sollte, dass es ganz normal wäre, dass bestimmte Abschnitte einfach so lange unbeachtet blieben, bis sie baufällig waren. Denn gab es nicht genau aus diesem Grund - damit es gar nicht erst zu irgendeiner Baufälligkeit kam - die Cura Aquarum mit ihm Curator Aquarum an der Spitze und den Aquarii als seinen tatkräftigen Unterstützern bei der Bewältigung der großen Aufgabe, eine funktionierende Wasserversorgung für Roma sicherzustellen?


    "Ah... Achso.", zeigte sich Quintus folglich doch ein wenig erleichtert, als der Sergius nicht den Gedanken der Baufälligkeit aufnahm, sondern stattdessen im Gegenteil von einer weltweit unübertroffenen, römischen Spitzentechnologie sprach, bei der lediglich an einigen ewigen Baustellen eine erhöhte Gefahr vorlag. "Ja, das würde mich auch interessieren.", stimmte er anschließend dem Decimus zu, wenngleich er da gleich auch etwas einschränken musste. "Allerdings weiß ich jetzt nicht, ob mich mein Vater auch sowas mitmachen ließe. Denn der ist recht streng und will, dass ich mich vor allem auf meine Laufbahn in der Politik vorbereite und das nicht schleifen lasse.", erklärte er und machte mit seinem unentschlossenen Gesichtsausdruck deutlich, dass es ihm alles andere als egal war, was sein Vater über ihn dachte. Denn Quintus war nie ein Rebell gegen seinen Vater gewesen. Und Quintus würde wohl auch nie zu einem solchen werden.



    | Quintus Petilius Rufinus


    Ah. Quintus nickte. Der Sergius kannte also einen Ubier und schloss von dem einen dann auf alle anderen. Dieses Vorgehen war auch dem Petilier als geborenen Senatorensohn selbstredend alles andere als fremd, sodass er seinen Gegenüber gewiss nicht dafür verurteilte und auch nur schräg anguckte. Vielmehr vermochte er die Aussage nun jedoch auch etwas besser einordnen zu können und lächelte darob zufrieden.


    "Nun, dann hoffen wir mal, dass es auch weiterhin immer gut geht, oder?", fiel ihm zunächst nichts Besseres ein als das. Erst nachdem die Worte des Sergiers kurz etwas bei ihm eingesackt waren, musste er dann doch nochmal nachfragen. "Aber sag mal, was macht so ein Aquaeduct-Reparaturteam eigentlich, das so gefährlich ist?", wollte Quintus interessiert wissen. Denn er selbst hatte von derlei handwerklichen Arbeiten doch im Allgemeinen nur wenig Ahnung. Als Senatorensohn übernahm er zumeist nur das Planen und Denken, während die Ausführung seiner Gedanken in der Regel irgendwer anders übernahm. Aber das war beim Sergius hier gewiss nicht anders, mutmaßte er. Der übernahm das Planen und Denken, der Ubier dann die gefährliche Ausführung.



    Dives, der sich bisher doch stark bemüht hatte, sich entsprechend seiner Berufung in dieses Consilium auch mit seinen Gedanken und Standpunkten in selbiges einzubringen, überlegte einen kurzen Moment, bevor er auch weiterhin bestrebt war, der ihm hier übertragenen Aufgabe gerecht zu werden.


    "Da die Richtlinien deutlich davon sprechen, dass es nicht nur dem Senat sondern überdies selbstredend auch dem Imperator Caesar Augustus zusteht, Kandidaten für das Ulpianum zu nominieren, wie auch die sonstigen Punkte keineswegs explizit ausschließen, einen verblichenen Imperator Caesar Augustus in das Ulpianum aufzunehmen, sollte es sicherlich möglich sein, dies umzusetzen.", äußerte sich der Iulier zunächst recht allgemein, bevor er konkreter wurde und in hierbei nun auch seine Meinung mit einbrachte. "So also möchte ich mich gewiss nicht dagegen aussprechen, auch einige der Imperatores Caesares Augusti durch gesonderte Statuen in der Kaiserhalle des Ulpianum zu ehren, wie die beiden ulpischen Principes meines Wissens nach sogar - und gerade als Namensgeber dieses Bauwerks zweifellos vollkommen zurecht - bereits Standbilder dort besitzen. Allerdings sollten wir mitunter auch berücksichtigen, dass eine auch formale Aufnahme in das Ulpianum genauso die Ehre der dorthin aufgenommenen Sterblichen etwas überhöhen könnte, wenn man sie hier sinnbildlich direkt an die Seite von vergöttlichten Principes stellt; wie es andererseits natürlich auch die vergöttlichten Principes ein wenig weniger göttlich machte, sie unter einem Dach zusammen mit vergleichsweise 'einfachen' Sterblichen zu verehren.", merkte der Quaestorier an.


    "In der Folge also - so wäre dies meine Ansicht - sollten daher den erhabenen Augusti vor allem die göttlichen Ehren zufallen, so man sie derer nach ihrem Tod für würdig befindet, wie es die höchste Würde eines 'einfachen' Römers sein sollte, nach seinem Tod in das Ulpianum aufgenommen zu werden.", fasste er folglich zusammen. Denn nicht zuletzt war Dives als Senator der Ansicht, dass es auch der Senat und nicht ein kleines Gremium mit auch Rittern und nicht-ritterlichen Nicht-Senatoren sein sollte, der über die Regierungszeit eines Princeps urteilte. Immerhin war ja auch der Aquilier selbst nicht durch ein derart gemischtes Gremium zu seiner hohen Würde als erster Mann des Staates gekommen, sondern durch einen Beschluss allein der Senatoren des stadtrömischen Ältestenrates. Für die Wahrung dieses Prinzips hatte der Iulier einst gar selbst ein Diploma des damaligen Consuls Decimus öffentlich ausgeschlagen. Denn nicht der Decimus allein hatte ihn dereinst zum Decemvir stlitibus iudicandis gewählt, sodass es nach Überzeugung des Iuliers auch nicht der Decimus allein sein konnte, der am Ende des Amtsjahres über Erfolg oder Misserfolg der iulischen Amtsführung entscheid. Stattdessen hatte Dives geduldig gewartet - und dies durchaus über einen längeren Zeitraum -, bis letztlich der Senat auf Initiative des Senators Duccius sich der Auszeichnung gewesener Magistrate des Cursus Honorum angenommen hatte. So verbunden fühlte sich der Quaesatorius - damals wie heute - mit diesem Prinzip.

    "Gewiss. Es intendierte auch niemand hier, dich zu einer sofortigen, überstürzten Entscheidung zu drängen.", nickte Dives verständnisvoll. "Sobald du jedoch deine Informationen eingeholt und deinen Beschluss gefasst hast, wird sich mein Klient selbstredend freuen, von deiner Administratio zu hören.", hielt er allerdings bewusst fest. Denn so lag der Spielball nun in jedem Fall bei der palatinischen Kanzlei, zu gegebener Zeit von sich hören zu lassen.


    "Damit würde ich im Folgenden gerne auf mein auch brieflich angekündigtes Anliegen zu sprechen kommen.", lenkte Dives sodann über und hatte dabei natürlich auch gleich noch eine weitere Rechnung im Hinterkopf. Sollte sich nämlich sein Klient im folgenden Gespräch gut schlagen und auch inhaltlich gut einbringen, wäre dies zweifellos ein weiteres, deutliches Zeichen an den Augustus, eine Einstellung des Helvetiers als Primicerius hier ernsthaft in Betracht zu ziehen... "Dabei möchte ich zunächst sagen, dass ich deine vergangene Initiative überaus begrüße, nach dem Caesar und der Augusta nun auch den Part über 'die Rechte des Imperator Caesar Augustus' aus dem Codex Universalis streichen zu lassen und damit dieses AMT, welches - mit Verlaub - sehr den Eindruck eines königlichen Amtes mit anderem Titel erweckte, ersatzlos abzuschaffen.", lobte der Senator den Princeps. "Stattdessen hast du dir und niemandem als dir persönlich mit der Lex Aquilia de Imperio die außerordentlichen Rechte und Privilegien vom Senat geben und antragen lassen, welche dir als erstem Bürger des Staates zweifellos zustehen und auch weiterhin in diesem Umfang unbeschnitten zustehen sollen.", machte der Iulier anschließend klar, dass er hier keinen republikanischen Umsturz plante oder im Sinn hatte. "Anders ausgedrückt beziehst du deine Rechte und Privilegien nun nicht länger indirekt durch ein königlich anmutendes AMT. Indes wurden die Rechte und Privilegien deiner Vorgänger nun direkt und ganz unmittelbar mit deiner Person verbunden." So besaß der Aquilier die Tribunicia Potestas also nicht dadurch, dass er irgendein Amt ausfüllte. Er besaß die Tribunicia Potestas, weil er die eine, einzige Person im Imperium war, welche durch die Lex Aquilia de Imperio ganz persönlich und unmittelbar diese Potestas übertragen bekommen hatte.


    "Wo nun jedoch die Abschaffung der ÄMTER von Caesar und Augusta kaum bis keine Konsequenzen für die übrigen Partes des Codex Universalis und der anderen Codices hatte, sieht es in diesem Fall jedoch mitunter schon etwas anders aus. Denn noch immer sprechen - obgleich das AMT eines Imperator Caesar Augustus in der Form nicht länger existiert - viele Gesetze und Paragraphen vom Kaiser oder vom Imperator Caesar Augustus, als sei dies auch weiterhin ein Amt, welches heute nun von dir und morgen von deinem Sohn besetzt ist.", erklärte Dives. "Was mir in der Folge also vorschwebt, ist eine größere Reform einer Vielzahl von Gesetzen und Paragraphen in der Form, wie ich dies stillschweigend jüngst auch in einer Gesetzesänderung zum Senat und Ordo Senatorius durchzusetzen vermochte. So ist im Paragraphen 16 nun nicht länger von einem allgemeinen Imperator Caesar Augustus die Rede, den es in der Form ja nun aber nicht mehr gibt." Nun gab es indes nurmehr einen Imperator Caesar Tiberius Aquilius Severus Augustus, wie gleich zu Beginn der Lex Aquilia de Imperio eigentlich gut zu erkennen war. "Stattdessen spricht der Paragraph 16 fortan nun vom Censor, dem Amtsträger eines tatsächlich existenten Amtes also. Dabei ist selbstredend in der Lex Aquilia de Imperio festgeschrieben, dass du, Aquilius, als ständiger Censor ohne Amtskollege amtierst.", nickte der Quaestorier bekräftigend und hoffte, dass damit auch der Princeps erkannte, dass die Änderung der Begrifflichkeit an der Stelle vielleicht den ersten Eindruck erweckte, als würde dort die Macht des Augustus beschnitten werden; dass seine Macht tatsächlich beschnitten jedoch mitnichten wurde.


    "So du diesem Grundgedanken, der hier ganz im Sinne deiner Lex Aquilia de Imperio steht, also folgen kannst und auch weiter zu folgen bereit bist, würde ich im Folgenden gerne Punkt für Punkt durch die verschiedenen Gesetze und Paragraphen gehen, um gemeinsam einen Weg zu finden - weiter weg von einem jüngst abgeschafften Amt, und weiter hin zu den republikanischen Hüllen, welche dir nicht zuletzt die Lex Aquilia de Imperio zur Verfügung stellt.", sprach er in seinem letzten Satz hier vermutlich mit am offensten. - Dass all dies ohne jeden Zweifel keine Angelegenheit sein würde, welche sich in wenigen Augenblicken abhandeln und durchsprechen ließe war dabei natürlich klar. Dieses Gespräch - so der Princeps es denn annahm und eine derartige Diskussion hier erlaubte - würde dauern...

    In der Tat vermochten die Ausführungen des Praetonius beim Iulier für ein wenig mehr Klarheit zu sorgen. Denn hatte er zuvor mitunter noch den einen oder anderen Zweifel daran gehabt, so war er sich spätestens an diesem Punkt nun doch überaus sicher, dass für Epikur tatsächlich einzig und allein nur man selbst im Mittelpunkt stand. Es war eine Lehre des puren Egoismus, in welcher jederzeit austauschbare - und folglich mitunter auch im entscheidenden Moment unzuverlässige - Freunde noch über dem kraftvollen und verlässlichen Konstrukt einer eigenen Familie standen, die in guten wie in schlechten Zeiten und jederzeit einem Fels in der Brandung gleich den Einzelnen schützte vor den Wellen, welche das Leben ihm entgegen warf. Und allein diese desillusionierende Erkenntnis ließ Dives im Folgenden doch etwas enttäuscht zurück.


    "Ich vermag hier nicht mit letzter Gewissheit zu sprechen, doch wäre ich mir nicht so sicher, ob nicht Epikur die Sache vielleicht doch etwas anders sähe. Denn in seinen Lehrsätzen, wie wie soeben noch einmal hörten, geht es nicht um die Lust oder Unlust von anderen - von Angehörigen, Familie oder Patienten - sondern letztlich wohl doch einzig und allein um dich selbst.", äußerte sich der Senator im Anschluss auf die Wortmeldung der Plinierin hin. "Und wie in der Folge also eine Familie Lust und Unlust bereiten kann und bereitet, und wie nun jeder selbst für sich entscheiden muss, was von beidem für ihn ganz persönlich dabei überwiegt, so wird es bei deiner Profession gewiss nicht anders sein, vermute ich. Denn zweifellos vermag die Heilung eines Kranken dir zu Lust verhelfen. Gleichzeitig aber besteht wohl auch häufig das - erhöhte - Risiko, dich im Rahmen deiner Tätigkeit selbst mit irgendeiner Krankheit anzustecken und zu infizieren, womit du dir selbst also vermeidbare Unlust und vermeidbaren Schmerz zufügst.", meinte der Iulier allmählich einen Blick für diese Lehre des Egoismus zu gewinnen - einen Blick zweifellos, der ihm selbst nicht im geringsten gefiel. "So dieses erhöhte Risiko eigenen Schmerzes und eigener Unlust dir also die durch erfolgreiche Behandlungen gewonnene Lust wert ist, mag es dir mit deiner Profession gehen wie mir mit meinem Kindern. Andernfalls jedoch... nunja, wäre Epikur vermutlich nicht ganz so glücklich mit dir.", beendete der Quaestorier sein pessimistisches Statement und lächelte schmal. Denn er intendierte damit nicht, die Plinierin in irgendeiner Form anzugreifen. Er wollte nur - frei nach Epikur - ganz egoistisch seine eigene Desillusionierung mit jemandem teilen, damit es ihm selbst im Anschluss daran vielleicht ein bisschen besser ging. (So zumindest könnte man an dieser Stelle wohl den Eindruck gewinnen.)

    Dives überließ zunächst seinem Klienten das Wort, da nicht zuletzt der Augustus auch eben den Helvetier und nicht etwa den iulischen Senator angesprochen hatte. Als er indes jedoch den Praefectus Urbi ins Spiel brachte, fühlte sich Dives berufen, kurz einzugreifen und den Fokus weg von den Umständen in der städtischen Schreibstube hin auf einen anderen Aspekt zu lenken.


    "Nun, ich möchte gewiss weder dem Praefectus Stertinius noch seinem Vorgänger hier direkt oder indirekt einen Vorwurf machen. Denn gerade den Consular Decimus kenne ich doch mittlerweile ein wenig besser, nachdem ich im Jahr seines Consulats mein Vigintivirat absolvierte und unter seiner Ägide als Praefectus Urbi mein Tribunat bei den Cohortes Urbanae versah. Und weder zu der einen noch zur anderen Zeit hatte ich je Grund zu der Annahme, dass er seine Verwaltung nicht stets gut im Blick gehabt hätte.", äußerte er sich folglich zunächst, den Druck von den beiden Consularen zu nehmen. "Stattdessen glaube ich vielmehr, dass es das Amt selbst ist, welches meinen Klienten nicht angemessen ausfüllt, ihn nicht genügend fördert und fordert, ihm nicht genügend Möglichkeiten bietet, seine ihm zweifellos bereits durch seine tüchtigen Ahnen in die Wiege gelegten Fähigkeiten optimal zum Wohle Romas einzusetzen und einzubringen." Kurz sah der Patron zu seinem Klienten und überlegte. "Schon sein Großvater" An dessen Namen konnte sich der Iulier allerdings gerade nicht erinnern. "war über viele Jahre, am Ende vermutlich Jahrzehnte gar als - ausgezeichneter - Primicerius a libellis ein offenkundig überaus fähiges Mitglied des palatinischen Beamtenapparates und arbeitete damit in einer Position und Umgebung, in welcher er sich deutlich besser für Roma einzubringen imstande war, als er die Möglichkeit dazu in einer stadtrömischen Schreibstube gehabt hätte.", deutete Dives an, bevor er nach einer kurzen Kunstpause konkreter wurde.


    "Insofern also verwundert es mich wenig, dass mein Klient mit seiner Befähigung - du erzähltest mir auch von der einen oder anderen Empfehlung für deine exzellente Arbeit, nicht wahr - weder heute in seiner Schreibstube ausgelastet ist, noch wohl je richtig dort ausgelastet sein wird." Die eingeschobene Frage an den Helvetier war selbstredend nur rhetorischer Art. "Meine Überlegungen in der Folge gingen daher in die Richtung, ihn für eine Anstellung als Primicerius in der Administratio Imperatoris zu empfehlen. Gerade die Abteilung des Procurator ab epistulis scheint ja mitunter die eine oder andere helfende Hand vielleicht ganz gut gebrauchen zu können.", spielte er anschließend sogar auf einen ganz konkreten Fall an, wobei er offen ließ, ob hier seine Frau oder sein praetorianischer Cousin den Quell dieses Gerüchts bildete. "Und sag, war nicht genau dies auch die von dir präferierte Abteilung, würde man dir die Wahl lassen?", lenkte er anschließend den Fokus neuerlich auf seinen Klienten. Dabei war selbstredend klar, dass der eine echte Wahl bei der Abteilung kaum haben würde, indes nur hoffen konnte, dass es überhaupt in einer Abteilung einen Platz für ihn gäbe. Doch sollten sich der Bedarf einer Abteilung und seine Präferenzen zufällig doch überschneiden, wäre dies selbstredend ein Argument, welches der Iulier an dieser Stelle keineswegs unerwähnt lassen wollte.

    "Wer weiß, wer weiß...", nickte Dives, ohne sich an den Spekulationen über die etwaigen Hintergründe an dieser Stelle zu beteiligen. Andernfalls auch gelangte er am Ende mitunter noch zu der Frage, ob es hier womöglich einen Zusammenhang gab zwischen der Familienzugehörigkeit der Kommandanten und dem Verhalten der jeweiligen Einheiten. Oder mochte es Zufall sein, dass die Kontrollen der Stadtwachen schärfer wurden, sobald der eine Decimus seinen alten Posten geräumt hatte, während die praetorianischen Kontrollen nun scheinbar lascher wurden, nachdem der andere Decimus sein neues Amt angetreten hatte? - Hier standen Tür und Tor wohl mitunter weit geöffnet für jede Spekulation.
    "Aber ich hoffe, du weißt", lenkte Dives den Fokus allerdings von den Mutmaßungen weg auf einen anderen Aspekt, "dass du dich in einem solchen Fall - die Götter mögen dich davor bewahren, je in eine derartige Lage zu geraten - unbedingt an deinen Patron wenden solltest. Denn ich versichere dir, der würde einen derartigen Vorfall gewiss nicht folgenlos auf einem seiner Klienten sitzenlassen.", erklärte er noch immer mit einem Lächeln im Gesicht, aber dennoch merkbar ernster im Ton. Nicht zuletzt wäre es schließlich auch für ihn selbst blamabel, wenn jemand einen seiner Klienten derartig der Lächerlichkeit preisgab.


    "Ave, Aquilius Augustus.", grüßte der iulische Quaestorier sodann, als nun der Princeps zu ihnen stieß. Die nachfolgende Einladung, sich zu setzen, nahm er mit dankendem Nicken an und setzte sich also. "Oh, dies ist Helvetius Severus.", stellte er anschließend, den erwartungsvollen Blick des Augustus registrierend, vor. "Er mag dir vielleicht noch ein wenig in Erinnerung sein durch seine überaus gelungene Teilnahme am wunderbaren Rhetoren-Wettstreit des Consuls Flavius." Dives nickte anerkennend in Richtung des Helvetiers. "Heute jedoch ist er nicht hier, eine große Rede zu halten, sondern seinen Patron zu begleiten.", klärte er den Princeps dann über seine Verbindung zum Helvetius auf. "Denn bevor ich dir von meinem brieflich angekündigten Anliegen berichte, möchte ich durchaus nicht unerwähnt lassen, dass mein Klient ohne die eine oder andere zusätzliche Aufgabe - sei es die Teilnahme an einem großen, öffentlichen Redewettbewerb oder sein heutiger Termin an meiner Seite - wohl hoffnungslos unterfordert ist in seiner aktuellen Position als stadtrömischer Stadtschreiber, nicht wahr?", nickte er bei dieser rhetorischen Frage kurz zu seinem Klienten, bevor er ganz allmählich nur seinen Blick neuerlich zum Princeps wandte. - Das erste seiner zwei mitgebrachten Gesprächsthemen lag damit erst einmal greifbar auf dem Tisch, ohne dass er dafür allzu viel hatte tun müssen. Bis hierher also ging die divitische Kalkulation schon einmal auf...

    Kaum hatte der Augustus dem iulischen Einwand zugestimmt, war Dives bereits neuerlich fast soweit, etwas einzuwenden. Schließlich mochte man sich eine erneute Debatte über etwaige Aufnahmen ins Ulpianum sparen können. Indes nicht sparen konnte man sich wohl eine senatliche Diskussion über die beiden consularen Kandidaten Tiberius Durus und Vinicius Lucianus - wobei es dem Iulier gerade nach seiner geäußerten Ablehnung gegenüber dem Bruder seines Patrons durchaus nicht unwichtig war, dass der Senat sich dennoch nicht ausschließlich mit dem Tiberius befasste...


    Allerdings, und der Gedanke hielt ihn in dieser Situation von einer weiteren Wortmeldung zurück, würde er sich im Senat gewiss in beiden Fällen parteiisch und für eine Befreiung von den vescularischen Vorwürfen aussprechen wollen. Denn Vinicius Hungaricus war sein Patron, Tiberius Lepidus sein Verbündeter und Tiberius Dolabella ein entfernt angeheirateter Großonkel. Eine neutrale, gar unvoreingenommene Einstiegsrede, welche im Sinne des Augustus den Senat eine Entscheidung treffen ließe und nicht dem Senat bereits großteilig vorschrieb, welche Entscheidung er letztlich zu treffen hatte, würde er darob wohl nur ungern leisten. Und bevor er mit einem weiteren Einwand also sich für ebenjene Aufgabe noch beim Princeps prädestinierte, sagte er für den Augenblick lieber erst einmal gar nichts und wartete nur ab.


    Mitunter kam der Augustus ja auch von allein auf die Idee, seinem Sohn diese kleine Aufgabe einer neutralen Eröffnungsrede im Senat zu übertragen. Denn auch wenn sich Dives selbst gewiss nicht an derlei Geschwätz beteiligte, sollte es doch Stimmen geben, die dem jungen Caesar ein wenig politisches Desinteresse unterstellten und gar behaupteten, er habe bis heute noch nicht einmal seinen Eid als Senator geschworen...

    | Quintus Petilius Rufinus


    Geschafft! Auch an ihn hatten die drei Richter keine weiteren Fragen. Quintus nickte folglich einmal verstehend, bevor er hernach den Rednerplatz räumte. Dabei selbstredend war ihm der wenig erfreute Blick seines Vaters nicht entgangen, sodass er in der Folge kaum äußerst erpicht darauf war, zu selbigem zu gehen und sich dessen gewiss alles andere als zurückhaltende Kritik anzuhören. Stattdessen folglich gesellte er sich lieber zu den anderen Kandidaten, die ihre allesamt doch nicht minder gut gelungenen Auftritte bereits ein wenig zu feiern schienen.


    "Woher weißt du denn, was die Ubier zu sagen pflegen?", entschied sich Quintus dazu, nicht erst unsicher im Schatten der Gruppe zu stehen und still zu hoffen, dass man ihn mit einbezog, sondern stattdessen sich gleich von sich aus mit einem Wortbeitrag in die Gruppe zu integrieren. Anschließend ließ er sich ebenfalls einen Becher Wein reichen, um hernach ebenso auf den Trinkspruch des Sergiers anzustoßen. "Auf euch und uns alle.", bestätigte er und trank nach ein paar geopferten Tropfen für Mercurius erst einen Schluck, dann gleich noch zwei weitere.