'Der Consul ist da!', ging es dem Iulier beim Anblick des Decimers schlagartig einerseits erleichtert nach dessen letztem Zuspruch, auf der anderen Seite aber aufgrund ebendieses hohen Amtes auch ein wenig aufregungssteigernd durch den Kopf. Bloß nicht versagen! Alles, bloß nur nicht versagen!
"Hoher Iudex, werte Verteidigung, anwesende Römer!", begann Dives tonal noch ein wenig von seiner Nervosität gezeichnet. Er räusperte sich und trat einen Schritt hervor. "Es mag euch zunächst etwas verwunderlich erscheinen, dass ich, Marcus Iulius Dives - ein IULIER aus dem Stamm der Iulii Caepiones -, heute nun hier vor euch stehe, um im Rahmen dieser Feststellungsklage dafür einzutreten, dass der Nachlass des viel zu jung verblichenen römischen Eques Imperialis Caius Aelius Archias, dem leiblichen Cousin zweiten Grades unseres geliebten GAIUS ULPIUS AELIANUS VALERIANUS, entgegen dem Willen des Vescularius Usurpator, welcher dereinst noch als Praefectus Urbi amtierte, seinen rechtmäßigen Erben zugeführt wird. Denn die Iulier, werden einige sagen, waren diesem späteren Widersacher unseres verehrten Imperator Caesar Cornelius Palma Augustus doch freundschaftlich verbunden, gehörten zu seinem näheren Dunstkreis und waren bis zuletzt treue Handlanger dieses Vesculariers!" Dives machte eine wohldosierte Pause nach diesem ersten Teil seiner Einleitung. Er merkte, wie mit jedem gesprochenen Worten mehr und mehr die ursprüngliche nervöse Anspannung von ihm fiel, während dafür eine positive, aufmerksame Spannung in ihm zurückblieb.
"Mit einem REINEN, einem reinen Gewissen nun aber sage ich allen, die solche Behauptungen aufstellen, dass es nicht nur ein IULIER meines Stammes war, der die Stadttore Romas öffnen ließ ein weiteres Blutvergießen zu verhindern, und dass es nicht nur ein IULIER meines Stammes war, der auch für einen friedlichen Seitenwechsel der Hafenstadt Ostia eintrat, um schnellstmöglich die Versorgung unseres zuvor befreiten, geliebten Caput Mundi sicherzustellen. Nein, es waren auch IULIER meines Stammes, die trotz mehrfacher persönlicher Aufforderung durch den Vescularier selbst NIEMALS den Namen ihres Patrons verrieten - den Namen des dreifaches Consulars Lucius Aelius Quarto, dem leiblichen Bruder des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, dem Cousin zweiten Grades des römischen Eques Imperialis Caius Aelius Archias, um den es heute hier geht." Einleitung Ende. Zeit für eine weitere Kunstpause, in welcher der Iulier die Gelegenheit zum kurzen Durchatmen durchaus wahrnahm.
"Als vom hohen Senat gewählter Vigintivir im Kollegium der Decemviri stlitibus iudicandis stehe ich nun also hier, um nicht nur von Amtswegen her in Erfahrung zu bringen, inwiefern die Abwickelung des Erbschaftsfalls Aelius Archias ein Teil meiner mir anvertrauten Amtspflichten ist, sondern nicht zuletzt auch als PERSÖNLICHER Freund der Aelier, der endlich Klarheit ob der gegen den Eques Aelius Archias erhobenen Vorwürfe, die eine Beschlagnahmung von dessen Nachlass unter Umständen zu rechtfertigen vermögen, zu erlangen!", leitete Dives über und war sich selbstredend im Klaren darüber, dass seine großen Töne ob der persönlichen Freundschaft zu den Aeliern ein wenig übertrieben waren, wenn man bedachte, dass diese auf nicht viel mehr als einer einzigen Begegnung in der Domus der Factio Veneta beruhten. Doch wer außer den Aeliern selbst sollte das schon so genau wissen?
"Lasst mich folglich zunächst erst einmal kurz darlegen, was sich aus der mir bekannten Perspektive auf die Dinge dereinst zugetragen hat: Kurz vor seinem Ableben habe der Eques - man darf wohl begründet vermuten keineswegs aus heiterem Himmel, wie seine erst unlängst zuvor erfolgte Herabsetzung vom verantwortungsvollen Procurator a memoria zum Procurator Annonae nahelegt -", stellte er einfach mal eine zwei Ereignisse der aelischen Vita miteinander verknüfpende Vermutung in den Raum, "dem damaligen Praefectus Urbi Vescularius einen Brief zugesandt und ihn darin wohl beleidigt. In der Folge sandte der Vescularius eine bewaffete Truppe aus, um den Aelius der üblen Nachrede beschuldigt festzunehmen und seine Vermögenswerte zu beschlagnahmen. Der Aelius nun wurde jedoch nicht mehr lebend, sondern bereits nurmehr tot aufgefunden. Das ehemalige Vermögen des Eques wurde dennoch konfisziert. Soweit die Sachlage aus meiner Sicht.", führte er ruhig und zuletzt sachlich aus und machte eine kleine Kunstpause.
"Nun frage ich jedoch euch, anwesende Römer", sprach er direkt ans Publikum gewandt. "ich frage die werte Verteidigung", richtete er seine Worte an diese und wandte sich dann weiter um bis zum Praetor. "und ich frage dich, hochverehrter Iudex: Wie kann das Vermögen eines Mannes beschlagnahmt werden, der selbst bereits längst tot ist und folglich gar kein Vermögen mehr HAT, da seine einstigen Besitzungen in der Folge rechtlicht längst seinen Erben gehören?! Oder vermag meine Gegenseite etwa zweifellos zu belegen, dass der Haft- und Beschlagnahmungsbefehl VOR dem Tod des Aelius erging?! - In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagen, so heißt es - wobei letzterer hier ganz klar der der üblen Nachrede bezichtigte Eques Aelius Archias ist, sowie dessen Erben, deren potenzielle Erbschaft hier schließlich beschlagnahmt wurde." Mit schwerem Blick wandte sich der Iulier langsam wieder zum Publikum um und streifte dabei nicht zuletztlich seinen Prozessgegner ganz kurz, bevor er für einen kleinen Moment Halt in den Augen des anwesenden Consuls suchte. 'Ich würde diese Argumentation also mit ein wenig Vorsicht ins Feld führen, da man dir sonst vorwerfen könnte, die Entscheidungen des damaligen Kaisers in Frage zu stellen.', erinnerte sich der Decemvir an die Worte des Decimers bezüglich der Länge der vescularischen Stadtpräfektur. Dives würde diesen Punkt nun wohl erst einmal wenigstens für den Augenblick noch zurückhalten - nicht zuletzt auch, um einen guten und lernfährigen Eindruck auf Faustus' Vater zu machen. Doch nun bloß nicht gedanklich abschweifen!
"Doch MEHR noch: Mir wäre trotz Einholung von Erkundigungen nicht bekannt, dass JEMALS förmlich Anzeige gegen den Eques Aelius Archias erstattet wurde! Ich frage also euch, anwesende Römer, ich frage die werte Verteidigung und ich frage dich, hochverehrter Iudex.", wiederholte er nicht nur die Worte, sondern mit ihnen auch die dazugehörigen Gesten ein zweites Mal. "Mit welchem Recht unternahm die Staatsgewalt vertreten durch den einstigen Praefectus Urbi Vescularius damals überhaupt diese - EIGENINITIATIVE - Vermögensbeschlagnahmung und versuchte Verhaftung?! Man bedenke: Wir reden hier keineswegs von Hochverrat oder auch nur IRGENDEINEM Schwerverbrechen nach §56 CodIur. Nein, wir reden hier von der Unterstellung einer üblen Nachrede, die nach §84 CodIur mit einer maximalen Freiheitsstrafe von fünf Monaten bedroht lediglich zu den nach §56 CodIur einfachen Verbrechen gerechnet werden muss..." Kurze Kunstpause. "... und die folgerichtig nach §60 CodIur auch nach spätesten fünf Monaten VERJÄHRT, sodass der einstige Formfehler der nicht erfolgten Anzeige nach der bis heute verstrichenen Zeit auch keineswegs mehr zu korrigieren wäre.", legte er dar, schwieg einen längeren Augenblick lang und hob hernach mit strenger Miene die flache rechte Hand anzuzeigen, dass jetzt noch einmal erhöhte Aufmerksamkeit gefordert war:
"Ich habe jedoch kein Interesse daran, hier nur durch den Verweis auf einige Formfehler das Recht für die Erben des römischen Eques Imperialis Caius Aelius Archias zu erstreiten. Nein, als Freund der Aelier ist es mir eine Pflicht mich auch mit dem vescularischen Vorwurf der üblen Nachrede näher zu befassen. Und dieser Vorwurf, hochverehrter Iudex, werte Verteidigung, anwesende Römer, DIESER Vorwurf ist absolut HALTLOS!", ließ ich die Anwesenden unterstrichen durch eine Zäsur wissen. "Dies zu begründen zitiere ich an dieser Stelle einmal den §84 CodIur, wo es zum Vorwurf der üblen Nachrede heißt: 'Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet'. Es wird ersichtlich, dass es zum gerechtfertigten Vorwurf der üblen Nachrede dreierlei bedarf: Erstens einer Person, welche in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet. Diese Person wäre wohl im Eques Aelius zu sehen. Zweitens einer Person, in Beziehung auf die eine Tatsache behauptet oder verbreitet wird. Hier erkennen wir den Vescularius. Und drittens und schlussendlich bedarf eine üble Nachrede einer Person oder Personengruppe, gegenüber der in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet wird! Wo nun aber identifizieren wir diese dritte Voraussetzung bei einem Brief, der lediglich EINEN Absender und EINEN Empfänger hat und ansonsten NIEMANDEN, der dazwischen mit dem Inhalt desselben in Kontakt gekommen wäre?!", schloss der Iulier diesen Part mit einer rhetorischen Frage und verkniff sich die sogleich folgende Beantwortung der gleichen. Letztlich sollte dieses Argument schließlich, obgleich es das wohl stichhaltigste und damit wichtigste war, nicht auch äußerlich aus der Reihe der übrigen Argumente ausbrechen, was in der Folge im Nachklang auch den vorherigen Argumenten noch zusätzliche Überzeugungskraft einverleiben sollte. So zumindest der rhetorische Plan hinter diesem Schritt.
"Damit nun also fasse ich noch einmal zusammen, wie sich dieser Fall aus der mir bekannten Perspektive hier darstellt: OHNE richterliches Urteil eines UNBEFANGENEN Gerichts wurde das Vermögen, welches im Zweifel für den Angeklagten vielleicht schon längst nicht mehr das Seinige war, aufgrund einer FALSCHEN Anschuldigung beschlagnahmt, noch dazu mit STAATLICHEN Truppen, wo es OHNE förmliche Anzeige keinerlei STAATLICHES Interesse an ÜBERHAUPT diesem ganzen Fall gegeben haben dürfte! Dass hier darüber hinaus auch die Verjährungsfrist des Verbrechens, dessen der Eques Aelius einst beschuldigt wurde, lange abgelaufen ist, setzt dem Ganzen da nur noch die Krone auf.", stellte der Decemvir fest. "Ich beantrage folglich die Feststellung, dass die damalige Beschlagnahmung des Nachlasses des römischen Eques Imperialis Caius Aelius Archias für unrecht erklärt und aufgehoeben wird, damit sich die Decemviri stlitibus iudicandis - und diesen Fall würde ich selbstredend höchst selbst übernehmen - nachfolgend nach gültigem Recht und Gesetz um die Verteilung des Nachlasses an die rechtmäßigen Erben kümmern können." Ohne jeden Dank für die Aufmerksamkeit - denn derlei hatte dem Iulier, der auf seinem kurzen Weg zurück an seinen Platz aus den Augenwinkeln auch eine Studienklasse sah, sein eigener Rhetor bereits frühzeitig ausgetrieben - war Dives sodann gespannt auf die Reaktion der Gegenseite auf seinen Vortrag.