Das Lächeln des Iuliers wurde etwas offener und ehrlicher, als die Vestalin so positiv von der einstigen Theatervorstellung in Ostia sprach. Es war ja auch durchaus ein gewisser Aufwand gewesen diesen Paris zu engagieren und ihn von der Idee zu überzeugen, nicht nur eine schwere Tragödie, statt einer leicht unterhaltenden Komödie auf die Bühne zu bringen, sondern das Werk darüber hinaus auch noch so zu inszenieren, dass es in der Tat auch ein wenig Kritik an dem mittlerweile aus dieser Welt geschiedenen fetten Vescularier übte.
"Es freut und ehrt mich sehr, dass dir jener vergangene Tag offenbar mit so positiven Attributen in Erinnerung geblieben ist. Dereinst verpflichtete ich den Theatertrupp um Lucius Paris, einen Enkel des dir vielleicht bekannten Freigelassenen Lucius Domitius Paris. Die jüngste Aufführung meines Nachfolgers stand, wenn mich nicht alles täuscht, unter der künstlerischen Leitung eines Turius Tugio.", grenzte er klar ab. "Leider mangelte es auch mir an der nötigen Zeit, um mit anzusehen, wie wertvoll seine Aufführung letztlich war. Nichtsdestotrotz gehe ich nicht nur davon aus, dass Ostia bei meinem Nachfolger in guten Händen ist, sondern denke auch, dass spätestens jetzt nach dem fürchterlichen Krieg auch wieder kulturell, das heißt sowohl die Unterhaltung, als auch den Kult der Götter betreffend, ein Aufschwung Roma erfassen wird.", tat der Iulier seine insgesamt vielleicht doch ein wenig zu optimistische Meinung kund. Letztlich könnte und würde nur die Zeit zeigen, wieviel mehr Wert der Cornelius im Vergleich zu seinem direkten Vorgänger auf derlei Kulturelles legte.
"Bedauerlich...", verzog Dives für einen kurzen Moment seine Miene, da er selbstredend in erster Linie an Serapio dachte bei seiner Erkundigung. Schnell schob er korrigierend nach: "Ich meine natürlich, dass es mich wirklich mehr als freut, dass es deinen Verwandten wenigstens einigermaßen gut zu gehen scheint. Als Praeceptor der Schola Atheniensis hatte ich nämlich auch mit Decima Seiana bereits näher zu tun und muss sagen, dass ich sie sehr schätze für ihre Arbeit und ihr Engagement. Dein Vater am Palatin.. - Decimus Varus, nein, VarENus, richtig? - war auch einstig zum Zwecke einer Finanzprüfung bei mir in Ostia. Mitnichten kann ich mir vorstellen, dass ER in seiner Korrektheit", um nicht zu sagen, dass dieser Kerl einen teilweise fast schon pingelig genauen 'Beamteneindruck' (was auch immer man letztlich nun darunter verstehen mochte) machte. "jemals etwas Unrechtes tun würde, das ihn verdientermaßen in Schwierigkeiten brächte.", versuchte Dives nicht sparsam zu sein mit seinen Komplimenten für die decimische Gens als solche.
"Den Senator Decimus Livianus kenne ich bisher leider noch nicht persönlich, wobei ich selbstredend hoffe, dass sich dies nach dessen Rückkehr nach Roma, wie du sagst, vielleicht schon bald einmal ändert. Mir ist einzig bekannt, dass ER es war, der meinem Cousin Senator Iulius Centho das Land bei Ostia in seiner Großzügigkeit verkaufte und auch ansonsten wohl ein recht gutes Verhältnis zu Iulius Centho pflegte.", was nicht zuletzt die Tatsache bewies, dass der Decimer einst sogar mit dem Gedanken gespielt haben sollte, eine Iulia zur Frau zu nehmen...
"Und Decimus Serapio...", musste Dives fast schon grinsen bei den aufkeimenden Erinnerungen an die schönen Zeiten mit ihm. "... ist mir in der Tat seit seinem Theaterbesuch in Ostia ein mehr als guter Freund geworden und mir mittlerweile außerordentlich wichtig, wenn ich das so sagen darf.", konnte er nun wohl eh kaum mehr glaubhaft abstreiten. Also bemühte er kurzerhand eine Variante der Geschichte, die er dereinst auch Sedulus als Wahrheit verkauft hatte:
"Die Sache ist nämlich die, dass ich hierher - nach Italia - kam, kurz nachdem meine Mutter verstarb, bei der ich faktisch groß geworden bin. Von meinen Verwandten in Roma musste ich kurz darauf erfahren, dass auch mein Vater bereits im Reich der Toten wandelt. Geschwister habe ich keine." Er hielt kurz inne. "Seit ich nun Serapio.., deinen Onki" - welch liebenswürdiger Spitzname! - "kenne und mich, wennauch über einen kleinen Umweg, mit ihm angefreundet habe, konnte ich viel von ihm lernen. Er ist noch so jung und hat dennoch bereits so viel gesehen und erlebt - das ist nahezu unglaublich! Er ist mir ans Herz gewachsen, wie ein großer Bruder.", denn der Vater-Vergleich wäre an dieser Stelle wohl etwas unangebracht, fand Dives. "Du hättest uns sehen sollen, wie wir am Festtag der Fors Fortuna gemeinsam mit der Biga unterwegs waren - unaufhaltsam!", funkelten und strahlten die blauen Augen des Iuliers enthusiastisch bei jener tollen Erinnerung. Niemals würde er diesen besonderen Tag vergessen! Dann senkten sich seine Mundwinkel langsam wieder und aus dem freundigen Lächeln wurde erneut bitterböser Ernst.
"Umso mehr nun bete und opfere ich für sein Wohl. Denn du kannst mir glauben, dass ich so vergleichsweise kurz, nachdem mir dieses Stück tiefe, brüderliche Freundschaft gegeben wurde, ebendieser nicht jetzt schon wieder verlustig gehen und erneut etwas einsamer zurück bleiben möchte.", schloss er diesen Punkt mit sorgenvollem Blick und hochgezogenen Augenbrauen ab. "Doch sag, was führt mich heute hier zu dir, ehrenwerte Vestalin Decima? Ich meine, du wirst mich sicherlich nicht nur für ein kleines Gespräch über die schwierige Lage, in der sich wohl unsere beiden Gentes derzeit befinden, zu dir gebeten haben, nicht?"