Der Tudicius schaute einfach zu ihm herunter, das blutige Messer fest im Griff. Landulf schaute nach oben und atmete die Süße des Lebens selbst. Er hatte sich den Kopf irgendwie angeschlagen und es dröhnte ein wenig, aber er war so froh, DAS noch zu fühlen, dass es ihm egal war. Er hatte sich schon in Hels Reich gesehen, in der Schnauze eines gewaltigen Ebers, der ihn bis in alle Ewigkeit vermutlich durchkauen würde. Was war da schon ein wenig Kopfweh?
Und so dauerte es einen Moment, bevor er den Tudicius wirklich wahrnahm, wie er dastand, und wie er zu ihm runterschaute. Der Mann hatte einen seltsamen Ausdruck im Gesicht. Irgendwas, was Landulf nicht zuordnen konnte, was ihn aber augenblicklich an den Gesichtsausdruck des Keilers denken ließ, kurz bevor er angestürmt war.
Leif:
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“Was ist hier los?“ kam eine Landulf nur zu gut bekannte Stimme von irgendwo abseits, und mit einem Ächzen, das einem Achzigjährigen angemessen gewesen wäre, setzt sich Landulf auf. Ihm war ein wenig schwindelig, aber ansonsten war er noch heile.
Leif stand ein paar Schritt weiter, hinter ihm noch ein paar Männer. Landulf sah zu ihm herüber und bemerkte gleich den erschrockenen und auch ärgerlichen Gesichtsausdruck, den dieser an den Tag legte. Landulf kannte den Mann schon sein Leben lang, genauso gut wie jeden in seiner Familie. Leifs Frau Ida hatte Witjons Sohn Audaod großgezogen, der für Landulf wie ein Bruder war. Er kannte diesen Gesichtsausdruck also sehr gut, nur diesmal galt er nicht ihm oder Audaod oder Leifs eigenen Kindern, und er war auch schlimmer, als wenn einer von ihnen etwas angestellt hatte.
Leif:
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“Warum seid ihr zwei so weit abseits? Und wessen Blut ist das?“
Der Tudicius hob beschwichtigend die Hände nach oben, während Landulf sich langsam auf die Beine rappelte und sich dabei leicht den Kopf hielt.
“War meine Schuld, Leif“, gestand der junge Duccius, und merkte nichts von der Anspannung in der Luft. “Wir sind irgendwie seitlich abgekommen, und dann war da dieses riesige Vieh, und der Keiler hat uns angegriffen, und wir sind dann ausgewichen und ich bin ausgerutscht und dann lag da der Speer und... wo ist das Vieh überhaupt?“ Landulf sah sich um, sah an dem Tudicius vorbei, der stur an ihm vorbei zu Leif blickte und den Blick auf den Eber versperrte. Also stolperte er an ihm vorbei, um sich das Vieh nochmal anzusehen.
So wie das Tier dalag, sah es irgendwie geschrumpft aus. Landulf hätte schwören mögen, dass der Eber ihm Lebendig bis zur Brust gegangen wäre, mit Hauern so lang wie ein Arm. Jetzt lag der Eber da, der Speer steckte ihm so in der Brust, dass er am Rücken wieder rauskam. Ein tiefer Schnitt ging durch seinen Hals, wohl von dem Messer. Und irgendwie sah er aus wie jedes Wildschwein der Welt, etwas über kniehoch vielleicht, schwarze, dreckige Borsten. Und die Hauer waren zwar beeindruckend und häßlich gelb, aber vielleicht doch nicht ganz so lang.
Hinter sich hörte Landulf so halb das Gespräch zwischen Leif und dem Tudicius, der ihnen erklärte, dass Landulf das Vieh getötet habe, als dieses Angriff. Dass er im Liegen den Speer hochgerissen habe und der Keiler direkt hineingerannt sei, in leichtem Bogen über den Jungen, den die Aktion erneut zu Boden warf, hinweggerauscht sei und nun eben da hinten liege. Und das Blut an seinem Messer eben von dem Tier war. Keine bösen Absichten, kein böses Blut. Ein paar finstere Kommentare und höhnisches Schnauben zeigte, dass nicht alle, die gefolgt waren, dem Mann glaubten.
Leif:
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“Und du hast das Vieh getötet?“
Leif war hinter ihn getreten, während Landulf noch den Eber anstarrte und sich fragte, wo das riesige Vieh von Eben nur hinverschwunden war und wer es gegen dieses so viel unschrecklichere Wesen ausgetauscht hatte.
“Öhm, ja. Muss wohl.“ Landulf zuckte die Schultern. Besonders viel hatte er davon nicht wirklich mitgekriegt.
Leif:
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Leif machte einmal nachdenklich “Hmmhmm“ und sah neben ihm einfach auf den Keiler runter.
Landulf stimmte mit einem still seufzenden Nicken ein und blickte ebenfalls zu dem toten Tier. Er hatte keine Ahnung, wie er das hingekriegt hatte, aber vielleicht stimmte ja, was seine Mutter gerne mal sagte: Das Glück ist ein Rindvieh und sucht seines gleichen.
Die anderen Jäger aber, die nachgekommen waren, waren nicht ganz so schweigsam. Nachdem sich scheinbar die angespannte Situation aufgelöst hatte, kamen die älteren lachend vorbei, einer haute ihm auf den Rücken, so dass Landulf sich beinahe nochmal hingelegt hätte.
“Sauber, Kleiner! Dein erstes?“
“Wildschwein?“ fragte Landulf verwirrt nach. Sein Blick lag noch immer auf dem toten Tier. “Öhm, ja, ich war noch nie mit auf Jagd.“ Seine Mutter hatte immer Gründe gefunden, warum er nicht mitdurfte, nur dieses Mal hatte sie es gut gefunden. Aber das sagte er nicht laut.
“Was? Wirklich? Das allererste Mal? Und dann gleich so ein Vieh? Du weißt ja, was das bedeutet.“
“Öhm.... nein?“
Landuf drehte sich nun doch zu den anderen, und sah in lauter grinsende Gesichter. Sogar Leif hatte sein Lächeln wieder gefunden. Offenbar wussten alle etwas, was er nicht wusste.
Und es dauerte auch nicht lang, bis er herausfand, was es war, als der älteste der Jäger sich nach dem Keiler bückte, seine Hand in das dunkle Blut tauchte und ihm danach damit über die Wange schmierte. Und nach und nach machten die anderen es ihm nach, jeder der anwesende. Außer dem Tudicius, der scheinbar unbemerkt gegangen war.