Interessiert ließ ich meinen Blick durch das Tablinum schweifen und wurde hellhörig, als Axilla den Namen Silanus erwähnte. Dass dieser aufgrund eines Lungenleidens von der Bildfläche verschwunden war, war für mich eine erhellende Erkenntnis. Immerhin konnte ich mir kaum einen anderen Grund vorstellen, warum er, als hochrangiger und verdienter Mitarbeiter der Kanzlei, einfach so seine Stellung und sein Ansehen aufgeben sollte. "Da bin ich mir sicher", antwortete ich knapp auf Axillas Sehnsucht hin, dereinst wieder einen starken Iunius im Hause zu haben. Nach dieser ersten Begegnung konnte ich mir nur schwerlich vorstellen, dass ihr ältestes Balg dafür geeignet war, aber bekanntlich entwickelten sich Kinder ja weiter. Das hoffte ich zumindest inständig, wenn ich an meinen eigenen Sohn dachte. "Das Tablinum meiner Casa ist vergleichbar, sicher, aber etwas kleiner und bei weitem nicht derart künstlerisch und imposant. Wie ich bereits andeutete: Meine Casa ist ein Relikt vergangener Tage und ich beabsichtige nicht, meine Familie - unsere Familie - länger als nötig dort hausen zu lassen", stellte ich bestimmend fest. Damals, bevor ich nach Ägypten aufgebrochen war, war die Casa meinen Ansprüchen sicher mehr als gerecht geworden. Aber nach all den Eindrücken, die ich im Osten gewonnen hatte, sowie meinem Status, der sich seither um ein vielfaches gebessert hatte, strebte ich nach mehr. Immerhin waren die Häuslichkeiten eines römischen Bürgers seit jeher auch ein ausdrucksstarkes Symbol mit Strahlkraft und Wirkung. "Wir sollten uns vielleicht später noch genauer über die künftige Wohnsituation unterhalten", fügte ich noch an, ehe Axilla die Holzverkleidungen löste und den Weg zum Garten freigab. Auch ich nahm einen tiefen Zug der frischen Luft, die ich von Alexandria so nicht kannte und an die ich mich erst wieder gewöhnen musste. Das Klima in der fernen Provinz hatte unzweifelhaft seine Vorteile, wenngleich ich jetzt, nach meiner Rückkehr, die Vorzüge der kühlen Frische Roms allmählich wieder wert zu schätzen lernte.
Ich ließ meinen Blick durch den Garten gleiten, erspähte den Baum und hatte mich dabei vollständig von allem gelöst, was um mich herum geschah. Das Poltern des Jungen hatte ich natürlich vernommen, bestätigte mich aber in meinem ersten Eindruck und bot für mich insofern auch keine Überraschung. Ich hatte den Pompeier bereits vollständig verdrängt und war bereit, meinen Abend mit Axilla zu genießen als sie...als sie ihren Sohn zur Sprache brachte. Ich musste mir ein Seufzen verkneifen und nahm sodann verständnisvoll ihre Erklärungen auf, gleichsam befürchtend, dass der junge Sprössling sich noch zu einem unsäglichen und nervenzehrenden Laster unserer gemeinsamen Zukunft entwickeln könnte. Ich musste leicht schmunzeln als Axilla ihn zum Mann der Familie verklärte, denn diese Position konnte Atticus wohl niemals ausgefüllt haben. Immerhin ließ er nach meiner Menschenkenntnis sämtliche Reife und jeglichen Scharfsinn vermissen, um dazu auch nur ansatzweise im Stande zu sein. Natürlich legte ich dies nicht offen, denn auch ich wollte unserer blendend startenden Beziehung nicht bereits erste Steine in den Weg legen. Also mimte ich weiter den toleranten Stiefvater: "Axilla, er ist noch ein Junge. Sein Vater hat ihn im Stich gelassen und vielleicht hat ihm auch ein Mann gefehlt, der ihm den rechten Weg aufzeigt", gab ich zu Bedenken, ohne eindeutig zu erklären, ob ich selbst dieser Mann zukünftig sein könnte. Natürlich beabsichtigte ich ihn auf irgendeine Weise einzubinden, immerhin konnte auch er zur Stärkung unserer gemeinsamen Familie beitragen. Mein anfänglicher Optimismus bezüglich der Fähigkeiten des jungen Pompeius wurde allerdings auf unangenehme Weise getrübt, sodass ich mir nicht mehr sicher war, ob er überhaupt über ausreichend Potential verfügte.
Als Axilla die Aufmerksamkeit auf ihre Panstatue lenkte, war ich gespannt, was genau sie mir nun zeigen wollte. Die Darstellung des Pan war - rein äußerlich betrachtet - sicher keines meiner bevorzugten Abbilder, wenn es um imposante Dekorationen in Form von Statuen und Skulpturen ging. Nichtsdestotrotz hatte Axilla mein Interesse geweckt, als sie sich spielerisch auf Pans Schoß begab und mich sogleich auf ihre Art und Weise in eine angenehme Trance versetzte. Ich verspürte Begehren, Verlangen und näherte mich ihr instinktiv. Sie hatte eine Anziehungskraft, der ich nicht einfach widerstehen konnte - und nun, da sie auch meine Frau sein würde, auch nicht mehr widerstehen wollte. Ich lauschte ihren Worten und war keinesfalls eifersüchtig, sondern vielmehr erregt von ihrer spielerischen Darstellung und den Worten, die sie untermalend mit verführerischer Stimme sprach. Einen ganzen Moment haftete mein Blick wortlos auf ihr, bevor ich eine versiegelte Schriftrolle vom Gürtel meiner Tunika löste und sie ihr reichte. "Und ich denke...dass du diesen Mann gefunden hast", entgegnete ich zuversichtlich und erwartete voller Spannung ihre Reaktion auf meine Überraschung.