Beiträge von Cnaeus Fabius Torquatus

    Selbstredend hatte ich nicht erwartet, dass mich der Kaiser an Ort und Stelle zum a libellis beförderte und den altgedienten Axius stante pede in den Ruhestand befahl - auch wenn dies meiner Wunschvorstellung entsprach. Allerdings machte mir der Kaiser hinreichend deutlich, dass meine Initiative zu gegebener Zeit seine Berücksichtigung fand und ich nur noch der Dinge harren musste. Bis dahin versicherte ich ihm natürlich meine bedingungslose Loyalität, die auch nicht geheuchelt war - ich hatte nämlich überhaupt keinen Grund, mich vom mächtigsten Mann der Welt zu lösen. "Selbstverständlich sehe ich es als meine oberste Pflicht an, dir weiterhin mit all meinen Kräften zu dienen."


    Für den Moment war ich mit der Reaktion des Augustus auf meinen Vorstoß zufrieden, sodass ich direkt zum nächsten Thema überging. "Es haben sich in letzter Zeit einige Namen für eine Erhebung in den Ordo Senatorius empfohlen, die ich dir gerne zur Entscheidung vorlegen möchte", erklärte ich und überreichte dem Kaiser im selben Zug eine Tabula.


    Kandidaten für eine Erhebung in den Ordo Senatorius

    Caius Plennius Pontius
    Decimus Autronius Pindarus
    Nero Veturius Regillensis
    Titus Fabius Torquatus
    Caius Vetilius Fronto
    Lucius Scandilius Placidus
    Cnaeus Pontius Burrus
    Volusus Tuscenius Acidinus


    "Wie dir sicher nicht entgeht, findest du dort auch meinen Sohn, Titus Fabius Torquatus", leitete ich nun meinen zweiten persönlichen Vorstoß ein. "Eigentlich sollte er wie auch ich und mein Vater vor mir den ritterlichen Weg der Fabier beschreiten, aber ich musste feststellen, dass seine Talente zweifellos mehr in der Politik als in der Verwaltung oder im Militär liegen. Er hat während meiner Zeit bei der Flotte in Alexandria eine ausgezeichnete Ausbildung am Museion erhalten und sich auch im Besonderen im Rechtswesen hervorgetan. Da ich der Meinung bin, dass er seiner Fähigkeiten wegen dem Imperium und auch dir im Cursus Honorum weitaus dienlicher wäre, möchte ich auch um seine Erhebung in den Ordo Senatorius bitten", führte ich aus und wartete, ob der Augustus noch etwas mehr über meinen Erben wissen wollte. Allerdings war ich guter Dinge, da bei einer Erhebung zumindest kein anderer Amtsinhaber im Wege stand.

    "Ausgezeichnet", entgegnete ich der Zusage des Consulars zufrieden grinsend und reichte auch meine Hand zur Übereinkunft. Sodann griff ich gierig nach dem vom schönen Demostratos neuerlich gefüllten Glas, dessen Schönheit mir aber - war ich doch gänzlich dem weiblichen Geschlecht zugeneigt und erachtete jedwedes andere Gebaren als obszön - genauso wenig ins Auge stach wie auch überhaupt dessen Anwesenheit aufgrund seiner Stellung als Haussklave. Stattdessen fixierte ich weiter den Gastgeber und wollte die Gunst der Stunde nutzen, auch abseits von Titus' Weg in die Politik über die allgemeine politische Lage zu schwadronieren. Immerhin war es mir auch stets ein Anliegen, meine Beziehungen zu den einflussreichen Männern Roms zu pflegen. "Ich würde diese Übereinkunft zwischen uns hier und heute gerne auch zum Anlass nehmen, unsere bisher zweifellos sehr flüchtige Verbindung zu intensivieren, so du ebenso Interesse daran hast, Consular Flavius", begann ich einleitend und nahm schon meines ausgeprägten Selbstbewusstseins wegen an, dass mein Interesse auch auf Gegeninteresse stieß. Daher fuhr ich auch ohne Umschweife fort: "Glücklicherweise hat uns unser Augustus zumindest im Großen eine geordnete und ruhigere Zeit beschert, verglichen mit den turbulenten vergangenen Tagen." Da ich während eben dieser Tage nicht die Nähe zum Kaiserhof hatte, sondern im fernen Alexandria weilte, wusste ich nicht näher um das Schicksal der Flavier unter Salinator oder Palma und ob sie profitiert oder gelitten hatten, sah es aber durchaus als Fakt an, dass die römische Galeere nun unter Aquilius Severus in weitaus ruhigeren Fahrwassern trieb. "Natürlich bin ich schon meiner Position wegen aber über gewisse Schwelbrände informiert, die wohl immer im Kleinen lodern. Daher wüsste ich gerne, was dich und deine Familie beschäftigt?"

    Obschon der Kaiser auch sonst im Umgang recht pflegeleicht war und sich in unserem Verhältnis über die Jahre sicher eine entspannte Routine entwickelt hatte, blieb mir die gute Stimmung meines Dienstherren an diesem Morgen nicht verborgen, die mir angesichts meiner heutigen persönlichen Anliegen durchaus in die Karten spielte. Die selbstständige Eliminierung des Unsicherheitsfaktors Aurelius Tigellinus trug zusätzlich auch zu meiner guten Laune bei, sodass ich mit einem zwar höfisch zurückhaltendem, dennoch aber sichtbaren Lächeln in den Mundwinkeln begann zu sprechen. "Mein Kaiser, bevor ich zum Tagesgeschäft komme würde ich dir heute gerne zwei persönliche Anliegen vortragen", begann ich unzweideutig. "Ich diene dir bereits viele Jahre als a memoria und dies hoffentlich auch zu deiner vollsten Zufriedenheit. Daher weißt du, dass ich ein Mann des offenen Wortes bin", leitete ich mein Ansinnen ein und ging auch direkt zu diesen offenen Worten über, selbstverständlich verschleiert im Gewand des höfischen Anstands: "Ich möchte dir, so es deinem Willen entspricht, noch viele weitere Jahre am Hofe dienen. Gleichwohl sehe ich es als Pflicht eines jeden tüchtigen Römers, auch selbstbewusst nach einem Fortkommen zu streben. Ich weiß, dass der ehrenwerte und allseits geschätzte Procurator Axius - so schwer dies auch für die kaiserliche Administratio zu verkraften sein mag - schon altersbedingt in absehbarer Zeit in seinen wohlverdienten Ruhestand übertreten will..." Weder hatte ich einen Hauch von Sympathie für den alten Greis, noch wurde der a libellis zu irgendeinem Zeitpunkt von mir geschätzt. Der Axier war ein Hindernis seit ich in den Dienst am Kaiserhof getreten war und dieses galt es endlich zu beseitigen, bevor ich noch vor ihm das Zeitliche segnete. Trotzdem gingen mir diese schmeichelnden Worte als pathologischer Lügner und Schauspieler wie auch sonst sehr leicht über die Lippen. "...Ich möchte dir daher gerne versichern, dass ich dir als loyaler und gewissenhafter Nachfolger des ehrenwerten Axius zur Verfügung stünde, so du dies wünschst", formulierte ich zwar höflich, aber ohne jeden Zweifel an meinem Wunsch nach einem persönlichen Karriereschritt zu lassen und harrte sodann der Reaktion des Kaisers.

    Ich hatte mir gerade einen vorzüglichen Falerner von der Insel Aenaria einverleibt und döste zufrieden in meinem Stuhl, während ich meine Beine entspannt über den Edelholztisch gelegt hatte. Das plötzliche Klopfen ließ mich etwas genervt seufzen und ich versuchte zu eruieren, ob ich irgendeinen Termin vergessen hatte. Ich befürchtete aber, dass nur einer der Notarii - wie so häufig - mit Dienstkram meine Nerven strapazieren wollte. Entsprechend war auch mein Tonfall, mit dem ich den Störenfried hereinforderte: "Ja!" Ich rieb mir die Augen und blickte dann wenig erwartungsvoll gen Tür, während ich unverändert in meiner Liegeposition verharrte.

    Den Vorschlag des Tigellinus hatte ich in diesem Moment nur beiläufig abgenickt und mich sodann weiter damit beschäftigt, die Absichten und Motive des kaiserlichen Günstlings zu ergründen - nichtsahnend, dass der Niedergang des Aurelius genauso zügig von statten gehen sollte wie sein Emporkommen und der Kaiser alsbald eine relegatio über ihn verhängen sollte. So kam es, dass ich den Scriba und auch seine Idee schon nach der nächsten Amphore Wein wieder vergessen hatte. Gleichwohl war seine Anwesenheit Grund genug dafür, dass ich dem Kaiser an eben jenem Morgen meine Anliegen nicht vortragen wollte.


    Stattdessen suchte ich den Kaiser am nächsten Morgen wieder wie üblich zum Rapport auf und war guter Dinge, dieses Mal ungestört in den Dialog mit dem Augustus treten zu können, um auch meine persönlichen Angelegenheiten vorantreiben zu können.

    Die positive Resonanz des Flavius auf das Vorgebrachte entlockten mir ein zufriedenes Grinsen, war ich mir doch ganz sicher, dass ich für das Vorankommen meines Erben den richtigen Mann auserwählt hatte. Zwar musste ich mir eingestehen, dass ich den Flavier kaum kannte und auch feststellen, dass sich um das Gebaren des Consulars das eine oder andere Gerücht rankte - zweifelsohne konnte ich im Hinblick auf die Vorteile dieser Verbindung aber darüber hinwegsehen. Flavius Gracchus war einer der angesehensten Senatoren Roms und hatte sich im Gegensatz zu anderen potentiellen Kandidaten über die Jahre nicht rarer bis unsichtbar gemacht. Viel gewichtiger war aber noch, dass die Ausbildung bei einem Mitglied der Nobilität den Malus der niederen Herkunft zumindest zu überblenden geeignet war und Titus womöglich auch Stimmen im Patriziat sicherte. Wenn der Bengel nur wertzuschätzen wüsste, welch große Mühe ich in die Planungen seiner Zukunft investierte. "Ausgezeichnet", quittierte ich in freudigem Tonfall die grundsätzliche Zustimmung zur Ausbildung meines Sohnes und setzte instinktiv zum Trinken an, bis ich bemerkte, dass ich den Becher bereits geleert hatte.


    Dass der Senator mein Angebot der Unterstützung nicht sofortig für ein konkretes Ansinnen nutzte, erweckte in mir keine besondere Aufmerksamkeit, konnte er doch zu gegebener Zeit bedenkenlos darauf zurückkommen. Stattdessen erkundigte er sich nach meinem Patron. "Mein Patron ist Consular Purgitius", entgegnete ich sogleich auf die Nachfrage hin, die zweifelsfrei darauf abzielte, eventuelle politische Verstrickungen zu erforschen - sei es aus Gründen der Streitlust, um einen Widersacher zu erzürnen oder sei es deshalb, um genau dies zu vermeiden. So, wie ich den Flavier einschätzte, war aber eher letzteres der Fall. Glücklicherweise hatte ich in Purgitius Macer einen Patron, der ebenso mehr für seinen Pragmatismus und weniger für seine Streitlust bekannt war, sodass ich etwaige Bedenken des Flavius direkt auszuräumen gedachte. "Der Consular hat bei meinen letzten Aufwartungen allerdings zum Ausdruck gebracht, dass er sich in absehbarer Zeit primär seinen familiären Verpflichtungen widmen will, die über die Jahre der politischen Verantwortung sicher etwas weniger im Fokus standen. Deshalb kann ich dir versichern, dass es nicht seinem Willen widerspricht, wenn ich die Ausbildung meines Sohnes in deine Hände lege." Da meine Nachforschungen zu Consular Flavius keine Indizien hervorgebracht hatten, die den Schluss auf eine verdeckte oder offenen Fehde mit Purgitius Macer zuließen, sondern vielmehr ein respektvolles und kollegiales Verhältnis vermuten ließen, hoffte ich, etwaige Bedenken in diese Richtung mit dem Gesagten ausgeräumt zu haben.

    Mir gefiel es, dass der Senator ohne Umschweife zur Sache kam - auch wenn ich mich selbst durchaus als bewandert in der unverfänglichen Konversation erachtete und ich mich gelegentlich auch daran erfreuen konnte. Im Anschluss wollte ich mir auf jeden Fall noch einen Eindruck über das politische Meinungsbild des Consulars verschaffen, doch zunächst war es an mir meinen Sohn in ein möglichst gutes Licht zu rücken. Ich nippte kurz am Wein, der zwar verdünnt war und allein schon deshalb nicht meinen üblichen Trinkgewohnheiten entsprach, den ich aber als Weinkenner dennoch wertzuschätzen wusste. "Titus hat eine ausgezeichnete Ausbildung genossen", begann ich einleitend und blickte dabei kurz in dessen Richtung, bevor ich meine Hände faltete. "Beinahe seine gesamte Jugend ist er in Alexandria aufgewachsen, wo ich bei der Classis gedient habe. Dort wurde er am Museion in den allgemeinen Lehren der Rhetorik, Ethik und Grammatik unterrichtet und erwarb darüber hinaus besondere Kenntnisse im Rechtswesen", referierte ich zunächst zur schulischen Erziehung von Titus und schlug sodann die Brücke zum Senator: "Ich stamme aus einer ritterlichen Familie, sodass mein Weg in Militär und Verwaltung schon vorbestimmt war. Zweifelsfrei liegt Titus' Talent aber vielmehr in der Politik - also möchte ich mit all meinen mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür Sorge tragen, dass er diesen Weg auch beschreiten kann. Und wer könnte ihn besser in die richtige Bahnen lenken als du, Senator?"


    Natürlich war es nicht selbstverständlich, dass ein Sohn aus einem Ritterhaus den Cursus Honorum beschritt, sodass ich diesbezügliche Bedenken auch sofort auszuräumen gedachte. "Ich bin zuversichtlich, dass ich alle nötigen Schritte beim Kaiser einleiten kann, um auch die standesrechtlichen Voraussetzungen für Titus zu schaffen. Daneben benötigt er aber jemanden, der ihn in diesem mir völlig fremden Lebensweg unterweisen kann. Da er sich darüber hinaus auch den Dienst an den Göttern widmen will, schienst du mir als angesehenes Mitglied des Senats und des Collegiums als bester Ansprechpartner, um einen Fuß in die Tür zu bekommen." Nun wollte ich noch etwas konkreter werden: "Es wäre mir eine ausgesprochene Ehre, wenn du Titus im Rahmen eines tirocinium fori auf eine Laufbahn in der Politik vorbereiten würdest und ihn daneben möglicherweise auch dem Collegium Pontificium näherbringen könntest. Selbstverständlich sei dir im Falle einer Zusage auch meine Unterstützung in jedweder Hinsicht zugesichert", schloss ich nun eindeutig ab und blickte erwartungsvoll zum Consular, während ich meinen Weinbecher leerte.

    Nach meinem langwährenden gesellschaftlichen Tiefschlaf blickte ich dem Treffen mit Consular Flavius enthusiastisch entgegen. In Gesellschaft von Rang und Namen fühlte ich mich seit jeher am wohlsten, denn dort konnte ich meine besten Eigenschaften ausleben. Informelle Zusammenkünfte und Klüngeleien betrachtete ich als meine Bühne, die ich - nun da ich in den erlauchten Kreisen Roms auch sichtbar war - gerne für meine Zwecke oder die meiner Anvertrauten nutzte. Vor meiner Rückkehr an den Kaiserhof, vor allem aber vor meiner Hochzeit mit Axilla, war dies anders gewesen, sodass ich im einen oder anderen Moment mit meiner Bedeutungslosigkeit gehadert hatte. Mittlerweile jedoch bewegte ich mich, meiner Stellung sehr wohl bewusst, mit Selbstbewusstsein über das gesellschaftliche Parkett Roms und bemühte mich auch nicht dieses nach außen hin zu kaschieren. Im Gegenteil - als mich unsere Sänfte zur Villa Flavia trug, lächelte ich triumphierend hinab und erinnerte mich gelassen zurück an jene Zeiten, als ich mich noch selbst zum gemeinen Volk hatte zählen müssen.


    Selbstverständlich wusste ich aber um die Skepsis des alten Patriziats gegenüber Emporkömmlingen und Aufsteigern wie ich einer war, sodass ich mein triumphierendes Lächeln bereits an der Porta ablegte und an diesem Tage auch in Bezug auf meine Kleidung mit seltener Bescheidenheit glänzte: Ich trug eine einfache, türkisfarbene Tunika und hatte - entgegen meinem Faible für allerlei Prunk und Goldschmuck - lediglich meinen goldenen Ritterring angelegt. Der flavische Senator war mir bei der letzten Zusammenkunft ohnehin als einer derjenigen der Nobilitas in Erinnerung geblieben, die sich mehr durch ihren Intellekt als durch ihren Reichtum auszuzeichnen versuchten und darob auch nicht viel auf äußerliches gaben. Und selbst wenn ich falsch liegen sollte, schien mir das Risiko bei allzu offen nach außen getragenem Prunk zu hoch, einen womöglich bei der zurückliegenden Hochzeit entstandenen positiven ersten Eindruck unbedacht mit meinem Geltungsbedürfnis zu torpedieren.


    An der Villa angekommen blickte ich noch einmal kurz zu Titus, der sich wie immer wortkarg und undurchsichtig verhielt. Manchmal bedauerte ich, dass ich mit Calvia nur ein Kind gezeugt hatte, denn andernfalls hätte ich mir denjenigen Sohn herauspicken und fördern können, der mir am Nächsten war. So musste ich das Schicksal der Fabii Torquati nun in die Hände eines Bengels legen, der mir oftmals fremd war und der fast nichts mit mir gemein zu haben schien. Wenigstens hatte er mittlerweile seine weibische Wehleidigkeit abgelegt und hatte es als seine Pflicht anerkannt, seinen Weg in der Politik zu gehen.


    Sodann führte uns ein junger Sklave des Hauses zum Tablinum, wo sich der Consular bereits eingefunden hatte. Dabei blieben mir die durchaus prunkvolle Einrichtung und die erhabenen Büsten natürlich nicht verborgen, denn dafür hatte ich einen besonderen Blick und sicher auch ein gewisses Interesse. Gleichwohl widmete ich dem Consular ob seiner Bedeutung sofort meine gesamte Aufmerksamkeit und stimmte lebhaft in seine Begrüßung mit ein. “Senator Flavius, es ist mir eine ausgesprochene Freude, dass du uns in deinem Hause empfängst“, entgegnete ich mit breitem Lächeln und nahm sogleich die Nachfrage nach meiner Gattin auf. “Axilla geht es ausgezeichnet. Ich soll dir ihre Grüße ausrichten“, flunkerte ich. Nicht hinsichtlich ihres Gehabens, sondern hinsichtlich ihrer Grüße. Wobei ich auch ersteres nicht als eindeutig gegeben betrachten konnte, war die anfängliche Euphorie – wie es wohl bei jeder Ehe so war – doch leider etwas dem Alltag gewichen und damit einhergehend auch das gegenseitige Interesse zumindest dezent abgeklungen. “Ich hoffe selbiges gilt für deine Gattin Aurelia?“, spielte ich den Floskelball zurück und führte beinahe im selben Moment Titus ins Gespräch. “Darf ich dir meinen Sohn vorstellen? Titus Fabius Torquatus“, sprach ich und deutete dabei in Richtung meines Sprösslings, nachdem ich Platz genommen hatte.

    An diesem Tage brachte der alte Lasthenes einen Brief seines Herren zur Villa Flavia Felix.





    Ad
    Consularis
    Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia Felix
    Roma




    Salve Senator Flavius,


    ich hoffe, dir ist unsere erste und letzte Begegnung anlässlich meiner Vermählung im Hause Iunia in freudiger Erinnerung geblieben. Wohlwissend, dass unsere Bekanntschaft bisherig rein flüchtiger Natur ist, möchte ich dich gerne um ein persönliches Treffen bitten. Dies zum einen, weil ich schon immer der Ansicht bin, dass die Beziehungen und Kontakte innerhalb der stadtrömischen Gesellschaft gepflegt werden müssen - zum anderen und vor allem aber, um dir meinen Sohn Titus Torquatus vorzustellen, der seine ersten Schritte in Politik und Cultus gehen möchte.


    Gerne würden wir dich daher nach deinem Wunsch und abhängig von deiner Verfügbarkeit in die Domus Iunia laden oder dich in deiner Villa besuchen.


    Vale bene.


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    ROMA - ANTE DIEM VIII ID OCT DCCCLXX A.U.C. (8.10.2020/117 n.Chr.)

    In der Regel gelang es mir gut, Situationen und Menschen einzuschätzen, sodass ich nicht umhin kam zu bemerken, dass das "freundliche Angebot" des Tigellinus kein rhetorisches, sondern ein ernst gemeintes war. Normalerweise hatte ich von einem Primicerius kaum etwas nützliches zu erwarten, allerdings mahnte mich die mir noch immer recht undurchsichtig erscheinende Stellung des neuen Scriba zu einer offeneren Herangehensweise - trotz der hierarchischen Gegebenheiten. "Nun, mit Wein und Datteln wirst du mir wohl kaum dienen können...", entgegnete ich und zeigte dem Aurelier ein unverfängliches Lächeln. "...also ist meine Freude für den Moment allgemeiner Natur." Ich musterte den Scriba etwas eindringlicher und entschied, dass ich den vermeintlichen "Zufall" der Erstbegegnung beim morgendlichen Rapport etwas genauer beleuchten wollte, also deutete ich Tigellinus mit einer Hand einladend zu den Clinen. "Der Kaiser verspätet sich heute wohl, vielleicht willst du mir etwas Gesellschaft leisten?" Womöglich würde sich mir dann auch eröffnen, was genau der Aurelier für mich zu tun gedachte - und inwieweit eine partnerschaftliche Beziehung mit dem Neuankömmling für mich günstig war.

    Zunächst nur beiläufig und nichtsahnend beobachtete ich den Unbekannten, der am Eingang hin und her tänzelte und den ich ob seiner östlichen Aufmachung für einen einfachen Cubicularius hielt - bis dieser mich unvermittelt grüßte und sich als Aurelius Tigellinus präsentierte. Für einen kurzen Moment entglitten mir meine Mundwinkel und ich hatte alle Mühe, meine Souveränität wiederzufinden, hatte ich doch ein Kennenlernen mit dem neuen Schreiberling vielmehr in meinem Officium erwartet und vorgesehen. Noch dazu schien es mir äußerst suspekt, dass der Primicerius bei der allseits bekannten morgendlichen Routine des a memoria mit dem Kaiser den Weg ins Tablinum fand. Ich befürchtete schon, dass der Aurelier womöglich in Zukunft immer um den Kaiser herumscharwenzeln würde.


    Die schlechten Gedanken für den Moment beiseite schiebend zeigte ich Tigellinus schnell mein bestes aufgezwungenes Lächeln und folgte - immer noch liegend - seinem Beispiel einer floskelhaften Begrüßung. “Aurelius, welch wunderbarer Zufall. Ich hatte gehofft, dich alsbald anzutreffen. Ich freue mich dich kennenzulernen.“ Das Gerede über Antistes griff ich gar nicht erst auf, war der längst unter der Erde weilende Fabier mir in diesem Moment doch herzlichst gleichgültig. Genauso überging ich, dass er mich so anmaßend "Torquatus" nannte und sich freundschaftlich als "Tigellinus" vorstellte. Stattdessen musterte ich den Aurelier etwas genauer, dessen sorgsam gestutzter Vollbart mich an meine Zeit in Alexandria zurückerinnerte, dessen Eignung für die stadtrömische Umgebung ich aber für äußerst zweifelhaft hielt.

    Zu einer anderen Stunde betrat ein Notarius der Kanzlei das Officium der Primicierii und legte eine Tabula auf dem Platz des Aurelius Tigellinus nieder, bevor er sich genauso unbemerkt wie er gekommen war wieder zurückzog.



    Ad
    Primicerius a libellis
    Faustus Aurelius Tigellinus


    Salve Aurelius,


    in Ansehung deiner neuerlichen Berufung zum persönlichen Sekretär unseres Kaisers, halte ich es für meine höfische Pflicht, dich zu einem ungezwungenen Kennenlernen in mein Officium zu laden. Fühle dich also bei entsprechender Verfügbarkeit dort jederzeit willkommen.


    Vale bene.


    CN. FABIUS TORQUATUS


    Auch an diesem Morgen fand ich mich in einer Tunica leger gekleidet - wie der Kaiser es seit jeher bei der morgendlichen Routine bevorzugte - dennoch aber nicht auf meinen persönlichen Klimbim in Form von güldenen Siegelringen verzichtend - so wie ich es bevorzugte - im Tablinum ein. Ich legte mich auf einer der Clinen darnieder und wartete sodann auf das Eintreffen des Imperators, dem ich heute ausnahmsweise mit ungewöhnlicher Anspannung entgegensah. Die neuerlichen Entwicklungen um den Scriba des Kaisers hatten mich, obwohl ich sonst innerlich eine Festung war, zugegebenermaßen nicht unberührt gelassen. Hinzu kam noch, dass ich dem Augustus einige persönliche Anliegen vorzutragen hatte. Gleichwohl war ich bemüht, meine Unruhe nicht nach außen zu tragen und ein gewohnt sicheres Auftreten an den Tag zu legen.

    Als mich die Kunde über den neuen persönlichen Sekretär des Kaisers erreichte, war ich zunächst verwirrt und sodann echauffiert, mutmaßte ich doch - misstrauisch wie ich war - dass damit auch eine Erosion der Kräfteverhältnisse am Kaiserhof einherging, die nicht zu meinen Gunsten sein dürfte. Immerhin handelte es sich, wie man munkelte, nicht um einen einfachen Scriba, sondern einen Günstling des Kaisers aus dem Osten, der in den Genuss einer exponierten Stellung und weitreichender Befugnisse kam. So war er zwar de jure nur ein einfacher Primicerius in der Abteilung des alten Axiers, de facto aber ein Entscheider.


    Gleichwohl hatte diese neuerliche Entwicklung auch etwas Förderliches, denn sie hielt mir ungeschönt vor Augen, dass ich über die letzten Monate dem besorgniserregenden Beamtentrott verfallen war. Ich war lethargisch geworden - begonnen hatte diese Entwicklung wohl spätestens nach meiner Hochzeit mit Axilla - und hatte darob meinen einstigen Eifer eingebüßt. Nicht in Bezug auf meine Arbeit, denn die hatte ich schon seit eh und je vernachlässigt. Nein, in Bezug auf meine Karriere, die ich stets sorgsam vorangetrieben hatte. Der Verwaltungsapparat hatte unbemerkt seinen Schleier der Trägheit über mich gelegt und mich zu einem Phlegmaticus verwandelt. Eine Entwicklung, der ich dringendst gegensteuern musste.


    Glücklicherweise war ich noch rechtzeitig - so hoffte ich nun zumindest - aus meinem Tiefschlaf erwacht. An meinem Schreibtisch sitzend begann ich also, die nächsten Schritte zu planen. Zuallererst musste ich bei der morgendlichen Besprechung mit dem Kaiser meine Position ausloten. Und dann war da noch dieser Emporkömmling - wie war noch sein Name? Aurelius Tigell…Tigellinus - den ich kennenlernen musste. Selbstredend würde ich ihn nicht wie ein gewöhnlicher Bittsteller aufsuchen, sondern die Rangordnung auf dem Palatin wahrend zu mir kommen lassen. Um dies zu arrangieren, griff ich zu einer Tabula und formulierte eine entsprechende Weisung, getarnt in einer freundlichen Ladung.

    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    Lucius Annaeus Florus Minor


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM III NON MAI DCCCLXIX A.U.C.
    (5.5.2019/116 n.Chr.)


    ZUM
    Tribunus Laticlavius - Legio II Germanica


    siegel_Aquila.png

    Dass der Annaeer auch für das ferne Germanien offen war, überraschte mich durchaus. Für mich war ein Aufenthalt im unzivilisierten Norden nie in Frage gekommen. Aber um mich ging es ja nicht und wenn der Knabe sich während des Tribunats Schlamm und Kälte anstatt Sonne und Strand wünschte, dann sollte es eben so sein. "Gut, ich bin mir sicher, dass sich ein Posten für dich findet. Du wirst informiert, sobald eine Entscheidung getroffen wurde", gab ich dann nüchtern zu Protokoll und leerte meinen Weinbecher. "Gibt es sonst noch etwas, Annaeus?"

    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ernenne ich
    Manius Flavius Gracchus Minor


    zum
    Senator Roms


    Es ist ihm ab heute gestattet, die Standesabzeichen
    der Senatoren zu tragen, den Senatorenring,
    den Latus Clavus und spezielle rote Schuhe mit
    einer Sichel als Schmuck.


    - ID APR DCCCLXIX A.U.C. -
    (13.4.2019/116 n.Chr.)


    "Das ist bedauerlich", entgegnete ich mit nüchternem Tonfall und spürte, dass der Sprössling mit dem Verlust noch zu kämpfen hatte. Allerdings war ich distanziert genug, um keinerlei Trauer oder Mitgefühl zu empfinden. Stattdessen wandte ich mich ganz sachlich auf den eigentlichen Grund des Besuchs zu. "Du willst also ein Tribunat...", begann ich rhetorisch. "Du hast Glück, dass dich Senator Purgitius schickt. Ich werde mich für dich einsetzen." Ich musterte Florus abermals eindringlich und nahm einen tiefen Schluck Wein. "Du siehst nicht so aus, als könnte man dich in die Wälder Germaniens schicken...", stellte ich sodann unverblümt fest. "...oder vielleicht doch?"

    Die morgendliche Routine hatte ich die letzten Tage aufgrund einer Grippe ausfallen lassen müssen. Darüber hinaus war eine Ernennung zum Senator versehentlich bei meinem Kontrahenten Axius Lucullus gelandet. Natürlich hatte der Greis es versäumt, diese Ernennung mit Nachdruck durchzuführen, wie ich es bei etlicher seiner Aufgaben getan hatte. Umso wichtiger war es, diesen Punkt noch einmal anzusprechen. "Manius Flavius Gracchus Minor wartet noch auf seine Erhebung in den Senatorenstand. Soweit ich informiert bin, hat Axius dich diesbezüglich bereits konsultiert und die Formalia geprüft. So es auf deine Zustimmung trifft, werde ich die Erhebung öffentlich machen.", begann ich mit dem ersten Tagesordnungspunkt.