Beiträge von Alwina

    Die römischen Männer waren nicht anders als die Germanischen. Immer Hunger, stellte sie fest. " Brot habe ich zum Käse. " Sie hatte das Tuch vom Korb genommen und zeigte ihm das Brot. " Wein, da kennst du dich aus, das überlasse ich dir. " Alwina hatte keine Ahnung von Wein. Sie hatte nie welchen getrunken. Hauptsächlich Ziegenmilch und Wasser. Nur zu Festlichkeiten Met. Sie war nicht so versessen darauf. Das dünne Bier trank sie ebenfalls selten.
    Sie nahm ihren Korb wieder hoch und setzte sich in Bewegung. Weg von dem dichten Gedränge. " Du siehst so verhungert aus, bekommt ihr kein Essen, kocht deine Frau nicht für dich?" Alwina war unwissend, was die Legion anging. Die Krieger bei ihnen waren verheiratet, hatten Familie.


    " Sag, was für ein Fest ist das, was wird gefeiert?" Die Frage war im nächsten Moment gegenstandslos. Alwina hatte einen Händler entdeckt, der Schmuck verkaufte. Staunend stand sie da, besah sich die Auslage. Skeptisch nahm sie eine Fibel in die Hand, prüfte akribisch Material und Fertigung. Ein gedrehter Armreif, aus Gold, verlangte als nächstes ihre Aufmerksamkeit. " Gehst du auch zu dem Fest?" knüpfte sie an die letzte Frage an, ohne den Schmuck aus den Augen zu verlieren.

    Eine Bleibe für die Nacht wäre schön. Das dürfte keine große Sache sein. Gäste waren bei ihrer Sippe immer willkommen gewesen. Hier gab es Häuser in Unmengen. Drei Tage in einem Haus, sie begann zu rechnen, gab es auf. Zuversichtlich hatte sie an der ersten Tür geklopft, man wies sie höflich aber bestimmt ab. Für Alwina unbegreiflich, kannte man das Gastrecht hier nicht? An der nächsten Tür wurde sie angeblafft, die Türe wieder zugeschlagen.


    Das dritte Haus, sie betrachtete die Türe. Klopfen? Was denn sonst, auf der Straße konnte sie nicht bleiben. So langsam dämmerte ihr, warum die Taverne, Zimmer zum übernachten anbot. Sie verstand nur nicht, warum ein Gast dafür Münzen geben musste. Das hatte nichts mit Gastrecht zu tun.


    Sie klopfte ordentlich an die Tür. Das musste man drinnen hören.Ihren Korb hatte sie von den Schultern genommen.

    Meckert wie Donars Ziegenböcke. Ein guter Vergleich. Ein letzter flüchtiger Blick zu der Alten. Die Ziegenböcke waren eindeutig hübscher als die Alte dachte Alwina und lächelte in sich hinein. Was war denn nun wieder. Da berührte sie jemand bewusst am Arm. Sie sah nicht hoch, deckte den Korb ab. „ Das Tuch ist selbst gewebt und die Tunika daraus selbst genäht. Dein Interesse ehrt mich, aber sie ist unverkäuflich....“ Während sie das sagte, hatte sie sich umgedreht. Huch ! schon wieder! Diese Römer ! Können sie nicht wie normale Menschen eine Ton sagen oder so stehen, dass man sich nicht erschrickt? „ Du bist das.“ Sie atmete erleichtert aus, lächelte. „ Stell dir vor, ich habe ihm ein Silberstück gegeben und dafür gleich doppelt Käse bekommen und noch 3 von denen.“ Sie holte eine Sesterze aus ihrem Beutelchen. Oh, das war unhöflich ihn so zu überfallen. Sie steckte die Münze weg. „ Entschuldige, das hier ist alles völlig anders, als ich es kenne.“ Die Aufregung war ihr anzusehen. „ Du kennst das natürlich. Willst du ein Stück Käse?“

    Eines hatte sie hier nach dem 5. Stand gelernt. Man musste gekonnt ausweichen oder sich Platz schaffen. Das tat sie beim Käsehändler. Einen Ellenbogenstoß rechts ein Tritt links und sie stand an der Auslage. Schiefe Blicke und eine murrende Alte hielten sie nicht ab, den Käse zu kosten. " Hm. " sie kaute den Käse, das eine Auge zugekniffen runter. " Sehr salzig. Der ist gut. Gib mir von dem frischen Käse auch mit. In die Schale." Alwina schüttete die Nüsse in den Korb, pustete die Schale aus und reicht sie ihm rüber. Er füllte die Schale halb voll, nannte seinen Preis. Sie hielt ihm den Denarius hin. Alwina konnte gar nicht so schnell gucken, die Schale war voll bis zum Rand, zwei Stücken vom harten Käse kamen dazu und sie bekam 3 Münzen (Sestertius) die golden glänzten zurück. Ja wenn er das so wollte. Die Münzen steckte sie lieber gleich weg. Die Alte neben ihr meckerte sie an. " Du meckerst wie Donars Ziegenböcke." sagte Alwina lächelnd und packte den Käse ein.

    Hier waren nicht drei Händler, sie konnte die Stände nicht mehr zählen, die sie sah. Mit großen Augen verfolgte sie das Feilschen, die Ausrufer, sah die riesen großen Häuser. Davon soll es noch größere geben ? Sie war sprachlos. Sie ging an den Ständen entlang, wurde bei Seite gedrängt, wenn sie nichts kaufte. Bei einem Bäcker entschloss sie sich es zu versuchen. „ Zwei Brote.“ Sie zeigte ihm zwei Finger. „ Zwei.“ Der Bäcker blaffte. „ 8 Asse“ und hielt ihr ein Geldstück aus Kupfer vor die Nase. “ Ich habe die.“ Sie holte ein Silberstück (Denarius) aus einem Beutelchen. Er sah das Geldstück an, überlegte es sich, zu viele Leute könnten es gesehen haben. „ Nein, das ist zu viel. Hast du nichts anderes.“ Alwina nickte und wühlte in einem der anderen Beutel. „ Hier, den hier.“ Ein erbsengroßer Bernstein lag auf ihrer Handfläche. „ Reicht der?“ Der Bäcker sah sich um. Griff zu und schob ihr die Brote hin. „ Ja, reicht.“ Sie bedankte sich und steckte die Brote in ihren Korb. Käse zum Brot wäre ganz nett. Den musste es hier auch geben.

    Das Lächeln kannte sie. Bei allen Männern gleich. „ Du hast auch mal keinen Dienst?“ Sie hatte erst bedenken und dann kam ihr die Idee. Man konnte sich in aller Öffentlichkeit treffen, das hatte nichts anstößiges an sich. Der Legionarius war eine gute Informationsquelle, wusste bestimmt wo man Arbeit fand und wohnen konnte. So schlecht sah er auch nicht aus. Sie blinzelte ihn verlegen an. „ Gibt es, ich muss mich nur erst zurecht finden.“ Sie sah auf ihre Füße, dann wieder zu ihm. „ Hier gibt es einen Markt.“ Davon ging sie ganz fest aus. „ Du findest mich am Nachmittag dort.“ Sie wartete nicht ab was er sagte und war verschwunden.

    Das mit dem Legionär wäre geklärt. Huch !?! Wie konnte der Römer sie so erschrecken. Ihr Herz war augenblicklich in die unteren Falten ihres Peplos gerutscht. Sie bemerkte gar nicht, wie sie das Stadttor passierten, war einfach mitgelaufen. Ein kaum spürbarer Ruck am Arm veranlasste sie stehen zu bleiben. Was war denn jetzt?


    Das war also die Begrüßung gut. Woher wusste er ihren Namen. Ja, stimmt. Er hatte das ganze Gespräch zwischen dem Legionär und ihr mitbekommen. Sie kam gar nicht dazu ihn zu begrüßen. Sein Redeschwall wollte nicht enden. Sie sah ihn verwirrt an, ihr Mund blieb offen stehen, die Stirn wurde immer krauser. Beinahe hätte sie ihren Korb fallen lassen. Die Menschen drängten sich an ihnen vorbei, als ob das hier das normalste der bekannten Welt war. Sie holte Luft und wollt etwas sagen. Aber da kam nichts. Sie setzte erneut an. Wieder das gleiche. Sie hob die Hände, ging in sich. Absolut Bühnenreif. Sortierte alles bisherige. Ließ die Hände sinken. Prüfend glitt ihr Blick von seinem Kopf bis zu seinen Füßen. Sie schürzte abschätzend die Lippen. Wie ein Dieb, Räuber oder Mörder sah er nicht aus.


    „ Du bist sicher die Richtige gefunden zu haben?“ Skepsis zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie sah an sich herunter. So auffallend war sie gar nicht bekleidet. Das trug doch jeder hier. Ihr Blicke huschten vergleichend zwischen sich und den Frauen, die hier liefen, hin und her.


    „ Und warum sollte ich auf dein Angebot eingehen ?“ Sie pausierte kurz,überlegte. „ Ich mache dir einen Vorschlag. Gib mir drei Tage. Finde ich nichts, dann melde ich mich bei dir. Wo soll ich hin kommen?“ Alwina hielt ihren Korb mit beiden Händen vor sich, er wurde langsam schwer.

    Sie sah ihm entgeistert hinterher. Erst fragte er sie misstrauisch aus und plötzlich durfte sie rein. Hatte er auf die Pilze und Beeren spekuliert? Sie sah abschätzend in den Korb. Auf das Tuch mit den Beeren legte sie Butterpilze Maronen und zwei schöne Steinpilze. " He,du,ehm,Legionarius." Alwina war ihm hinterher gelaufen und klopfte ihm vorsichtig von hinten an die Schulter. Bei dem vielen Metall, war das die einzig vernünftige Methode um sich bemerkbar zu machen. " Hier für dich." Sie hielt ihm das Tuch an den Zipfeln hin. Es war nichts dabei. Er hatte durch seinen Dienst bestimmt keine Zeit Pilze suchen zu gehen, überlegte sie. Da konnte man was abgeben. "Nimm schon." und drückte es ihm in die Hand.

    Der Soldat fragte ihr ein Loch in den Bauch. Was hatte sie getan, dass er ausgerechnet sie ausfragte. War der misstrauisch. Nach dem was sich hier abspielte, musste er ja misstrauisch werden. " Das erste Mal, ja. Deswegen wartet er hier auf mich." Ein freundliches Lächeln hinterher schicken, war immer gut.


    War es dagegen klug diesen wildfremden Römer als ihre Begleitung auszugeben? Was wusste sie von den Römern. Ausgesprochen wenig, musste sie sich eingestehen. Dadurch kam es hier am Tor zu den ersten Unannehmlichkeiten. Sie mahnte sich, besser zu beobachten und daraus zu lernen. Das erklärte aber immer noch nicht, was dieser Römer da von ihr wollte. So ging es erst einmal nach dem Motto, gute Mine zu bösem Spiel.

    Huch, wieso wartete er auf sie?? Alwina sah hinter sich. Ja er meinte sie. Sein Finger wies eindeutig in ihre Richtung. Misstrauisch musterte sie den Römer. Sie deutete auf sich. " Meinst du mich?" Eine Verwechslung musste das sein. " Ich, wieso, woher...." Nicht so unflexibel, die beste Gelegenheit in die Stadt zu kommen. " Jaaaa, achso, du bist das, ich habe dich gar nicht gleich erkannt." Sie hatte sich wieder voll unter Kontrolle. " Genau er sollte mich hier abholen.... Wegen dem Fest.... Ich bin eingeladen."


    Was hatte er denn noch. " Mein Name ? ...Alwina, Tochter Otgers und Tilruns, aus der Sippe des Otger, vom Stamm der Hermunduri." Ließ er sie denn nun rein ? Sollte sie rein? Der Römer war merkwürdig. War er so was wie ein Druide, dass er wusste das sie heute kam? Das war alles verwirrend. Wie konnte ihr Vater sie hierher schicken. Sie kam vorerst zum Schluß, die spinnen die Römer.

    Darfst du nicht. Wäre ihr beinahe heraus gerutscht. Am liebsten hätte sie ihm dazu die Zunge rausgestreckt. Sie kniff die Lippen zusammen, sah ihn an. Zaghaft äußerte sie. " Weil, ja weil...." Was sollte sie denn sagen. Ihre Finger zupften am Tuch, das über dem Korb lag. " Tauschen, ich will tauschen. Sieh hier." kam es urplötzlich über ihre Lippen. Sie deckte das Tuch zurück, frische Pilze lagen oben auf, darunter Preiselbeeren. Warum hatte sie nicht gleich daran gedacht. " Und zum Fest will ich." Das war viel besser. Sie nickte, selbstbestätigend. " Ja, zum Fest."


    Wieso fragte er denn nach, war das hier so Sitte? Gäste fragte man nicht aus. Sie blieben drei Tage und gingen wieder. Spätestens nach drei Tagen hoffte sie kein Gast mehr zu sein und eine Bleibe gefunden zu haben. So dachte sie sich das.

    Am Haupttor. Wieder Soldaten. Schon wieder durchsuchen lassen ? Nur langsam ging es vorwärts, so viele Menschen waren hier. Für Alwina ein ungewohnter Anblick. Ihre Sippe war nur eine Handvoll dagegen. Sie rückte nach. Da vorn der Soldat sagte was von einem Fest. Gut, dass ihr Vater ein geduldiger Mann gewesen war und ihr an den Winterabenden Latein beigebracht hatte.


    Aufgeregt war sie. Die Soldaten beeindruckten. Ihren Korb hatte sie von den Schultern genommen, den Wollmantel mit Karomuster zurückgeschlagen. Der Witterung schuldend, trug sie eine naturfarbene langärmelige Leinen-Tunika. Darüber einen blau gefärbten Peplos aus feiner Wolle, der von zwei Fibeln auf den Schultern gehalten wurde. In der Mitte durch einen Wollgürtel gerafft. Auf diesem ein zweiter Gürtel, an dem sie ihre wichtigsten Alltagsgegenstände in kleinen Beuteln trug. Ihr langes Haar lag leicht und locker auf ihren Schultern, die Sonne hinterließ einen feinen goldbronzenen Glanz auf ihm.


    Aufmerksam betrachtete sie die Leute, die an ihr vorbei gingen, am Tor standen und mit ihr warteten. Das lenkte ab und vertrieb die Zeit. Dann endlich war sie an der Reihe. „ Ich möchte dorthin.“ Sagte sie selbstsicher. Sie wies mit dem rechten Zeigefinger durch’s Tor. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, ihr forschendem Blick, was er dazu meinte, lag auf dem Soldaten. Die Aufregung kehrte zurück. Nervös spielten ihre Finger am Rand des Korbes.

    Ein wunderschöner Morgen im sich herbstlich verfärbenden Wald. Die Bäume lichteten sich, eine breite Schneiße zog sich quer durch den Wald, der Rhenus. Nebelschwaden trieben über das Wasser und den Boden, verschleierten den Fortgang der Befestigung, die vor ihr am anderen Flußufer auftauchte. Ein großes Tor versperrte die Straße hinter der Brücke. Es standen Bewaffnete davor und besahen mit kritischen Blicken was an ihnen vorbei ging, ritt und fuhr. Kontrollierten alles das, was in das dahinter liegende Land wollte.


    Die Sonne kam durch, selten in den letzten Tagen. Die Nächte wurden kälter, das hatte sie zu spüren bekommen. Abwartend, bis die Sonne den Nebel ganz vertrieben hatte, stand sie bei den letzten Bäumen. Lange war sie unterwegs. Den letzten Worten ihres Vaters gehorchend, mit der Morgensonne im Rücken bis zum Wall gewandert. Sie musste nur auf die andere Seite durch das Tor. Wollte sie auf die andere Seite? Sie musste. Es gab kein Zurück.


    Kontrolliert von römischen Soldaten, für harmlos befunden, durchschritt sie das Tor ins römische Imperium.