Beiträge von APPIUS CORNELIUS PALMA

    Das Thema schien damit also erledigt zu sein, wennauch mit einem drastischen Ende für den Klienten des kaiserlichen Klienten. Cornelius Palma ahnte, dass er von diesem Fall noch einmal hören könnte, schob ihn aber jetzt erst einmal zur Seite.


    "Nein, ich habe keine weiteren Wünsche an deine Person. Ich danke dir für deine Aufwartung und wünsche dir einen erfolgreichen Tag."

    Cornelius Palma atmete zweimal tief durch, während der Decimer sprach. Das erste Mal, als dieser sich zum ersten Mal klar und deutlich von Vescularius Salinator distanzierte und von dessen Fehlern sprach. Wie ehrlich er das meinte, war Cornelius Palma erst einmal egal. Dass er es gesagt hatte und das auch noch vor Zeugen war wichtiger.


    Das zweite Mal atmete er durch, als Decimus Serapio Namen nannte, die er als diffamiert und strafversetzt betrachtete. So hatte er etwas handfestes in der Hand, auf das er antworten konnte. Zumindest, soweit er es im Kopf hatte, denn natürlich kannte er nicht alle Centurionen beim Namen, die nach dem Krieg aus den verschiedensten Gründen ihre Einheit gewechselt hatten und von denen nicht wenige inzwischen befördert oder mit genug Geld für den Ritterstand entlassen oder gar beides wurden. Dass er Octavius Dragonum persönlich gesprochen und ihm die Wahl gelassen hatte wusste er dagegen noch und sagte es, ebenso wie er noch Iulius Proximus kannte, dessen turnusmäßge Entlassung aus dem senatorischen Tribunat schon mehr als überfällig gewesen war, als Cornelius Palma damals seinen Fall vorgelegt bekam. Insgesamt erschien Cornelius Palma die Liste der Namen, die sie nun diskutierten recht kurz im Vergleich zu jenen, die unter Vescularius Salinator schlicht und ergreifend auf unbestimmte Zeit in Verbannung geschickt wurden. Cornelius Palma war innerlich zutiefst überzeugt, dass eine zeitlich befristete Versetzung auf einen bezahlten Posten im Vergleich dazu nicht schlechter abschneiden konnte.


    Die weiteren Ausführungen des Decimus Serapio erschienen ihm dann eher philosophischer Natur und durchaus interessant, wenngleich für einen hochrangigen Offizier eher selten.


    "Dir scheinen durch den Bürgerkrieg erhebliche Zweifel am Kriegshandwerk gekommen zu sein. Ich bezweifle nicht, dass der Begriff des Kriegsverbrechens ein wichtiger ist, ebenso wie der bellum iustum ein wichtiges Element unseres Verständnisses von Herrschaft ist. Jeder tote Bürger in einem Bürgerkrieg ist einer zuviel, daran gibt es keinen Zweifel."


    Auch hier sprach Cornelius Palma aus Überzeugung, aber genauso war es seine Überzeugung als Offizier und nun Imperator, dass es einen Krieg ohne Tote nicht geben konnte.


    "Aber vielleicht ist es wirklich eine gute Idee, an dieser Stelle Flavius Gracchus zu Wort kommen zu lassen. Haben die mich unterstützenden Truppen Greuel in Rom angerichtet, als sie Rom betraten?"

    Ein breites Grinsen huschte über den Mund von Cornelius Palma, als er die Antwort seiner Frau hörte. Sie hatte sich also nicht verändert. Zumindest nutzte sich noch dieselben Sprüche wie früher. Er verlangsamte seinen Schritt, als sie sich unterhakte und schaute ihr ins Gesicht, während sie fragte.


    "Ruhe? Nun, ein ruhiger Posten ist es nicht, Kaiser zu sein. Der Tag beginnt früh und ist voll mit Terminen. Aber ja, man sorgt für mich und es gibt mehr als einen Beamten, der über meinen Terminkalender wacht und dabei auch berücksichtigt, dass ein Kaiser Essen, Schlafen, Baden und die Toilette benutzen muss. Und die Palastküche kocht gutes Essen. Ich denke, du wirst es mögen."


    Dass sie dann nach Dingen fragte, die sie wissen musste, überraschte ihn nicht. Sie war schon immer sehr selbständig und umtriebig gewesen und hatte ihre eigenen Kontakte gehabt. Die würde sie sicher bald auch hier wieder aufleben lassen.


    "Wieviel hast du in der Ferne mitbekommen? Die Ereignisse der letzten Jahre zu referieren, würde mehr als nur den heutigen Abend füllen."


    Trotzdem zählte er dann die amtierenden Consuln auf, ferner die wichtigsten Praefekten und sonstigen Amtsträger, die derzeit Macht und Einfluss in Rom hatten. Er wollte gerade zu den religiösen Angelegenheiten kommen, als sie wegen des Mosaiks stehenblieb.


    "Bei unserem letzten Besuch? Und nein, dafür hatte ich offenbar bisher keine Zeit. Aber auch dafür wird sich morgen ein Palastbediensteter finden. Ja. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Ich habe Flavius Gracchus zu meinem Pontifex pro Magistro ernannt. Wir sollten mit ihm sprechen bezüglich eines Opfers anlässlich deiner Rückkehr nach Rom."

    Cornelius Palma hatte versucht, seine Anwesenheit im Senat so unauffällig wie möglich zu gestalten, aber unbemerkt bleib er natürlich trotzdem nicht. Umso dankbarer war er dem Consul für die ruhige Sitzungsleitung, die aus seiner Anwesenheit kein großes Werk machte.


    Den Gruß durch seinen ehemaligen Quaestor Principis nahm er mit einem Nicken entgegen und folgte dann schweigend dessen Rede. Das eine oder andere Detail bezüglich der Nachbarrreiche hatte er aus früheren Besprechungen mit dem Quaestor zwar etwas anders in Erinnerung, aber da er das Wort nur ergreifen wollte, wenn es unbedingt notwendig war, schwieg er dazu. Sollten die Außenbeziehungen im Senat ernsthaft thematisiert werden, würden im Zweifelsfall ohnehin alle Details mehr als einmal in voller Breite in diesen Hallen dargelegt werden.

    "Von meiner Seite gibt es keine weiteren Anliegen. Danke, Quaestor."


    Die Besprechung war damit beendet und Cornelius Palma konnte sich den weiteren Dingen des Tages widmen. Um etwaige Erhebungen in den Senatorenstand hatte sich erst einmal seine bürokratische Abteilung in Form der Kanzlei zu kümmern, um die Voraussetzungen zu prüfen, bevor ihm dieser Name dann wieder vorgelegt werden würde.

    Auch wenn Cornelius Palma trotz der fehlenden Namensnennung aus den genannten Details heraushören konnte, um welche Person es wohl ging, vermied er es tunlichst, eine personenbezogene Meinung abzugeben. Wenn sein eigener Klient sich schon dafür rechtfertigte, warum er ohne einen Blick in die Gerichtsakten einen Rat erteilt hatte, der sich später als unpassend erwiese, dann wollte Cornelius Palma nun nicht ebenfalls Ratschläge geben, die sich bei einem genaueren Studium der Sachlage vielleicht auch als unpassend herausstellten. Zumal er der Sache mit Vettern, Schwestern, und Kindern von Cousinen nicht ganz so schnell folgen konnte, wie sie vorgetragen wurden. Andererseits war es nach dieser Schilderung auch gar nicht so schwer, einen allgeneinen Rat zu geben.


    "Nun, das Patronat ist eine Einrichtung, die zum beiderseitigen Vorteil sein sollte. Da man aber in der Salutatio selten einen direkten Handel aus Leistung und Gegenleistung abschließt, erscheint es mir unerlässlich, dass die Beziehung zwischen Patron und Klient auf Vertrauen basiert. Jede Seite muss sich darauf verlassen können, dass ein Vorteil, den sie der anderen Seite gewährt, mit einem ebensolchen Vorteil vergolten wird. Wenn du deinem Klienten nichts mehr schuldest, aber stattdessen den Eindruck hast, dass dieses Vertrauen nicht besteht und du die Vermutung hegst, dass dein Klient dir deinen Einsatz nicht angemessen vergelten wird, dann verpflichtet dich nichts, das Patronat über ihn aufrecht zu erhalten."


    Er hoffte, dass dies als Antwort reichen würde, denn eine verzwickte Angelegenheit, in die derzeit offenbar bereits ein Senator, ein Quaestor, eine Praetor und zwei weitere Personen verwickelt waren, musste man ja nicht noch dadurch verkomplizieren, dass ein Kaiser hinzu kam.

    Cornelius Palma genoss den Moment, in dem seine Frau ihn mit einem stummen Lächeln ansah. Dann übernahm er mit Freuden die Rolle des Hausherrn, um seiner Frau den Einzug so angenehm wie möglich zu machen.


    "Dann solltest du mir wohl folgen. Zum Bad geht es hier entlang."


    Schwungvoll schritt er voran und ließ mit einem Wink die passende Türe öffnen. Darum, das Gepäck seiner Frau an die passenden Orte zu bringen, konnten sich derweil Sklaven kümmern.


    Auf dem Weg drehte er sich dann wieder zu seiner Frau um, um das begonnene Gespräch fortzusetzen.


    "Was passiert ist seitdem? Nun, man hat mich zum Kaiser gemacht. Ich habe ein paar Statthalter und Kommandeure ausgetauscht, es wurden wieder Wahlen abgehalten, es gab Spiele für den verstorbenen Tiberius Durus und ein paar Senatoren haben geheiratet."


    Damit hatte er wohl im Querschnitt alles von der großen Politik bis zum stadtrömischen Tratsch einmal gestreift.

    Cornelius Palma war zufrieden, dass sein Klient beide Angebote positiv aufnahm und machte sich nicht viel aus der leichten Zurückhaltung bei dem zweiten Angebot. Falls er heute noch tatsächlich einem passenden Klienten begegenen würde, konnte er den Punkt gleich abhaken. Auch Aurelius Lupus schien nicht zu lange bei diesem Thema verharren zu wollen, sondern kam gleich zu einem weiteren Anliegen, was Cornelius Palma sehr Recht war, denn schließlich musste er möglichst viele Gespräche in der Salutatio führen, um ein guter Patron zu sein.


    "Natürlich. Bei welcher Frage kann ich dir behilflich sein?"

    "Die Genehmigung zur Abwesenheit vom Senat erhältst du ganz sicher von mir. Die Aufgabe ist wichtig genug und zudem bist du ja nicht einmal weit weg im Vergleich zu jenen Senatoren, die als Statthalter und Kommandeure in die Provinzen gehen. Und wenn es dir hilft, deinen Aufenthalt in Tarquinia zeitlich zu begrenzen, kann ich das Mandat gerne ebenfalls mit einer zeitlichen Beschränkung ausstatten. Verlängern kann man es bei Bedarf immernoch."


    So fiel die Rückkehr nach Rom dann zumindest formell nicht einmal auf Aurelius Lupus zurück, sondern auf den Kaiser. Gegen dessen Anweisungen wiederum würde in Tarquinia mit Sicherheit niemand ernsthaft Einspruch einlegen in einer solchen Angelegenheit. Zumal es ja Usus war, dass alle kaiserlichen Mandata außerhalb Roms zeitlich begrenzt vergeben wurden.


    "Wenn du bei deinen Geschäften hier in Rom die Unterstützung deines Patrons brauchst, lasse es mich ruhig wissen. Ich bin zwar kaum in der Position, nette Abendgesellschaften zu geben, um Ehebündnisse anzubahnen, aber vielleicht kann ich anderen Klienten gegenüber eine passende Bemerkung fallen lassen."


    Rein von der Wahrscheinlichkeit her war wohl auch schon bei dieser Salutatio mindestens einer dabei, der für ein männliches Mitglied seiner Verwandtschaft auf der Suche nach einer guten Partie war.

    Cornelius Palma hörte aufmerksam und mit freundlichem bis verständnisvollen Gesichtsausdruck zu. Dann nickte er.


    "Es ist gut, dass du dies mit mir besprechen möchtest und du hast meine volle Unterstützung für deine Pläne. Zweifellos ist es schade für Rom, wenn du diese Stadt für eine Weile verlassen wirst, aber die Ehre, an der Universität von Tarquinia zu unterrichten solltest du keinesfalls leichtfertig ablehnen, zumal sie sich mit deinen Sorgen um die Zukunft des Collegiums und deinen persönlichen Plänen vereinen lässt. Als dein Patron kann ich dir daher nur raten, diese Chance zu ergreifen und damit sowohl deine eigenen Pläne als auch die Zukunft des Collegiums voranzubringen. Für wie lange würde dies deine Abwesenheit in Rom bedingen?"

    Die Antwort fiel wie erwartet aus und Cornelius Palma merkte sich auch, dass sein Procurator eine Rolle gespielt hatte. Mehr gab es aber auch gar nicht zu erfahren, so dass Cornelius Palma bezüglich dieser Besetzung keine weiteren Fragen mehr hatte. Er musste auch die anderen Kandidaten noch hören und dann entscheiden. Eine Frage fiel ihm dann aber doch noch ein.


    "Du warst mit der Legio I in Mantua stationiert, nicht wahr? Kennst du abgesehen von dieser Stadt noch andere in Italia genauer?"

    Cornelius Palma machte eine wegwischende Handbewegung, als das Gericht erwähnt wurde. Das lag nicht daran, dass er Gerichte gering schätzt, aber das er der Sache nicht genug Bedeutung beimaß, um ein ebensolches zu bemühen.


    "Du hast Recht. Sofern dies eine Rolle spielen würde, müssten wir es einem Gericht überantworten, aber meines Erachtens spielt es keine Rolle. Ich werde einen entsprechenden Erlass vorbereiten lassen, der die Handhabung des kaiserlichen Testaments regelt. Damit sollte dieser Punkt erledigt sein und alles weitere ergibt sich aus der Zutrittsregelung, für die du wiederum den Wortlaut vorlegst."


    Er hoffte, dass diese Zusammenfassung den Kern der Sache traf und alle Verantwortlichkeiten korrekt darstellte.

    "Sehr schön. Aber lege keine zu große Eile an den Tag, was die Reisevorbereitungen betrifft. Die Vorbereitungen für die Verhandlungen werden Zeit benötigen und bevor eine Gesandtsachaft losgeschickt wird, möchte ich in jedem Fall auch den Senat konsultieren."


    Was nicht nur innenpolitisch sinnvoll war, sondern auch eine gute Überleitung zu dem anderen Punkt, den der Quaestor ansprach.


    "Das würde ich sehr schätzen, wenn du deine Res Gestae hältst, wenn ich im Senat anwesend bin. Aber das Wort ergreifen werde ich nur, wenn es unbedingt notwendig ist. Du kannst dir versichtert sein, dass ich mit deiner Arbeit zufrieden bin und wenn der Senat mich dazu auffordert, werde ich auch etwas dazu sagen."


    Aber nur dann, denn Cornelius Palma wollte dem Senat nicht den Eindruck geben, dass er Diskussionen unterdrücken möchte, indem er selber das Wort ergreift.

    Wunschgemäß hatte man Cornelius Palma umgehend informiert, als die Kaiserin im Palast eingetroffen war. Zwei Senatoren mussten darunter leiden, da Cornelius Palma das gerade mit ihnen begonnene Gespräch abbrach und schnellen Schrittes sein Officium verließ. Auf dem Weg durch die Gänge versicherte ihm sein hinzugeeilter Leibsklave, dass er akzeptabel aussah, um seiner Frau gegenüber zu treten. Allerdings wäre Cornelius Palma auch jedes andere Urteil egal gewesen. Er betrat die Halle des kaiserlichen Wohntraktes in dem Augenblick, in dem seine Frau durch die Eingangstür eintrat.


    "Willkommen in Rom!"


    Ein verschmitztes Lächeln gepaart mit einer sehr großen Portion Erleichterung und Wiedersehensfreude zierte sein Gesicht, als er ihr diesen Gruß zurief und auf sie zu schritt.


    "Die Halle straht gleich in einem ganz anderen Glanz, meine allerliebste Laevina. Ich danke den Göttern, dass du endlich hier bist."


    Bei ihr angekommen, blieb er stehen, um sie die Begrüßung und die neue Umgebung verarbeiten zu lassen und auch, um in ihrem Gesicht zu lesen, wie es ihr nach der langen Reise ging.

    Cornelius Palma hätte genre noch weiter über das Collegium, die Disciplina Etrusca und die allgegenwärtigen Magier geplaudert, aber da sein Klient offenbar ein anderes Thema ansprechen wollte, gewährte er ihm diese Bitte. Für ein Gespräch über das Collegium konnte er ihn ja immer noch später einbestellen.


    "Gerne, die Salutatio ist schließlich die Zeit der Klienten. Welches Anliegen liegt dir auf dem Herzen?"

    Während der Rede des Decimers wanderten die Augenbrauen des Cornelius Palma leicht nach oben, was weniger am Inhalt des Gesagten als an der Form lag. Tatsächlich hörte er inhaltlich nichts Neues und er konnte nicht leugnen, dass der Decimer ein bemerkenswertes rhetorisches Talent besaß, das ihn zu früheren Zeiten in Griechenland zweifellos zu einem prominenten Demagogen gemacht hätte. Da Cornelius Palma allerdings nicht im Griechenland früherer Zeiten saß, sondern hier und jetzt in einem kleinen Raum in der Regia des Cultus Deorum, ließ er sich von der feurigen Rede nicht mitreißen, zumal er ihm den braven, idealistischen, stumpf seine Pflicht erfüllenden Soldaten eh nicht abnahm. Und wenn er doch genau so ein simpler Kopf war, konnte er ihn als hochrangigen Präfekten auch wieder nicht gebrauchen.


    "Decimus, spare dir deinen feurigen Worte für deine nächste öffentliche Rede. Wir sitzen hier unter sechs Augen und dem Blick der Götter in einem mäßig belüfteten und beleuchteten Büro der Regia und wenn alles so läuft wie geplant, weiß außer uns niemand, dass wir uns hier überhaupt treffen. Auf rhetorische Blüten kann ich hier gerne verzichten und mich lieber um die Fakten kümmern. Und du hast meine Frage nicht beantwortet: Hat Vescularius Salinator deiner Meinung nach seine Anhänger von Verbrechen abgehalten und nach Eintracht gestrebt?"


    Cornelius Palma nahm nicht an, dass sein Gegenüber so dumm war zu übersehen, dass eine klare Distanzierung von seinem Vorgänger wohl das mindeste war, was er hören wollte. Im Gegenzug war er gerne bereit, seinem Gegenüber ebenfalls seine Fragen zu beantworten.


    "Ich strebe die Einheit an, indem ich im Gegensatz zu dir eben nicht jede Kleinigkeit aufrechne und nicht jede Entscheidung so negativ wie möglich auslege. Nenne mir die Namen jener, die ich geächtet habe. Nenne mir die Namen jener, die ich öffentlich als Tyrannenschergen diffamiert habe. Zeige mir die von mir veröffentlichten Proskriptionslisten - ich zeige dir die des Vescularius Salinator. Nenne mit die Namen jener, die ich ans Ende des Imperiums versetzt habe - ganz abgesehen davon, dass genau dort, am Ende des Imperiums, unsere Grenzen verteidigt werden und ich einst selber an diesen Grenzen stand, genauso wie du, der stolz darauf ist, dort Dienst getan zu haben. Ich bin offen für jeden, der in die Zukunft blickt und nicht die Vergangenheit aufrechnet. Kommst du mit?"

    Hatte sich Cornelius Palma eben noch gefreut, dass ihm der Pontifex pro magistro einen wohlvorbereiteten Vorschlag gemacht hatte, so hängte er ihn diesmal mit zunehmender Rededauer zusehens ab. Trotzdem verzichtete er darauf, ihm ins Wort zu fallen, musste dann aber gedanklich noch einmal einige Schritte zurück gehen.


    "Einen Moment bitte. Ich konnte dir nicht ganz so schnell folgen. Wir sprachen doch gerade davon, die seit Iulianus übliche Regelung, dass kein Mann das Atrium Vestae betreten durfte, durch eine andere zu ersetzen. Wie konnte es dann unter der bestehenden Regelung rechtlich möglich sein, dass Vescularius legal das Testament persönlich abholte?"


    Cornelius Palma blickte fragend, auch wenn die Antwort letztlich keinen Unterschied machte, da ja die Zugangsregelung eben geändert werden sollte und dann zweifellos ein Zugang zum Archiv ebenso geregelt werden musste.


    "Allerdings sehe ich ein, dass es einer Regelung bedarf, wie Testamente ausgegeben werden, zumindest jenes des Imperators. In der Tat erscheint es mir da am einfachsten zu verfügen, dass es von einer Vestalin ungeöffnet in den Senat gebracht werden muss, um dort öffentlich verlesen zu werden."

    Trotz aller Bemühungen hatte Cornelius Palma nicht verhindern können, dass die Salutationes durch seine Klienten nicht noch unpersönlicher abliefen, als es die öffentlichen Audienzen schon waren. Während da die Gäste wenigstens noch laut aufgerufen wurden und Cornelius Palma zumindest bei den meisten einige öffentliche Worte sprach, kam es bei der Salutatio nicht selten vor, dass die Klienten nur kurz einen Blick auf ihn werfen konnten und ihre Anliegen an die Sekretäre weitergeben mussten. Ausnahmen gab es natürlich für die ranghohen Klienten, die entsprechend ihres Ranges auch nur selten kamen und schon deshalb etwas erhöhter Aufmerksamkeit bedurften, damit nichts verpasst wurde.


    "Senator Aurelius Lupus. Wie geht es dem Collegium der Haruspices?"

    "Ich schließe aus der Antwort, dass es nicht dein eigenes Betreiben war, das dich auf die Liste der Kandidaten gesetzt hat? Wärst du denn bereit und in der Lage, dieses Amt anzutreten und auszufüllen?"


    Diese Rückfrage bot sich an und machte je nach Antwort jede weitere Diskussion überflüssig. Allerdings nahm Cornelius Palma nicht an, dass man ihm den Namen vorgelegt hatte, wenn der Consular nun ablehnen würde.

    Cornelius Palma fühlte sich nicht übermäßig gut in der Lage, hinter die Fassade eines anderen Mannes zu blicken, so dass er schwer beurteilen konnte, wie ernst es dem Decimer nun weiterhin war. Der Tonfall erschien ihm weiterhin gemäßigt, vor allem im Vergleich zu früheren Gesprächen. Und dass er scheinbar ein Aufbrausen unterdrücken musste im Laufe seiner Antwort, machte ihn in Cornelius Palmas Augen dann tatsächlich recht glaubwürdig. Dementsprechend versuchte Cornelius Palma, seine Gesichtszüge angesichts der Wortwahl nicht zu sehr verhärten zu lassen und atmete noch einige Mal durch, ohne Decimus Serapio anzusehen, bevor er antwortete.


    "Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Der Bürgerkrieg war eine Katastrophe, wir benötigen Frieden und müssen für Eintracht sorgen. Rom braucht uns. Und du stehst also auch zu Rom. Wie standest du zu Vescularius Salinator? War er für dich auch ein rechtmäßiger Kaiser? Hat er seine Anhänger von Verbrechen abgehalten und nach Eintracht gestrebt?"