Beiträge von APPIUS CORNELIUS PALMA

    Der Bote in dem schweren Wollmantel konnte sich ein leichtes Sschmunzeln nicht verkneifen, als die naiven Wachposten argwöhnisch ihre Waffen zogen und ihn bedrängten. "Ihr armen Steinchen in einem großen Spiel! Selbst ich durchschaue nur einen Bruchteil dessen, was hier vor sich geht. Aber spart euch euren Atem, denn es könnte damit bald zu Ende sein. Ich bin unbewaffnet und folge euch gerne."

    Ein einsamer Reiter, gehüllt in einen schweren Wollmantel, erreichte das Marschlager der Classis Misenensis. Er konnte nicht erkennen, welche Truppen und wie viele hier genau lagerten, ob er überhaupt noch rechtzeitig gekommen war oder ob schon alle nennenswerten verantwortlichen Offiziere wieder auf dem Weg nach Süden waren. "Salve!", grüßte er den Posten am Tor. "Lagert hier die Classis Misenensis? Ich bringe Nachrichten von dem, wegen dem ihr hier seid." Sprachs und reichte dem Posten eine versiegelte Wachstafel.




    Söhne des Mars, Männer vom Tiber! Noch ist nicht zu spät, eure Position zu überdenken und die Götter zu befragen, ob ihr auf dem richtigen Weg seid, wenn ihr euch von einem Verräter in die Schlacht schicken lasst. Ich überlasse es euch zu entscheiden, ob ihr Vescularius Salinator für einen Mörder haltet, aber ich kann euch versichern, dass er ein Betrüger ist, denn sein Name stand niemals im Testament des Ulpius Aelianus Valerianus! Diesen Namen hat er verraten und euch alle getäuscht, um nach Macht zu greifen die ihm nicht zusteht. Ihr werdet nicht Verräter sein sondern Helden, wenn ihr euren Eid auf diesen Lügner brecht und stattdessen an der Seite jener kämpft, die ihn von seinem gestohlenen Platz stoßen werden. Empfangt nicht länger Sold von einem Verräter, der euch beschenkt mit Gold, dass er durch seine Berührung schändet. Lasst euch lieber reich belohnen von dem, der diesen Frevel beenden wird. Noch ist es nicht zu spät für diese Tat und dafür möge Mars mein Zeuge sein.


    Ap. Cornelius Palma

    Mit jedem Tag, an dem die Truppen von Cornelius Palma weiter gegen Rom vorrückten, stieg sowohl seine Selbstsicherheit als auch seine Nervosität. Irgendwann musste schließlich einmal damit zu rechnen sein, dass etwas gegen ihn unternommen wurde. Damit, dass sich in Rom die Cohortes Urbanae oder die Praetorianer gegen Salinator wandten und ihn beseitigten, rechnete er nicht, auch wenn das für seine Plänen natürlich besonders günstig wäre. Mit verschiedenen Mitteln hatte er hier und dort versucht, Überläufer zu gewinnen, aber bisher ohne Erfolg. Doch auch hier bemühte er sich weiter, so wie er seine Truppen unermüdlich weiter auf Rom zutrieb. Wobei er die tägliche Marschleistung ein ganz klein wenig reduzierte, damit sich seine Männer etwas besser erholen konnten. Er kam lieber ein oder zwei oder auch drei Tage später in Rom an und dafür siegreich, als mit schnellen Schritten und müden Männern geradewegs in eine Niederlage zu marschieren.

    Eine Woche war inzwischen herum, die Truppen kamen gut voran und noch waren keine Anzeichen von organisierter Gegenwehr zu erkennen. Aber Cornelius Palma machte sich keine Illusionen, dass sie beobachtet werden würden, dass man vermutlich sowohl an Land als auch vom Wasser aus jeden ihrer Schritte verfolgte und dass Rom stündlich über den Stand ihres Vormarsches unterrichtet wurde. Wo immer es möglich war, versuchte Cornelius Palma daher Informationen zu bekommen, was die Gegenseite planen würde, wo Truppen gesehen wurden und wer wen unterstützte. Händler, die auf dem Weg von Norden nach Süden waren, wussten zuweilen Nützliches zu berichten und in den Hafenstädten konnte man hier und dort etwas über Schiffe der Classis berichten. Zulauf für sein Heer erhielt Cornelius Palma dagegen nur spärlich. Hier und dort ein paar Tagelöhner, die zu dieser Jahreszeit keine Arbeit fanden und daher gerne in seine Dienste traten, mehr war in den alteingesessenen Landstädten im Süden Italias nicht zu bewegen. Aber Cornelius Palma war schon froh, wenn er hier in Italia freudlich begrüßt wurde und die Grundstimmung positiv war. Das deutete zumindest darauf hin, dass man ihn nicht für das schlimmere Übel hielt.

    Zwei bis drei Wochen bis Rom lautete die Vorhersage. Freilich nur, wenn sie nicht aufgehalten wurden, wovon allerdings mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen war. Aber bis dahin wollte Cornelius Palma so weit wie möglich gekommen sein. Immerhin brauchte ein reitender Bote von Rhegium bis nach Rom wohl nicht einmal drei Tage. Was nichts anderes bedeutete als dass er jetzt, wo sie selber gerade Cosentia hinter sich gelassen hatten, schon in Rom eingetroffen sein müsste.


    Palma hoffte, dass ein schnelles Vorrücken Städte auf seine Seite brachte, vielleicht sogar Offiziere zum Überlaufen brachte oder zumindest seinen Gegner in Rom zu unüberlegten Handlungen trieb. Denn was er auch tat, immer musste Cornelius Palma auf Kriegsglück und Geschick setzen und konnte sich nicht einfach auf seine Truppenmassen verlassen, Zumal hier nun hinzu kam, dass ihm keine genaueren Angaben über Stärke und Truppenverteilung der Classis Misenensis vorlagen. Nach allem was er wusste, hatte man Teile der Marineinfantrie nach Norden verlegt, was ihm nun sehr zu Gute kam, aber ob er trotzdem schon zeitig mit gegnerischen Verbänden rechnen musste oder ob nicht plötzlich doch in seinem Rücken die Classis Ravennas wieder auftauchen würde, wusste er nicht. Und beides war ein Grund, weiter so schnell wie möglich vorzurücken.

    Noch am selben Tag wie die Speerspitze seiner Truppen landete auch Cornelius Palma in Rhegium. Zufrieden hatte er schon bei der Überfahrt gemerkt, dass die Überraschung mit der Landung geglückt war und die kleinen Patrouillenverbände der Classis Misenensis seiner zusammengekauften Flotte keinen nennenswerten Widerstand leisten konnten. Auch in Rhegium selber fand er alles so vorbereitet wie er es erhofft hatte. Der Hafen war verhältnismäßig leer, so dass alle seine Schiffe bequem anlanden und entladen konnten. Wieder einmal hatten sich die immensen Investitionen gelohnt, ohne die er die Überfahrt nicht so reibungslos hätte gestalten können. Vielmehr als eine Legion zählten seine Truppen nicht mehr, nachdem er einen Teil schonn in Asia minor hatte zurücklassen müssen und ein Teil in Achaia für die Blockade gegen Marius Turbo geopfert wurde. Aber immerhin waren tausende kampfbereite Männer deutlich mehr, als man hier in der Südspitze Italias überhaupt erwarten könnte. Und genau dieses Überraschungsmoment, das auch das Argument gegen eine Landung in Brundisium oder einem anderen Ort im Südosten gewesen war, wollte Cornelius Palma nun ausnutzen. Da störte es ihn auch nicht, dass man ihm von einer kleinen lokalen Garnison der Classis berichtete, die sicher schnell Alarm schlagen würde. Palma hatte ohnehin nicht damit gerechnet, dass seine Landung unbemerkt bleiben würde.


    Während er einen Großteil seiner Truppen rasch auf die Straße nach Norden schickte, gönnte er sich selber allerdings etwas mehr Zeit, mit den Honoratioren der Stadt zusprechen, um auch sie vollends auf ihre Seite zu bringen. Die Südspitze Italias bedeutete in gewisser Weise auch ein klein wenig Kontrolle über Sicilia, und dies wiederum bedeutete ein noch kleineres Körnchen Kontrolle über ganz Italia und Rom. Und nichts anderes als die Kontrolle über Rom war sein Ziel.

    Noch hielten sich die Verteidiger sicher auf den Wällen und konnten sich nun auch damit motivieren, dass sie immerhin schon bis zur Morgendämmerung durchgehalten hatten. Der Himmel wurde langsam aber merklich heller, der Druck des Gegners ließ aber keineswegs nach. Längst hatten Kaeso Triarius Barbillus und seine Offiziere die Männer vorne an der Front mehrfach auswechseln lassen, damit immer frische Kräfte vorne standen. Die Ärzte hatten inzwischen alle Hände voll zu tun und Tote gab es natürlich auch schon zu beklagen. Viel Zeit dafür blieb aber nicht, denn selbst wenn an einer Seite der Blockadelinie mal etwas mehr Ruhe war, bedeutete dies meist nur, dass an der anderen Seite ein besonders schwerer Ansturm abgewehrt werden musste.


    Mit dem aufziehenden Tageslicht wurde auch die Größe des Angriffs mehr und mehr sichtbar. Das Vorfeld hatte der Gegner ganz und gar unter seiner Kontrolle, weder Gräben noch Fallgruben bedeuteten irgendeine Gefahr mehr. Kaeso Triarius Barbillus und seine Leute mussten sich ganz auf ihre eigene Kampfkraft verlassen und darauf hoffen, dass Marius Turbo mit ihnen gnädig sein würde, wenn sie den Widerstand schlielich irgendwann entkräftet zusammenbrechen lassen mussten.

    Die Anweisungen von Cornelius Palma wurden schnell und tatkräftig umgesetzt. Auch selber versäumte er es nicht, erst ein großes Opfer an Neptun für die kommende Überfahrt und dann noch eines an Mars für die bevorstehenden Kämpfe abzuhalten, bevor er sich im Lager und an den Botsanlegern zeigte, um seinen Männern Mut zu machen und sie anzuspornen. Soweit es ging, waren die Truppen durch Freiwillige verstärkt worden. Viel machte es nicht aus, aber da noch immer ein erheblicher Teil der Truppen in Asia minor festsaß, zählte jeder Mann. Eine komplette Legion hatte Cornelius Palma dabei, dazu Teile weiterer Legionen und einige wenige Hilfstruppen. Gerne hätte er mehr gehabt, aber mehr passten ohnehin nicht auf die Schiffe, die zur Überfahrt nach Italia zur Verfügung standen.


    Wie befohlen legten die ersten Schiffe schon mitten in der Nacht ab, als nur der Mond das Meer erhellte. Bis zur Dämmerung waren alle Truppen unterwegs nach Italia. Zurück blieb nur eine Nachricht, die die Stadtherren an Marius Turbo übergeben sollten, falls er den alten Lagerplatz der Truppen erreichte.


    Im Osten mussten sich die dort verliebenen Heerführer allerdings etwas gänzlich Neues ausdenken. Die Classis Ravennas hatte sie recht weit zurückgedrängt und an weitere Erfolge auf See war nicht mehr zu denken. Der Seeweg über das Mare Aegaeum war damit effektiv versperrt. Also musste der Landweg her, wenn man überhaupt so etwas wie Unterstützung leisten wollte. Immerhin gab es dafür eine gut ausgebaute Straße, die nach Norden führte, aber allen war klar, dass sie auf diesem Weg letztlich viel zu spät in Italia eintreffen würden. Die Geschichte würde ohne sie weitergeschrieben werden.

    Der Speerhagel der Verteidiger zeigte durchaus die erhoffte Wirkung, konnte den Angriff aber wie erwartet nicht zum Erliegen bringen. Die Geschütze schossen weiter, während die Soldaten nun zu Steinen als Wurfmaterial griffen, um sich auf den Kampf um die Wälle vorzubereiten. Die Gräben waren zwar noch nicht an allen Stellen völlig aufgegeben worden, aber früher oder später würden sie verfüllt sein und kein nennenswertes Hindernis mehr für den Gegner darstellen. Aber nicht nur bei den Angreifern gab es Verluste, auch die Verteidiger mussten die ersten Soldaten auswechseln, die von Speeren, Pfeilen oder Schleuderbleien getroffen worden waren. Die Geschütze versuchten verstärkte, die Positionen der gegnerischen Schützen unter Beschuss zu nehmen, um sie zumindest zu vertreiben und dadurch daran zu hindern, weiter zu schießen.


    Möglichst nahe hinter den Wällen und trotzdem so geschützt wie möglich, eilte Kaeso Triarius Barbillus von Stellung zu Stellung, um sich selber ein Bild von der Lage zu machen und die Soldaten durch seine Anwesenheit moralisch zu unterstützen. Dass der Angriff von mehreren Seiten erfolgte, hatte er erwartet, machte ihm seine Aufgabe aber nicht leichter, denn so musste er ständig in Bewegung bleiben, um keinen Abschnitt zu vernachlässigen.

    Die Verteidiger hatten sich auf den Alarm hin eilig und tatendurstig auf den Wällen versammelt, wo Unmengen an Wurfgeschossen aller Art bereitlagen, um den Ansturm aufzuhalten. Mehrere tiefe Gräben zierten das Vorfeld, dazu kamen hölzerne Verhaue mit angespitzten Hölzern, Fallgruben und spitze Eisenhaken im Boden. Auch die Wälle waren, wo immer es ging, besonders hoch und steil angelegt worden. Und oben auf diesen Wällen standen nun die Legionäre und warteten darauf, bis die ersten schmerzerfüllten Schreie aus den Reihen der Gegner andeuteten, dass die ersten Fallgruben erreicht waren. Das war für die Verteidiger nämlich gleichbedeutend damit, dass sie in Reichweite der Fernwaffen waren. In der Dunkelheit fiel es den Geschützmannschaften aber schwer, so zielgenau wie üblich zu schießen, so dass sie mehr auf gut Glück in die lärmende Masse schossen. Irgendwas würden sie schon treffen. Hinzu kamen die Speere, die geschleudert wurden, als die Angreifer die ersten Gräben erreichten.

    Es war ein etwas längerer Weg als jener von Marathon nach Athen gewesen, den der Bote zurückzulegen hatte und seine Nachrichten waren dazu auch nicht annährend so gut wie die seines berühmten Vorgängers. Er hatte nichts weiter zu vermelden, als dass der Blockade von Thebae ein massiver Angriff bevorstand und genaugenommen konnte er damit rechnen, dass die Blockade schon erfolgreich gebrochen war, wenn er das Lager von Cornelius Palma überhaupt erreichte. Und Cornelius Palma rechnete ebenso, als ihn die Nachricht erreichte. Er ließ seine Vertrauten zu sich kommen.


    "Die Stunde des letzten, wagemutigen Schritts scheint gekommen zu sein. Das Heer der unteren Donau hat die Blockade von Thebae erreicht und es ist wohl selbst mit der besten Unterstützung der Götter dann nur noch eine Frage von Stunden, bis sie hier eintreffen werden. Der zweite Teil unserer Armee hat es nicht geschafft, das Mare Aegaeum rechtzeitig zu überqueren, so dass wir mit dem Aufbrechen müssen, was wir haben. Ich gebe zu, es ist wenig, was wir aufbieten können, aber es ist genug, um das Wagnis einzugehen. Die Götter werden mit uns sein. Vielleicht wir man in Italia unsere Invasion schon erwarten. Hier, in Calabria, vielleicht in Tarentum oder Brundisium. Das ist der kürzeste Weg. Aber dort würden wir verlieren. Aber ich werde gewinnen, weil ich den längsten Weg nehme. Hier, in Rhegium werden wir an Land gehen und dann gegen Rom ziehen. Wir brechen noch diese Nacht auf. Der Mond ist hell genug. Macht alle Schiffe klar und opfert den Göttern. Wir werden diesen Schritt tun, wir werden Erfolg haben und wir werden Rom befreien!"

    Mit jedem Tag, den die feindlichen Truppen weitgehend tatenlos vor der Blockade lagen, ahnte Kaeso Triarius Barbillus mehr, was auf sie zukommen würde. Es war ganz eindeutig die Ruhe, auf die der Sturm folgen musste. Und so wie es aussah, würde es ein heftiger Sturm werden. Kaeso Triarius Barbillus zeigte sich daher immer wieder bei seinen Soldaten auf der Verschanzung, feuerte sie an, die Gräben noch tiefer auszuheben und die Wälle noch besser zu befestigen und machte sie heiß auf das kommende Gefecht. Eine doppelt schwere Aufgabe, denn erstens wusste er, dass sie die Stellung nicht ewig würden halten können und zweitens würde hier Römer im Kampf gegen Römer ihr Leben lassen. ABer es war für eine gute Sache, denn auch wenn er keinen Groll gegen den Feldherren der Gegenseite hegte, so musste er ihn doch aufhalten, da dieser eindeutig auf der falschen Seite stand. Viel lieber würde er ihm dies aufzeigen, ihn mit seinem Heer zum Anschluß an Palma bewegen, um gemeinsam neue, zusätzliche Kräfte gegen Salinator zu mobilisieren, aber dazu bot sich keine Gelegenheit. Und Kaeso Triarius Barbillus war auch nicht der Mann, der sich als Unterhändler auf den Weg gemacht hätte, um mit Quintus Marius Turbo zu verhandeln. Dafür hätte Palma einen anderen schicken müssen. Kaeso Triarius Barbillus war hier, um die Blockade von Thebae so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.


    In der Nacht wurde er geweckt. Die Wachen berichteten von Lärm und Licht im Lager der Gegner. Kaeso Triarius Barbillus war sofort wach und verlangte nach seiner Rüstung. "Sie kommen."

    Unerbittlich lief die Zeit, aber noch immer lief sie für Cornelius Palma. Doch die Luft wurde dünner. Von dem nach Norden vorgeschobenen Teil seiner Armee hatte er erfahren, dass die Armee der unteren Donau Thebae erreicht hatte und dort auf seine Blockade traf. Jetzt war es endgültig nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn erreichen konnten. Wenn die Blockade fiel, blieben ihm kaum mehr als maximal zwei Tage, um mit allen seinen Truppen nach Italia überzusetzen. Cornelius Palma wusste dies und es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich darauf vorzubereiten.


    Auch aus Italia drangen keine unbedingt beruhigenden Nachrichten zu ihm, sondern es wurde von großen Truppenaufmärschen in Oberitalien berichtet. Ein Zusammentreffen der ihn unterstützenden Truppen aus Germania und den salinatortreuen Truppen aus dem Illyricum stand wohl unmittelbar bevor. Eingreifen konnte Cornelius Palma dort sicher nicht, aber falls das Treffen ungünstig ausfiel, durfte er Salinator auch auf keinen Fall genug Zeit lassen, um Truppen in den Süden Italias zu verlegen. Von dort hörte er bisher erstaunlicherweise nichts beunruhigendes.


    Dafür hatten seine kleinen Maßnahmen entlang der Küste Erfolg. Weitere Städte sicherten ihm Unterstützung zu und stellten Schiffe oder sogar freiwillige Kämpfer und weitere Schiffe der Classis Ravennas konnten auf der unvorsichtigen Vorbeifahrt eingesammelt werden. So langsam nahm seine Flotte auf diesem Wege eine Größe an, mit der er die Überfahrt nach Italia wagen konnte. Seine ersten Späher waren ohnehin schon dort und bereiteten sein Landemanöver im Verdeckten vor.

    Die Ankunft des Feindes blieb den Soldaten bei Thebae nicht lange verborgen, so dass diese ihrerseits Erkunder los schickten, um den Aufmarsch der gegnerischen Truppen zu beobachten und ihre tatsächliche Stärke einzuschätzen. Nicht nur für die eigenen Maßnahmen war das wichtig, sondern auch um Palma Meldung zu machen, wie viel Zeit sie ihm noch erkaufen konnten, bevor er nach Italia übersetzen musste, wenn er nicht in Achaia gestellt werden wollte. Kaeso Triarius Barbillus, der Kommandeur der Blockade, ließ sich ständig unterrichten und ritt auch selber mit hinaus, um sich mit eigenen Augen ein Bild von der Lage zu machen.


    Da seine Truppen schon länger in dem Gebiet lagen, hatten sie Vorteile in der Ortskenntnis, die sie sofort auszunutzen versuchten, indem sie gegnerische Kundschafter in einen Hinterhalt lockten. Auch Versorgungs- und Bautrupps, die die frisch eingetroffenen Truppen mit Wasser, Nahrung oder Baumaterial für ihr Lager versorgen wollten, gehörten bald zu ihrem bevorzugten Angriffsziel. Wo immer es ging, versuchten Palmas Truppen dem Gegner das Leben schwer zu machen, bevor dieser sich in einem Lager einrichten konnte und vor allem, bevor dieser in voller Stärke aufmarschiert war. Denn Zeit blieb der wichtigste Faktor, da es auf Dauer kaum möglich sein würde, die zahlenmäßig überlegene Armee der unteren Donau wirksam aufzuhalten. Aber bis dahin waren die Soldaten bereit, alle Kräfte einzusetzen und an ihre Grenzen zu gehen. Wenn es sein musste, auch noch darüber hinaus.

    Während im Mare Aegaeum die kaisertreue Classis Ravennas Jagd auf die zu Palma übergelaufene Classis Syriaca machte, drehte selbige im Mare Ionium den Spieß um. Dabei gingen die Schiffe, die an Corithus vorbei dort hin gebracht worden waren, allerdings wesentlich subtiler vor, denn das, was Cornelius Palma am allerwenigsten gebrauchen konnte, war nun die Aufmerksamkeit des Gegners an dieser Stelle. Solange die Classis Ravennas im Mare Aegeum operierte, die Donaulegionen Achaia noch nicht erreicht hatten und in Italia noch niemand mitbekommen hatte, wie nah er mit der Speerspitze seiner Truppen schon war, konnte er seine Position perfekt ausnutzen. Dementsprechend vorsichtig ließ er seine Schiffe zu Werke gehen, wenn sie sich an der Classis Ravennas vergriffen. Keine Zeugen durfte es geben und vor allem keine flüchtenden Schiffe, die die Übergriffe melden und dadurch Alarm schlagen konnten. Es reichte Cornelius Palma völlig, wenn ihm mit einer schnellen Piraterieaktion in der Dämmerung oder im Morgengrauen ein kleiner, scheinbar unwichtiger und daher schlecht gesicherter Nachschubverband in die Hände fiel. Jedes Schiff, dass er erbeuten konnte, ersetzte zumindest einen Teil der Verluste, die er im Mare Aegaeum zeitgleich unweigerlich erlitt. Zudem störte jeder abgefangene Verband die Kommunikation und den Nachschub des Gegners. Und nicht zuletzt konnte man die gefangengenommenen Soldaten entwaffnen, um Waffen für eigene Freiwilligentrupps zu gewinnen.


    Cornelius Palma wusste, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Jeder Tag erhöhte die Chance, dass die Classis Ravennas schwere Verbände zurück in Mare Ionium und Mare Adriaticum schickte oder Unterstützung von der Classis Misenensis erhielt. Jeder Tag erhöhte außerdem die Chance, dass die Donaulegionen Achaia erreichten. Aber noch ermöglichte ihm auch jeder Tag eine bessere Vorbereitung der Überfahrt nach Italien und erhöhte zudem die Chance, dass Truppen aus Asia zu ihm nachrücken konnten.

    Mit jeder Stunde, die seit der Landung in Achaia und der Teilung der Truppen vergangen war, wurde die Lage für Cornelius Palma unübersichtlicher, weil schwieriger zu kontrollieren. Einem Teil seiner Flotte war es hoffentlich gelungen, noch vor der herannahenden Classis Ravennas nach Osten zu gelangen, um den dort wartenden zweiten Teil des Heeres aufzunehmen. Verifizieren konnte Palma diese Hoffnung nicht, denn das Risiko einer Nachrichtenübermittlung mitten durch den umkämpften Westen des Mare Aegaeum war viel zu hoch. Der zweite Teil der Flotte schlug sich genau dort hoffentlich tapfer gegen die Classis Ravennas, aber auch das konnte Cornelius Palma derzeit nicht verifizieren. Lediglich über den dritten Teil der Flotte wusste er Bescheid, denn dieser war unter seiner Aufsicht auf dem Diolkos über den Isthmus gezogen worden, um nun für die Weiterfahrt des Heeres nach Westen Richtung Italia bereitzustehen. Starten wollte Cornelius Palma dieses Unterfangen aber erst, wenn ihm seine Mittelsmänner berichten konnten, dass das Mare Ionium für ihn relativ sicher war, weil sich alle stärkeren Flottenverbände gerade irgendwo anders aufhielten. Cornelius Palma nutzte die Zeit, mit größeren Mengen Geld einige Küstenstätte auf seine Seite zu bringen, um ihm freiwillig weitere Schiffe zu stellen oder zumindest der Classis Ravennas bei der Suche nach Proviant das Leben schwer zu machen. Ein paar gezielte Falschmeldungen waren auch dabei, um vielleicht den einen oder anderen Kommandeur zum Überlaufen zu bewegen.


    Der Aufwand war gerechtfertigt, denn alles war sich Cornelius Palma nicht erlauben konnte war der Verlust weiterer Truppenteile auf dem Weg Richtung Italia. Ein Teil seiner Armee stand noch immer in Asia und einen Teil hatte er nach Norden geschickt, um mit der Blockade von Thebae ein Nachrücken gegnerischer Truppen nach Achaia zu verhinden. So blieb ihm nur ein kleiner Teil seiner Armee, mit dem er baldmöglichst nach Italia übersetzen konnte, wo er hoffentlich auf den Überraschungseffekt bauen konnte.

    Nicht einmal eine komplette Legion hatte Cornelius Palma aus seinem Heer abgezweigt, vom nach der Landung in Corinthus nach Norden zu ziehen, vorbei an Athenae, um nach Thebae zu gelangen, wo die Straße nach Norden in die Provinz Macedonia abzweigte. Nicht einmal eine Legion, die eine Streitmacht aufhalten sollte, die nach seinen letzten Informationen aus sicherleich drei Legionen bestand, vielleicht auch vier oder gar fünf, plus die zugehörigen Auxiliareinheiten. Aber Cornelius Palma machte sich keine Sorgen um den Erfolg seines Vorhabens, denn er kannte die Vorzüge des gebirgigen Landes und er hatte das Unternehmen einem fähigen Kommandeur aus seinem Gefolge anvertraut.


    Jener Mann, Kaeso Triarius Barbillus, hatte schon in mehreren Legionen gedient, zunächst als Tribun, später als Kommandeur, und vor allem Cornelius' Bruder in Britannien gute Dienste geleistet. Nun lautete sein Auftrag, seinem Kaiser den Rücken frei zu halten und die anrückenden Truppen aus dem Norden so lange aufzuhalten wie es ging. Und das wollte erreichen, indem er sie so lange wie möglich von Thebae fern hielt. Einige Meilen nördlich der Stadt ließ er daher das Lager aufschlagen und schwer befestigen. Zusätzliche Wälle im Umland wurden ausgehoben und die breite Straße vollständig blockiert. Soweit es die kurzer Zeit und die geringe Mannstärke zuließ, wurden gigantische Massen an Nachschub herangeführt, um eine lange Belagerung auszuhalten und auch, um den anrückenden potenziellen Belagernern selber die Möglichkeit zu nehmen, sich in der nahen Umgebung Nachschub zu beschaffen.


    Fast ohne Pause stand Kaeso Triarius Barbillus selber bei seinen Truppen, spornte sie hier zum Ausheben tieferer Gräben an, lobte dort die Menge an beschafften Gütern, begleitete anderenorts eine Expedition in eine benachbarte Siedlung, um den Forderungen der Soldaten den nötigen Nachdruck zu verleihen. Trotzdem verrann die Zeit schneller, als ihm lieb war, und mit dem Eintreffen eines gegnerischen Heeres aus dem Norden war immer dringender zu rechnen.

    Aus der Sicht von Cornelius Palma hätte es kaum besser laufen können: Der Wind hatte günstig für seine Truppen gestanden und alle Schiffe hatten anlanden und die Soldaten in Achaia absetzen können, bevor die herannahende Flotte aus Ravenna sie aufhalten konnte. In zügigem Marsch hatte er seine Soldaten westwärts führen können, auf die Westküste Achaias zu und damit Italia entgegen.


    Der Clou seines Manövers lag zu diesem Zeitpunkt jedoch im Einsatz der Flotte, die er in drei Gruppen hatte teilen lassen: Die erste Gruppe verließ Corinthus in südöstlicher Richtung, um der Classis Ravennas entgegen zu fahren und ihr dadurch Widerstand zu bieten. Lange würde dieser nicht halten, aber es sollte reichen, um ihre Fahrt zu verlangsamen. Diese Verzögerung sollte die zweite Gruppe nutzen, um ungehindert wieder nach Osten zu fahren, wo in Halicarnassus der restliche Teil der Armee auf eine Gelegenheit zum Übersetzen wartete. Der dritte Teil schließlich sollte auf dem Diolkos über den Isthmus gezogen werden, um so westlich von Corinthus wieder eingesetzt zu werden. Der Diolkos war zwar nicht in seinem besten Zustand, da seine verkehrstechnische und militärische Bedeutung zuletzt abgenommen hatte, aber Cornelius Palma kam diese Abkürzung allemal mehr als gelegen. Schließlich brauchte er auf der westlichen Seite zum Übersetzen nach Italia wieder Schiffe und er konnte sich nicht alleine auf Hilfe seiner Verbündeten, Überläufer und gekaperte Schiffe aus der Classis Ravennas und Classis Misenensis verlassen, auch wenn diese durchaus einkalkuliert waren.


    Ähnlich wie die Flotte teilte Cornelius Palma seine Armee in zwei Teile: Der weitaus größere Teil macht sich bereit für eine weitere Verschiffung nach Westen, während der kleinere Teil ein Stück nach Norden zog, um den Isthmus gegen die zu erwartenden Truppen der Donauarmee abzuriegeln. Allzu weit schickte er sie dabei nicht voraus, denn das war ein unnötiges Risiko. Es reichte völlig, wenn sie den Gegner abfingen und ihm das Leben schwer machten, sobald er die Grenze zwischen Macedonia und Achaia überschritten hatte.

    Immer nach Westen, mit starken Ruderschlägen und am besten mit günstigem Wind. Am ersten Tag Delus und Naxus erreichen, am zweiten Ceus und Cythnus, am dritten dann die Küste Achaias. Das war der Plan und er musste klappen, ohne auf die Classis Ravennas zu treffen. Cornelius Palma betrachtete diesen Teil seines Plans als den gefährlichsten, da er mit dem Krieg zur See wenig Erfahrung hatte. Er kannte nur die vielen Inseln und hoffte auf die Möglichkeiten, sich mit seinen Schiffen dort gegebenenfalls einem massiven Angriff entziehen zu können. Aber noch besser wäre es, wenn seine Schiffe schon auf dem Rückweg wären. Dann käme es auf etwas Verwirrung und kleine, verlustreiche Ablenkungsmanöver nicht an, wenn dafür der große Plan Bestand hatte.


    Und es lief gut, fast sogar schneller als erwartet. Noch vor dem Ende des dritten Tages kam die Küste Achaias in Sicht und die Schiffe konnten ungehindert in den Golf von Korinthus einlaufen. Aber noch einmal kam es darauf an, hier schnell zu sein und etwas Glück zu haben, denn wenn die Classi Ravennas sie nun hier festsetzte, würden die nachfolgenden Truppen ein Problem haben. Aber das überließ Cornelius Palma schon wieder seinen Flottenoffizieren. Selber setzte er sich an die Spitze seiner Truppen und führte sie ins Landesinnere, um die Colonia Laus Iulia Corinthiensis herum. Die Nachrichten, die ihm nach seiner Landung übermittelt wurden, klangen gut. Zwar würde er seine Truppen teilen müssen, um die von Norden anrückenden Truppen der unteren Donauarmee aufzuhalten und gleichzeitig selber Achaia zu durchqueren, während von Osten her seine übrigen Truppen gegen die Classis Ravennas kämpfen mussten, aber noch hatte sein Plan Bestand und Aussicht auf Erfolg.

    Planmäßig erreichten die Schiffe der Classis Syriaca den Hafen von Halicarnassus und legten dort an oder gingen an geschützten Stränden in der unmittelbaren Umgebung vor Anker. Cornelius Palma begab sich rasch von Bord in die Stadt, um möglichst zügig jene Dinge zu erledigen, die von Land aus erledigt werden mussten. Jetzt zahlte es sich aus, dass er die Provinz von früher kannte und auf dem Hinweg nach Osten bereits durch die Stadt gekommen war, denn so fand er weitgehend alles vorbereitet vor, wie er es sich vorgestellt hatte.


    Während die Schiffe im Hafen mit frischem Proviant ausgerüstet wurden und die ersten schon wieder ablegten, um den anderen Platz zu machen, konnte Cornelius Palma sich dann den Dingen widmen, die nicht vorbereitet werden konnten. Akribisch ging er mit seinen Getreuen die Berichte durch, die sie aus verschiedenen Teilen des Reiches erhalten hatten und sortierten sie nach Alter, Wichtigkeit und Glaubwürdigkeit. Die Donauarmee war auf Salinator vereidigt und hatte Marschbefehle erhalten, während die Truppen in Germania auf ihn vereidigt waren und sich sammelten. Wenn dies stimmte, so konnte Cornelius Palma zufrieden sein. Weniger zufrieden war er mit der Nachrichtenlage aus Africa, denn von dort wusste er kaum etwas. Gerade aus Aegyptus hätte er sich verlässlichere Nachrichten gewünscht, aber mehr als hoffen konnte er nicht. Sein Bruder in Britannia hielt sich ebenfalls bedeckt, aber bei ihm hatte er keinerlei Bedenken, dass dies ein schlechtes Zeichen sein könnte. Am wichtigsten waren aber die Meldungen aus Italia selber und dort vor allem jene über die Aktivitäten der beiden Hauptflotten. Jeder ihrer Schritte konnte entscheidend sein und für jeden Tag, an dem ihre Schiffe an einem Ort gesehen wurden, wurde genau gerechnet. Jeder Tag, den Cornelius Palma zu spät war, konnte sein Vorhaben zum Scheitern bringen. Aber noch sah es gut aus. Noch war er sich sicher, den erhofften Vorsprung zu haben.


    Bevor es dunkel wurde, versammelte er sich mit seinen führenden Offizieren und anderen wichtigen Personen auf einem großen Platz im Hafen. Man hatte ein Podest aufgebaut und einen Altar. Großzügig dankte Cornelius Palma dem Neptun für die bisherige geglückte Überfahrt und bat gleichzeitig um Schutz und Hilfe in Form günstiger Winde und ausbleibender Wellen für den zweiten Teil des Manövers. Nachdem er die Gefahr durch seine Gegner schon ausgeschlossen hatte, wollte er nun auch die Gefahr durch die Götter ausschließen. Alle Zeichen, die gedeutet wurden, fielen schließlich positiv aus, so dass alle beruhigt wieder an Bord gingen. Die ersten Schiffe machten sich im Mondlicht vor dem Morgengrauen auf den Weg.